„Zuviel Gebet“ – Das Ende einer (weiteren) Ordensgemeinschaft

Der Kommissar geht um


Das (römische) Ende eines Frauenordens
Das (römische) Ende eines Frauenordens.

(Paris) Zuerst schick­te Papst Fran­zis­kus einen Kom­mis­sar, nun folgt das Ende für einen Orden, der „zuviel betet“. „Das vati­ka­ni­sche Zer­stö­rungs­werk am Ordens­le­ben wird uner­bitt­lich fort­ge­setzt“, so die Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

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Im Sep­tem­ber 2017 stell­te Kar­di­nal Braz de Aviz, Prä­fekt der römi­schen Ordens­kon­gre­ga­ti­on, die Peti­tes Sœurs de Marie, Mère du Rédempteur (PSM), die Klei­nen Schwe­stern Mari­ens, der Mut­ter des Erlö­sers unter kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung. Katho​li​sches​.info berich­te­te: Der näch­ste tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Orden fällt dem Kom­mis­sar zum Opfer.

Der bra­si­lia­ni­sche Kar­di­nal­prä­fekt spiel­te unter Papst Fran­zis­kus bereits im Zusam­men­hang mit ande­ren glau­bens­treu­en und tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Orden eine wenig rühm­li­che Rol­le. Über Jah­re zog sich ein Kon­flikt mit dem Orts­bi­schof hin, der sich unter Papst Bene­dikt XVI. gegen­über dem Orden aber nicht durch­set­zen konn­te. Der Bischof stör­te sich, so Ripo­ste Catho­li­que, am Süh­ne­ge­dan­ken der Schwe­stern, der Teil der Ordens­spi­ri­tua­li­tät ist. Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti berich­te­te auch von einem „bischöf­li­chen Appe­tit“ auf den Immo­bi­li­en­be­sitz des Frauenordens.

Unter Papst Fran­zis­kus fan­den erneut kano­ni­sche Visi­ta­tio­nen statt. Katho​li​sches​.info schrieb dazu im ver­gan­ge­nen November: 

„Die Klei­nen Schwe­stern Mari­ens erleb­ten 2016 und 2018 kano­ni­sche Visi­ta­tio­nen und wur­den ‚sek­tie­re­ri­scher‘ Ten­den­zen beschul­digt. Sol­che For­men kann es in der Kir­che durch­aus geben. Der Begriff ist aller­dings mehr noch ein Chif­fre, mit der moder­ni­sti­sche Kir­chen­krei­se glau­bens­treue, from­me Gemein­schaf­ten, Orden und Gebets­grup­pen dis­kre­di­tie­ren, im bes­se­ren Fall belä­cheln und ver­spot­ten, im schlech­te­ren Fall verfolgen.“

Die betrof­fe­nen Ordens­frau­en bezeich­ne­ten den Abschluß­be­richt der Visi­ta­ti­on als „eine Kari­ka­tur“ der Wirk­lich­keit und als ein ein­zi­ges „Vor­ur­teil“.

Generaloberin durch Rom abgesetzt

Im Sep­tem­ber 2017 waren die Gene­ral­obe­rin Marie de Saint-Michel und die Novi­zen­mei­ste­rin aus den Klö­stern des Ordens ent­fernt und exi­liert wor­den. An ihre Stel­le setz­te Rom eine Apo­sto­li­sche Kom­mis­sa­rin und zwei Assi­sten­tin­nen „moder­ner“ Ausrichtung.

Die Ordens­frau­en lie­ßen sich das römi­sche Dik­tat aber nicht ein­fach gefal­len. Ledig­lich fünf Schwe­stern akzep­tie­ren den dra­sti­schen Ein­griff. Die übri­gen 98 Pro­zent der Ordens­ge­mein­schaft reagier­ten mit einer schmerz­li­chen Gegen­re­ak­ti­on und ersuch­ten um die Ent­bin­dung von ihren Ordens­ge­lüb­den. Einem Orden, der nicht mehr dem Cha­ris­ma ent­spricht, dem sie sich durch Ein­tritt und Gelüb­de ver­pflich­tet haben, wol­len sie nicht mehr angehören. 

Die Kleinen Schwestern Mariens, der Mutter des Erlösers
Die Klei­nen Schwe­stern Mari­ens, der Mut­ter des Erlösers

Die Ent­bin­dung ist ein tief­grei­fen­der Ein­schnitt in das Leben der gott­ge­weih­ten Frau­en, von denen man­che den größ­ten Teil ihres Lebens in dem Orden ver­bracht haben. Sie sehen jedoch kei­ne Alter­na­ti­ve zu die­sem Schritt. Die Ent­bin­dung bedeu­tet, daß sie lai­siert wer­den. Sie müs­sen die Ordens­häu­ser ver­las­sen und ihre täti­gen Wer­ke der Barm­her­zig­keit, beson­ders in der Alten­pfle­ge, aufgeben. 

