(Rom) Papst Franziskus empfing gestern die Teilnehmerinnen des Treffens der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen (UISG) der Frauenorden der katholischen Kirche in Audienz. Neben seiner Ansprache beantwortete Franziskus auch einige Fragen. Dabei erklärte er, daß die nachkonziliaren Veränderungen Ausdruck eines „größeren Bewußtseins“ seien. Erteilte aber einer Forderungen, die über die Offenbarung hinausgehen, eine Absage. „Wer eine andere Kirche will, ist frei sie zu machen, aber…“ außerhalb der katholischen Kirche.
Die erste Frage stellte die Deutsche Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen. Der 1855 in Franken gegründete Orden heißt offiziell Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu. Ganz ist bekannt für ihren „Kampf für Frauenrechte in der katholischen Kirche“.
Die Tatsache, daß es sich um eine Deutsche handelt, ist in der Sache aussagekräftig. Aus dem deutschen Sprachraum kommen seit Jahrzehnten sowohl die radikalsten modernistischen als auch progressistischen Impulse. Das zeigte sich einmal darin, daß die Oberzeller Generaloberin von der UISG-Führung ausgewählt wurde, eine der fünf Fragen stellen zu dürfen, und natürlich in der Frage selbst:
„Bruder Franziskus, ich bin Franziskanerin wie Sie, und ich stehe hier mit 850 Generaloberinnen, und wir verkörpern so viele Schwestern, die in allen Diensten sind in der Kirche. Ich spreche für viele Frauen, die sich danach sehnen, gleichberechtigt dem Volk Gottes zu dienen. Und wir wünschen uns, daß wir heute auf die Frauenfrage in der Kirche nicht nur die Antwort finden aus der Geschichte und aus der Dogmatik, diese Quellen der Offenbarung brauchen wir auch, aber wir brauchen auch die Jesuanische Kraft, wie Jesus mit den Frauen umgegangen ist. Und welche Antworten können wir heute, im 21. Jahrhundert, darauf finden. Ich bitte Sie wirklich, daß Sie das weiter mit der Kommission bedenken, daß wir nicht nur die historischen, die dogmatischen und andere Quellen nehmen, sondern das, was die Menschheit heute braucht, von Frauen, von Männern, vom ganzen Volk Gottes.“
Die deutsche Ausgabe von VaticanNews bot Ganz umgehend Raum. Um Publicity in kirchenamtlichen Medien müssen sich die Vertreter heterodoxer Ansichten keine Sorgen machen. Ganz erklärte über das Nachrichtenportal des Vatikans:
„Unsere Frage an Papst Franziskus war ganz klar: Welche Rolle hat die Frau in der Kirche? Welche Rolle haben die Ordensfrauen? Und: Welche Möglichkeiten gäbe es, auch in Richtung Frauenordination noch mal neu nachzudenken?“
So „klar“ äußerte Ganz ihre Forderung gar nicht. Die Kirche heute leidet auch unter dieser impliziten Sprache, die verstehen läßt, aber nicht wirklich beim Namen nennt. Auch Papst Franziskus bedient sich wiederholt derselben, verschwommenen Sprache.
Gleichgesinnte deutsche Ordensfrauen jubelten jedenfalls über den Vorstoß von Ganz auf Facebook. Schulwestern aktiv, die Facebook-Seite der 1833 gegründeten Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau (Gerhardinger-Schwestern), schrieb:
Sr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, war mit dabei:
Ordensoberinnen aus der ganzen Welt waren bei Papst Franziskus zu Gast und haben ihn dazu aufgefordert, sich neu über die Ordination von Frauen Gedanken zu machen. Und es hat gewirkt!
Eine spannende Begegnung mit hoffentlich weitreichenden Folgen!
Der Drang mancher Ordensfrauen (und Theologinnen) nach dem Weiheamt ist groß. Manche halten sich für „bessere Priester“, und sagen das auch unverblümt.
