Amazonassynode: Meine Herren Kardinäle und Bischöfe, wollen Sie wirklich eine solche Kirche?

Die „neuen Wege“ in eine andere Kirche


Das Arbeitsdokument (Instrumentum laboris) der Amazonassynode propagiert eine pantheistische und marxistische Ökobefreiungstheologie.
Das Arbeitsdokument (Instrumentum laboris) der Amazonassynode propagiert eine pantheistische und marxistische Ökobefreiungstheologie.

Von Rober­to de Mattei*.

Anzei­ge

Die ersten Reak­tio­nen auf das Instru­men­tum labo­ris der Ama­zo­nas­syn­ode kon­zen­trier­ten sich auf die Öff­nun­gen in Rich­tung Zulas­sung ver­hei­ra­te­ter Prie­ster und der Frau­en zum Wei­he­sa­kra­ment der Kir­che. Das Instru­men­tum labo­ris ist aber noch etwas mehr: Es ist ein Mani­fest der Öko­be­frei­ungs­theo­lo­gie, die eine für Katho­li­ken inak­zep­ta­ble pan­the­isti­sche und gleich­ma­che­ri­sche „Kos­mo­vi­si­on“ ver­tritt. Die Türen des Lehr­am­tes, wie José Anto­nio Ure­ta deut­lich macht, wer­den auf­ge­sto­ßen zur „Indio­theo­lo­gie und Öko­theo­lo­gie, zwei latein­ame­ri­ka­ni­sche Deri­va­te der Befrei­ungs­theo­lo­gie, deren Kory­phä­en nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on und dem Schei­tern des ‚rea­len Sozia­lis­mus‘ den indi­ge­nen Völ­kern und der Natur die histo­ri­sche Rol­le der revo­lu­tio­nä­ren Kraft im mar­xi­sti­schen Sinn zuschreiben“.

Mit dem am 17. Juni vom Hei­li­gen Stuhl ver­öf­fent­lich­ten Doku­ment, erfolgt ein „Ein­drin­gen“ Ama­zo­ni­ens als „ein neu­es Sub­jekt“ in das Leben der Kir­che (Instru­men­tum labo­ris, Nr. 2). 

Was aber ist Amazonien? 

Es ist nicht nur phy­si­scher Ort, eine „kom­ple­xe Bio­sphä­re“ (Nr. 10), son­dern „eine Rea­li­tät voll Leben und Weis­heit“ (Nr. 5), das zum kon­zep­tio­nel­len Para­dig­ma erho­ben wird, und das zu einer „pasto­ra­len, öko­lo­gi­schen und syn­oda­len“ Umkehr ruft (Nr. 5). Die Kir­che muß, um ihre pro­phe­ti­sche Rol­le zu erfül­len, den „ama­zo­ni­schen Völ­kern“ Gehör schen­ken (Nr. 7). Die­se Völ­ker sind imstan­de, in „Inter­kom­mu­ni­ka­ti­on“ mit dem gan­zen Kos­mos zu leben (Nr. 12), aber ihre Rech­te wer­den von den Wirt­schafts­in­ter­es­sen inter­na­tio­na­ler Kon­zer­ne bedroht, die , wie die Indi­ge­nen von Gua­vi­a­re (Kolum­bi­en) sagen, „die Venen unse­rer Mut­ter Erde durch­ge­schnit­ten haben“ (Nr. 17). Die Kir­che hört die „Schreie, sowohl der Völ­ker als auch der Erde“ (Nr. 18), weil im Ama­zo­nas „das Ter­ri­to­ri­um ein theo­lo­gi­scher Ort ist, aus dem her­aus man den Glau­ben lebt, und auch eine eige­ne Quel­le der Offen­ba­rung Got­tes ist“ (Nr. 19). Eine drit­te Quel­le der Offen­ba­rung fügt sich dem­nach zur Hei­li­gen Schrift und der Tra­di­ti­on hin­zu: der Ama­zo­nas-Regen­wald, ein Gebiet, in dem „alles mit­ein­an­der ver­bun­den ist“ (Nr. 20), alles „kon­sti­tu­tiv in Ver­bin­dung steht und ein vita­les Gan­zes bil­det“ (Nr. 21). Im Ama­zo­nas ist das Ide­al des Kom­mu­nis­mus ver­wirk­licht, weil im tri­ba­len Kol­lek­ti­vis­mus „alles geteilt wird und die pri­va­ten Räu­me – typisch für die Moder­ne – mini­mal sind“.

