Bischof „zu katholisch“ – Franziskus schickt den Kommissar nach Lourdes

Apostolischer Sondergesandter für den berühmten Marienwallfahrtsort


Das Marienheiligtum Lourdes, eines der bedeutendsten der Welt, wurde von Papst Franziskus mit ungewöhnlicher Begründung unter kommissarische Verwaltung gestellt.
Das Marienheiligtum Lourdes, eines der bedeutendsten der Welt, wurde von Papst Franziskus mit ungewöhnlicher Begründung unter kommissarische Verwaltung gestellt.

(Paris) Das Mari­en­hei­lig­tum Unse­rer Lie­ben Frau von Lour­des wur­de vom Vati­kan unter kom­mis­sa­ri­sche Auf­sicht gestellt. Papst Fran­zis­kus ent­zog dem „zu katho­li­schen“ Orts­bi­schof den berühm­ten Wall­fahrts­ort, für den nun einer der pro­gres­siv­sten Bischö­fe Frank­reichs zustän­dig ist.

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Die Nach­richt gab Andrea Tor­ni­el­li, der bis Dezem­ber 2018 Haus­va­ti­ka­nist von Papst Fran­zis­kus und seit­her Gene­ral­chef­re­dak­teur der Vati­kan­me­di­en, auf Vati­can­News bekannt. In der heu­ti­gen Aus­ga­be berich­te­te er auch im Osser­va­to­re Roma­no davon. 

Die deut­sche Aus­ga­be von Vati­can­News titel­te heute: 

„Den wah­ren Geist von Lour­des bewahren.“

Was war geschehen?

Papst Fran­zis­kus ernann­te mit Schrei­ben vom 31. Mai  Msgr. Antoine Herouard, Weih­bi­schof von Lil­le, zum Apo­sto­li­schen Gesand­ten für das berühm­te fran­zö­si­sche Mari­en­hei­lig­tum in den okzita­ni­schen Pyre­nä­en. Wie Tor­ni­el­li schreibt, habe Kuri­en­erz­bi­schof Rino Fisi­chel­la, der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Rates für die Neue­van­ge­li­sie­rung, offi­zi­ell die Ent­schei­dung von Papst Fran­zis­kus bekanntgegeben.

Tor­ni­el­li, der über direk­ten Zugang zum Papst ver­fügt, han­delt seit 2013 als inof­fi­zi­el­les Sprach­rohr von Fran­zis­kus. Was er schreibt, gibt das Den­ken und die Mei­nung des Pap­stes wie­der. Tor­ni­el­li ver­öf­fent­licht, was Fran­zis­kus selbst so (noch) nicht öffent­lich sagen kann oder will. Zur über­ra­schen­den Ent­schei­dung schrieb Tornielli:

„Die Ent­schei­dung befin­det sich auf der Linie mit jener 2017 getrof­fe­nen für Med­jug­or­je: Papst Fran­zis­kus ist die Betreu­ung der Pil­ger ein beson­de­res Anlie­gen, und er wünscht, daß Zen­tren der Mari­en­fröm­mig­keit ‚immer mehr zu Orten des Gebets und des christ­li­chen Zeug­nis­ses wer­den, die den Bedürf­nis­sen des Vol­kes Got­tes entsprechen‘.“

Wur­de nicht genau das in Lour­des seit 160 Jah­ren gewährleistet?

Die Ernen­nung von Msgr. Herouard erfolg­te „ad nutum Sanc­tae Sedis“, auch dar­in zeigt sich eine Par­al­le­le zu Erz­bi­schof Hen­ryk Hoser zum Apo­sto­li­schen Gesand­ten für Med­jug­or­je. Die Ernen­nung gilt damit auf unbe­grenz­te Zeit. Der Son­der­ge­sand­te steht dem Papst zur Ver­fü­gung solan­ge die­ser es für not­wen­dig erach­tet. Tor­ni­el­li betont zwar auf Vati­kan­News und im Osser­va­to­re Roma­no, daß das Man­dat von Msgr. Herouard „im Unter­schied zu Msgr. Hoser“ für Med­jug­or­je, „nicht unbe­grenzt“ sei, doch das ent­spre­chen­de Detail fin­det sich im päpst­li­chen Dekret nicht.

Das päpst­li­che Ernen­nungs­schrei­ben wur­de in Lour­des vor den ver­ant­wort­li­chen Prie­stern des Mari­en­hei­lig­tums ver­le­sen. Öffent­lich bekannt­ge­macht wur­de es gestern mit­tag von Erz­bi­schof Fisi­chel­la, dem Vor­sit­zen­den „des Dik­aste­ri­ums, das vor zwei Jah­ren von Fran­zis­kus den Auf­trag erhielt, die Seel­sor­ge an den Mari­en­hei­lig­tü­mern auf­zu­wer­ten“, wie Tor­ni­el­li schreibt. 

