Kardinal Kasper beklagt „dumme Verdächtigungen“

Die Geheimgruppe von Sankt Gallen


Kardinal Kasper beklagt, „Verschwörungstheorien“ ausgesetzt zu sein, bestätigt aber gleichzeitig die Vorwürfe.
Kardinal Kasper beklagt, „Verschwörungstheorien“ ausgesetzt zu sein, bestätigt aber gleichzeitig auf seine Weise die Vorwürfe.

(Rom) Im Sep­tem­ber 2015 wur­de die Exi­stenz des inner­kirch­li­chen Geheim­zir­kels von Sankt Gal­len bekannt. Nun nahm erst­mals Kar­di­nal Wal­ter Kas­per aus­führ­li­cher dazu Stel­lung und war bemüht, die Bedeu­tung des Zir­kels herunterzuspielen.

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Der ehe­ma­li­ge deut­sche Kuri­en­kar­di­nal bestä­tig­te, bereits vor dem Kon­kla­ve von der Kan­di­da­tur des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires, Jor­ge Mario Berg­o­glio, gewußt zu haben. Daß des­sen Kan­di­da­tur „sicher“ ist, habe aber erst am 11. März nach einem Tref­fen mit fünf­zehn Kar­di­nä­len fest­ge­stan­den, nur einen Tag vor Konklavebeginn.

Auf die­se Wei­se ant­wor­tet Kas­per auf die Vor­wür­fe, es habe „Abspra­chen“ gege­ben, Berg­o­glio zu wäh­len, was einer Ver­let­zung der Wahl­be­stim­mung gleich­kä­me und auto­ma­tisch die Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae bedeu­ten könn­te. Die Vor­wür­fe erhebt Gerald O’Connel in sei­nem jüngst ver­öf­fent­lich­ten Buch The Elec­tion of Pope Fran­cis (Die Wahl von Papst Fran­zis­kus). Dar­in schil­dert er auch das von Kar­di­nal Kas­per erwähn­te Tref­fen einer grö­ße­ren Grup­pe von Kar­di­nä­len zur Vor­be­rei­tung der Wahl Bergoglios.

„Verschwörungstheorien“

In sei­ner Replik erklär­te Kas­per, daß die vom pro­gres­si­ven Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni SJ, dem ein­sti­gen Erz­bi­schof von Mai­land und selbst­er­nann­ten „Ante-Papa“ gegrün­de­te Grup­pe, von Sankt Gal­len nicht aus­rei­chend groß gewe­sen sei, um ent­schei­den­den Ein­fluß auf die Wahl eines Kan­di­da­ten neh­men zu kön­nen. Es habe kein „Netz­werk“ gege­ben, das wäh­rend des Kon­kla­ves aktiv gewe­sen sei.

Ivereighs Buch (2014)
Ive­reighs Buch (2014)

Kas­per beklag­te, dem Ver­dacht von „Ver­schwö­rungs­theo­rien“ und „dum­men Ver­däch­ti­gun­gen der Mani­pu­la­ti­on“ aus­ge­setzt zu sein. Aller­dings stam­men alle Vor­wür­fe aus den Rei­hen über­zeug­ter Berg­o­glia­ner. Den Anfang mach­te im Novem­ber 2014 Austen Ive­reigh, der ein­sti­ge Pres­se­spre­cher des bri­ti­schen Kar­di­nals Cor­mac Mur­phy O’Connor. Ive­reigh ent­hüll­te, begei­stert von der Wahl Berg­o­gli­os, daß Mur­phy O’Connor zusam­men mit den Kar­di­nä­len Dan­neels, Leh­mann und Kas­per die Wahl vor­be­rei­te­ten und orga­ni­sier­ten. Die­se Vie­rer­grup­pe in Pur­pur nann­te er Team Berg­o­glio.