Die indi­ge­nen Völ­ker haben sich vom Mono­the­is­mus befreit und gewin­nen den Ani­mis­mus und den Poly­the­is­mus zurück. In der Nr. 25 liest man entsprechend:

„Das Leben der Ama­zo­nas-Gemein­schaf­ten, die noch nicht vom Ein­fluß der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on betrof­fen sind, spie­gelt sich im Glau­ben und in den Riten in Bezug auf das Han­deln der Gei­ster, der Gott­heit – die auf vie­ler­lei Wei­se benannt wird – mit und im Ter­ri­to­ri­um, mit und in Ver­bin­dung mit der Natur wider. Die­se Kos­mo­vi­si­on[1] fin­det sich im ‚Man­tra‘ von Fran­zis­kus: ‚Alles ist mit­ein­an­der ver­bun­den‘ (Lau­da­to si, 16, 91, 117, 138, 240).“

Amazonische „Kosmovision“

Das Doku­ment beharrt dar­auf, indem es behaup­tet, daß die ama­zo­ni­sche „Kos­mo­vi­si­on“ eine „Weis­heit der Ahnen, leben­di­ges Reser­voi­re der Spi­ri­tua­li­tät und der indi­ge­nen Kul­tur“ (Nr. 26) ist. Dem­nach „haben uns die Ama­zo­nas­völ­ker viel zu leh­ren. (…) Die neu­en Wege der Evan­ge­li­sie­rung müs­sen im Dia­log mit die­sen Ahnen-Weis­hei­ten geschaf­fen wer­den, in denen sich die Samen des Wor­tes zei­gen“ (Nr. 29). Der Reich­tum des Ama­zo­nas besteht dem­nach dar­in, nicht mono­kul­tu­rell, son­dern „eine plu­ri­eth­ni­sche, plu­ri­kul­tu­rel­le und plu­r­i­re­li­giö­se Welt“ (Nr. 36) zu sein, mit der in Dia­log getre­ten wer­den muß. Die Völ­ker des Ama­zo­nas „kon­fron­tie­ren uns mit dem Gedächt­nis der Ver­gan­gen­heit und den Wun­den, die in den lan­gen Peri­oden der Kolo­nia­li­sie­rung zuge­fügt wur­den. Des­halb hat Papst Fran­zis­kus ‚demü­tig um Ver­ge­bung gebe­ten nicht nur für die Belei­di­gung durch die eige­ne Kir­che, son­dern auch für die Ver­bre­chen gegen die indi­ge­nen Völ­ker wäh­rend der soge­nann­ten Erobe­rung Ame­ri­kas‘. In die­ser Ver­gan­gen­heit war die Kir­che manch­mal Kom­pli­ze der Kolo­ni­sa­to­ren, und das hat die pro­phe­ti­sche Stim­me des Evan­ge­li­ums erstickt“ (Nr. 38).

Die „inte­gra­le Öko­lo­gie“ schließt „die Wei­ter­ga­be der Erfah­rung der Ahnen, der Kos­mo­lo­gien, der Spi­ri­tua­li­tä­ten und der Theo­lo­gien der indi­ge­nen Völ­ker im Zusam­men­hang mit der Sor­ge um das Gemein­sa­me Haus“ mit ein (Nr. 56).

