Erste Bischofsweihen nach dem Geheimabkommen – und viele Fragezeichen

Besorgte Katholiken in China – Optimismus im Vatikan


Bischofsweihe von Msgr. Yoao Shun am vergangenen Montag.
Bischofsweihe von Msgr. Yoao Shun am vergangenen Montag.

(Peking) Der Hei­li­ge Stuhl bewer­tet die neu­en Bischofs­er­nen­nun­gen in der Volks­re­pu­blik Chi­na als posi­ti­ves Zei­chen des „Dia­logs“.

Anzei­ge

Für erheb­li­ches Auf­se­hen sorg­te am 22. Sep­tem­ber 2018 die Unter­zeich­nung eines Geheim­ab­kom­mens zwi­schen dem kom­mu­ni­sti­schen Groß­reich und dem Vati­kan. Offi­zi­ell gibt es kei­ne diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen bei­den Völ­ker­rechts­sub­jek­ten. Die kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber bra­chen sie in den 50er Jah­ren ab.

Unter Papst Fran­zis­kus bemüh­te sich der Hei­li­ge Stuhl kon­se­quent um eine Annä­he­rung, die in der Unter­zeich­nung des erwähn­ten Abkom­mens über Bischofs­er­nen­nun­gen mün­de­te. Bei­de Sei­ten ver­ein­bar­ten ein­ver­nehm­lich die Geheim­hal­tung des Inhaltes.

Am Mon­tag wur­de Yao Shun zum neu­en Bischof der Diö­ze­se Ji Ning (heu­te als Wumeng, Inne­re Mon­go­lei, bekannt) geweiht. Shun war zuvor Gene­ral­vi­kar des Bis­tums. Wäh­rend der Zere­mo­nie wur­de aus­drück­lich betont, daß „der Kan­di­dat vom Papst appro­biert wurde“. 

Damit wur­den Mut­ma­ßun­gen zum Ver­fah­ren bestä­tigt, das im Geheim­ab­kom­men defi­niert wor­den sein dürf­te. Dem­nach steht das allei­ni­ge Nomi­nie­rungs­recht dem kom­mu­ni­sti­schen Regime zu, wäh­rend dem Papst die offi­zi­el­le Ernen­nung zukommt. 

Kri­ti­ker wie Kar­di­nal Joseph Zen, der eme­ri­tier­te Bischof von Hong Kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, sehen dar­in eine Unter­wer­fung der Kir­che unter die Herr­schaft der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas (KPCh). Der weit­aus größ­te Teil der chi­ne­si­schen Bischö­fe, Prie­ster und Gläu­bi­gen hät­ten nicht Jahr­zehn­te der Ver­fol­gung durch die kir­chen­feind­li­chen Kom­mu­ni­sten getrotzt, um sich dann mit päpst­li­cher Zustim­mung Bischö­fe vor­set­zen zu las­sen, die vor allem eines sei­en: regimefreundlich.

Weitere Bischofsweihe

In den näch­sten Tagen wird ein wei­te­rer Bischof geweiht, der nach der neu­en For­mel ernannt wur­de. Es han­delt sich um Xu Hong Wei, der Bischof von Hanzhong in Shaanxi wird.

Um die Ver­hand­lun­gen nicht zu gefähr­den, wur­de die Öffent­lich­keit über die Gesprä­che zwi­schen Rom und Peking geheim­ge­hal­ten, die im ver­gan­ge­nen Jahr zum Abkom­men führ­ten. Die sehr besorg­te, rom­treue Unter­grund­kir­che wur­de dabei nicht nur über­gan­gen, son­dern hin­ter­gan­gen. Kar­di­nal Zen, dem füh­ren­den Ver­tre­ter der Unter­grund­kir­che und hef­ti­gen Kri­tik der vati­ka­ni­schen Annä­he­rungs­po­li­tik, wur­den irre­füh­ren­de Aus­künf­te gege­ben, um die Unter­grund­ka­tho­li­ken in einer fal­schen Sicher­heit zu wiegen.

