Von einer Katholikin.
Drei Politiker, ein Journalist und ein Ordensmann unterstützen öffentlich die Kirchenstreikaktion der Frauen von Maria 2.0, die im Mai mit diversen Protestevents und aktivem Kirchenboykott u.a. ihre Forderung nach dem Weiheamt für Frauen in die Öffentlichkeit getragen hatten. In der Beilage „Christ und Welt“ der Wochenzeitung Die Zeit vom 10.Juli 2019 erschienen nun Gastbeiträge von fünf katholischen Männern als Solidaritätsbekundungen.
Gewiß setzen die Verfasser je eigene Akzente in ihren Äußerungen, doch inhaltlich folgen sie den immer gleichen falschen Kausalitäten in den altbekannten Stereotypen von der Talfahrt der Kirche durch die Mißbrauchsskandale, die unzeitgemäße Sexualmoral, die Ausgrenzung von Frauen durch das klerikale Patriarchat.
Man kann diese Sympathiebekundungen also als solche getrost ad acta legen. Doch der Blick auf die ganz speziellen je eigenen inhaltlichen Akzente der Verfasser animiert zumindest zu einer kleinen„Blütenlese“. Diese Zitate sind weitgehend selbsterklärend – oder selbstentlarvend – und für Katholiken nicht mehr kommentarbedürftig.
Wolfgang Thierse, SPD, bis 2013 Mitglied des Bundestags und von 1998 bis 2005 Bundestagspräsident:
„Man beschweigt, man sieht zu, man lässt geschehen – den Stillstand, das Scheitern, das bestehende, durch Vergangenheit bestätigte Schlechte –, obwohl es an der Zeit ist, der Abwärtsfahrt „in die Speichen zu greifen“.
Jens Spahn, CDU-Politiker im Deutschen Bundestag und seit 2018 Bundesminister für Gesundheit; will die Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende:
„Persönlich halte ich Widersprüche aus: Meinen Mann hätte ich, ginge es nach der Kirche, nie heiraten dürfen. Das Bestehende zu hinterfragen, sich klug zu erneuern, tut oft gut.“
„Jesus hat seine Botschaft allen Menschen gleichermaßen verkündet, unabhängig vom Geschlecht und unabhängig davon, wer wen liebt.“
Anselm Grün, Benediktinerpater, Betriebswirt und Autor spiritueller Bücher; lädt in der Abtei Münsterschwarzach auch evangelische Christen zur Kommunion ein:
„Eine Theologie, die sich darauf beruft, dass Jesus Mann war und daher nur Männer Priester sein können, möchte nur den Status quo hochhalten. Doch diese Theologie ist unhaltbar. Sie gründet auf gesellschaftlichen Vorurteilen (…).“
Hans-Jochen Vogel, ehemaliger Oberbürgermeister von München, Bundesbauminister, Bundesminister für Justiz, Regierender Bürgermeister von Berlin und Nachfolger Willy Brandts als SPD-Parteivorsitzender:
„In der evangelischen Kirche hat es auch über 450 Jahre nach der Reformation gedauert, bis Frauen Pastorinnen wurden. Heute wissen wir doch: Das hat der evangelischen Kirche nur genutzt.“
„Wollen wir Katholiken eine große gesellschaftliche Bewegung bleiben, die mit ihren Werten die Gesellschaft beeinflussen kann? Oder wollen wir schrumpfen auf eine kleine, extrem konservative Gruppe, die ihren Einfluss verliert?“
Professor Heribert Prantl, Journalist und bis vor wenigen Monaten Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, Ehrendoktor der evangelischen Theologie an der Universität Erlangen:
„Sie hätten gleiche Würde, heißt es dann, aber eben andere Aufgaben, und all das mit dem kläglichen Argument, dass Jesus und die Apostel eben Männer waren.“
„Maria, die Namensgeberin des Protestes, hat im Magnificat, in ihrem großen Lobgesang, gesagt: ‚Gott stürzt die Mächtigen vom Thron‘. Die Mächtigen in der katholischen Kirche sind die dortigen Hierarchen, die Bischöfe und die Priester.“
„Die Geburt des Jesus Christus beginnt mit dem Abschied vom Patriarchat, als ‚Jungfrauengeburt‘. Er kommt ohne Zutun männlicher Potenz zur Welt – durch die Kraft des Geistes. Geist ist in der hebräischen Bibel feminin, eine Die, eine schöpferische, weibliche, pfingstliche Kraft: Sie reformiert, sie revolutioniert, sie macht neu. Es ist Zeit dafür, dass die katholische Kirche neu wird: weiblicher.“
Hier hört allerdings der Kommentarverzicht für Katholiken auf. Die Schmerzgrenze ist überschritten, wenn Jesus Christus, unser Herr und Gott, und Seine jungfräuliche Mutter, mißbraucht und entstellt werden, indem das Magnificat Mariens für den Umsturz instrumentalisiert und die Jungfrauengeburt als Ergebnis einer Befruchtung durch eine weibliche Geistkraft dargestellt wird. Und wie die Mutter Kirche und Braut Christi weiblicher werden soll, bleibt den Phantasien des Verfassers überlassen.
„Je suis Marie“
Einer Anmerkung bedarf der Titel, unter dem die fünf Beiträge in der Zeit erschienen: Gehen wir einmal davon aus, daß die Analogie zu „Je suis Charlie“ bewußt gewählt ist. Man erinnert sich an das Jahr 2015, als in Paris Islamisten in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo 12 Menschen erschossen hatten. Je suis Charlie, „Ich bin Charlie“, wurde damals zum weltweiten identifikatorischen Slogan der Anteilnahme und Solidarität mit den Opfern.
Mit „Je suis Marie“ diesen Kontext wachzurufen, mag bestenfalls noch der journalistischen Bemühung um eine „originelle“ Schlagzeile geschuldet sein. Dass man damit aber den Frauen von Maria 2.0 dem Nimbus der Verfolgten um ihres Einsatzes für die freie Rede willen verpaßt, mit denen sich die freie Welt solidarisieren muß, ist höchst manipulativ und kommt zudem einer Verspottung der Opfer des islamistischen Terroraktes von damals gleich.
Bild: zeit.de (Screenshot)