„Wenn es aber funktioniert, dann soll es auch möglich sein“

Homeschooling: Im Gespräch mit Dr. Hans-Thomas Tillschneider


Homeschooling: Wenn der Unterricht zu Hause stattfindet. Ein Gespräch mit dem Bildungssprecher der AfD-Sachsen. Dr. Hans-Thomas Tillschneider.

Im Gespräch mit Dr. habil. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD), dem Bil­dungs- Wis­sen­schafts- und Kul­tur­spre­cher der AfD-Land­tags­frak­ti­on von Sach­sen-Anhalt zum The­ma „Home­schoo­ling“.

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Mar­tin Bür­ger: Ihre Par­tei, die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD), hat im Land­tags­wahl­kampf 2016 in Sach­sen-Anhalt eine grund­sätz­li­che Wahl­frei­heit zwi­schen Schul- und Haus­un­ter­richt gefor­dert. Ent­spre­chend sol­le die Schul­pflicht durch eine Unter­richts­pflicht ersetzt wer­den. Da die mei­sten Leu­te gar nicht wis­sen, was es da für Unter­schie­de gibt, begin­nen wir mit einer Klä­rung der Begriffe … 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: „Bil­dungs­pflicht statt Schul­zwang!“ ist unser Mot­to. Der Staat ist ver­pflich­tet, ein Bil­dungs­an­ge­bot vor­zu­hal­ten. Die Eltern sind ver­pflich­tet, ihre Kin­der zu bil­den. Sie kön­nen das an einer staat­li­chen Schu­le tun, müs­sen es aber nicht. Sie kön­nen ihre Kin­der, wenn sie dazu in der Lage sind, selbst unter­rich­ten, oder, wenn sie es sich lei­sten kön­nen, Pri­vat­leh­rer enga­gie­ren. Das ist unser Modell. 

Mar­tin Bür­ger: Stich­wort Pri­vat­leh­rer: Geht es also nur um eine win­zi­ge Grup­pe von wohl­ha­ben­den Men­schen, die es sich lei­sten kann, eine Rei­he von Pri­vat­leh­rern für ihre Spröss­lin­ge zu enga­gie­ren? Oder schlie­ßen Sie auch Kur­se im Inter­net, für das Selbst­ler­nen kon­zi­pier­te Bücher und ähn­li­che Bil­dungs­an­ge­bo­te ein, wie man es aus ande­ren Län­dern kennt? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Das Ent­schei­den­de ist: Bil­dung muss unab­hän­gig vom Geld­beu­tel der Eltern sein. Unser Ansatz ist nicht so zu ver­ste­hen, dass wir staat­li­che Schu­len aus der Ver­ant­wor­tung ent­las­sen, im Gegen­teil. Wir wol­len noch viel stär­ker als bis­lang dar­auf ach­ten, dass auch und gera­de an staat­li­chen Schu­len ein hohes Niveau ange­schla­gen wird. Aller­dings wol­len wir Eltern, die aus wel­chen Grün­den auch immer ihre Kin­der nicht an staat­li­chen Schu­len unter­rich­tet wer­den las­sen möch­ten, die Mög­lich­keit geben, einen ander­wei­ti­gen Unter­richt zu orga­ni­sie­ren. Die Fort­schrit­te wer­den dabei in halb­jähr­lich statt­fin­den­den Prü­fun­gen kon­trol­liert. Funk­tio­niert der Haus­un­ter­richt nicht und bleibt ein Kind zurück, muss es wie­der an die staat­li­che Schu­le. Wie genau die­ser Haus­un­ter­richt aus­sieht, ist Sache der Eltern. Der Staat wacht nur dar­über, dass die Lern­zie­le erreicht werden. 

Mar­tin Bür­ger: Wie kam es über­haupt dazu, den Haus­un­ter­richt als Wahl­kampf­the­ma auf­zu­grei­fen? Ist dies nur durch die AfD in Sach­sen-Anhalt gesche­hen, oder auch in ande­ren Landesverbänden? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Das war schon 2014 in Sach­sen The­ma, wo ich damals noch mit Frau­ke Petry ent­spre­chen­de The­sen aus­for­mu­liert habe. Es ist ein typi­sches AfD-The­ma. Der Bür­ger soll vor staat­li­cher Bevor­mun­dung geschützt wer­den. Gleich­zei­tig beto­nen wir aber die Bil­dungs­pflicht des Staa­tes. Der Staat ist für den Bür­ger da, nicht umgekehrt. 

Mar­tin Bür­ger: Seit der Land­tags­wahl 2016, als die AfD mit mehr als 24 Pro­zent der Stim­men als zweit­stärk­ste Kraft ins Par­la­ment von Sach­sen-Anhalt ein­zog, sind mehr als drei Jah­re ver­stri­chen. Wel­che Arbeit konn­te Ihre Frak­ti­on im Land­tag bzw. auch auf meta­po­li­ti­scher Ebe­ne lei­sten, um den Haus­un­ter­richt sozu­sa­gen salon­fä­hig zu machen? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Das The­ma war noch nicht Gegen­stand im Ple­num oder den Aus­schüs­sen. Es gab in Sach­sen-Anhalt dazu bis­lang wenig Anlass. Wir wer­den es aber in die­ser Legis­la­tur ein­mal spie­len – schließ­lich steht es in unse­rem Programm! 

