Die Tränen der Heuchler

Notre-Dame, die EU und die christlichen Wurzeln


In Notre-Dame geht es nichtj nur um eine bedeutende Kathedrale, sondern um unsere Zivilisation.
In Notre-Dame geht es nicht nur um eine bedeutende Kathedrale, sondern um unsere Zivilisation.

(Paris) Der Brand von Not­re-Dame setzt viel­schich­ti­ge Reak­tio­nen frei. Eini­ge sind sym­pto­ma­tisch, ande­re erstau­nen, wei­te­re ent­set­zen. Die finan­zi­el­len Zusa­gen schnel­len in die Höhe: 600 Mil­lio­nen Euro, 700 Mil­lio­nen Euro… Fana­ti­sche Mus­li­me beju­beln das Zer­stö­rungs­werk des Feu­ers. Eben­so eine radi­ka­le Lin­ke, der prin­zi­pi­ell nichts hei­lig ist. Es flie­ßen aber auch Krokodilstränen.

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Die Trau­er um die Bischofs­kir­che von Paris ist groß. Viel­leicht ist der Eif­fel­turm welt­weit bekann­ter, doch wer spürt nicht, daß die Eisen­kon­struk­ti­on eine net­te Attrak­ti­on ist, aber kei­ner­lei mora­li­sche Bedeu­tung hat. Das ist beim Mari­en­dom auf der Sei­ne-Insel anders. Ob sie glau­ben oder nicht glau­ben, daß dar­in die Dor­nen­kro­ne auf­be­wahrt wird, mit der Jesus Chri­stus zum Spott gekrönt wur­de. Einem hei­li­gen Schau­er wer­den sich auch vie­le Ungläu­bi­ge bei die­sem Gedan­ken nicht ent­zie­hen können.

Den­noch: Sind es nicht auch jene, die nun laut­stark die Zer­stö­rung eines „Sym­bols des Westens“ bekla­gen, die bei jeder Gele­gen­heit die christ­li­chen Wur­zeln Euro­pas leug­nen oder miß­ach­ten? Tritt nicht die erst 2007 mit dem Ver­trag von Lis­sa­bon ins Leben geru­fe­ne EU die christ­li­che Geschich­te Euro­pas mit Füßen, obwohl ohne sie eine EU gar nicht denk­bar wäre. und ist es nicht die­se EU, die neue „Altä­re“ errich­tet? Wer­den Bedro­hun­gen nicht zugleich von ihr aus­ge­blen­det wie jene der Isla­mi­sten, die erst durch die mas­si­ve Ein­wan­de­rung von Mus­li­men mög­lich gemacht wurde. 

„Nun wei­nen die Heuch­ler: ‚Ein Stich ins Herz‘, ‚Die Welt ist erschüt­tert‘, ‚Die Trä­nen von Not­re-Dame‘, ‚Eine Wun­de in der Geschich­te Euro­pas‘, ‚Unser Herz ist dort‘… Die Heuch­ler wei­nen und ver­ste­hen nicht, daß das, was sie in Paris vor ihren Augen sahen, nur das ist, was sie vor­be­rei­tet, gewollt und geför­dert haben“, so der ehe­ma­li­ge Nach­rich­ten­chef der Fern­seh­sen­der Ita­lia 1 und Rete 4, Mario Giord­a­no, in einer Kolum­ne der Tages­zei­tung La Veri­tà.

Warum hat uns der Einsturz des Vierungsturmes so erschüttert? 

Weil er ein Sym­bol unse­rer Zivi­li­sa­ti­on ist, die zusam­men­bricht. Er ist ein Sym­bol unse­rer Wur­zeln, die abge­schnit­ten wur­den und unse­res Lang­zeit­ge­dächt­nis­ses, das gelöscht wird. 

Wo waren die Heuch­ler, die nun im Chor mit­kla­gen, als das alles gesche­hen ist? Wo waren sie, als die Wur­zeln des christ­li­chen Euro­pas weg­ge­fegt wur­den und mit Hän­den und Füßen deren Erwäh­nung im EU-Grün­dungs­ver­trag von 2007 ver­hin­dert wur­de? Wo waren sie, als im Nahen Osten die neu­en Kata­kom­ben für die Chri­sten gebaut wur­den? Wo waren sie, als die christ­li­chen Sym­bo­le geschän­det, beschmutzt und zer­stört wur­den? Fast tau­send Angrif­fe gegen Kir­chen gab es in Frank­reich allein im ver­gan­ge­nen Jahr. Am 17. März brann­te in Paris die Kir­che Saint-Sulpi­ce, am 15. April stand Not­re-Dame in Flam­men. Das Feu­er in der Kir­che des berühm­ten, ehe­ma­li­gen Prie­ster­se­mi­nars von Paris war eine Brand­stif­tung. Die Ursa­che für das Feu­er von Not­re-Dame muß erst noch geklärt wer­den. Sehr groß wirkt aller­dings der poli­ti­sche Drang, jede kri­mi­nel­le Spur aus­zu­schlie­ßen, noch bevor ermit­telt wurde.

