von einer Katholikin
Kirchen(t)räume ausge(t)räumt?! Der Titel der Reichenauer Künstlertage (Kunstverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Gemeinschaft christlicher Künstler in der Erzdiözese Freiburg) im Oktober im Kloster Heiligenkreuztal kann selbstentlarvender nicht sein.
St. Maria in Stuttgart ist ein „prominentes“ Paradebeispiel für einen ausgeräumten Kirchenraum und die Profanierung des Sakralen durch die Erprobung neuer Nutzungsformen: Trampolinspringen und Technokonzerte, Paartanz, Yoga-Kurse, Turnen, heidnische Kulte, man kochte, aß und trank… Sollte St. Maria in Stuttgart als Musterbeispiel für die Stadtpastoral des 21. Jahrhunderts etabliert werden, steht zu befürchten, dass „Multifunktionskirchen“ Schule machen werden.
Die „wissenschaftliche“ Unterfütterung der sakrilegischen Zweckentfremdung des Sakralraums durch den Tübinger Lehrstuhl für Praktische Theologie von Professor Michael Schüßler, der das Stuttgarter Projekt begleitet, ist schon schlimm genug. Doch nun verbrämt man das ganze noch kulturell, indem man eine künstlerische und architektonische „Avantgarde“ bemüht und davon spricht, „dass Vergangenheit zu bewahren nicht das Hüten der Asche ist, sondern das Befeuern der Glut in der Gegenwart für die Zukunft“.
Das Tagungsprogramm der Künstlertage verrät, daß der Stuttgarter Raum offensichtlich eine Art Epizentrum kreativer Eruptionen ist. Dr. Christiane Bundschuh-Schramm ist Referentin von Weihbischof Karrer (Diözese Rottenburg-Stuttgart) für pastorale Fragen. Sie referiert in Heiligenkreuztal über das Stuttgarter Projekt (Wandlung – Perspektiven und Wegweisungen in pastoraler und diözesaner Sicht – St. Maria als…). Auch das künftige spirituelle Zentrum St. Fidelis wird beispielhaft behandelt werden.
Die vorgeblichen Kirchenretter behaupten, durch innovative Konzepte der zunehmenden Profanierung und Umnutzung von Kirchen etwas entgegenzusetzen. Von unserem Herrn Jesus Christus sprechen sie mit keiner Silbe, nur von einer „spirituellen Suche“. Der Raum sei „wieder neu zu erschließen für die spirituelle Suche der Menschen, ohne die Kirchen auf den Liturgieraum zu reduzieren“. Liturgie als Einschränkung für nichtliturgische Nutzungen – welch eine Geringschätzung der heiligen Messe!
Eine Kirche für (fast) alle Fälle
Ich glaubte meinen Text gerade fertiggeschrieben zu haben, als mir beim Sichten des inoffiziellen Internetportals der Deutschen Bischofskonferenz (katholisch.de) ein Beitrag vom Vortag, dem 8. August, den Atem stocken ließ. Ich mußte weiterschreiben.
Offenes Kirchenprojekt in der Stuttgarter Innenstadt
„St. Maria als“ – eine Kirche für (fast) alle Fälle
Was tun, wenn nur noch 50 Menschen in die Sonntagsmesse kommen? Die Stuttgarter Gemeinde St.aria hat ihre Kirche radikal geöffnet. Jeder durfte das Gotteshaus auf seine Weise nutzen. Nun steht das Bistum vor der Frage, ob das Projekt dauerhaft laufen soll.
Meinen letzten Satz über die Geringschätzung der heiligen Messe noch vor Augen, mußte ich dann ausgerechnet ein Zitat von Michael Schüßler (sic!) lesen: „Wenn Friseure in der Kirche Obdachlosen kostenlos die Haare schneiden, dann ist das genauso heilig wie die Messfeier am Sonntag“. Und Kirchen müßten Orte sein, „an denen die Menschen entdecken, dass dort etwas Wichtiges passiert, das sie in ihrer Biografie weiterbringen kann“.
Altarraum und Seitenkapelle blieben durch die Meßfeier ein „Hotspot des Heiligen“, so Stadtdekan Hermes, der glaubt, daß die Gegenwart Gottes in der Eucharistie so stark sei, daß sie nicht beschädigt werde, wenn jemand in der Kirche Kleider an Bedürftige verteile.
Die Frage nach einer Weiterführung des Projekts, vor der das Bistum nun angeblich stehe, ist wohl eher eine rhetorische Frage. Der zuständige Bischof Gebhard Fürst hatte in seinem Brief an die Gläubigen, die sich gegen die fortgesetzte sakrilegische Nutzung St. Marias an ihn gewandt hatten, seine Sympathie für die Auslotung der „Grenzbereiche und Übergänge des Sakralen und Profanen“ nicht verborgen, welche die katholisch-theologische Fakultät Tübingen (Lehrstuhl für Praktische Theologie, Prof. Dr. Michael Schüßler) betreibt , die im Rahmen einer wissenschaftliche Forschungskooperation mit „St. Maria als…“ noch im März 2019 pastoraltheologische Konzeptideen für einen „dritten Weg, jenseits der Sakralisierung und Profanierung von liturgischen Räumen“ erstellt hatte. Diese Ideen werden vermutlich nicht im Mülleimer entsorgt.
