Das Unbehagen im Malteserorden

Die Richtigstellung des Großmeisters, die nicht wirklich richtig stellt


Sitz der Ordensleitung in Rom: Im Souveränen Malteserorden herrscht auch zweieinhalb Jahre nach der Absetzung von Großmeister Festing noch immer Unbehagen.
Sitz der Ordensleitung in Rom: Im Souveränen Malteserorden herrscht auch zweieinhalb Jahre nach der Absetzung von Großmeister Festing noch immer Unbehagen.

(Rom) Hen­ry Sire, der für sein Buch „Der Dik­ta­tor­papst“ aus dem Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den aus­ge­schlos­sen wur­de, und die katho­li­sche Online-Tages­zei­tung La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na (NBQ) ver­öf­fent­lich­ten jüngst Arti­kel über das anhal­ten­de Unbe­ha­gen, das in Tei­len des Mal­te­ser­or­dens herrscht. 

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Der Grund für die­ses Rumo­ren ist die 2016 auf­ge­deck­te Teil­nah­me von Mal­te­ser Inter­na­tio­nal an UNO-Pro­gram­men zur Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln, für die Groß­kanz­ler Albrecht von Boe­se­la­ger ver­ant­wort­lich war, sich aber nicht distan­zier­te. Als die Sache von Groß­mei­ster Fra Matthew Fest­ing auf­ge­deckt wur­de, muß­te aber nicht Boe­se­la­ger den Hut neh­men. Papst Fran­zis­kus erzwang viel­mehr den Rück­tritt des Groß­mei­sters. Die Arti­kel ver­an­laß­ten die Ordens­lei­tung zu einer Stel­lung­nah­me, die ordens­in­tern ver­teilt wurde.

Die interne Richtigstellung von Großmeister Dalla Torre.
Inter­ne Rich­tig­stel­lung von Groß­mei­ster Dal­la Torre.

Damit wur­de aller­dings nicht das erwünsch­te Ergeb­nis erzielt. Die Stel­lung­nah­me pro­vo­zier­te wei­te­re Arti­kel von NBQ und One­Pe­ter­Fi­ve. NBQ roll­te die zen­tra­len The­men in der gan­zen Fra­ge auf: die Ver­ant­wor­tung Boe­se­la­gers in der Kon­dom-Kam­pa­gne, die Vor­herr­schaft der deut­schen Grup­pe im Orden und die „kom­mis­sa­ri­sche“ Ver­wal­tung des Ordens durch den Sturz von Groß­mei­ster Festing.

Auch der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti griff das The­ma auf und befand die Rich­tig­stel­lung, die vom neu­en Groß­mei­ster Fra Gia­co­mo Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to gezeich­net ist, „zum Wei­nen, oder bes­ser zum Lachen“.

„‚Excu­sa­tio non petita, accu­sa­tio mani­fe­sta‘, sag­ten klu­ger­wei­se die alten Latei­ner. Wie wird man das aber auf deutsch sagen?“, so Tosatti.

Es geht um die Sou­ve­rä­ni­tät und Unab­hän­gig­keit des Ordens. Grund für den pole­mi­schen Ton ist die Behaup­tung der Rich­tig­stel­lung, „die nichts rich­tig­stellt“, daß es kei­ne kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung des Ordens gege­ben habe. Dazu Tosatti:

„Wie aber soll­te man dann die Situa­ti­on nen­nen, für die ein ‚päpst­li­cher Son­der­ge­sand­ter‘ ernannt wur­de, obwohl der Orden ein eigen­stän­di­ges Völ­ker­rechts­sub­jekt ist? Wie nennt man die Situa­ti­on, wo die­ser ‚Gesand­te‘ de fac­to den Posten des offi­zi­el­le Reprä­sen­tan­ten des Hei­li­gen Stuhls (des Kar­di­nal­pa­trons) über­nimmt, wenn­gleich die­sem der for­ma­le Titel belas­sen wur­de, er aber völ­lig ent­mach­tet wur­de? Wie soll­te man die Situa­ti­on nen­nen, in der der ‚Son­der­ge­sand­te‘ des Pap­stes  der Über­brin­ger der Anwei­sung ist, daß alle reli­giö­sen Beru­fun­gen ein­ge­fro­ren, die Able­gung der fei­er­li­chen Gelüb­de ver­hin­dert und die Auf­nah­me neu­er Novi­zen unter­sagt wird? Wie soll­te man denn die Situa­ti­on nen­nen, in der die Pro­fes­sen, also die wirk­li­chen Mal­te­ser­rit­ter [der Erste Stand] stän­dig mehr ihres Ein­flus­ses beraubt werden?“