Vor einem Monat schlug die Fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz Alarm, der unge­hört blieb von den zahl­rei­chen Heuch­lern, die sich auf der mei­nungs­ma­chen­den Ebe­ne tum­meln. Kaum ein Medi­um nahm Notiz davon, weder in Frank­reich noch außerhalb.

„Wenn Not­re-Dame wirk­lich ein Sym­bol ist, das ‚uns allen gehört‘, war­um haben sie nicht frü­her damit begon­nen, es zu ver­tei­di­gen?“, fragt Giord­a­no. War­um haben sie es hin­ge­nom­men, manch­mal sogar begrüßt, daß die Kathe­dra­le auf viel­fa­che Wei­se geschän­det wer­den konn­te, bei­spiels­wei­se durch meh­re­re Attacken der Polit­söld­ner-Grup­pe Femen?

Wäre ihnen an der Kathe­dra­le wirk­lich gele­gen, hät­ten sie die Ver­tei­di­gung frü­her auf­neh­men kön­nen. Bei­spiels­wei­se als die Femen-Akti­vi­sten von gleich­gül­ti­gen Rich­tern frei­ge­spro­chen wurden. 

Der Brand mach­te aber auch zahl­rei­che Lücken sicht­bar, die ein erschrecken­des Pro­blem der Fünf­ten Repu­blik offen­le­gen. Die Kir­che in Frank­reich, zwei­mal in den ver­gan­ge­nen 230 Jah­ren von den Revo­lu­tio­nä­ren am Boden zer­stört und vom Staat aus­ge­raubt, finan­ziert sich selbst. Eine Kir­chen­steu­er gibt es nicht. Über die Tren­nung von Staat und Kir­che wachen Lai­zi­sten und Frei­mau­rer mit Argus­au­gen. Es ist der Staat und sein Appa­rat, des­sen Ver­sa­gen auf dra­ma­ti­sche Wei­se sicht­bar wur­de. Exper­ten ver­si­chern, daß 400 auto­ma­ti­sche Sprink­ler­köp­fe aus­ge­reicht hät­ten, Not­re-Dame zu ret­ten. Sie waren nicht vor­han­den. Nun wis­sen alle, daß die Feu­er­wehr­män­ner von Paris, die groß­ar­ti­ge Arbeit lei­ste­ten, über kei­ne Lei­tern ver­fü­gen, die län­ger als 30 Meter sind. So sorg­los wird in einer der bedeu­tend­sten Haupt­städ­te Euro­pas mit den Kul­tur- und Kunst­schät­zen unse­rer Zivi­li­sa­ti­on umgegangen?

Das Geld für den Wiederaufbau

Nun fin­det ein Wett­lauf der Super­rei­chen statt, Geld für Not­re-Dame zu spen­den. Wo waren sie alle, von Arnault bis L’Oreal, als vor zwei Jah­ren ein­stür­zen­de Tei­le drin­gen­de Reno­vie­rungs­ar­bei­ten gebo­ten sein­lie­ßen, für die 150 Mil­lio­nen Euro – also nur ein Bruch­teil der nun not­wen­di­gen Sum­me – gebraucht wur­den? War es vor zwei Jah­ren noch nicht schick, sich als „Ret­ter“ eines „gemein­sa­men euro­päi­schen Sym­bols“ zu zei­gen, was aus dem Mund bestimm­ter Krei­se – ohne kon­kret irgend­wem lau­te­re Absich­ten abspre­chen zu wol­len – nach einer bil­li­gen EU-Wer­bung klingt.

Im Ernst: Not­re-Dame reprä­sen­tiert nicht das Euro­pa der Macrons und Mos­co­vicis und auch nicht das Euro­pa der Jun­ckers. Not­re-Dame reprä­sen­tiert das wah­re Euro­pa, das Aus­druck der christ­li­chen Zivi­li­sa­ti­on ist – denn eine ande­re gibt es nicht. Sie reprä­sen­tiert die tie­fen, ech­ten Wer­te, nicht ein ober­fläch­li­ches „Werte“-Geschwätz. Not­re-Dame reprä­sen­tiert die christ­li­chen Wur­zeln unse­rer Staa­ten und Völ­ker. Die Kathe­dra­le reprä­sen­tiert die Geschich­te, eine Geschich­te des Glau­bens und der Hei­li­gen. Es ist die­ses Euro­pa, das in Frank­reich bis zur Tau­fe Chlod­wigs zurück­reicht, und das für die eif­ri­gen Ver­fech­ter der EU, im Ver­gleich dazu kei­ne lächer­li­chen zwölf Jah­re alt, nicht schüt­zens­wert ist. Die EU errich­tet statt­des­sen neue „Kathe­dra­len“ und neue „Altä­re“.

