„Er spricht wie die UNO, verfolgt dieselben Ziele wie die UNO, hat aber nichts mit der UNO zu tun. Oder doch?“

Die neue Mission des Vatikans


Papst Franziskus 2015 vor der UNO als Festredner, der den Zielen für nachhaltige Entwicklung (2015-2030) den Segen erteilte.
Papst Franziskus 2015 vor der UNO als Festredner, der den Zielen für nachhaltige Entwicklung (2015-2030) den Segen erteilte.

Gemeint ist Papst Fran­zis­kus, folgt man Ric­car­do Cascio­li, Chef­re­dak­teur der Online-Zei­tung Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na und einer der bekann­te­sten katho­li­schen Jour­na­li­sten. In sei­ner wöchent­li­chen Kolum­ne in der Tages­zei­tung Il Giorn­a­le skiz­zier­te er am Pfingst­sonn­tag den Kurs, auf den Papst Fran­zis­kus die Kir­che dränge.

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„Die neue Mis­si­on des Vati­kans: die UNO erset­zen“, lau­tet der Titel der Kolumne.

„Die UNO ist in den Vati­kan umge­zo­gen, oder, bes­ser gesagt, der Vati­kan scheint die Auf­ga­ben der UNO über­nom­men zu haben.“

Die „bevor­zug­ten The­men“ von Papst Fran­zis­kus sind „Frie­den, Öko­lo­gie, nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung und neue Grund­la­gen für die Wirt­schaft“. Die­se The­men wer­den durch das direk­te Han­deln des Pap­stes und durch die inten­si­ve Arbeit der bei­den Haupt­in­stru­men­te der poli­ti­schen Agen­da des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats vor­an­ge­bracht: der Päpst­li­chen Aka­de­mien der Wis­sen­schaf­ten und der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten unter der Ägi­de ihres Kanz­lers und poli­ti­schen Armes von Fran­zis­kus, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, und dem Dik­aste­ri­um für die ganz­heit­li­che Ent­wick­lung des Men­schen unter ihrem Prä­fek­ten Peter Kar­di­nal Turkson.

„In den ver­gan­ge­nen Mona­ten haben sich die inter­na­tio­na­len Kon­fe­ren­zen und Tagun­gen im Vati­kan ver­viel­facht, die die­sen The­men gewid­met sind: von der Tagung über ‚Nah­rungs­mit­tel­si­cher­heit und gesun­de Ernäh­rung‘ bis zur Kon­fe­renz über ‚Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit‘, von der Tagung über ‚Reli­gio­nen und nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung‘ bis zum Gip­fel­tref­fen von Gewerk­schaf­ten und Indu­stri­el­len des Trans­port­sek­tors, von der Kon­fe­renz über ‚Bio­di­ver­si­tät und Arten­ster­ben‘ bis zur Voll­ver­samm­lung der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten über ‚Nati­on, Staat, Staats­na­ti­on‘, vor der Papst Fran­zis­kus eine lan­ge, glo­ba­li­stisch gepräg­te Rede hielt.“

Inter­na­tio­na­le Tagun­gen des Vati­kans sind natür­lich kei­ne Neu­ig­keit, mehr gilt das schon für ihre Ver­viel­fa­chung. Wirk­lich neu ist aber der The­men­wan­del, vor allem bei den Päpst­li­chen Aka­de­mien. Bis zur Wahl von Papst Fran­zis­kus waren die­se Aka­de­mien ein Ort des Stu­di­ums, der Samm­lung von Infor­ma­tio­nen und der Ver­tie­fung wis­sen­schaft­li­cher Argu­men­te. Ein Teil die­ser Arbeit dien­te der Kir­chen­füh­rung, um zu bestimm­ten Fra­gen die not­wen­di­gen und rich­ti­gen Schluß­fol­ge­run­gen im Licht der kirch­li­chen Sozi­al­leh­re zu ziehen.

„Heu­te die­nen die Tagun­gen der För­de­rung einer glo­ba­len, poli­ti­schen Agen­da, die ihre Fun­da­men­te in der Enzy­kli­ka Lau­da­to si von Papst Fran­zis­kus und in den Zie­len für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals) der UNO hat.“

Bei­de Grund­la­gen wur­den 2015 ver­öf­fent­licht: die Enzy­kli­ka im Juni, die poli­ti­schen Zie­le der UNO für 2015–2030 im Sep­tem­ber. Papst Fran­zis­kus war der ein­zi­ge Fest­red­ner im Glas­pa­last der Ver­ein­ten Natio­nen vor der Beschlußfassung.

