
(Rom) Der ehemalige Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica kommt seinem Nachfolger zu Hilfe und vergleicht Matteo Salvini, den faktischen Anführer der europäischen Souveränitätsbewegung, mit Judas.
Matteo Salvini, der Vorsitzende der Lega, italienische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident, ist seit den EU-Wahlen vom vergangenen 26. Mai der „Superstar“ der EU-Kritiker. Ihm ist es gelungen eine fraktionsübergreifende Parteienallianz zu schmieden. Die Souveränitätsbewegung stellt, was im Vorfeld wohl nur Steve Bennon für möglich hielt, mehr als ein Drittel aller EU-Abgeordneten, was von den Medien tunlichst verschwiegen wird, weil dieses Erstarken nicht gewünscht ist. Die Allianz muß freilich erst unter Beweis stellen, wie geschlossen sie in Einzelfragen auftreten und wie sehr sie sich im EU-Parlament einbringen kann. Eine erste Möglichkeit bietet die Bestellung des EU-Kommissionspräsidenten.
Mit 29 Sitzen ist die Lega nach Auszählung aller Stimmen sogar mit gleichviel Mandaten im EU-Parlament vertreten wie die Brexit Party von Nigel Farage und CDU und CSU zusammen. farage und Salvini stellen die beiden stärksten Einzelparteien.
Die AfD hatte den Gegenwind der Deutschen Bischofskonferenz unter Kardinal Marx zu spüren bekommen. Ein ungewöhnliches Szenario, da die Kirche seit Jahrzehnten jede Parteinahme als geradezu unanständig von sich weist, als hätte es dergleichen überhaupt nie gegeben.
In Italien war der Druck gegen Salvini und die Lega sogar noch massiver. Zum Teil fast wortgleiche Angriffe durch Kirchenvertreter gegen die AfD und die Lega lassen eine angeordnete, zumindest aber konzertierte Parteinahme vermuten. Auf der Apenninenhalbinsel war aber alles noch eine Spur emotionaler, aggressiver und bedingungsloser. In der Bundesrepublik Deutschland war es ein protestantischer Pastor, der dabei erwischt wurde, AfD-Plakate zu zerstören. In Italien waren es aber katholische Klöster, die Anti-Salvini-Transparente aushängten.
Die Politisierung der Kirche, die von Papst Franziskus vor sechs Jahren angestoßen wurde, hat auf irritierende Weise Fahrt aufgenommen.
Dazu gehört eine Wortmeldung von P. Bartolomeo Sorge SJ, der 1946 in den Jesuitenorden eintrat und 1958 für den Orden zum Priester geweiht wurde. Geboren wurde er auf der Insel Elba. Seinen deutschen Familiennamen brachten seine Vorfahren mit, die im 18. Jahrhundert nach Sizilien gelangten, ob noch unter den Habsburgern oder bereits den Bourbonen, ist nicht mehr bekannt. Der Ursprung der Familie Sorge, das zumindest steht fest, findet sich im Niederfränkischen und liegt in der Provinz Seeland in den heutigen Niederlanden.
Der um sieben Jahre ältere P. Sorge zählte wie P. Jorge Mario Bergoglio zu den Ordensbrüdern, die vom Jesuitengeneral Pedro Arrupe gefördert wurden. Unter Arrupe wurde P. Sorge 1973 Schriftleiter der Civiltà Cattolica, der bedeutendsten Jesuitenzeitschrift der Welt. Sorge war damals bereits ein politischer Stratege des „demokratischen Katholizismus“: Er trat für eine starke christdemokratische Partei ein, die nach links offen sein sollte, während er „integralistischen“, katholischen Richtungen und Organisationen ablehnend gegenüberstand. Der Gegner für Sorge stand rechts. Damit traf er in den 70er Jahren den politischen Nerv der Zeit, als die Westeuropas Kommunisten den „Eurokommunismus“ verkündeten, um ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu betonen, und als in Italien der linke Flügel der Christdemokraten den „historischen Kompromiß“ mit den Kommunisten anstrebte.