Wie kann es aber sein, daß so vie­le Men­schen, die einen wie ver­stei­nert, die ande­ren wie ver­zwei­felt, auf die Bil­der vom Brand starr­ten, als hand­le es sich um den euro­päi­schen 11. Sep­tem­ber? Der Ver­gleich wur­de von meh­re­ren Jour­na­li­sten bemüht. Dabei beeil­ten sich die Behör­den in einer der schnell­sten Ermitt­lun­gen der Geschich­te, einen ter­ro­ri­sti­schen Hin­ter­grund sofort auszuschließen.

Das Gefühl der Verlierer und der (muslimischen) Gewinner

Wie erklä­ren sich also die Bil­der der jun­gen Men­schen, die sich auf den Stra­ßen nie­der­knie­ten und beteten?

Eine Ant­wort auf die­se Fra­gen soll hier ver­sucht wer­den: Dies alles und noch viel mehr ist gesche­hen, weil die Flam­men von Not­re-Dame unser Dra­ma sicht­bar gemacht haben. Und es geht dabei nicht nur um die Zer­stö­rung einer Kathe­dra­le, son­dern um den Zusam­men­bruch unse­rer Zivilisation.

Wie lan­ge wird der auf­rüt­teln­de Schock anhal­ten? Wie schnell wird alles vom schnellebi­gen All­tags­trott verdrängt?

Nicht von unge­fähr pump­ten Mus­li­me – radi­ka­le, isla­mi­sti­sche, extre­mi­sti­sche, dschi­ha­di­sti­sche, sala­fi­sti­sche, oder wie immer man sie nen­nen mag oder soll (oder waren es am Ende auch ganz „nor­ma­le“ Mus­li­me?) – Freu­den­bot­schaf­ten in die sozia­len Netz­wer­ke und fei­er­ten es als „Tri­umph Allahs“, daß die Bischofs­kir­che, das Mari­en­hei­lig­tum mit­ten in Paris, in Flam­men stand. 

Die bedeu­tend­ste Kir­che Frank­reichs brennt, und Mus­li­me füh­len sich als Sieger? 

Wir sind jeden­falls die Ver­lie­rer, denn unse­re Zivi­li­sa­ti­on bricht zusam­men wie der Vie­rungs­turm von Not­re-Dame. Ohne Wur­zeln gibt es kein Leben und kei­ne Zukunft. Des­halb ist es para­dox, nun jene kla­gen zu hören, die die­se Wur­zeln durch­trennt haben. 

Wer­den sie nun erken­nen, was die Fol­gen sind? Wer­den sie das Tot­schlag­ar­gu­ment vom „fin­ste­ren Mit­tel­al­ter“ end­lich in der Cloa­ca Maxi­ma ver­sen­ken, nach­dem sie damit seit Jah­ren alles und alle aus dem Weg räum­ten, die für die Men­schen­wür­de, für das Lebens­recht der unge­bo­re­nen Kin­der und für die Fami­lie eintreten? 

Das Verblüffende in der Geschichte

Die Geschich­te hat aller­dings auch etwas Ver­blüf­fen­des, denn, sie­he da, plötz­lich ist es ganz offen­sicht­lich, daß sich der Sinn Euro­pas in einer Kathe­dra­le aus dem Mit­tel­al­ter fin­det. Er liegt also doch im Kreuz, das – wie die Bil­der bele­gen – selbst nach dem Brand die Rui­nen überstrahlt.

In der Kathe­dra­le Unse­rer Lie­ben Frau von Paris stand bis zum Brand eine Sta­tue der hei­li­gen Johan­na von Orleans. Ob sie noch steht, ist der­zeit nicht bekannt. Sie war es, die ihren Hen­kern mit Blick auf das Kreuz zurief:

„Hal­tet es hoch, damit ich es sehen kann durch die Flammen.“

Wenn Euro­pa also wirk­lich eine Zukunft haben soll, wenn unse­re Völ­ker und Staa­ten eine Zukunft haben sol­len, dann ist das nur mög­lich, indem wir unse­re christ­li­chen Wur­zeln wie­der­fin­den: nicht nur heu­te und nicht nur in Notre-Dame.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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