Gemeint ist natürlich das ganze Weihesakrament. Seit Papst Johannes Paul II. 1994 die Tür zum Frauenpriestertum zumachte, um den modernistischen Unruhestiftern einen Riegel vorzuschieben, konzentriert sich der innerkirchliche Feminismus und ihre klerikalen (auch bischöflichen) Unterstützer auf das Frauendiakonat. Die Empfehlung zu diesem Strategiewechsel kam von Kardinal Carlo Maria Martini SJ, dem damaligen Erzbischof von Mailand und Gründer des Geheimzirkels von Sankt Gallen („Mafia von Sankt Gallen“) mit dem sophistischen Hinweis, Johannes Paul II. habe das Frauenpriestertum ausgeschlossen, aber nichts über das damals nicht geforderte Frauendiakonat gesagt. Das Diakonat interessiert den kirchlichen Feminismus nur funktional als Sprungbrett zum Priestertum und Bischofsamt.
Bei der Begegnung mit den Generaloberinnen der UISG 2016 schob Franziskus deren Forderung nach dem Frauendiakonat „auf die lange Bank“. Er errichtete eine Studienkommission das Diakonat in der frühen Kirche zu studieren. Das sorgte für einige Irritation, da eine Studienkommission der Glaubenskongregation die Frage bereits in ihren Details studiert hatte. Zum Jahreswechsel 2018/2019 schloß die Kommission ihre Arbeit ab und übergab Papst Franziskus ihren Bericht. Die Schlußfolgerungen wurden noch nicht veröffentlicht. Franziskus gab noch keine Entscheidung bekannt. Die Insistenz von Generaloberin Ganz und die Antwort des Papstes lassen ein negatives Urteil annehmen. Alle sachkundigen Experten sehen auch keine andere Möglichkeit, da das Weihesakrament Frauen nicht zugänglich ist.
Was aber forderte die deutsche Franziskaner-Oberin ohne Ordenskleid? Auch die Begegnung mit dem Papst war ihr kein ausreichender Grund, das Ordenskleid anzulegen. Die „Quellen der Offenbarung“ und die Dogmatik reichen. Es brauche eine ominöse „Jesuanische Kraft“ als neue, „höhere“ Quelle. Wer Forderungen erhebt, die durch die Offenbarung nicht gedeckt sind, muß natürlich neue „Quellen“ erschließen, die alles möglich machen. Und was wäre die „Superquelle“ von Generaloberin Ganz? „Das, was die Menschheit heute braucht“. Der Mensch selbst soll die Quelle der kirchlichen Lehre und Praxis sein. Um den Faden nicht ganz abreißen zu lassen, unterstellte sie, daß die Kirche in der Frauenfrage in den vergangenen 2000 Jahren nicht dem Vorbild und Auftrag Jesu gefolgt sei. Der Beweggrund hinter der Forderung ist allerdings weltlicher Natur, die „Gleichberechtigung“, kurzum dieselbe Gleichheitsidee oder Gleichheitswahn von Liberalismus und Sozialismus, der Staat und Gesellschaft durch gesellschafts- und sozialpolitische Experimente Probleme bereitet. Im Christentum hat die Gleichheit jedoch eine andere Ebene, die der unveräußerlichen Menschenwürde und der Gleichheit vor Gott.
Hören wir, was Papst Franziskus der Ordensoberin antwortete. Die Lektüre lohnt sich:
Papst Franziskus: Es stimmt, was Sie sagen, daß die Kirche nicht nur der Denzinger ist, also die Sammlung dogmatischer Texte und historischer Dinge. Das ist wahr. Die Kirche auf dem Weg entwickelt sich in der Treue zur Offenbarung. Wir können die Offenbarung nicht ändern. Es ist wahr, daß die Offenbarung sich entfaltet. Das Wort ist, „sich entfalten“. Sie entfaltet sich mit der Zeit. Und wir verstehen mit der Zeit den Glauben besser. Die Art den Glauben zu verstehen, ist heute, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, verschieden von der Art, den Glauben vor dem Zweiten Vaticanum zu verstehen. Warum? Weil es eine Entwicklung des Bewußtseins gibt, und Sie haben Recht. Das ist keine Neuheit, weil die Natur selbst, die Natur der Offenbarung selbst in ständiger Bewegung ist, um sich selbst zu klären, auch die Natur des moralischen Bewußtseins. Zum Beispiel: Heute habe ich klar gesagt, daß die Todesstrafe nicht akzeptabel ist. Sie ist unmoralisch. Aber vor 50 Jahren hat man das nicht so gesagt. Hat sich die Kirche geändert? Nein. Das Moralbewußtsein hat sich entwickelt. Eine Entwicklung. Und das haben die Väter verstanden. Im 5. Jahrhundert gab es einen französischen Vater, Vinzenz von Lerins, der eine schöne Aussage prägte. Er sagt, daß das Glaubensbewußtsein – ich sage es auf Latein, dann übersetze ich – „ut annis consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate“, das heißt: „sich mit den Jahren festigt, sich mit der Zeit entwickelt, sich mit dem Alter vertieft“. Man versteht besser, und mit den Jahren vertieft es sich… Und wenn ich sehe, daß das, was ich jetzt denke, in Verbindung mit der Offenbarung ist, geht das in Ordnung, wenn es aber eine komische Sache ist, die nicht in der Offenbarung ist, auch im Bereich der Moral, das nicht gemäß der Moral ist, geht das nicht. Deshalb: Zur Sache des Diakonats müssen wir suchen, was am Beginn der Offenbarung war, und wenn etwas war, es wachsen lassen und kommen lassen… Wenn nichts war, wenn der Herr den Dienst das sakramentale Amt für die Frauen nicht wollte, dann geht das nicht. Und deshalb gehen wir zur Geschichte, zum Dogma.