Der Hei­li­ge Stuhl begrün­de­te die­ses Vor­ge­hen anschlie­ßend indi­rekt mit dem „höhe­ren Wohl“, das für die Kir­che ange­strebt wer­de. Für die­ses „höhe­re Wohl“ muß­ten zwei rom­treue Unter­grund­bi­schö­fe zurück­tre­ten, um Platz für regi­me­hö­ri­ge Bischö­fe zu machen, die von den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern ernannt wor­den waren. Da Papst Bene­dikt XVI. bekräf­tigt hat­te, daß gegen den Wil­len Roms ernann­te Bischö­fe auto­ma­tisch exkom­mu­ni­ziert sind, hob Papst Fran­zis­kus am Tag vor der Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens die Exkom­mu­ni­ka­ti­on der regi­me­hö­ri­gen Bischö­fe auf. Sie alle, auch das scheint Teil der Eini­gung zu sein, wur­den von Rom als regu­lä­re Diö­ze­san­bi­schö­fe anerkannt. 

Nach der Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens, die durch Vati­kan­ver­tre­ter erfolg­te, schrieb Papst Fran­zis­kus den Katho­li­ken in der Volks­re­pu­blik Chi­na, daß sich dadurch „die Hoff­nung auf­tut, die katho­li­sche Gemein­schaft guter Hir­ten zu versichern“.

Wäh­rend unter Unter­grund­ka­tho­li­ken das Miß­trau­en fort­be­steht, zeigt sich der Vati­kan über­zeugt, daß die­ser Wunsch „sich mit den neu­en Ernen­nung ver­wirk­licht“, so der Avve­ni­re, die Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, im Leit­ar­ti­kel ihrer Aus­ga­be vom Diens­tag. Wört­lich heißt es zu den Neuernannten:

„Des­halb herrscht hin­ter der Bron­ze­tür beson­de­re Genugtuung.“

Mit der Bron­ze­tür ist der Hei­li­ge Stuhl gemeint.

Geopolitische Aspekte

Die Bischofs­er­nen­nun­gen wer­den im Vati­kan auch unter geo­po­li­ti­schen Gesichts­punk­ten betrach­tet, wie der Leit­ar­ti­kel erken­nen läßt. Die Rede ist von wach­sen­den Span­nun­gen durch den Han­dels­krieg zwi­schen den USA und der Volks­re­pu­blik Chi­na, aber auch durch die Mas­sen­pro­te­ste in Hong Kong, dem letz­ten, klei­nen Win­kel des Groß­rei­ches, wo bestimm­te bür­ger­li­che Frei­hei­ten noch garan­tiert sind.

In Peking herr­sche „Besorg­nis“, so der Avve­ni­re, über die­se dop­pel­te Ent­wick­lung, und alles wer­de unter die­sem Gesichts­punkt bewer­tet. Die Macht­ha­ber in Peking beob­ach­ten auf­merk­sam, daß sich Kir­chen­ver­tre­ter im Bis­tum Hong Kong öffent­lich auf die Sei­te der Demon­stran­ten stell­ten. Kar­di­nal Zen fin­det kei­ne Erwäh­nung, seit sei­ne deut­li­che Kri­tik an der vati­ka­ni­schen Chi­na-Poli­tik ihn in Ungna­de fallenließ.

Erwähnt wird hin­ge­gen sein Nach­fol­ger, Kar­di­nal Tong, der nach dem frü­hen Tod des Bischofs von Hong Kong, Msgr. Yeung, als Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­tor ein­ge­setzt wur­de. Kar­di­nal Tong rich­te­te einen Frie­dens­ap­pell an alle Sei­ten. Wei­te­re Zusam­men­stö­ße konn­ten dadurch aber nicht ver­hin­dert werden. 

