Und wenn ein Papst zum Häretiker wird?

Vorwort von Roberto de Mattei zur Studie von Arnaldo Xavier da Silveira


Christus übergibt die Schlüssel an Petrus, Fresko von Perugino (1481), Sixtinische Kapelle, Vatikan
Christus übergibt die Schlüssel an Petrus, Fresko von Perugino (1481), Sixtinische Kapelle, Vatikan

In die­sen Tagen wur­de in Ita­li­en das Buch von Arnal­do Xavier da Sil­vei­ra (1929–2018) „Was tun, wenn ein Papst Häre­ti­ker ist?“ (Se un Papa è ere­ti­co: che fare?, Edi­zio­ni Fidu­cia, 70 Sei­ten, 10,00 €) vor­ge­legt. Dazu schrieb Prof. Rober­to de Mat­tei das Vorwort.

Was ist zu tun, wenn ein Papst häretisch ist?

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Von Rober­to de Mattei*

Die Fra­ge des „häre­ti­schen Pap­stes“, einst nur ein aka­de­mi­sches Pro­blem, wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren unter dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus zum The­ma der Debat­ten. Wer die­ses Pro­blem ernst­haft stu­die­ren will, kommt um die Arbei­ten von Arnal­do Xavier da Sil­vei­ra nicht her­um, des­sen Werk als wirk­li­che Pio­nier­lei­stung in die­sem Feld zu betrach­ten ist.

Xavier da Sil­vei­ra, der in der Schu­le von Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra geformt wur­de, ging die­ses deli­ka­te Argu­ment unmit­tel­bar nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil an. Er erforsch­te die theo­lo­gi­sche und kano­ni­sche Lite­ra­tur zum The­ma, beschränk­te sich aber nicht dar­auf, uns einen an sich schon ver­dienst­vol­len Über­blick über die ver­schie­de­nen theo­lo­gi­schen Posi­tio­nen zu bie­ten, son­dern folgt der Lehr­mei­nung des hei­li­gen Robert Bell­ar­min über die Mög­lich­keit, daß ein Papst in die Häre­sie fal­len kann. Die­se The­se berei­chert er um eigen­stän­di­ge Anmerkungen.

1970 ver­öf­fent­lich­te Xavier da Sil­vei­ra, in begrenz­ter Auf­la­ge, die „Con­sidera­ções sob­re o ‚Ordo Mis­sae‘ de Pau­lo VI“. Sie ent­hiel­ten eine Stu­die über die „Theo­lo­gi­sche Hypo­the­se eines häre­ti­schen Pap­stes“. Die­se Arbeit wur­de dann auf fran­zö­sisch her­aus­ge­ge­ben unter dem Titel: „La Nou­vel­le Mes­se de Paul VI: Qu’en Pen­ser?“ (Dif­fu­si­on de la Pen­sée Fran­çai­se, Chi­ré-en-Mon­treuil 1975). Ihre Ver­brei­tung wur­de aber von Paul VI. selbst ver­bo­ten. Der dem „häre­ti­schen Papst“ gewid­me­te Teil wur­de 2016 ins Ita­lie­ni­sche über­setzt und im Ver­lag Sol­fa­nel­li unter dem Titel: „Ipo­te­si Teo­lo­gi­ca di un Papa ere­ti­co“ vor­ge­legt. 2018 folg­te eine eng­li­sche Aus­ga­be mit einem neu­en Kapi­tel und dem Titel: „Can a Pope be … a here­tic?“ (Eine deut­sche Über­set­zung liegt noch nicht vor.)

Das neue Buch mit dem Vor­wort von Prof. Rober­to de Mattei

Der Text, den wir ver­öf­fent­li­chen, ist die Über­set­zung des sieb­ten Kapi­tels der eng­li­schen Aus­ga­be, das ergänzt wur­de, was uns nicht nur beson­ders nütz­lich erscheint, weil es der letz­te Bei­trag von Arnal­do Xavier da Sil­vei­ra war, son­dern vor allem auch des­halb, weil es sei­ne Mei­nung zusam­men­faßt, die er als „theo­lo­gisch gesi­chert“ bezeich­net. Die Posi­ti­on des Autors ist aus­ge­wo­gen und hat das Ver­dienst, sowohl die sim­pli­fi­zie­ren­den Lösun­gen des Sedis­va­kan­tis­mus als auch die viel­leicht ver­füh­re­ri­schen Lösun­gen des Kon­zi­lia­ris­mus gemieden.