Im Sep­tem­ber 2015 setz­ten die offi­zi­ell auto­ri­sier­ten Bio­gra­phen von Kar­di­nal God­fried Dan­neels, Karim Schel­kens und Jür­gen Met­te­pen­nin­gen, nach. Ihre Bio­gra­phie des ehe­ma­li­gen Pri­mas von Bel­gi­en wur­de am 22. Sep­tem­ber auf dem Koe­kel­berg bei Brüs­sel vor­ge­stellt Kar­di­nal Dan­neels war per­sön­lich anwe­send und sicht­lich zufrie­den. Was die bei­den Autoren dar­in schrie­ben, wur­de von Dan­neels bei die­ser Gele­gen­heit aus sei­nem eige­nen Mund bestä­tigt. Er ent­hüll­te, daß es seit den 90er Jah­ren in der Kir­che eine gehei­me Grup­pe höch­ster Kir­chen­ver­tre­ter des pro­gres­si­ven Lagers gab , die – von Kar­di­nal Mar­ti­ni gegrün­det – sich jeweils in der Schwei­zer Bischofs­stadt Sankt Gal­len traf und daher auch nach die­ser Stadt benann­te. Dan­neels gab noch ein zusätz­li­ches Bon­mot preis. „Wir haben uns ‚die Mafia‘ genannt“. 

Das erste Tref­fen des Geheim­zir­kels soll 1996 statt­ge­fun­den haben. Die Deut­schen Leh­mann und Kas­per waren von Anfang an dabei. Der Fla­me Dan­neels stieß 1999 dazu. Die Kar­di­nä­le Hume und Sil­ve­st­ri­ni und ande­re mehr waren wei­te­re Mitglieder. 

Kaspers zentrale Rolle

Ive­reigh hat­te ent­hüllt, daß es genau Kas­per war, der die Auf­ga­be über­nahm, die Zustim­mung von Jor­ge Mario Berg­o­glio, dem dama­li­gen Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, ein­zu­ho­len, der Kan­di­dat der Pro­gres­si­ven zu sein. Vor allem hat­te er sicher­zu­stel­len, daß Berg­o­glio nicht erneut, wie 2005, kal­te Füße bekä­me. Damals woll­te die Grup­pe um Kar­di­nal Mar­ti­ni auf ihn die Stim­men kon­zen­trie­ren, um mit einer Sperr­mi­no­ri­tät die Wahl von Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger zu ver­hin­dern. Die Rech­nung wäre viel­leicht knapp auf­ge­gan­gen, doch nach meh­re­ren Wahl­run­den zog sich Berg­o­glio zurück.

Buch von Schelkens und Mettepenningen
Buch von Schel­kens und Met­te­pen­nin­gen (2015)

Kas­per ver­sucht mit der knap­pen Frist, daß erst einen Tag vor dem Beginn des Kon­kla­ves, sicher mit Berg­o­gli­os Kan­di­da­tur gerech­net wer­den konn­te, die Rol­le der Mafia von Sankt Gal­len und ihres Exe­ku­tiv­or­gans Team Berg­o­glio her­un­ter­zu­spie­len. In Wirk­lich­keit bestä­tig­te er alle wesent­li­chen Ent­hül­lun­gen, die in den Büchern von Ive­reigh, Schel­kens und Met­te­pen­nin­gen ver­öf­fent­licht und bereits von Kar­di­nal Dan­neels bestä­tigt wurden. 

Zudem: Das Tref­fen vom 11. März war nur mehr die letz­te, unge­stör­te Mög­lich­keit einer ent­schlos­se­nen Min­der­heit, sich abzu­spre­chen, bevor die Papst­wäh­ler den beson­de­ren Regeln eines Kon­kla­ves unter­wor­fen waren. Bene­dikt XVI. hat­te am 11. Febru­ar sei­nen über­ra­schen­den Amts­ver­zicht bekannt­ge­ge­ben. Erst ab die­sem Rosen­mon­tag 2013, an dem gegen Abend ein mäch­ti­ger Blitz in die Kup­pel des Peters­do­mes ein­schlug – ein Natur­er­eig­nis, wie es seit­her nicht mehr doku­men­tiert wur­de, und auch nie davor – konn­te der Geheim­zir­kel von Sankt Gal­len aktiv wer­den. Mit einem sol­chen „Geschenk des Him­mels“, daß ihr gefürch­tet­ster Geg­ner, des­sen Ein­fluß sie im Kon­kla­ve 2005 unbe­dingt been­den woll­ten, frei­wil­lig das Feld räumt, hat­ten auch sie wohl nicht gerechnet.