Was die Mutter zudem gesagt hat, hat mir sehr gefallen, weil sie nicht nur das gesagt hat. Es gibt noch mehr Dinge:
Eine Sache ist der Dialog mit der Welt, in der wir leben: Ein Dialog der Erfahrungen. Und dieser Dialog mit der Welt provoziert neue Situationen, die neue Antworten verlangen, aber diese Antworten müssen in Einklang mit der Offenbarung sein. Es gibt den Dialog, und ebenso die Entfaltung des Glaubens und der Moral – wie ich es erklärt habe –, aber immer mit dem Fundament.
Zweitens: Die Harmonie mit der Offenbarung im Dialog. Keine Angst vor dem Dialog haben, das ist wichtig.
Und die dritte Sache: das Zeugnis. Das, wie ich meine, ist das Wichtigste, was die Mutter gesagt hat, was sie ein bißchen angedeutet hat, die Notwendigkeit des Zeugnisses.
Deshalb: Es ist es wahr, es braucht nicht nur die dogmatischen Dinge. Mit dem Denzinger kommen wir im konkreten Leben nirgendwohin. Wir wissen, wie die Wahrheit ist, wie das Dogma ist, aber wie gehen wir das an, wie lassen wir es wachsen. Das ist eine andere Sache. Der Denzinger hilft uns, weil fort die ganze Dogmatik ist, aber wir müssen ständig wachsen.
Ich habe Bezug genommen auf Eure Kleidung von heute: „Ihr habt das Kleid geändert, habt das geweihte Leben ruiniert!“ Nichts davon: Im Dialog mit der Welt hat jede Kongregation gesehen, wie man das eigene Charisma am besten ausdrücken kann, sich ausdrücken kann. Die, die kein Ordenskleid hat, und die, die so ein bißchen ein Ordenskleid hat, und diese und jene, die ein anderes Ordenskleid haben, sind weder schlechter noch besser: Jede Kongregation trifft ihre Entscheidung.
Und damit komme ich zum Schlüsselwort: Unterscheidung. Wir brauchen Unterscheidung. Es ist nicht alles schwarz oder weiß, auch nicht grau. Es ist alles in Bewegung, alles ist in Bewegung, aber gehen wir auf dem richtigen Weg, auf dem Weg der Offenbarung. Wir können nicht auf einem anderen Weg gehen. Ich denke, obwohl ich nicht Antwort auf alle Schattierungen habe, die in der Frage der Mutter enthalten sind, ist das die Antwort. Es stimmt: Es werden uns nicht allein die dogmatischen Definitionen helfen, die historischen Dinge – alleine nicht. Aber wir können nicht über die Offenbarung und die dogmatische Erläuterung hinausgehen. Ist das klar? Wir sind Katholiken. Wenn jemand eine andere Kirche will, ist er frei sie zu machen, aber…
Die prinzipielle Schlußaussage fiel erstaunlich klar aus. In der Frage des Frauendiakonats antwortet Franziskus allerdings „implizit“. Nur: Implizit im Sinne von Katharina Ganz oder implizit im Sinne von Offenbarung und Tradition?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/VaticanNews (Screenshots)