Mar­tin Bür­ger: Im Grund­ge­setz heißt es ganz deut­lich: „Pfle­ge und Erzie­hung der Kin­der sind das natür­li­che Recht der Eltern und die zuvör­derst ihnen oblie­gen­de Pflicht.“ Und wei­ter: „Gegen den Wil­len der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten dür­fen Kin­der nur auf Grund eines Geset­zes von der Fami­lie getrennt wer­den, wenn die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten ver­sa­gen oder wenn die Kin­der aus ande­ren Grün­den zu ver­wahr­lo­sen dro­hen.“ Gleich­zei­tig wer­den bis heu­te Eltern und ihre Kin­der, die den Haus­un­ter­richt prak­ti­zie­ren, mas­siv bestraft und ver­folgt, auch wenn kei­ne Ver­wahr­lo­sung vor­liegt. Wie las­sen sich der­lei Geset­ze und Maß­nah­men mit dem Grund­ge­setz vereinbaren? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Ich bin kein Jurist, hal­te aber die Ver­fol­gung von Eltern, die Haus­un­ter­richt prak­ti­zie­ren, für unver­hält­nis­mä­ßig. Die Fami­li­en wer­den wie Pro­blem­fa­mi­li­en aus sozia­len Brenn­punk­ten, die Kin­der wie chro­ni­sche Schul­schwän­zer behan­delt. Unter dem Begriff „Schul­ab­sen­tis­mus“ wer­den der ver­wahr­lo­ste Schul­schwän­zer und das Kind, des­sen Eltern Haus­un­ter­richt bevor­zu­gen, glei­cher­ma­ßen sub­su­miert. Dabei besteht ein him­mel­wei­ter Unter­schied zwi­schen einer Hartz IV-Fami­lie in drit­ter Gene­ra­ti­on und Eltern, die ihre Kin­der selbst unter­rich­ten wol­len, weil sie sich in beson­de­rer Wei­se für das Wohl ihres Kin­des in der Ver­ant­wor­tung sehen. 

Mar­tin Bür­ger: Kri­ti­ker des Haus­un­ter­richts, dar­un­ter der eigent­lich sehr gute lang­jäh­ri­ge Prä­si­dent des Deut­schen Leh­rer­ver­ban­des, Josef Kraus, zwei­feln an der Qua­li­tät von „Home­schoo­ling“. Nur qua­li­fi­zier­tes Lehr­per­so­nal kön­ne für eine anstän­di­ge Bil­dung sor­gen. Außer­dem feh­le den Kin­dern und Jugend­li­chen, die nicht in die Schu­le gehen, die sozia­le Kom­pe­tenz. Sind das tat­säch­lich berech­ti­ge Ein­wän­de, oder im Zeit­al­ter von Inter­net und blü­hen­dem Ver­eins­we­sen völ­lig lächer­li­che Nebelkerzen? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Natür­lich besteht die Gefahr, dass die Eltern sich über­for­dern und ihre Mög­lich­kei­ten über­schät­zen. Wenn es nicht funk­tio­niert, muss das Kind eben wie­der an die staat­li­che Schu­le. Wich­tig ist, dass der Staat den Bil­dungs­fort­gang über­wacht. Wenn es aber funk­tio­niert, dann soll es auch mög­lich sein.
Den Ein­wand mit der sozia­len Kom­pe­tenz hal­te ich für über­zo­gen. Das hät­te die­ser Staat wohl ger­ne, dass sozia­le Kom­pe­tenz exklu­siv unter sei­ner Auf­sicht an sei­nen Insti­tu­tio­nen erwor­ben wird. In der Fami­lie, im wei­te­ren Freun­des­kreis, in der dörf­li­chen Gemein­schaft, in Ver­ei­nen aller Art, sogar in den Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen poli­ti­scher Par­tei­en und nicht zu ver­ges­sen in der Kir­chen­ge­mein­de erlernt sich sozia­le Kom­pe­tenz min­de­stens genau­so gut. 

Mar­tin Bür­ger: Ist zivi­ler Unge­hor­sam eine ange­mes­se­ne Ant­wort jener Eltern, die ihre Kin­der nicht auf eine „nor­ma­le“ Schu­le schicken wol­len? Setzt sich Ihre Par­tei für Fami­li­en ein, die dies­be­züg­lich von der staat­li­chen Gewalt belä­stigt oder gar ver­folgt werden? 

Hans-Tho­mas Till­schnei­der: Ich kann nur für die Lan­des­ebe­ne spre­chen. Ja, wir set­zen uns für Fami­li­en ein, die ver­folgt wer­den, weil sie ihre Kin­der nicht auf eine nor­ma­le Schu­le schicken wol­len. Aller­dings rufe ich jetzt auch nicht zum Schul­boy­kott auf. Auch wenn man gegen bestehen­de Geset­ze ist, soll­te man sie so lan­ge respek­tie­ren, bis sie geän­dert sind. Anstatt Kin­der ein­fach aus der Schu­le zu neh­men, soll­ten die Eltern sich bes­ser dafür ein­set­zen, dass Haus­un­ter­richt lega­li­siert wird.

Bild: Alas­ka­par­ents/​Twitter (Screen­shots)

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1 Kommentar

  1. Für nicht weni­ge Kin­der ist ein nicht­schu­li­scher Unter­richt oder frei­es Ler­nen die tat­säch­lich ein­zi­ge Bil­dungs­mög­lich­keit. Das darf selbst­ver­ständ­lich nicht abge­schnit­ten wer­den. Die deut­sche Staats­rä­son in Sachen Schul­zwang ist ein Unding. Und hat mich selbst sei­ner­zeit ins Aus­land getrie­ben. Vor allem ist eine katho­li­sche Bil­dung zu för­dern. Daß in der Mit­te des vor­letz­ten Jahr­hun­derts die weit­ge­hend kirch­lich getra­ge­nen Schu­len ver­staat­licht wur­den, das hat selbst kir­chen­fer­ne Libe­ra­le zurecht empört. Solan­ge geht das schon – da sind dicke Bret­ter zu bohren.

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