Gegen den Sedis­va­kan­tis­mus betont da Sil­vei­ra den Grund­satz der Sicht­bar­keit der Kir­che. Der Papst kann das Pon­ti­fi­kat nicht ver­lie­ren, wenn sein Sta­tus als Häre­ti­ker nicht der gan­zen Kir­che bekannt ist, wobei die­ser Begriff natür­lich nicht nume­risch und quan­ti­ta­tiv ver­stan­den wird, son­dern bezo­gen auf die pars sana, die den wah­ren, katho­li­schen Glau­ben bekennt.

Da Sil­vei­ra ist der Mei­nung, daß die Häre­sie des Pap­stes für die „gan­ze Kir­che“ (tota Eccle­sia) offen­kun­dig zu sein habe, wie es der Theo­lo­ge Pie­tro Bal­le­ri­ni (1698–1769) aus­drück­te. Die Nach­richt von der Häre­sie des Pap­stes habe auch die kapil­la­ren Tei­le der katho­li­schen Mei­nung zu errei­chen bis hin zum ein­fa­chen Gläu­bi­gen, den der Autor mit einer guten und ein­fa­chen, katho­li­schen Fami­li­en­mut­ter ver­gleicht. Um zu zei­gen wie die pars sana der Kir­che sich der päpst­li­chen Häre­sie bewußt wer­den kann, ana­ly­siert Xavier da Sil­vei­ra eine ande­re Wirk­lich­keit, die er das Gewe­be der Mei­nung der Kir­che nennt.

Die Mei­nungs­bil­dung in der Kir­che, die eine leben­de Wirk­lich­keit ist, gespeist vom Wir­ken der Gna­de, setzt die Wech­sel­be­zie­hung einer unend­li­chen Zahl von Ein­flüs­sen durch die See­len vor­aus. Zu die­sem letz­ten Aspekt erin­nert Xavier da Sil­vei­ra an die Bedeu­tung des sen­sus fidei und der pas­si­ven Unfehl­bar­keit der Gläu­bi­gen bei der Bil­dung der Über­zeu­gun­gen inner­halb der Kirche.

Gegen den Kon­zi­lia­ris­mus bestrei­tet das Sil­vei­ra, daß irgend­wer einen Papst abset­zen könn­te und betont, daß die ein­zi­ge Hypo­the­se der Kir­chen­leh­rer, die nicht auf einen Rechts­spruch gegen den noch regie­ren­den Papst zurück­greift, die fünf­te The­se des hei­li­gen Robert Bell­ar­min ist, die in eini­gen Punk­ten durch Theo­lo­gen wie Bal­le­ri­ni, Wernz-Vidal, Bil­lot und ande­re ver­voll­stän­digt und berei­chert wurde.

Alle ande­ren The­sen, wie ein Häre­ti­ker sein Pon­ti­fi­kat ver­lie­re, set­zen zumin­dest den Rechts­weg durch ein unvoll­kom­me­nes Kon­zil (ein Kon­zil, das ohne den Papst und gegen sei­nen Wil­len ein­be­ru­fen wird), das Kar­di­nals­kol­le­gi­um oder irgend­ein ande­res kirch­li­ches Organ vor­aus. Für den hei­li­gen Jesui­ten Bell­ar­min kann aber kein irdi­sches Gre­mi­um den Papst abset­zen. Es ist viel­mehr der häre­ti­sche Papst selbst, der die sicht­ba­re Kir­che ver­läßt, indem er sei­ne Häre­sie öffent­lich zum Aus­druck bringt. 

„Der Ver­lust des Pon­ti­fi­kats wird also nicht das Ergeb­nis einer Abset­zung durch irgend­wen sein, son­dern ein Akt des Pap­stes selbst, der – indem er ein for­ma­ler und noto­ri­scher Häre­ti­ker wird – sich selbst aus der sicht­ba­ren Kir­che aus­ge­schlos­sen und damit still­schwei­gend auf sein Pon­ti­fi­kat ver­zich­tet haben wird.“

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Corrispondenza Romana

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