Die römi­sche Ordens­kon­gre­ga­ti­on wirft den Ordens­frau­en eine „zu tra­di­tio­nel­le“ Spi­ri­tua­li­tät vor. Die Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na schrieb dazu:

„Der Groß­in­qui­si­tor der Ordens­kon­gre­ga­ti­on, der Fran­zis­ka­ner José Rodri­guez Car­bal­lo, ist die rech­te Hand und der Ver­trau­ens­mann des regie­ren­den Pap­stes für sol­che Eingriffe.“

Kuri­en­erz­bi­schof Car­bal­lo war zuvor Gene­ral­obe­rer des Fran­zis­ka­ner­or­dens, ehe ihn Papst Fran­zis­kus zur Num­mer Zwei der Ordens­kon­gre­ga­ti­on mach­te. Obwohl Car­bal­lo sei­nen eige­nen Orden in Fol­ge eines Finanz­skan­dals am Rand des Kon­kur­ses hin­ter­ließ, ermög­lich­te ihm Papst Fran­zis­kus eine neue Kar­rie­re an der Römi­schen Kurie. Dort tat er sich durch beson­de­ren Eifer gegen Orden wie die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta, die Fami­lia Chri­sti oder die Prie­ster­bru­der­schaft der Hei­li­gen Apo­stel hervor.

„Die neue Theologie des geweihten Lebens“ nicht verstanden“

Ver­stö­rend wirkt, daß eine tra­di­tio­nel­le Ordens­spi­ri­tua­li­tät in Rom bereits Miß­trau­en und Arg­wohn weckt. Die Klei­nen Schwe­stern, der Mut­ter des Erlö­sers pfle­gen alte Men­schen, arbei­ten in den Pfar­rei­en mit und hel­fen den Armen. Alles Tätig­kei­ten, die bei der der­zei­ti­gen Kir­chen­füh­rung hoch im Kurs ste­hen. Die Klei­nen Schwe­stern pfle­gen jedoch auch eine beson­de­re Lie­be zur eucha­ri­sti­schen Anbe­tung, zum Süh­ne­ge­bet und zur Mari­en­ver­eh­rung. Cha­ris­men, die in Rom der­zeit offen­bar weni­ger hoch im Kurs ste­hen. Wegen des „schwer­wie­gen­den“ Ver­dachts des Tra­di­tio­na­lis­mus, wur­den 2016 und 2018 von Kar­di­nal Braz de Aviz und Kuri­en­erz­bi­schof Car­bal­lo neu­er­li­che Visi­ta­tio­nen ange­ord­net, nach­dem eine erste von 2009 wegen der schüt­zen­den Hand Bene­dikts XVI. erfolg­los geblie­ben war.

Stigmatisierte Ordensgründerin Marie de la Croix (1901-1999).
Stig­ma­ti­sier­te Ordens­grün­de­rin Marie de la Croix (1901–1999).

Rom erklär­te anschlie­ßend, daß es im Orden Füh­rungs­pro­ble­me gebe, obwohl der Groß­teil der Ordens­frau­en ihrer Mut­ter Obe­rin das beste Zeug­nis aus­stell­ten. Der Vati­kan kon­kre­ti­sier­te den Vor­wurf mit „Still­stand“, man­geln­der Kennt­nis „der neu­en Theo­lo­gie des geweih­ten Lebens“, „zuviel Gebet“ und „Auto­ri­ta­ris­mus“.

Obwohl sich die betrof­fe­nen Ordens­schwe­stern in ihrer über­gro­ßen Mehr­heit ent­schie­den gegen die­se Vor­wür­fe ver­wahr­ten und die Behaup­tun­gen als unzu­tref­fend zurück­wie­sen, setz­te der Vati­kan sei­nen Kurs gegen den Orden fort.