Peking reagier­te mit einer offe­nen Dro­hung: Soll­te es zu „Ter­ro­ris­mus“ kom­men, wer­de man gezwun­gen sein, zu reagie­ren. Im Vati­kan herrscht die Hoff­nung, daß die Kom­mu­ni­sten ver­ba­le Dro­hun­gen aus­spre­chen, um nicht wirk­lich reagie­ren zu müssen.

Kritik an „Katholiken, die Trump unterstützen“

Besorgt ist das päpst­li­che Umfeld vor allem wegen der Inter­fe­ren­zen, die der offi­zi­el­len Chi­na­po­li­tik durch katho­li­sche Ver­tre­ter in Hong Kong ent­ste­hen. In Peking, so der Avve­ni­re, „fragt man sich, was die ‚Posi­ti­on der Katho­li­ken‘ sei“. Dabei wird der Bogen weit­räu­mig geschla­gen und betrifft nicht nur die offi­zi­el­len Katho­li­ken, die Unter­grund­ka­tho­li­ken und die Katho­li­ken in Hong Kong, son­dern auch die Katho­li­ken in den USA. Peking, so der Avve­ni­re, beob­ach­te, daß es Katho­li­ken gibt, „die Trump unter­stüt­zen und die anti-chi­ne­si­schen Gefüh­le tei­len, die es heu­te in den USA gibt“. 

Die Anmer­kung ist sub­til for­mu­liert, kommt aber einer Auf­for­de­rung gleich, die erwähn­te Unter­stüt­zung auf­zu­ge­ben, denn sol­che (US-)Katholiken wür­den die Katho­li­ken in der Volks­re­pu­blik Chi­na schädigen.

Die größ­te Unru­he in der Unter­grund­kir­che, die es nach offi­zi­el­ler Les­art des Vati­kans gar nicht mehr geben soll­te, seit der Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens löste die vati­ka­ni­sche Richt­li­nie vom ver­gan­ge­nen 28. Juni aus. Mit ihr for­dert der Hei­li­ge Stuhl die rom­treu­en Unter­grund­bi­schö­fe auf, sich vom kom­mu­ni­sti­schen Regime offi­zi­ell regi­strie­ren und aner­ken­nen zu las­sen. Glei­ches soll­te für alle Pfar­rei­en und Gemein­den gelten.

Genau das aber wur­de von den rom­treu­en Katho­li­ken bis­her mit Ent­schie­den­heit ver­mie­den. Die Unter­grund­kir­che ent­stand aus einer Zwangs­la­ge nach der kom­mu­ni­sti­schen Macht­über­nah­me. Zuerst wur­de die Kir­che blu­tig ver­folgt, dann wech­sel­ten sich Ver­fol­gung und Dul­dung ab. Die Regi­strie­rung wird nicht nur mit Kon­trol­le und Über­wa­chung durch das Regime gleich­ge­setzt. Sie wird auch mit Aus­lie­fe­rung durch fer­ti­ge Proskrip­ti­ons­li­sten gleich­ge­setzt. Die rom­treu­en Katho­li­ken wol­len sich kei­nen Illu­sio­nen hin­ge­ge­ben. Kar­di­nal Zen for­mu­lier­te es so: Es gebe kei­ne Anzei­chen, daß Peking sei­ne Hal­tung gegen­über der katho­li­schen Kir­che geän­dert habe. In Rom sei man dies­be­züg­lich naiv. 

Mit der Regi­strie­rung wol­le das Regime die tota­le Kon­trol­le. Sie könn­te damit aber mor­gen auch die Kir­che mit einem Schlag ausschalten.

