Papst Franziskus: „Ich habe keine Angst vor einem Schisma“

Der „vermeidbare Schaden“ päpstlicher Aussagen


Papst Franziskus mit Jason Horowitz (New York Times) gestern auf dem Rückflug von Mauritius.
Papst Franziskus mit Jason Horowitz (New York Times) gestern auf dem Rückflug von Mauritius.

(Rom) Auf dem gestern erfolg­ten Rück­flug von Mau­ri­ti­us stell­te sich Papst Fran­zis­kus wie gewohnt den Fra­gen der Jour­na­li­sten. Die Ant­wor­ten fin­den grö­ße­res Inter­es­se als die offi­zi­el­len Anspra­chen, die Fran­zis­kus bei sei­nen Aus­lands­rei­sen hält. Die frei gespro­che­nen Stel­lung­nah­men geben näm­lich weit deut­li­cher und direk­ter sein Den­ken wie­der. Gestern sprach Fran­zis­kus über „Schis­men“. Die Tages­zei­tung Il Foglio bezeich­ne­te heu­te die flie­gen­den Inter­views als „ver­meid­ba­re Schäden“.

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Das freie Wort, das Fran­zis­kus bei sol­chen Gele­gen­heit pflegt, pro­vo­zie­re vor allem „Miß­ver­ständ­nis­se“ und Sät­ze, die Anlaß bie­ten, „schlecht inter­pre­tiert“ zu wer­den. Das sei aber „nicht Schuld der Jour­na­li­sten“, so der Vati­ka­nist Matteo Mat­zuzzi. Durch sein Vor­ge­hen errei­che Fran­zis­kus vor allem eines, er näh­re selbst „die Span­nun­gen“ in der Kirche.

Auch ande­re Vati­ka­ni­sten äußer­ten bereits, wenn auch iro­nisch, die Mei­nung, daß sich die Aus­lands­rei­sen des der­zei­ti­gen Kir­chen­ober­haup­tes auf ein Mini­mum redu­zie­ren lie­ßen, denn letzt­lich wür­den nur die im Flug­zeug gemach­ten Aus­sa­gen im Gedächt­nis bleiben.

Da Fran­zis­kus bei sol­chen Pres­se­ge­sprä­chen auf alles ant­wor­tet, stel­len die Jour­na­li­sten auch zu allem Fragen.

So fiel auch der berühm­te­ste Satz die­ses Pon­ti­fi­kats in luf­ti­ger Höhe. Es war gleich die erste flie­gen­de Pres­se­kon­fe­renz, Ende Juli 2013, bei der Fran­zis­kus sag­te: „Wer bin ich, um zu urtei­len?“ Der Satz ver­schaff­te ihm die Titel­sei­te der Homo-Zeit­schrift The Advo­ca­te. Eine „Aus­zeich­nung“, auf die kei­ner sei­ner Vor­gän­ger wert gelegt hätte.

Auch einen ande­ren berüch­tig­ten Satz, den ihm vie­le Katho­li­ken nach­tra­gen, sag­te er in meh­re­ren tau­send Metern Höhe im Janu­ar 2015: „Gute Katho­li­ken müs­sen sich nicht wie die Kar­nickel vermehren“.

Bei sei­ner jüng­sten Afri­ka-Rei­se vom 4.–10. Sep­tem­ber waren schon auf dem Hin­flug von ihm sol­che „Per­len“ zu hören, wie sie Mat­zuzzi nennt. Dabei kehr­te er erst­mals unge­wöhn­lich offen eine Sei­te her­vor, von der argen­ti­ni­sche Beob­ach­ter bereits 2013 spra­chen: einen tief­sit­zen­den Anti-Ame­ri­ka­nis­mus. Es sei, erklär­te Fran­zis­kus den erstaun­ten Jour­na­li­sten, für ihn „eine Ehre, von den Ame­ri­ka­nern ange­grif­fen zu werden“.

Unge­wohn­te Töne von einem katho­li­schen Kirchenoberhaupt. 

Es bedurf­te aller Klug­heit und Rede­ge­wandt­heit des sofort ein­grei­fen­den, neu­en Vati­kan­spre­chers Matteo Bruni, um den „diplo­ma­ti­schen Faux­pas“ eini­ger­ma­ßen auszubügeln.

Auf dem gest­ri­gen Rück­flug sprach Fran­zis­kus von einem „Schis­ma“, ein heik­les Stich­wort, das in der Kir­che in der Regel ver­mie­den wird. Den Anstoß gab eine Fra­ge von Jason Horo­witz, dem Vati­ka­ni­sten der New York Times, dem noto­risch kir­chen­feind­li­chen Leit­me­di­um des links­li­be­ra­len Main­stream.