Laut einem 2017 erschienen Buch der Journalistin Stefania Falasca hatte Papst Johannes Paul I. 1978 P. Sorge ernsthaft als möglichen Nachfolger als Patriarch von Venedig ins Auge gefaßt, obwohl er „mit einigen, ein bißchen verdächtigen, katholischen Strömungen verbunden“ sei, wie der damalige Papst selbst in einem persönlichen Schreiben an den Erzbischof von Mailand, Giovanni Kardinal Colombo, anmerkte. General Arrupe hatte bereits eine positive Stellungnahme für Sorge abgegeben. Widerstand kam allerdings von Antonio Kardinal Poma, den Erzbischof von Bologna und damaligen Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz. Grund war die öffentliche Unterstützung Sorges für einen „Dialog“ mit der Kommunistischen Partei Italiens (PCI). Das Pontifikat von Johannes Paul I. währte nur 33 Tage, und unter Johannes Paul II. kam P. Sorge nicht mehr für das Patriarchenamt oder ein anderes Bischofsamt in Betracht.
Sorge. der im kommenden Oktober 90 Jahre alt wird, ist geistig rüstig und hält auch heute mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Im Februar 2018 schilderte er seine Zufriedenheit mit „meiner Kirche zwischen Martini und Bergoglio“. Gemeint sind die beiden Jesuiten-Kardinäle Carlo Maria Martini und Jorge Mario Bergoglio, die auch Anwärter auf den Papstthron waren. Kardinal Martini scheiterte beim ersten Versuch 2005, doch Kardinal Bergoglio war beim zweiten Versuch 2013 erfolgreich. Ein schneller Erfolg, wenn man bedenkt, daß 2005 erst überhaupt der erste Versuch in der bald 500jähirgen Ordensgeschichte unternommen wurde, einen Jesuiten zum Papst zu küren.
P. Antonio Spadaro SJ, der amtierende Schriftleiter der Civiltà Cattolica, war in den vergangenen Wochen nicht zimperlich mit Salvini und der Lega. P. Sorge, sein Vorgänger, verschärfte nach dem Wahlsieg Salvinis noch den Ton. Der demokratische Volksentscheid stieß dem Jesuiten so arg auf, daß er einen drastischen Vergleich zog:
„Italien ist leghistisch, nicht mehr christlich. Der Lega-Anhänger sagt: ‚Die Italiener zuerst‘, der Christ sagt: ‚Die Ausgeschlossenen zuerst‘. Es genügt nicht, in der Öffentlichkeit Jesus zu küssen, das hat auch schon Judas getan.“
Bereits im Vorfeld ließen Bischöfe, Theologen und Jesuiten lautstark vernehmen, wer Lega wählt, „ist kein Christ“. Ähnliches war aus bischöflichem Mund auch schon in Deutschland zu hören.

Salvini selbst verbreitete auf Twitter das Anathema von P. Sorge, um seine Antwort hinzuzufügen:
„Seht, was dieser Theologe schreibt… Es fehlt nur noch, daß jemand meine Exkommunikation fordert, damit wir alles erlebt hätten… Vorwärts: mit Glauben, Respekt und Bescheidenheit!“
Unklar ist, welchen Nutzen sich Santa Marta von einer solchen Konfrontation erwartet. Wegen der bedingungslosen Refugees-Welcome-Linie sanken in Italien die Zustimmungswerte für Papst Franziskus vor der EU-Wahl, laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demos, auf den bisherigen Tiefststand.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Twitter (Screenshots)
Die Genossen scheinen sich zu mögen.
Pater Sorge S.J.,der übrigens den selben Familiennamen trägt wie der berühmt-berüchtigte Superspion Josef Stalins im 2 Weltkrieg, soll aufpassen, dass er nicht von seinen linken Kumpels einen Tritt in den Toches bekommt. Denn heute gilt es als nicht mehr politisch-theologisch korrekt, Judas als Archetypus des Negativen heranzuziehen. Ja, ein solches gilt sogar – Schlimmstes aller Gedankenverbrechen – als „antisemitisch“!