Die Kir­che muß sich ihrer Roma­ni­tät ent­le­di­gen und „ein ama­zo­ni­sches Gesicht“ anneh­men. „Das Ama­zo­nas-Gesicht der Kir­che fin­det ihren Aus­druck in der Plu­ra­li­tät ihrer Völ­ker, Kul­tu­ren und Öko­sy­ste­me. Die­se Diver­si­tät ver­langt eine Opti­on für eine Kir­che, die hin­aus­geht und mis­sio­na­risch ist und in allen ihren Akti­vi­tä­ten, Aus­drucks­for­men und Spra­chen Gestalt annimmt“ (Nr. 107). „Eine Kir­che mit Ama­zo­nas-Gesicht in ihren zahl­rei­chen Schat­tie­run­gen ver­sucht eine Kir­che zu sein, die ‚hin­aus­geht‘ (vgl. Evan­ge­li­um gau­di­um, 20–23), die eine kolo­nia­le, mono­kul­tu­rel­le, kle­ri­ka­le und auf­zwin­gen­de Tra­di­ti­on hin­ter sich läßt und es ver­steht, zu unter­schei­den und ohne Angst die ver­schie­de­nen kul­tu­rel­len Aus­drucks­for­men der Völ­ker anzu­neh­men“ (Nr. 110).

Mutter-Vater-Schöpfergott schon vor der Evangelisierung

Der pan­the­isti­sche Zug, der die Ama­zo­nas-Natur bewegt, ist ein Leit­mo­tiv des Dokumentes. 

„Der Schöp­fer­geist, der das Uni­ver­sum erfüllt (vgl. Weis 1,7), ist der Geist, der jahr­hun­der­te­lang die Spi­ri­tua­li­tät die­ser Völ­ker genährt hat, auch schon vor der Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums, und der sie antreibt, es anzu­neh­men aus­ge­hend von ihren Kul­tu­ren und Tra­di­tio­nen“ (Nr. 120). Des­halb „ist es not­wen­dig, zu erfas­sen, was der Geist des Herrn die­se Völ­ker im Lauf der Jahr­hun­der­te gelehrt hat: den Glau­ben an den Vater-Mut­ter-Schöp­fer­gott , den Sinn für die Gemein­schaft und die Har­mo­nie mit der Erde, den Sinn der Soli­da­ri­tät mit den eige­nen Gefähr­ten, das Pro­jekt „gut leben“, die Weis­heit von Jahr­tau­sen­den der Zivi­li­sa­tio­nen, über die die Alten ver­fü­gen und die Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit, das Zusam­men­le­ben, die Erzie­hung und die Bestel­lung der Erde, die leben­di­ge Bezie­hung mit der Natur und der ‚Mut­ter Erde‘ hat, die Fähig­keit zum Wider­stand und zum Behar­ren beson­ders der Frau­en, die Riten und reli­giö­sen Aus­drucks­for­men, die Bezie­hun­gen zu den Ahnen, die kon­tem­pla­ti­ve Hal­tung und den Sinn der Unent­gelt­lich­keit, der Zele­bra­ti­on und des Festes und den hei­li­gen Sinn des Ter­ri­to­ri­ums“ (Nr. 121).

Im Sin­ne einer „gesun­den Dezen­tra­li­sie­rung“ der Kir­che „wün­schen die Gemein­schaf­ten, daß die Bischofs­kon­fe­ren­zen den eucha­ri­sti­schen Ritus ihren Kul­tu­ren anpas­sen“. „Die Kir­che muß in den Ama­zo­nas-Kul­tu­ren Gestalt anneh­men, die einen aus­ge­präg­ten Sinn der Gemein­schaft, der Gleich­heit und der Soli­da­ri­tät besit­zen, wes­halb der Kle­ri­ka­lis­mus in sei­nen unter­schied­li­chen Aus­drucks­for­men nicht akzep­tiert wird. Die indi­ge­nen Völ­ker besit­zen eine rei­che Tra­di­ti­on der sozia­len Orga­ni­sa­ti­on, wo die Auto­ri­tät in Rota­ti­on und mit einem tie­fen Sinn des Dien­stes aus­ge­übt wird. Von die­ser Erfah­rung der Orga­ni­sa­ti­on aus­ge­hend wäre es oppor­tun, die Idee zu über­den­ken, daß die Aus­übung der Juris­dik­ti­on (Lei­tungs­ge­walt) in allen Berei­chen (sakra­men­tal, recht­lich, admi­ni­stra­tiv) und dau­er­haft mit dem Wei­he­sa­kra­ment ver­bun­den sein muß“ (Nr. 127).

