
(Madrid) Die Glaubenskongregation ermittelt erstmals gegen einen Priester des Opus Dei. Ihm wird vorgeworfen, in einem Priesterseminar der Gemeinschaft Studenten mißbraucht zu haben. Auch in diesem Fall geht es nicht um sexuellen Mißbrauch allgemein, sondern um Homosexualität.
Ermittelt wird gegen den Priester Manuel Cociña y Abella. Tatort soll das Colegio Mayor von Sevilla sein. Tatzeit: 2002/2003.
Cociña habe, so die Berichte von Opfern, ihre Genitalien „massiert“, in einigen Fällen in direktem Zusammenhang mit der Beichte.
Der Vatikan bestätigt, daß der Fall von der Glaubenskongregation geprüft wird, die für delicta graviora zuständig ist.
Auch die Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei bestätigte die Nachricht und gab bekannt, daß dem Priester bereits zum Jahresende 2018, vorerst beschränkt auf die Zeit des Verfahrens, der Kontakt zu jungen Menschen unter 30 Jahren untersagt ist und seine pastorale Tätigkeit eingeschränkt wurde. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Das Kontaktverbot nicht nur mit Minderjährigen, die vom Prälaten des Opus Dei ausgesprochen wurde, ist ein erstes Beispiel, daß die homosexuelle Gefahr ernst genommen wird, die nicht nur Minderjährigen, sondern auch Seminaristen und jungen Ordensangehörigen droht.
Bisher wird das Mißbrauchsproblem in der Kirche, auch von Papst Franziskus, weitgehend als Pädophilen-Problem dargestellt, obwohl das eigentliche Problem die Homosexualität ist.
Manuel Cociña y Abella war in der Vergangenheit mehrfach als Bischof im Gespräch gewesen. Obwohl sein Name in Dreiervorschlägen enthalten war, kam es zu keiner Ernennung. Die Distanziertheit von Papst Franziskus gegenüber dem vom heiligen Jose Maria Escriva de Balaguer y Albas gegründeten Opus Dei ist bekannt. Es könnte nicht der einzige Grund sein.
2007 wurde Cociña y Abella Rektor der Basilika San Miguel in Madrid, die seit 1959 vom Opus Dei betreut wird. Damit gehörte er zu den Anwärtern auf das Amt des Generaloberer des Gesamtwerkes, der im Opus Dei als Prälat bezeichnet wird und – als einzige Gemeinschaft der Kirche – den Rang und die Vollmachten eines Bischofs hat.
Als 2016 der Prälat Javier Echevarria Rodriguez starb, wurde sein Nachfolger aber nicht Cociña y Abella. Die Karriere des hochrangigen Opus-Dei-Vertreters hatte eine Kerbe. Die Gründe könnten mit den nun bekanntgewordenen Vorwürfen zu tun haben.
Ein Seminarist, der 2002 rund um seinen 18. Geburtstag in das Priesterseminar der Gemeinschaft in Sevilla eintrat, gehörte seit 1999 dem Opus Dei an. Während einer Beichte habe ihn Cociña mißbraucht. zwischen November 2002 und Juli 2003, dem Zeitpunkt als der Student aus dem Seminar austrat, habe der Priester mindestens siebenmal seine Stellung mißbraucht und den Seminaristen „massiert“, darunter auch seine Genitalien.
Der Mann ist heute verheiratet und lebt in Chile. 2018 erstattete er Anzeige, nachdem Papst Franziskus den Andenstaat besucht hatte. Er ist nicht der einzige, der vom Verhalten des Papstes im Umgang mit dem Fall Barros enttäuscht wurde und das zum Anlaß nahm, seinen eigenen Fall bekannt zu machen.
Mindestens vier weitere Personen haben inzwischen ähnliche Episoden mit Cociña Y Abella bezeugt.
Im Oktober 2018 ordnete der seit 2017 amtierende, neue Prälat des Opus Dei Ermittlungen an. Sie wurden von Rafael Rodríguez Ocaña durchgeführt. Im Dezember des vergangenen Jahres leitete die Prälatur die Ergebnisse an die Glaubenskongregation weiter. Diese bestätigt Ermittlungen aufgenommen zu haben. Der Fall sei nicht nur wegen der möglichen sexuellen Verfehlungen schwerwiegend, sondern wegen des möglichen Mißbrauchs der Beichte, heißt es dort. Der Priester riskiert bei einem Schuldspruch den Ausschluß aus dem Opus Dei und die Exkommunikation aus der Kirche.
Morgen wird der Ankläger am Sitz der Prälatur in Santiago de Chile in Anwesenheit eines Anwaltes und eines Notars einvernommen.
Es handelt sich um den ersten Fall, bei dem ein Priester des Opus Dei beschuldigt wird. Bisher war ein Laienmitglied, ein Numerarier der Gemeinschaft, wegen sexuellen Mißbrauchs verurteilt worden. Er hatte als Lehrer an einer vom Opus Dei geführten Schule unterrichtet. Der Fall, der 2013 auf dem Schreibtisch der zuständigen Behörde im Vatikan landete, 2015 archiviert worden. Die spanische Justiz aber verurteilte den Lehrer im November 2018 zu elf Jahren Gefängnis.
Drastische Worte zum Fall Cociña y Abella fand heute Francisco Fernandez de la Cigoña, der bekannteste spanische Kolumnist zu Kirchenfragen. Der Fall sei ein „nachkonziliaren Frühlings-Mist“.
„Und die Konzilspäpste? Einer wurde heiliggesprochen, der andere selig. Wenn wir sie an den Früchten erkennen werden, dann sind es vergiftete.“
Fernandez de la Cigoña spricht noch einen Aspekt an:
„Es gibt noch etwas, was mich an der Sache verwundert. Ich denke, von meiner Person sagen zu können: Wenn jemand im Alter von acht oder zehn Jahren versucht hätte, mich zu mißbrauchen, wüßte ich nicht, wie ich reagiert hätte. Vielleicht hätte ich es über mich ergehen lassen. Wenn aber im Alter von 17 oder 18 Jahren ein Priester versucht hätte, meine Genitalien anzugreifen, hätte er von mir einen solchen Tritt in die seinen bekommen, daß er eine Woche lang nur mehr gekrümmt durch die Gegend gegangen wäre.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Religion Digital (Screenshot)