„Historisches Treffen“ zwischen Homo-Lobby und Kirche im Vatikan

ILGA World ist Gesprächspartner des Heiligen Stuhls


Erstmals wurde die organisierte, internationale Homo-Lobby im Vatikan empfangen.
Erstmals wurde die organisierte, internationale Homo-Lobby im Vatikan empfangen.

(Rom) Heu­te wur­den erst­mals offi­zi­ell im Vati­kan Homo-Akti­vi­sten in Audi­enz emp­fan­gen, aller­dings anders als von den Besu­chern zunächst ange­kün­digt und erwar­tet. Ein histo­ri­sches Ereig­nis war es den­noch in der Geschich­te der Kirche.

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Ver­gan­ge­ne Woche hat­te der fran­zö­si­sche Sozio­lo­ge und Homo-Akti­vist Fre­de­ric Mar­tel den Emp­fang einer inter­na­tio­na­len Grup­pe von Homo-Akti­vi­sten durch Papst Fran­zis­kus ange­kün­digt. Er berief sich dabei auf einen argen­ti­ni­schen Lands­mann und per­sön­li­chen Freund des Pap­stes, den ehe­ma­li­gen Höchst­rich­ter und homo­se­xu­el­len Links­in­tel­lek­tu­el­len Raul Euge­nio Zaffaroni.

Mar­tels Ankün­di­gung sorg­te für erheb­li­chen Wir­bel, nach­dem der Vati­kan erst vor einer Woche den christ­li­chen Welt­fa­mi­li­en­kon­greß in Vero­na im Regen ste­hen hat­te las­se. Wäh­rend die höch­ste kirch­li­che Stel­le sich von christ­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen distan­zier­te, die sich für Ehe und Fami­lie ein­set­zen, emp­fängt der Papst Homo-Akti­vi­sten? Die Optik hing dop­pelt schief. 

Mar­tel hat­te unter Beru­fung auf Zaffaro­ni auch eine „histo­ri­sche Rede“ von Papst Fran­zis­kus zugun­sten der Homo­se­xua­li­tät ange­kün­digt. Gestern ruder­te er zurück. Die Rede sei „gestri­chen“ wor­den. Damit habe Papst Fran­zis­kus „eine histo­ri­sche Chan­ce“ ver­paßt. Ent­schul­di­gend füg­te der Sozio­lo­gie aller­dings hin­zu, der Papst ste­he unter Dau­er­be­ob­ach­tung sei­ner inner­kirch­li­chen Kritiker.

Vati­kan­spre­cher Gisot­ti demen­tier­te eben­falls gestern, daß Fran­zis­kus heu­te eine „histo­ri­sche Rede“ zum The­ma hal­ten wer­de. Die Audi­enz demen­tier­te er nicht. Die Ent­schei­dun­gen schei­nen erst im letz­ten Moment gefal­len zu sein. Das Kunst­stück hat­te dar­in zu bestehen, der Homo-Lob­by ein Signal der „Öff­nung“ zu sen­den, aber dem inner­kirch­li­chen Wider­stand gegen den päpst­li­chen Kurs nicht zuviel Auf­trieb zu geben. 

Das Ergeb­nis zeig­te sich heu­te. Nicht Papst Fran­zis­kus emp­fing die Dele­ga­ti­on der Homo­se­xu­el­len, son­dern Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin. Der Kar­di­nal war es auch, der ver­gan­ge­ne Woche die Distan­zie­rung des Hei­li­gen Stuhls vom Welt­fa­mi­li­en­kon­greß bekanntgab.

Hin­ter den Kulis­sen wur­de offen­bar bis zuletzt gefeilt, denn es scheint kaum glaub­haft – so extra­va­gant Zaffaro­ni auch sein mag –, daß der ein­sti­ge Höchst­rich­ter sich die Audi­enz beim Papst und des­sen „histo­ri­sche Rede“ erfun­den und auch noch sei­ne Unter­schrift unter die Erfin­dung gesetzt hätte.

Spä­te­stens heu­te vor­mit­tag wuß­ten die gela­de­nen Homo-Akti­vi­sten über das genaue Pro­gramm Bescheid. Die Homo-Orga­ni­sa­ti­on Ega­le Cana­da twit­ter­te:

„Heu­te erwar­tet uns im Vati­kan ein histo­ri­sches Tref­fen mit dem Staats­se­kre­tär des Hei­li­gen Stuhls, Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin, um über die Situa­ti­on der Dis­kri­mi­nie­rung und der Gewalt gegen LGBTI auf der Welt zu sprechen.“ 

„Uns erwartet ein historisches Treffen im Vatikan“
„Uns erwar­tet ein histo­ri­sches Tref­fen im Vatikan“

Vati­kan­spre­cher Ales­san­dro Gisot­ti gab anschlie­ßend, anders als nach zahl­rei­chen Pri­vat­au­di­en­zen, eine offi­zi­el­le Stel­lung­nah­me ab.

„Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin emp­fing heu­te im Vati­kan eine Grup­pe von 50 Per­so­nen, die sich auf unter­schied­li­che Wei­se gegen die Kri­mi­na­li­sie­rung der Homo­se­xua­li­tät einsetzen.“

Dem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär wur­de bei die­ser Gele­gen­heit, Zaffaro­ni und Mar­tel hat­ten es bereits ange­kün­digt, „eine Stu­die über die Kri­mi­na­li­sie­rung von homo­se­xu­el­len Bezie­hun­gen in der Kari­bik“ übergeben.

„Kar­di­nal Paro­lin rich­te­te einen kur­zen Gruß an die Anwe­sen­den und bekräf­tig­te die Posi­ti­on der katho­li­schen Kir­che zur Ver­tei­di­gung der Wür­de eines jeden Men­schen und gegen jede Form der Gewalt.
Nach­dem er die Stel­lung­nah­men eini­ger Teil­neh­mer der Begeg­nung ange­hört hat­te, ver­si­cher­te Kar­di­nal Paro­lin, den Hei­li­gen Vater über den Inhalt der Stu­die zu informieren.“

Die „Homo-Welt“ zeig­te sich sehr zufrie­den mit der Audi­enz, auch wenn sie nicht vom Papst selbst gege­ben wur­de. Die Inter­na­tio­nal Les­bi­an, Gay, Bise­xu­al, Trans and Inter­sex Asso­cia­ti­on (ILGA) twitterte: 

„ILGA World nahm am histo­ri­schen Tref­fen teil und sprach sich für einen ver­tief­ten Dia­log aus.“ 

ILGA World im Vatikan
ILGA World im Vatikan

ILGA World, der glo­ba­le Homo-Dach­ver­band, ver­öf­fent­lich­te auch eine aus­führ­li­che Stel­lung­nah­me.

In der Tat war die Audi­enz auch ohne Papst Fran­zis­kus „histo­risch“. Die Homo-Lob­by konn­te erst­mals offi­zi­ell ihre ver­quee­ren Posi­tio­nen in den Vati­kan hin­ein­tra­gen und wur­de vom höch­sten Regie­rungs­ver­tre­ter des Pap­stes, dem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär, auf staat­li­cher, nicht auf pasto­ra­ler Ebe­ne als Gesprächs­part­ner aner­kannt. Die Anwe­sen­den wur­den nicht als Per­so­nen mit ihrem Schick­sal emp­fan­gen, son­dern – erst­mals in der Geschich­te – als Ver­tre­ter der orga­ni­sier­ten Homo-Lobby.

Ega­le Cana­da schrieb daher auf Twitter:

„Wir sind stolz dar­auf, an die­sem Moment in der Geschich­te teil­zu­neh­men. Dies ist das erste Mal, daß sich #LGBTI-Akti­vi­sten mit dem #Vati­can getrof­fen haben. Bei einem Tref­fen mit Kar­di­nal Paro­lin for­der­ten wir Papst Fran­zis­kus (@Pontifex) auf, eine Erklä­rung abzu­ge­ben, in der die Straf­ge­set­ze ver­ur­teilt wer­den, die LGBTI-Men­schen verfolgen.“

Wie­viel Spa­gat ver­trägt die Kir­che zwi­schen den ver­schlos­se­nen Türen für den christ­li­chen Welt­fa­mi­li­en­kon­greß und den offe­nen Toren für die orga­ni­sier­te Homo-Lobby?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Twit­ter (Screen­shots)

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1 Kommentar

  1. Jeden Tag neue Hor­ror­mel­dun­gen aus dem Vatikan.
    Man hat so den Ein­druck, als wäre der Haus­herr nicht da und jetzt macht jeder was er will, incl. des Tango-Papstes.
    Der Haus­herr ist Chri­stus, er hat dem Men­schen den frei­en Wil­len gege­ben und sei­nem Stell­ver­tre­ter eine ganz beson­de­re Verantwortung.
    Fran­zis­kus führt sich auf als gäbe es Chri­stus und sei­ne Gebo­te und Befeh­le nicht.
    Er ver­höhnt ihn mit og. Aktionen.
    Gott Vater, sein Sohn und der hl. Geist haben die Geduld, die sie als Mäch­te die nicht von die­ser Welt sind, haben können.
    Wobei das Übel nicht mit Fran­zis­kus begann, er ist nur jetzt der unge­hemm­te Voll­ender des Konzils-Wahnsinns.
    Von die­sen Leu­ten muss man sich als treu­er Katho­lik schnell­stens tren­nen, sie rei­ßen eine Unzahl Unschul­di­ger mit in den Abgrund.
    Ret­te sich wer kann.

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