Die Kar­di­nä­le aus aller Welt ver­sam­mel­ten sich erst in den Tagen kurz vor dem Kon­kla­ve in Rom, sodaß ein Tref­fen in grö­ße­rer Run­de vor­her gar nicht mög­lich gewe­sen wäre. Die übri­gen Kon­takt­nah­men und Abspra­chen fan­den in per­sön­li­chen Ein­zel­ge­sprä­chen oder mit­tels moder­ner Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik statt.

Kardinal Kasper: „Völlig falsch“

Wenn Kas­per behaup­tet, daß die­se Dar­stel­lung der Ereig­nis­se „völ­lig falsch“ sei, „kön­nen wir nur anneh­men, daß er spot­tet“, so das spa­ni­sche Nach­rich­ten­por­tal Info­Va­ti­ca­na. Kas­per behaup­tet, die Grup­pe von Sankt Gal­len habe ledig­lich über „pasto­ra­le Per­spek­ti­ven und Erfah­run­gen“. Das dürf­te dann auch der Grund sein, war­um sich die Grup­pe als Geheim­zir­kel kon­sti­tu­ier­te und kon­spi­ra­tiv versammelte.

Letzt­lich sagt er damit aber wahr­schein­lich gar nichts Fal­sches, denn die von Papst Fran­zis­kus ein­ge­führ­ten Neue­run­gen, wie zum Bei­spiel durch Amo­ris lae­ti­tia, wer­den „nur“ als „pasto­ra­le“ Ände­run­gen behaup­tet. Eine inter­na­tio­na­le Grup­pe katho­li­scher Intel­lek­tu­el­ler wirft Fran­zis­kus seit Diens­tag hin­ge­gen die Ver­brei­tung von Häre­si­en vor.

Zudem, so Kas­per, habe sich die Grup­pe das letz­te Mal 2006 getrof­fen, womit er andeu­ten will, man habe nach der Wahl von Bene­dikt XVI. ent­täuscht resi­gniert. Abge­se­hen davon, daß die ande­ren Kar­di­nä­le der­glei­chen nicht berich­te­te und ganz unab­hän­gig davon, ob kas­per das direkt bestä­tigt oder nicht, bestan­den die Kon­tak­te, ob for­mell oder infor­mell, natür­lich weiter. 

Papst Fran­zis­kus lob­te gleich beim ersten Ange­lus, vier Tage nach sei­ner Wahl, Kar­di­nal Kas­per und erwähn­te eines von des­sen Büchern, das mit den bei­den Fami­li­en­syn­oden und Amo­ris lae­ti­tia sofort prä­gend für das Pon­ti­fi­kat wer­den soll­te. Es fällt schwer, anzu­neh­men, daß die­se Nähe zwi­schen den bei­den Kir­chen­für­sten über Nacht ent­stan­den sei. 

Die Begei­ste­rung, die in bestimm­ten Kir­chen­krei­sen wegen des Amts­ver­zichts von Bene­dikt XVI. aus­brach, unschwer erkenn­bar an den zahl­rei­chen, ver­ba­len Respekt­be­zeu­gun­gen von ver­däch­ti­ger Sei­te, ließ zudem die „resi­gnier­ten“ Pro­gres­si­ven blitz­ar­tig zu unge­ahn­ter Leben­dig­keit erwa­chen, um ein Anti-Ratz­in­ger-Pon­ti­fi­kat schmieden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Info­Va­ti­ca­na

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