Aus dem Schrei­ben geht her­vor, daß Msgr. Fisi­chel­la selbst in den ver­gan­ge­nen Mona­ten im päpst­li­chen Auf­trag die Situa­ti­on in Lour­des unter­sucht hat. Jähr­lich strö­men Mil­lio­nen von Pil­gern aus aller Welt in den Ort in den Pyre­nä­en, wo die Got­tes­mut­ter Maria vor 160 Jah­ren einem jun­gen Mäd­chen erschie­nen ist.

Fran­zis­kus sagt in sei­nem Schreiben: 

Auf­grund des Fisi­chel­la-Berich­tes „wün­sche ich, zu ver­ste­hen, wel­che zusätz­li­chen For­men das Hei­lig­tum von Lour­des zu den vie­len bereits bestehen­den anwen­den kann, um immer mehr ein Ort des Gebets und des christ­li­chen Zeug­nis­ses zu wer­den, der den Bedürf­nis­sen des Vol­kes Got­tes entspricht“.

Die For­mu­lie­rung ist unge­wöhn­lich für einen der größ­ten und bedeu­tend­sten Mari­en­wall­fahrts­or­te der Welt, der in über 160 Jah­ren Mil­lio­nen und Aber­mil­lio­nen von Pil­gern ange­zo­gen hat. Vor allem weist Lour­des als kirch­lich aner­kann­ter Mari­en­er­schei­nungs­ort im Gegen­satz zu Med­jug­or­je eine ganz ande­re Situa­ti­on auf. Eine kirch­li­che Aner­ken­nung für das Phä­no­men im her­ze­go­wi­ni­schen Ort liegt nicht vor. Die Orts­bi­schö­fe haben sich ableh­nend geäu­ßert. Eine Aner­ken­nung durch Rom scheint in wei­te Fer­ne gerückt. Vor allem dau­ert das Phä­no­men noch an.

Tor­ni­el­li legt Wert auf die Fest­stel­lung, daß das Man­dat für Bischof Herouard nur für das Hei­lig­tum gilt, Bischof Nico­las Jean René Brou­wet von Tar­bes und Lour­des also wei­ter­hin an der Spit­ze sei­nes Bis­tums bleibt.

Dar­auf folgt eine wei­te­re Kurio­si­tät: Tor­ni­el­li erklärt, der Papst habe die Maß­nah­me getrof­fen, um den „geist­li­chen Pri­mat“ wie­der­her­zu­stel­len und ein zu gro­ßes Augen­merk „auf den admi­ni­stra­ti­ven und finan­zi­el­len Aspekt“ zurück­zu­drän­gen. Vor allem wol­le er „die Volks­fröm­mig­keit immer mehr för­dern, die tra­di­tio­nell an den Wall­fahrts­or­ten üblich ist.“

Lourdesgrotte in Massabielle
Lour­des­grot­te in Massabielle

Das Rek­to­rat des Wall­fahrts­or­tes ver­öf­fent­lich­te eine eige­ne Pres­se­mit­tei­lung, die vom Bischof von Tar­bes und Lour­des unter­zeich­net ist, um die päpst­li­che Maß­nah­me mit­zu­tei­len. Dar­in heißt es:

„Wäh­rend sei­ner Amts­zeit im Hei­lig­tum wird Bischof Hérouard den Vor­sitz im Rat von Lour­des füh­ren und alle Ent­schei­dun­gen tref­fen, die für das Leben des Hei­lig­tums ange­mes­sen erschei­nen. Für unse­re Diö­ze­se ändert sich jedoch nichts.“

Eine geson­der­te Mit­tei­lung an die Medi­en erfolg­te auch von der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz.

Was dem päpst­li­chen Ernen­nungs­schrei­ben und den Arti­keln sei­nes inof­fi­zi­el­len Pres­se­spre­chers Tor­ni­el­li zu ent­neh­men ist, muß auf sei­nen Kern redu­ziert wer­den, und das bedeu­tet, daß dem Bischof von Tar­bes und Lour­des, Msgr. Brou­wet, die Ver­ant­wor­tung für das Mari­en­hei­lig­tum, ent­zo­gen wur­de. Den eigent­li­chen Hin­ter­grund berich­te­te heu­te die Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na:

„Lour­des: Hei­lig­tum dem ‚zu‘ katho­li­schen Bischof entzogen.“

Fran­zis­kus wäre nicht Fran­zis­kus, wenn die Ernen­nung des Apo­sto­li­schen Gesand­ten nicht einem Muster fol­gen wür­de. Msgr. Herouard zählt in Fra­gen der Lit­ur­gie und der Glau­bens­leh­re zu den pro­gres­siv­sten Bischö­fen Frank­reichs. Fran­zis­kus hat­te ihn im Juni 2017 zum Weih­bi­schof von Lil­le ernannt. Erst mit dem Pon­ti­fi­kat des argen­ti­ni­schen Pap­stes begann Herouards kirch­li­che Kar­rie­re wirk­lich Fahrt anzu­neh­men. Der Prie­ster des Erz­bis­tums Paris war im April 2014 Regens des Päpst­li­chen Fran­zö­si­schen Prie­ster­se­mi­nars in Rom gewor­den. Für die nun­meh­ri­ge Ernen­nung noch wich­ti­ger dürf­te aber eine ande­re Posi­ti­on, die er unter Fran­zis­kus erhielt: Der neue Lour­des-Ver­ant­wort­li­che mit allei­ni­ger Ent­schei­dungs­voll­macht ist Vor­sit­zen­der der Kom­mis­si­on für sozia­le Fra­gen der COMECE, des Rates der Bischofs­kon­fe­ren­zen der EU. 

Im Sin­ne von Fran­zis­kus fiel Weih­bi­schof Herouard vor und nach den EU-Wah­len vom 26. Mai an der Sei­te von Links­po­li­ti­kern wie dem Sozia­li­sten Hol­lan­de auf. Er enga­gier­te sich inten­siv dafür, die Katho­li­ken von der „gro­ßen Bedeu­tung der EU“ und der „rich­ti­gen“ Wahl­ent­schei­dung zu über­zeu­gen. Als den­noch Mari­ne Le Pen mit ihrem Ras­sem­blem­ent Natio­nal stärk­ste Kraft in Frank­reich wur­de, übte sich Herouard in Wäh­ler­kri­tik. Der Wahl­sieg sei auf eine „ver­zerr­te“ Dar­stel­lung der Ein­wan­de­rung zurück­zu­füh­ren, so der Bischof. In einem Inter­view mit La Croix, der Tages­zei­tung der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz, erklär­te Herouard, daß eine Dis­kus­si­on über die christ­li­chen Wur­zeln Euro­pas „nicht mehr aktu­ell“ sei.

Bischof Brou­wet von Tar­bes und Lour­des, bis­her als Orts­bi­schof auch für das Mari­en­hei­lig­tum zustän­dig, war noch sehr jung von Papst Bene­dikt XVI. zum Diö­ze­san­bi­schof ernannt wor­den und ist beson­ders für sei­ne ortho­do­xen Posi­tio­nen in Fra­gen der Moral­leh­re und für sei­ne groß­zü­gi­ge Öff­nung des Mari­en­hei­lig­tums für die Zele­bra­ti­on in der über­lie­fer­ten Form des Römi­schen Ritus bekannt, auch für die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X.

Der Hin­weis, den Vor­rang des Geist­li­chen vor der Ver­wal­tung und den Finan­zen wie­der­her­stel­len zu wol­len, kommt einem direk­ten Angriff auf Bischof Brou­wet gleich. Die­ser hat sich aber nichts zuschul­den kom­men las­sen, son­dern sich viel­mehr um Lour­des auch in die­ser Hin­sicht ver­dient gemacht. Etli­che Jah­re schrieb das Mari­en­hei­lig­tum rote Zah­len. Vor vier Jah­ren bat Bischof Brou­wet den ehe­ma­li­gen Renault-Spit­zen­ma­na­ger Guil­laume de Vul­pian um die Sanie­rung der Finan­zen. Durch De Vul­pians Sanie­rungs­plan schreibt Lour­des wie­der schwar­ze Zah­len und konn­te im ver­gan­ge­nen Jahr sogar einen Über­schuß von 200.000 Euro auf­wei­sen, die auf geeig­ne­te Wei­se in Lour­des und über sozia­le Akti­vi­tä­ten ein­ge­setzt wer­den soll­ten. An der Betreu­ung der Pil­ger, der Seel­sor­ge und der geist­li­chen Dimen­si­on, für die Bischof Brou­wet ver­ant­wort­lich war, änder­te der Ein­satz von Guil­laume de Vul­pian ohne­hin nichts.

160 Jah­re gab es kei­nen Ein­griff Roms in Lour­des. Die kirch­li­che Aner­ken­nung der Mari­en­er­schei­nun­gen erfolg­te 1862 durch den Orts­bi­schof, Msgr. Bert­rand Lau­rence, des­sen Gül­tig­keit vom Vati­kan für die Welt­kir­che aner­kannt wur­de. Das unter­streicht den außer­ge­wöhn­li­chen Cha­rak­ter des nun­mehr erfolg­ten römi­schen Ein­griffs, für den es der „Wün­sche“ von Papst Fran­zis­kus bedurf­te, in Lour­des „die Volks­fröm­mig­keit“ stär­ker för­dern zu wollen. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: NBQ

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