Zum Ver­ständ­nis: Der Mal­te­ser­or­den besteht aus drei Stän­den. Laut Ordens­ver­fas­sung lie­gen alle zen­tra­len Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se beim Ersten Stand, des­sen Mit­glie­der allein ewi­ge oder zeit­li­che Gelüb­de (Pro­fes­sen) able­gen. Der Zwei­te und Drit­te Stand sind Lai­en, die im Zwei­ten Stand ein Gehor­sams­ver­spre­chen (Pro­mes­sen) abge­ben, aber kei­ne Pro­fes­sen, im Drit­ten Stand weder Pro­fes­sen noch Pro­mes­sen. Der Groß­mei­ster und der Groß­kom­tur kön­nen nur aus dem Ersten Stand kom­men. Die­se Ver­fas­sung des Ordens war in der Ver­gan­gen­heit Grund für Rei­bun­gen, da der Zwei­te und Drit­te Stand über 99 Pro­zent der Rit­ter und Damen stel­len. Dem Zwei­ten und Drit­ten Stand kön­nen auch Frau­en angehören.

Tosat­ti stößt sich noch an wei­te­ren Tei­len der „Rich­tig­stel­lung“:

„Zudem fra­gen wir uns, ob es wirk­lich so ist, wie in der Stel­lung­nah­me zu lesen ist, war­um Groß­mei­ster Fest­ing zurück­ge­tre­ten sei? Die Rede ist von ‚fal­schen Ent­schei­dun­gen‘ des ehe­ma­li­gen Groß­mei­sters, die von sei­nen Mit­ar­bei­tern ‚geför­dert‘ wor­den sei­en, die ‚per­sön­li­che Inter­es­sen‘ ver­folgt hät­ten. Wie ist das zu ver­ste­hen? Wer wären die­se ‚Mit­ar­bei­ter‘, wel­ches wären die­se ‚per­sön­li­chen Inter­es­sen‘ und wel­ches die ‚fal­schen Entscheidungen‘?“

Über­haupt, so Tosatti:

„Und was ist mit den Kon­do­men?“ Und mit dem Brief von Papst Fran­zis­kus vom 2. Dezem­ber 2016 an Kar­di­nal Bur­ke und den dar­in erwähn­ten Infiltrationen?“

Alles in allem klin­ge die Rich­tig­stel­lung „wie die Recht­fer­ti­gun­gen von jun­gen Schü­lern, die – um nicht geprüft zu wer­den – erzäh­len, ihr Groß­va­ter sei gestor­ben… und das zum zwan­zig­sten Mal.“

Der eng­li­sche Ordens­zweig, so der Vati­ka­nist, wer­de in Schach gehal­ten. Obwohl die­ser Zweig, der eines von sechs Groß­prio­ra­ten bil­det, bis vor vier Jah­ren die mei­sten Beru­fun­gen her­vor­brach­te, wer­de  er heu­te fast wie ein Aus­sät­zi­ger behan­delt, weil er dem ehe­ma­li­gen Groß­mei­ster Fest­ing, selbst Eng­län­der, am näch­sten steht. 

Tosat­ti stellt zudem die Fra­ge, war­um Fra Rum­ney, obwohl Pro­feß­rit­ter, nur zum Pro­ku­ra­tor, aber nicht zum Groß­pri­or von Eng­land ernannt wur­de. Seit den unrühm­li­chen Vor­komm­nis­sen von 2016/​2017 hät­ten in Eng­land vie­le Rit­ter sich ins Pri­vat­le­ben zurück­ge­zo­gen, ande­re dem Orden ganz den Rücken gekehrt.

