Was Benedikt XVI. zur Amazonassynode sagt

Worum es geht!


Was Benedikt XVI. den Machern und Stichwortgebern der bevorstehenden Amazonassynode sagt.

(Rom) Je näher die Ama­zo­nas­syn­ode mit ihrem Angriff auf das Wei­he­sa­kra­ment und mit ihrer Öko­be­frei­ungs­theo­lo­gie rückt, desto deut­li­cher wird, daß das „Epi­zen­trum“ der bevor­ste­hen­den Schlacht in Deutsch­land liegt und, daß dabei „sehr viel“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, auf dem Spiel steht, näm­lich das Wesen der Sen­dung Jesu Chri­sti und damit auch der Kirche.

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Magi­ster ver­or­tet die Köp­fe der gegen­sätz­li­chen Ver­bän­de jeweils im deut­schen Sprach­raum. Zu Recht. Auf der Sei­te der Öko­be­frei­ungs­theo­lo­gen ste­hen der deutsch­stäm­mi­ge Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes und der öster­rei­chi­sche Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler. Die Kri­ti­ker der von Papst Fran­zis­kus appro­bier­ten Syn­oden­aus­rich­tung wer­den von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler und Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler ange­führt, die in den ver­gan­ge­nen Wochen mas­si­ve Kri­tik am Instru­men­tum labo­ris der Syn­ode übten.

Magi­ster ver­weist noch auf einen wei­te­ren „gro­ßen Deut­schen“, der in dem Kon­flikt Par­tei ergreift, näm­lich Joseph Ratzinger. 

„Er schweigt, aber es genügt, was er in der Ver­gan­gen­heit gesagt und getan hat, auch als Papst mit dem Namen Bene­dikt XVI., um ihn auf der Sei­te der radi­kal­sten Kri­ti­ker zu sehen.“

Der Haupt­streit­punkt, um den es bei der Ama­zo­nas­syn­ode gehe, sei der Vor­rang, der im Instru­men­tum labo­ris, das die Grund­la­ge der Syn­oden­ar­beit bil­den wird, der Ver­tei­di­gung der Natur und dem mate­ri­el­len Wohl der Ama­zo­nas­be­woh­ner mit ihren Tra­di­tio­nen ein­ge­räumt wird gegen­über dem, was die Evan­ge­li­en „Sün­den­ver­ge­bung“ nen­nen, die in der Tau­fe ihr erstes Sakra­ment hat. 

„Es ist kein Zufall“, so Magi­ster, „daß Bischof Kräut­ler sich nach Jahr­zehn­ten als ‚Mis­sio­nar‘ im Ama­zo­nas damit brü­ste­te: ‚Ich habe nie einen Indio getauft und wer­de es auch in Zukunft nicht tun.“

Joseph Ratz­in­ger, so Magi­ster wei­ter, habe mehr­fach zu die­ser kapi­ta­len Fra­ge Stel­lung genom­men. Es gibt eine außer­ge­wöhn­lich all­ge­mein­ver­ständ­li­che und kla­re Stel­le im Band über die Kind­heits­ge­schich­ten sei­nes drei­bän­di­gen Wer­kes Jesus von Naza­reth, der 2012 ver­öf­fent­licht wurde.

Zum Aus­gangs­punkt sei­ner Über­le­gun­gen nimmt Bene­dikt XVI. dar­in die Ver­kün­di­gung des Engels an Josef über die schwan­ge­re Maria:

„Sie wird einen Sohn gebä­ren; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von sei­nen Sün­den erlö­sen“ (Mt 1,21).

Was Bene­dikt XVI. dazu schreibt, sind „erleuch­te­te Wor­te, die mit Blick auf den Streit über das Ama­zo­nas-Tief­land noch ein­mal gele­sen wer­den sollten“.

Erlösung ja, aber wovon?

Von Joseph Ratz­in­ger /​ Bene­dikt XVI.

Auf die Mit­tei­lung von der Emp­fäng­nis des Kin­des durch die Kraft des Hei­li­gen Gei­stes folgt nun ein Auf­trag an Josef: „Maria wird einen Sohn gebä­ren; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von sei­nen Sün­den erlö­sen“ (Mt 1,21). Josef erhält zusam­men mit der Auf­for­de­rung, Maria als Frau zu sich zu neh­men, den Auf­trag, dem Kind einen Namen zu geben und es so recht­lich als sein Kind anzu­neh­men. Es ist der glei­che Name, den der Engel auch Maria als Namen des Kin­des ange­ben hat­te: Jesus. Der Name Jesus (Jes­hua) bedeu­tet: JHWH ist Heil. Der Got­tes­bo­te, der im Traum mit Josef spricht, ver­deut­licht, wor­in die­ses Heil besteht: „Er ret­tet sein Volk von sei­nen Sünden.“