Daß Frau Bundschuh-Schramm im Oktober „St. Maria als…“ in Heiligenkreuztal vorstellt, deutet wohl auch auf eine langfristige Planung hin und auf ein zu erwartendes positives Votum des Bischöflichen Ordinariats im Herbst diesen Jahres. Und nicht zuletzt spricht die Veröffentlichung des positiven Beitrags zu „St. Maria als…“ zum jetzigen Zeitpunkt auf katholisch.de eine deutliche Sprache.
Eine über Jahrzehnte praktizierte Umerziehung der Katholiken hat den Weg bereitet für die nun offensichtlich heiße synodale Aktionsphase, in der die Kirche Christi ausgeräumt und vom Ballast der Offenbarung befreit werden soll: Das Schlagwort von der nichtsakralen Heiligkeit des Profanen darf die Entweihung von Sakralräumen ebenso rechtfertigen wie die „veränderte Lebenswirklichkeit“ der Menschen die Aufgabe der katholischen Sexualmoral, der erklärte Priestermangel am Amazonas die Aufgabe des Zölibats und die Öffnung des Weiheamtes sowie die Geschlechtergerechtigkeit eine Frauenordination.
Durch die kirchenfremde Nutzung von St. Maria wurden Fakten geschaffen. Das „Projekt“ wird vielleicht bald tatsächlich kein „dauerhaft laufendes Projekt“ mehr sein, sondern die multifunktionale Nutzung festgeschrieben werden. Die Verantwortlichen und der Bischof wissen wohl mehr, als man uns glauben machen will, und der Artikel auf katholisch.de ist entweder eine Nebelkerze zur Verschleierung dieses Umstandes oder eine subtile Vorbereitung der Öffentlichkeit auf eine schleichende Umwidmung der Kirche oder wahrscheinlich beides.
Wenn die Sakrilege weitergehen, erreicht man sein Ziel. Die Gläubigen werden keinen Fuß mehr zur Messe in die entweihte Kirche setzen können. Ihre Zahl wird weiter schrumpfen. Dann hat man Platz für anderes, das die Renovierungskosten besser rechtfertigt als die heilige Messe für wenige Fromme. Eine Neuevangelisierung ist nämlich nicht angestrebt. Laut katholisch.de hat die Kirchengemeinde St. Maria „ihren Fokus bewusst nicht darauf gelegt, Menschen für sonntäglichen Kirchgang oder für das Engagement im Pfarrgemeinderat zu rekrutieren“. Stadtdekan Hermes und Michael Schüßler bauen auf die „ereignisbasierte Pastoral“, die „den Menschen nicht gleich mit unserer Botschaft konfrontieren“ wolle, sondern den Raum öffne. Dann entdeckten die Menschen die Botschaft selbst. Und so brüstet sich Stadtdekan Hermes damit, dass durch die Kirchenöffnung erstmals „unter der Woche mehr Menschen in die Kirche (kamen) als am Wochenende“. Und: „Die Kirche wurde wieder lebendig, sie gewann an Ausstrahlung“.
Die Kritik gläubiger Katholiken an der Profanierung versteht man nicht. Im Oktober 2018 habe man die „Spielregeln“ für die Fremdnutzung „angepaßt“, um Biertrinken (sic!) und Tanzen in der Kirche zu untersagen.
Grandiose Leistung! Und partiell die Unwahrheit.
Denn noch an Aschermittwoch diesen Jahres fand eine Tanzperformance statt. Essen war übrigens gar nicht erst unter das behauptete Verdikt gefallen.
Dabei gäbe es ein wirkliches Projekt, welches das Attribut pastoral und v.a. katholisch tatsächlich verdienen und St. Maria wieder zu einem ausschließlich „religiösen Ort“ machen würde. Und man bräuchte dazu kein Forschungsprojekt eines „katholischen“ Theologielehrstuhls (der übrigens vor dieser Vereindeutigung zum religiösen Ort warnte):
Man verabschiedet sich endlich von „hybriden Kirchenräumen“ und von „Sakramentaler Ritenkreativität“. Der Bischof vollzieht einen Bußritus nach kanonischem Recht und konsekriert Kirche und Altar neu. Dann beauftragt er Stadtdekan, Pfarrer, Gemeindevertreter und Frau Bundschuh-Schramm, ein Konzept zur Neuevangelisierung und katechetischen Unterweisung der Katholiken zu erarbeiten, die man über Jahrzehnte alleingelassen hat. Man macht diesen Neuansatz genauso publik wie „St. Maria als…“. Es gibt verstärkt Eucharistische Anbetung. Die Kommunionkinder können die Mundkommunion empfangen. Vielleicht überrascht man die Menschen, indem man auch wieder einmal zum Allerheiligsten hin zelebriert und dem Choral Raum gibt. Menschen können nämlich spüren, wenn die Schönheit der Liturgie das Mysterium des Glaubens umhüllt und wenn ein Priester wahrhaftig für den Herrn lebt und in der Messe an Christi Stelle steht, der uns durch Sein Opfer erlöst. Und Suchende sollten es spüren dürfen, wenn ihre vielbeschworene spirituelle Suche auf das Sakrale trifft. Im Kirchenraum, der Wohnstatt Jesu Christi in der konsekrierten Hostie und dem Ort der heiligen Messe.
Bild: heiligekunst.org/gck-freiburg.de (Screenshots)