Das­sel­be gel­te für die gespann­te Atmo­sphä­re im por­tu­gie­si­schen Ordens­zweig und für die Pro­ble­me in Rom. In bei­den Fäl­len kam es zu Rück­trit­ten, teils gan­zer Gre­mi­en. Die neue Ordens­lei­tung grei­fe wie­der­holt und will­kür­lich mit Direk­ti­ven in den nach­ge­ord­ne­ten Ordens­in­sti­tu­tio­nen ein und sto­ße die dor­ti­gen Ver­tre­ter vor den Kopf. In einem „Poli­zeikli­ma“ wür­den Ver­hal­tungs­an­wei­sun­gen erteilt, die dem bald tau­send Jah­re alten Orden bis­her fremd waren.

Nicht zuletzt sei da noch, so Tosat­ti, der „Kampf gegen die Hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus“. Von einem „Zufall“ kön­ne kei­ne Rede sein. Der neue Groß­mei­ster erteil­te vor kur­zem ein gene­rel­les Ver­bot der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Ritus bei lit­ur­gi­schen Zere­mo­nien des Ordens. 

„Der Ukas des Groß­mei­sters gegen die Vetus-Ordo-Mes­se hat nicht nur Erstau­nen aus­ge­löst, son­dern auch Zwei­fel zu sei­ner Legi­ti­mi­tät aufgeworfen.“

Ärger ver­ur­sacht vor allem, daß das von oben auf­ge­zwun­ge­ne Ver­bot des über­lie­fer­ten Ritus „mit der Aus­re­de“ begrün­det wird, „die Ein­heit und die Ver­bun­den­heit zwi­schen den Mit­glie­dern des Ordens för­dern“ zu wol­len. Das Gegen­teil sei der Fall, so Tosat­ti, da der Orden heu­te „gespal­te­ner denn je ist, auch wegen die­ser Anweisung“.

Schließ­lich kom­men noch die „Schwei­zer Mil­lio­nen“ ins Spiel, die „vor und nach 2016 eine wich­ti­ge Rol­le in der Kri­se“ gespielt haben. Die ita­lie­ni­sche Ent­hül­lungs­sei­te Dagos­pia wälz­te 2017 eben­so wie die Bild-Zei­tung Infor­ma­tio­nen rund um die Schen­kung aus, die nie demen­tiert wur­den. Es sei „kuri­os“ und „inter­es­sant“, so Tosat­ti, daß aus­ge­rech­net Per­so­nen, die aus der Nähe mit den Mil­lio­nen zu tun haben, eine zen­tra­le Rol­le beim Sturz von Groß­mei­ster Fest­ing spiel­ten, nicht zuletzt als Mit­glie­der der von Papst Fran­zis­kus ein­ge­setz­ten „Unter­su­chungs­kom­mis­si­on“. Auf die Ergeb­nis­se die­ser Kom­mis­si­on berief sich Fran­zis­kus, als er Groß­kanz­ler von Boe­se­la­ger wie­der in sein Amt ein­setz­te und Groß­mei­ster Fest­ing über die Klin­ge sprin­gen ließ. Die Idee eines mög­li­chen Inter­es­sens­kon­flik­tes der hand­ver­le­se­nen Kom­mis­si­ons­mit­glie­der und Boe­se­la­ger-Freun­de scheint weder dem vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at noch dem Papst gekom­men zu sein.

Hen­ry Sire beschul­digt den neu­en Groß­mei­ster Fra Gia­co­mo Dal­la Tor­re „eine Mario­net­te in der Hand der deut­schen Frak­ti­on“ zu sein. Die Rich­tig­stel­lung behaup­te natür­lich das Gegen­teil. Sire schreibt: Mit wem man auch immer im Orden über den neu­en Groß­mei­ster spricht:

 „Alle sagen, er ist ein sehr guter Mensch, er ist ein guter Ordens­mann, aber…“

Tosat­ti ergänzt:

„Zudem, wer ihn kennt, behaup­tet, daß vie­le sei­ner Ent­schei­dun­gen nicht gera­de sei­ner Linie entsprechen.“

Nicht zu ver­ges­sen: Als 2008 Fra Fest­ing zum 79. Für­sten und Groß­mei­ster des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens gewählt wur­de, war Fra Del­la Tor­re der bevor­zug­te Kan­di­dat der deut­schen Frak­ti­on, der Fra Fest­ing „zu kon­ser­va­tiv“ war. Dabei, so Tosat­ti, erwies sich gera­de Groß­mei­ster Fest­ing als sehr eigen­stän­di­ger und sou­ve­rä­ner Ver­wal­ter der Ordensangelegenheiten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Giu­sep­pe Nardi

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