Mat­zuzzi schreibt heu­te dazu:

„Das Argu­ment ist höchst deli­kat, gera­de jetzt, da die kon­ser­va­ti­ven Ame­ri­ka­ner kein Geheim­nis dar­aus machen, daß sie die der­zei­ti­ge Kir­chen­lei­tung im Vati­kan nicht mehr ertra­gen kön­nen, und die pro­gres­si­ven Deut­schen mit allem dro­hen, womit man nur dro­hen kann, wenn ihre For­de­run­gen in den kom­men­den Mona­ten nicht erfüllt werden.“

Die Anspie­lun­gen sind ein­deu­tig. Sie haben nicht nur mit dem Fall McCar­ri­ck und der Ama­zo­nas­syn­ode zu tun.

Wört­lich sag­te Fran­zis­kus gestern zum Stich­wort Schisma:

„In der Kir­che gab es vie­le. […] Das Zwei­te Vati­ca­num hat die­se Din­ge her­vor­ge­bracht, die viel­leicht bekann­te­ste Los­lö­sung ist die von Lefeb­v­re. In der Kir­che gibt es immer die schis­ma­ti­sche Akti­on, immer. Das ist eine der Aktio­nen, die der Herr der mensch­li­chen Frei­heit läßt. Aber ich habe kei­ne Angst vor den Schis­men. Ich bete, daß es kei­ne gibt, denn es steht die geist­li­che Gesund­heit vie­ler auf dem Spiel, daß Dia­log herrscht, daß es Zurecht­wei­sung gibt, soll­te es irgend­ei­nen Feh­ler geben, aber der Weg ins Schis­ma ist nicht christ­lich. […]
Dann kommt mir eine Anek­do­te in den Sinn, die ich schon manch­mal erzählt habe: Es ist das Volk Got­tes, das vor den Schis­men ret­tet, weil die Schis­ma­ti­ker immer eines gemein­sam haben, sie tren­nen sich vom Volk und vom Glau­ben des Vol­kes Got­tes. […]
Das Volk Got­tes bringt immer in Ord­nung und hilft. Ein Schis­ma ist immer ein eli­tä­rer Zustand, eine von der Dok­trin los­ge­lö­ste Ideo­lo­gie. […]
Ich bete, daß es kei­ne Schis­men gibt, aber ich habe kei­ne Angst. […]
Ich ant­wor­te auf die Kri­tik. Zum Bei­spiel die sozia­len Din­ge, die ich sage, sind die­sel­ben, die Johan­nes Paul II. sag­te. Ich kopie­re ihn. Oder der Vor­rang einer aske­ti­schen Moral vor der Moral des Vol­kes Got­tes, die Moral der Ideo­lo­gie, sozu­sa­gen pela­gia­nisch, die zur Här­te führt.“

Grund­sätz­lich begrü­ße er eine ehr­li­che Kri­tik. Was ihm aber nicht gefal­le, sei es, wenn man ihm ins Gesicht lache und zugleich das Mes­ser in den Rücken ramme. 

Doch viel­leicht fehlt es dem der­zei­ti­gen Kir­chen­ober­haupt gera­de an einer ehr­li­chen Bereit­schaft Kri­tik zu hören und auf sie ein­zu­ge­hen. Viel­leicht soll­te Fran­zis­kus sich mit ande­ren, zumin­dest auch mit ande­ren Leu­ten umge­ben, nicht nur sol­chen, die ihm auf­grund ihrer Ver­gan­gen­heit zu Dank ver­pflich­tet sind oder von einer ideo­lo­gi­sier­ten Gesin­nung gelei­tet wer­den, die er so sehr kri­ti­siert, aber nur auf einem Augen zu sehen scheint, wäh­rend er sie auf dem ande­ren Augen nicht erkennt oder nicht erken­nen will.

Die Fra­ge von Horo­witz, die klas­si­sche, jour­na­li­sti­sche Mischung aus Neu­gier­de und Pro­vo­ka­ti­on, offen­bart eine ver­fah­re­ne Situa­ti­on. Eine ern­ste Situation.

Nach sechs­ein­halb Jah­ren des Pon­ti­fi­kats haben sich Anfangs­de­fi­zi­te nicht ver­flüch­tigt, son­dern ver­fe­stigt. Fran­zis­kus spricht so häu­fig wie kein Papst vor ihm von Dia­log, Aus­tausch, Zuhö­ren, Par­r­he­sie und Offen­heit. Gleich­zei­tig schot­tet er sich selbst wie kein ande­rer Papst der jün­ge­ren Geschich­te gegen ande­re Mei­nun­gen ab. Selbst bei Audi­en­zen wird eine strik­te ideo­lo­gi­sche Selek­ti­on prak­ti­ziert. Und nichts ent­spricht lei­der weni­ger den Tat­sa­chen als die gestern von Fran­zis­kus gemach­te Aus­sa­ge: „Ich ant­wor­te auf die Kritik“.

Solan­ge sich das nicht ändert, gilt tat­säch­lich, daß Fran­zis­kus, ob er es will oder nicht, selbst „die Span­nun­gen“ in der Kir­che nährt.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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