Die Schwe­stern rie­fen gegen den Ein­griff der Ordens­kon­gre­ga­ti­on den Ober­sten Gerichts­hof der Apo­sto­li­schen Signa­tur an. Das woll­ten die geschun­de­nen Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta 2013 auch tun, was ihnen Papst Fran­zis­kus aber ver­wehr­te. Damals war noch Ray­mond Kar­di­nal Bur­ke Prä­si­dent des Gerichts­ho­fes und hät­te das Vor­ge­hen der Ordens­kon­gre­ga­ti­on genau unter die Lupe genom­men und Rechts­ver­stö­ße ver­hin­dert. Den Klei­nen Schwe­stern, der Mut­ter des Erlö­sers stand 2018 der Rechts­weg hin­ge­gen offen, denn in der Zwi­schen­zeit hat­te Papst Fran­zis­kus den tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Kar­di­nal Bur­ke in einer bei­spiel­lo­sen Akti­on vor aller Welt gede­mü­tigt, abge­setzt und aus dem Vati­kan ent­fernt. Zu den mas­siv­sten Intri­gan­ten gegen Kar­di­nal Bur­ke, die das Ohr von Fran­zis­kus fan­den, gehör­te der inzwi­schen wegen sei­nes homo­se­xu­el­len Dop­pel­le­bens unrühm­lich gefal­le­ne Ex-Kar­di­nal Theo­do­re McCar­ri­ck. Fran­zis­kus setz­te den ehe­ma­li­gen vati­ka­ni­schen Außen­mi­ni­ster, Msgr. Domi­ni­que Mam­ber­ti, anstel­le von Bur­ke an die Spit­ze der Apo­sto­li­schen Signa­tur und kre­ierte ihn 2015 zum Kardinal.

„Die Signa­tur, inzwi­schen unter der Lei­tung des Diplo­ma­ten Mam­ber­ti, offen­sicht­lich unfä­hig, sich dem Wil­len von oben ent­ge­gen­zu­stel­len, bestä­tig­te die Ent­schei­dung des Dik­aste­ri­ums“, so die Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Der schwere Schritt

Die Schwe­stern gaben nicht auf, son­dern mach­ten im Sep­tem­ber 2018 den Ein­griff und das Urteil, die sie als Unrecht emp­fin­den, öffent­lich publik:

„Der Kar­di­nal­prä­fekt der Ordens­kon­gre­ga­ti­on, Msgr. Braz de Aviz, hat uns ein Ulti­ma­tum gestellt: Ent­we­der akzep­tie­ren wird die kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung ‚vor­be­halt­los‘, andern­falls sieht das Gesetz vor, daß wir aus dem Orden ent­las­sen wer­den können.“

Papst Franziskus mit Kardinal Braz de Aviz und Kuerienerzbischof Carballo.
Papst Fran­zis­kus mit Kar­di­nal Braz de Aviz und Kuri­en­erz­bi­schof Carballo.

Nach einem mona­te­lan­gen, inne­ren Rin­gen ent­schie­den sich, bis auf fünf, alle Schwe­stern, daß es ihrem Gewis­sen nicht mög­lich ist, das römi­sche Dik­tat zu akzep­tie­ren. Die Tat­sa­che, daß allein schon das Bemü­hen, das Grün­dungs­cha­ris­ma des Ordens zu leben, wie es von der stig­ma­ti­sier­ten Ordens­grün­de­rin Mut­ter Marie de la Croix 1939 fest­ge­legt wor­den war (die kano­ni­sche Aner­ken­nung erfolg­te 1949), heu­te in Rom auf Vor­be­hal­te stößt und den Schwe­stern zum Vor­wurf gemacht wird, mache es ihnen unmög­lich, den Vor­ga­ben der Ordens­kon­gre­ga­ti­on zu folgen. 

„Nach­dem wir vie­le Male güt­li­che Lösun­gen vor­ge­schla­gen haben, ohne daß uns dar­auf irgend­ei­ne Ant­wort gege­ben wur­de; nach­dem wir uns mit auto­ri­sier­ten und fach­kun­di­gen Per­so­nen bera­ten haben; nach­dem wir viel gebe­tet haben im bestän­di­gen Wunsch, der Wahr­heit treu und gehor­sam zu sein, scheint uns kein ande­rer Weg mehr mög­lich, als auf unse­re Gelüb­de zu verzichten.“

Obwohl die Beru­fungs­kri­se nicht zuletzt auch in Frank­reich enorm ist, schei­nen die Ordens­kon­gre­ga­ti­on und Papst Fran­zis­kus kei­ne Pro­ble­me zu haben, durch dra­sti­sche Ein­grif­fe bestehen­de, zar­te, aber leben­di­ge Pflan­zen des Ordens­le­bens zu zertreten.

Ein Freun­des­kreis der Klei­nen Schwe­stern im Bis­tum Laval, der rund 3.000 Mit­glie­der zählt, infor­miert auf einer eige­nen Inter­net­sei­te über die Ordens­ge­mein­schaft und die Ereignisse.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Soutienpsm/Vatican.va (Screen­shots)

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