Ein neues männlich-weibliches Amazonas-Priestertum

Aus­ge­hend von der Prä­mis­se, daß „der Zöli­bat ein Geschenk für die Kir­che ist“, wird die For­de­rung erho­ben, daß „für die ent­le­gen­sten Zonen der Regi­on die Mög­lich­keit alte, bevor­zugt indi­ge­ne, von ihrer Gemein­schaft respek­tier­te und akzep­tier­te Alte zu Prie­stern geweiht wer­den, auch wenn sie bereits eine kon­sti­tu­ier­te und sta­bi­le Fami­lie haben soll­ten, um die Sakra­men­te zu garan­tie­ren, die das christ­li­che Leben beglei­ten und stüt­zen“ (Nr. 129). Zudem ist es not­wen­dig, „den Frau­en ihre Füh­rungs­rol­le zu garan­tie­ren sowie immer grö­ße­re und bedeu­ten­de­re Räu­me im Bereich der Bil­dung: Theo­lo­gie, Kate­che­se, Lit­ur­gie und Schu­le des Glau­bens und der Poli­tik“, sowie „den Typ des offi­zi­el­len Dien­stes aus­fin­dig zu machen, der Frau­en ver­lie­hen wer­den kann, indem ihrer zen­tra­len Rol­le Rech­nung getra­gen wird, die sie heu­te in der Ama­zo­nas-Kir­che spielen“.

Was ist dem noch hin­zu­zu­fü­gen? Wer­den die Bischö­fe als Nach­fol­ger der Apo­stel und die Kar­di­nä­le als Rat­ge­ber des Pap­stes in der Lei­tung der Welt­kir­che zu die­sem poli­tisch-reli­giö­sen Mani­fest schwei­gen, das die Leh­re und die Pra­xis des mysti­schen Lei­bes Chri­sti ver­zer­ren und umstür­zen will?

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Die Erst­ver­öf­fent­li­chung erfolg­te als Gast­kom­men­tar auf dem Blog des Vati­ka­ni­sten Aldo Maria Valli. 

Übersetzung/​Zwischenüberschriften: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


[1] Kos­mo­vi­si­on ist laut Digi­ta­lem Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che (DWDS) ein Begriff der 60er Jah­re, der nur in jenem Jahr­zehnt eine nen­nens­wer­te Ver­wen­dung fand, Anm. GN.

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5 Kommentare

  1. Die über­gro­ße Mehr­heit der Bischö­fe und Kar­di­nä­le wird lei­der zu die­sem poli­tisch-reli­giö­sen Mani­fest schwei​gen​.Es scheint als sei der gesun­de Wider­stand erstickt!

  2. Was sie da vor haben, ist der hel­le Wahn­sinn. Sie mei­nen sie schrei­ten vor­an, in Wirk­lich­keit nur dem Abgrund zu, und der eige­nen Selbstauflösung.

  3. Sol­che Kir­che ist kei­ne katho­li­sche Kir­che mehr, die Kir­chen wer­den immer lee­rer und die wah­ren Katho­li­ken wer­den nicht mehr sol­che Mes­sen besuchen.

  4. Wenn die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie nach dem Zusam­men­bruch des real exi­stie­ren­den Sozia­lis­mus durch eso­te­ri­schen Mum­bo-Jum­bo wie Indio­theo­lo­gie und Öko­theo­lo­gie abge­löst wird, ist es kein Wun­der, dass der Katho­li­zis­mus in Latein­ame­ri­ka ver­schwin­det und sich die Men­schen in Scha­ren evan­ge­li­ka­len und pen­te­ko­sta­li­sti­schen Frei­kir­chem zuwenden.
    Seit dem Zwei­ten Vati­ka­num steht die Katho­li­sche Kir­che am Ran­de des Abgrund. Mit der Ama­zo­nas­syn­ode wird sie tat­säch­lich einen ent­schei­den­den Schritt nach vor­ne tun!

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