Von einer Katholikin.
Waren im Mai die katholische Sexualmoral, Frauenpriestertum und Zölibat die zentralen Kampfbegriffe der Kirchenstreikaktivistinnen von Maria 2.0., so treten nun katholische Religionslehrer mit ähnlichen Reformforderungen an die Kirche auf den Plan. Der Bundesverband der katholischen Religionslehrer und ‑lehrerinnen an Gymnasien hat am 3. Juni einen offenen Brief an die deutschen Bischöfe gerichtet. In einem 10-Punkte-Katalog fordern sie „strukturelle Veränderungen der Kirche“.
Die Religionslehrer betonen, aus der Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit der Kirche als „glaubwürdige Gemeinschaft der Glaubenden “ heraus zu handeln. Diese Glaubwürdigkeit könnten sie Schülern angesichts der Mißbrauchsskandale, „religiöser Machtaufladung in einem klerikalistischen priesterlichen Selbstbild“, „Dämonisierung von Sexualität“, „Tabuisierung von Homosexualität und alternativen Liebes- und Lebensformen“ sowie „Ausgrenzung wiederverheirateter Geschiedener“ nicht mehr vermitteln.
Man kann sich allerdings angesichts dieser fragwürdigen Schlagworte des Eindrucks nicht erwehren, dass die Lehrer hier ihre eigene Kampfagenda zur Dekatholisierung der Kirche formulieren unter dem Deckmantel der Sorge um unsere „Schüler*innen“, die „in diesen Kontexten eine intransparente, unehrliche, machtorientierte Amtskirche, die den Schutz der Sakralität ihrer Institution höher achtet als die Menschen, die sich ihr anvertrauen“ entdeckten.
In ihrem Brief fordern die Religionslehrer u.a. ein „Umdenken in Fragen von Sexualität insbesondere auch von Homosexualität“, das „Ende eines repressiven Umgangs mit innovativ (sic!) denkenden Theolog*innen“ und eine mutige Ökumene durch den „Abbau aller Schranken, die im katholischen Amtsverständnis begründet sind“.
Die Religionspädagogen geben sich überaus selbstbewußt. Die Erfüllung ihrer Forderungen sehen sie als Voraussetzung dafür, daß „Kirche und Glaube überhaupt eine Zukunft haben“.Doch die menschliche Anmaßung, die das Überleben der Kirche an eigenmächtige zeitgemäße Operationen am Leib der Kirche Christi knüpft, verleugnet die Offenbarung des Herrn.
Superbia? Der Schußsatz des Briefes ist zumindest sehr selbstherrlich: Wir sind bereit, uns in den Reformprozess mit unserer theologischen und pädagogischen Expertise einzubringen, sobald erste klare Schritte im Hinblick auf die Umsetzung dieser Forderungen gegangen werden. Partizipation am „synodalen Weg“, der bei der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe beschlossen wurde, ist dabei die conditio sine qua non.
Es bleibt zu hoffen, daß die theologische Expertise zumindest dieser Religionslehrer uns erspart bleibt, die man nach dem Lesen des offenen Briefes nur mit der Note „ungenügend“ bewerten kann. (Eine Bewertung nach dem selben Maßstab ergibt bei etlichen Hirten und Oberhirten leider auch kein besseres Ergebnis.)
Unter diesen Umständen wäre es vielleicht an der Zeit, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach im Rahmen des staatlichen Auftrags der Schulen nicht nur zu hinterfragen, sondern über seine Abschaffung nachzudenken. Zu groß ist die Gefahr für unsere Kinder, daß sie nicht auf Religionslehrer treffen, die treu zur katholischen Lehre stehen und die katholische Sexualmoral als Fundament sittlichen Lebens begreifen.
Aber die Bischofskonferenz wird wohl nicht gerne darauf verzichten, Teile der Religionslehrerschaft als verlängerten Arm zu haben. Außerdem wäre sie ohne schulischen Religionsunterricht offen erkennbar in der pastoralen Pflicht, Katechismusstunden anzubieten, wie es z.B. im laizistischen Frankreich außerhalb der Schule in Eigenregie der Kirche geschieht. Und es wäre sicher schwerer, bei Katechese den selben Etikettenschwindel zu betreiben, wie es beim „katholischen“ Religionsunterricht der Fall ist. Denn da geht es, so die Formulierung der Lehrer, „primär um Wertekommunikation, nicht um Wertetradierung“. Tatsächlich hatte die Abkehr von der Katechese mit den Beschlüssen der Würzburger Bischofssynode (1971–1975) begonnen.
Es gibt hoffentlich noch viele Religionslehrer, die nicht hinter dem offenen Brief stehen, aber leider offensichtlich zu viele, die selbst schon nicht mehr auf dem Boden des Katechismus der Katholischen Kirche stehen.
Bild: VaticanNews (Screenshot)