Damit ist einer­seits ein hoher theo­lo­gi­scher Auf­trag erteilt, denn nur Gott selbst kann Sün­den ver­ge­ben. So wird die­ses Kind in unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang zu Gott gerückt, direkt mit Got­tes hei­li­ger und ret­ten­der Macht ver­bun­den. Ande­rer­seits könn­te aber die­se Defi­ni­ti­on der Sen­dung des Mes­si­as auch als ent­täu­schend erschei­nen. Die geläu­fi­ge Heils­er­war­tung rich­tet sich vor allem auf die kon­kre­ten Bedräng­nis­se Isra­els – auf die Wie­der­her­stel­lung des davi­di­schen König­tums, auf die Frei­heit und Unab­hän­gig­keit Isra­els und damit natür­lich auch auf das mate­ri­el­le Wohl­erge­hen eines weit­ge­hend ver­arm­ten Vol­kes. Die Ver­hei­ßung der Sün­den­ver­ge­bung erscheint als zu wenig und zu viel zugleich: zu viel, weil in Got­tes eige­ne Vor­be­halts­sphä­re ein­ge­grif­fen wird; zu wenig, weil an das kon­kre­te Lei­den Isra­els und an sei­ne rea­le Heils­be­dürf­tig­keit nicht gedacht zu sein scheint.

Im Grun­de ist so schon in die­sem Wort der gan­ze Streit um die Mes­sia­ni­tät Jesu vor­weg­ge­nom­men: Hat er nun Isra­el erlöst, oder ist nicht alles gleich geblie­ben? Ist die Sen­dung, wie er sie gelegt hat, die Ant­wort auf die Ver­hei­ßung, oder ist sie es nicht? Sicher ent­spricht sie nicht der unmit­tel­ba­ren Erwar­tung des mes­sia­ni­schen Heils der Men­schen, die nicht so sehr von ihren Sün­den, son­dern viel­mehr von ihren Lei­den, von ihrer Unfrei­heit, von der Arm­se­lig­keit ihres Daseins sich bedrängt fühlten.

Jesus selbst hat die Fra­ge nach der Prio­ri­tät in der Erlö­sungs­be­dürf­tig­keit des Men­schen dra­stisch in den Raum gestellt, als die vier Män­ner den Gelähm­ten, den sie der Men­schen­men­ge wegen nicht durch die Tür tra­gen konn­ten, vom Dach her­un­ter­lie­ßen und Jesus zu Füßen leg­ten. Die Exi­stenz des Lei­den­den als sol­che war eine Bit­te, ein Ruf nach Heil, den Jesus völ­lig gegen die Erwar­tung der Trä­ger und des Kran­ken selbst mit dem Wort beant­wor­te­te: „Kind, dei­ne Sün­den sind dir ver­ge­ben“ (Mk 2,5). Genau das hat­ten die Men­schen nicht erwar­tet. Genau dar­um war es ihnen nicht gegan­gen. Der Gelähm­te soll­te gehen kön­nen, nicht von den Sün­den befreit wer­den. Die Schrift­ge­lehr­ten kri­ti­sier­ten die theo­lo­gi­sche Anma­ßung von Jesu Wort; der Lei­den­de und die Men­schen rund­her­um waren ent­täuscht, weil Jesus die eigent­li­che Not die­ses Men­schen zu über­se­hen schien.

Ich hal­te die gan­ze Sze­ne für durch­aus bezeich­nend im Hin­blick auf die Fra­ge nach der Sen­dung Jesu, wie sie zual­ler­erst im Engels­wort an Josef umschrie­ben wird. Hier wird sowohl die Kri­tik der Schrift­ge­lehr­ten wie die stil­le Erwar­tung der Men­schen auf­ge­nom­men. Dass Jesus Sün­den ver­ge­ben kann, zeigt er nun dadurch, dass er dem Kran­ken befiehlt, sei­ne Bah­re auf­zu­he­ben, um geheilt weg­zu­ge­hen. Aber dabei bleibt die Prio­ri­tät der Sün­den­ver­ge­bung als Grund­la­ge aller wah­ren Hei­li­gung des Men­schen unberührt. 

Der Mensch ist ein Wesen in Bezie­hun­gen. Und wenn die erste, die grund­le­gen­de Bezie­hung des Men­schen gestört ist – die Bezie­hung zu Gott –, dann kann nichts Wei­te­res mehr wirk­lich in Ord­nung sein. Um die­se Prio­ri­tät geht es in Jesu Bot­schaft und Wir­ken: Er will den Men­schen zual­ler­erst auf den Kern sei­nes Unheils hin­wei­sen und ihm zei­gen: Wenn du da nicht geheilt wirst, dann wirst du trotz aller guten Din­ge, die du fin­dest, nicht wirk­lich geheilt.

Joseph Ratz­in­ger /​ Bene­dikt XVI.: Jesus von Naza­reth. Bd. 3: Pro­log. Die Kind­heits­ge­schich­ten, Frei­burg 2012, S. 51ff

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Dia­ko­nos (Screen­shot)

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