„In Lau­da­to si macht sich Fran­zis­kus die Hypo­the­se der men­schen­ge­mach­ten Erd­er­wär­mung zu eigen, fast so als hand­le es sich um einen Glau­bens­satz. In den Jah­ren seit­her appel­lier­te er an die Staats- und Regie­rungs­chefs zunächst, um sie zuerst auf­zu­for­dern, das Kli­ma­ab­kom­men von Paris zu unter­zeich­nen und dann auch umzusetzen.“

Noch eine grund­le­gen­de Ver­än­de­rung ist in die­ser Zeit festzustellen:

„Gleich­zei­tig wird in den offi­zi­el­len Doku­men­ten, die der Vati­kan her­vor­bringt, fast aus­schließ­lich die Ter­mi­no­lo­gie der UNO-Orga­ne verwendet.“

Der Wech­sel in der Spra­che bedeu­tet einen Para­dig­men­wech­sel:

„Fak­tisch geht damit ein Ver­zicht auf Kon­zep­te ein­her, die aus der Sozi­al­leh­re der Kir­che her­vor­ge­gan­gen sind, um sich Kon­zep­ten anzu­pas­sen, die im Rah­men der UNO ent­stan­den sind und häu­fig mehr als zwei­deu­tig sind. Ein Haupt­bei­spiel ist der Begriff der ‚nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung‘, dem in sei­nem Ursprung ein nega­ti­ves Ver­ständ­nis vom Men­schen zugrun­de liegt und die Gebur­ten­kon­trol­le zum Ziel hat. Nicht von unge­fähr wur­de die­ser Begriff in den 90er Jah­ren vom Hei­li­gen Stuhl ent­schie­den abgelehnt.“

Cascio­li geht noch etwas weiter:

„Ange­sichts der Schwie­rig­kei­ten und der Lang­sam­keit der UNO Pro­ble­me zu erken­nen und Abhil­fe zu schaf­fen, scheint es, als habe der Hei­li­ge Stuhl die Sache in die Hand genom­men, indem er sel­ber vor­an­treibt, was gege­be­nen­falls die UNO vor­an­zu­brin­gen hät­te. Die­ser Ein­druck wird ver­stärkt durch die Anwer­bung von Per­so­nen durch den Vati­kan, die auf unter­schied­li­che Wei­se mit UNO-Agen­tu­ren und inter­na­tio­na­len Lob­bys ver­bun­den sind. Nur zwei Namen für alle: der ehe­ma­li­ge Chef­öko­nom der UNO, Jef­frey Sachs, der heu­te bei kei­nem Tref­fen der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten mehr feh­len darf; der ehe­ma­li­ge Vize-Prä­si­dent der Welt­bank und Wirt­schafts­be­ra­ter der Regie­rung Clin­ton, Joseph Stiglitz.“

Sachs und Stig­litz gehö­ren bei­de dem Club of Rome an, jener neo-mal­thu­sia­ni­schen Kata­stro­phen­schmie­de, die 1968 an die Öffent­lich­keit trat, um Panik über einen bevor­ste­hen­den Welt­un­ter­gang durch Über­be­völ­ke­rung zu erzeu­gen. Laut sei­nen The­sen müß­te der Westen bereits seit den 90er Jah­ren zer­stört und ver­nich­tet sein. Das Gegen­teil ist der Fall. Die Welt zählt heu­te mehr als dop­pelt so vie­le Bewoh­ner als 1968, aber deut­lich weni­ger Armut und kennt kaum noch Hun­gers­nö­te. Es gibt Hin­wei­se, daß auch die der­zei­ti­ge Panik­ma­che durch Kli­ma­hy­ste­rie aus dem­sel­ben Dunst­kreis des Club of Rome stammt.

Zur Arbeit, die die­se bei­den und wei­te­re Mit­ar­bei­ter des Vati­kans lei­sten, kom­men noch die per­sön­li­chen Initia­ti­ven von Papst Fran­zis­kus. Dazu gehö­ren nicht nur sei­ne stän­di­gen Appel­le zum Kli­ma­wan­del und der Massenmigration.

„Er prä­sen­tiert sich als Erbau­er einer ‚uni­ver­sa­len Brü­der­lich­keit‘, ein Kon­zept, auf das er seit Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats mit beson­de­rem Nach­druck beharrt, und das mehr als nur eine Zwei­deu­tig­keit ver­ur­sach­te.
Seit Jahr­zehn­ten wird der israe­lisch-palä­sti­nen­si­sche Kon­flikt nicht gelöst? Papst Fran­zis­kus lädt die Prä­si­den­ten von Isra­el und Palä­sti­na in den Vati­kan ein, so gesche­hen 2014. Um des fünf­ten Jah­res­ta­ges zu geden­ken, bat Fran­zis­kus die Katho­li­ken (und Nicht-Katho­li­ken) der gan­zen Welt am ver­gan­ge­nen Sams­tag für 13 Uhr um „eine Minu­te für den Frie­den“: ein Moment des Gebets für die Gläu­bi­gen und eine Moment des Nach­den­kens für die ande­ren.
Der Fun­da­men­ta­lis­mus und der isla­mi­sche Ter­ro­ris­mus ist ein glo­ba­les Pro­blem? Papst Fran­zis­kus fliegt nach Abu Dha­bi und unter­schreibt zusam­men mit dem Groß­i­mam von Al-Azhar ein Doku­ment über die Brü­der­lich­keit der Men­schen.
In all­dem ist die tra­di­tio­nel­le, christ­li­che Pre­digt, die Jesus Chri­stus als ein­zi­gen Ret­ter und Erlö­ser ver­kün­det, wo geblie­ben?
Das fra­gen sich immer mehr Katholiken.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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