Die „Offenheit“ von Papst Franziskus

Auch der Leit­ar­ti­kel des Avve­ni­re spricht das „Miß­trau­en“ an und meint damit die rom­treu­en Katho­li­ken, weil es wei­ter­hin „vie­le Pro­ble­me“ gebe. Im Sin­ne der offi­zi­el­len vati­ka­ni­schen Chi­na­po­li­tik gibt er sich aber optimistisch:

„Aber die von Papst Fran­zis­kus vie­le Male gezeig­te Offen­heit, sei­ne Ent­schie­den­heit im Dia­log, die Gelas­sen­heit, mit der oft auch star­kem Druck wider­steht, stel­len einen wich­ti­gen Fix­punkt für die Staats­füh­rung in Peking dar, der noch ver­stärkt wird durch die völ­li­ge Über­ein­stim­mung der vati­ka­ni­schen Diplo­ma­tie mit dem Papst.“

Aus die­sem Grund wer­den die neu­en Bischofs­wei­hen „nicht als Rou­ti­ne­ent­schei­dun­gen“ gese­hen, son­dern als „erneu­te Bestä­ti­gung, daß die chi­ne­si­schen Katho­li­ken in Papst Fran­zis­kus nicht nur ihren hohen und siche­ren Bezugs­punkt haben, son­dern auch ihren Hauptprotektor.“

Genau dies­be­züg­lich gehen die Mei­nun­gen unter Chi­nas Katho­li­ken aller­dings weit aus­ein­an­der. Papst Fran­zis­kus mag „vie­le Male Offen­heit“ gezeigt haben. Das­sel­be gilt aber nicht für die kom­mu­ni­sti­schen Machthaber. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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2 Kommentare

  1. Ich kann lei­der die­sen Vati­kan, mit der Füh­rung von Papst
    Fran­zis­kus nicht verstehen.

    Wenn alle sich den Kom­mu­ni­sti­schen, Mar­xi­sti­schen, Regime
    unter­wer­fen müs­sen, dann ist der Dia­log“ ein posi­ti­ves Zeichen.“

    War­um wird das Abkom­men, ein­ver­nehm­lich geheim gehalten?
    Was wird verborgen?
    Die Unter­grund­kir­che und Kar­di­nal Zen, wur­den gemein
    hintergangen. 

    Ich fin­de kei­ne Wor­te. Ja die­ser Papst mit seinen
    Bera­ter sind so naiv, wie Kar­di­nal Zen es bezeichnet.
    Man muß ihn recht geben.

    Die Chri­sten der Unter­kir­che wer­den ver­folgt, die Kirchen
    abgerissen.….
    Anstatt den ver­folg­ten Chri­sten zu helfen,kommen sie durch den
    Vati­kan, noch in eine schreck­li­chen Lage.
    Nein, das ist kein guter Hir­te, son­dern ein
    Ver­rä­ter der katho­li­schen Christen.

  2. Dia­log fin­det immer auf Augen­hö­he statt, sonst ist es nur Geschwätz.
    Mit Chi­na spre­chen nur sehr weni­ge Akteu­re der Welt über­haupt auf Augen­hö­he, der Vati­kan schon gar nicht.
    Die Men­schen­ver­äch­ter und Athe­isten aus Peking sehen „Rom“ sehr klar und maxi­mal als Bitt­stel­ler, die wegen der media­len Prä­senz des Pap­stes und sei­ner offen­sicht­li­chen Sym­pa­thie für die Kom­mu­ni­sten, über­haupt emp­fan­gen werden.
    Vor­her hat Peking Fak­ten geschaf­fen, mit Gefäng­nis, Fol­ter und will­kür­li­chen Kirchenabrissen.
    Wie man mit Anders­den­ken­den umgeht zeigt die Gegenwart.
    Kar­di­nal Zen hät­te „drin­gen­st“ um stra­te­gi­schen Rat gefragt wer­den müs­sen, statt­des­sen wur­de selbst­herr­lich und igno­rant ein Abkom­men unter­zeich­net, wel­ches nur Nach­tei­le für die Katho­li­ken in Chi­na bedeutet.
    Es rächt sich bit­ter das das Kon­zil sich, aus wel­chen Grün­den auch immer, der Ver­ur­tei­lung des Kom­mu­nis­mus wider­setzt hat.
    Das ist nicht mehr gutzumachen.

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