Deutsche Anti-Zölibats- und Gender-Front in der Kirche

Von Marx bis Schönenberger


Angriff auf den priesterlichen Zölibat von Modernisten und Feministen.
Angriff auf den priesterlichen Zölibat von Modernisten und Feministen.

(Ber­lin) Der Vor­sit­zen­de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz und eini­ge bischöf­li­che Adla­ten in Deutsch­land gehen inzwi­schen soweit, den Zöli­bat, die Leh­re über die Homo­se­xua­li­tät und die Rol­le der Frau in der Kir­che „ver­bind­lich“ in Fra­ge stel­len zu wol­len. Je näher die Ama­zo­nas­syn­ode rückt, desto unge­dul­di­ger und unge­stü­mer geben sich jene zu erken­nen, die eine „tie­fe­re Agen­da“ mit der Syn­ode verknüpfen. 

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Sie haben sich in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren mög­lichst ver­deckt gehal­ten. Das hat sich in zuneh­men­dem Maße geän­dert, seit Papst Fran­zis­kus offi­zi­ell die Ein­be­ru­fung der Syn­ode bekannt­gab. Bis zu jenem Tag im Herbst 2017 wur­de die Syn­oden­ab­sicht bestritten.

Nun kom­men sie also ans Tages­licht, die Ein­flü­ste­rer und Stich­wort­ge­ber, die Dräng­ler und Drücker, die mit der Aus­re­de einer neu­en Pra­xis, eine neue Leh­re instal­lie­ren und letzt­lich eine „ande­re Kir­che“ eta­blie­ren wol­len. Daß es für ein schlech­tes Imi­tat der pro­te­stan­ti­schen Lan­des­kir­chen kei­nen Bedarf gibt, will ihnen nicht ein­leuch­ten. War­um auch?! Im Palais Holn­stein, der fei­nen Münch­ner Wohn­adres­se von Kar­di­nal Marx, ist man bereit, ein­ge­wickelt in den Kir­chen­steu­er­speck und im Ein­klang mit der alt-bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Par­tei­en-Qua­dri­ga, sich mit der Rol­le der Angli­ka­ni­schen Kir­che im König­reich Eng­land zufrie­den­zu­ge­ben. Die Kir­che von Eng­land ist eine Kir­che ohne Anhang, aber ihre Füh­rungs­spit­ze glänzt als Teil des Staats­ap­pa­rats. Sie gehört zur Entou­ra­ge der Mäch­ti­gen und darf mit Pomp die präch­ti­ge zere­mo­ni­el­le Kulis­se für Staats­ak­te lie­fern, auch die der Staat nicht ver­zich­ten will.

Kardinal Reinhard Marx
Kar­di­nal Rein­hard Marx

Die offi­zi­el­len Medi­en der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, allen vor­an die Nach­rich­ten­platt­form Katho​lisch​.de bläst mit Eifer ins Horn der „ande­ren“ Kir­che von Marx, Bode & Jung. Nur, Katho­li­sches ist dar­an, trotz des Namens, wenig zu fin­den. Jung, von Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen Jahr zum Bischof von Würz­burg gemacht, ist der Pro­to­typ des „pro­gres­siv­sten Außen­sei­ters“, den Fran­zis­kus für die Ide­al­be­set­zung in den Bis­tü­mern hält. Jung ist kein „Außen­sei­ter“ in der deut­schen Kir­chen­hier­ar­chie, lei­der nicht. Er ist aber ein Außen­sei­ter, was die Glau­bens­leh­re und Kir­chen­ord­nung angeht. Das sen­ti­re cum eccle­sia ist in der Bio­sphä­re man­cher Bischö­fe offen­sicht­lich zum Fremd­wort gewor­den. Sie schwe­ben in so abge­ho­be­nen Höhen, wo die Luft dünn wird, was sich offen­sicht­lich auf das gläu­bi­ge Herz und den christ­li­chen Ver­stand auswirkt.

Ver­hei­ra­te­te Prie­ster, Frau­en­prie­ster­tum, Homo­se­xua­li­tät: Die kirch­li­chen 68er-For­de­run­gen hat das der­zei­ti­ge Pon­ti­fi­kat mit Wucht aus dem Gül­le­tank wie­der her­vor­ge­holt, in dem sie ver­senkt wur­den. Sie haben nicht den Geruch von Scha­fen. Die Ver­ant­wor­tung dafür trägt Fran­zis­kus und nicht nur, aber vor allem und zual­ler­erst er. Gegen Ende der Amts­zeit von Bene­dikt XVI. schie­nen die in die Jah­re gekom­me­nen Alt-68er zu resi­gniert zu haben. Es wur­de still um sie. Den 80. Geburts­tags im Blick, oder schon über­schrit­ten, muß­ten sie sich damit abfin­den, den Lauf der Kir­chen­ge­schich­te nicht mehr beein­flus­sen zu kön­nen. Doch unver­hofft kommt oft. Der Hei­li­ge Geist soll dafür aller­dings nicht bemüht wer­den, das machen bereits die päpst­li­chen Kof­fer­trä­ger zur Genü­ge. Den Hei­li­gen Geist als Vor­wand für Neue­run­gen zu miß­brau­chen, die im Wider­spruch zur kirch­li­chen Über­lie­fe­rung ste­hen, hat viel­mehr etwas blas­phe­mi­sches an sich, das erschau­dern las­sen sollte.

So ver­wun­dert es im deut­schen Revo­lu­ti­ons­kli­ma, 500 Jah­re nach Luthers Auf­be­geh­ren, nicht, daß die offi­zi­el­le Nach­rich­ten­platt­form Katho​lisch​.de die kru­den The­sen der Bene­dik­ti­ne­rin Ruth Schö­nen­ber­ger publi­zier­te. Ob Schö­nen­ber­ger, Bischof Jung von Würz­burg, Bischof Scheu­er von Linz, Bischof Glätt­ler von Inns­bruck usw. usf., die kirch­li­chen Hier­ar­chen, die gegen ihre eige­ne Kir­che arbei­ten, sind zahl­reich. Da die Kir­che eine hier­ar­chi­sche Ver­fas­sung hat, trägt immer der gro­ße Ver­ant­wor­tung, der sie ernannt hat, und der nicht recht­zei­tig das Läu­ten der Kir­chen­glocken gegen den auf­zie­hen­den Sturm anordnet.

Schö­nen­ber­ger beklagt von Tutz­ing aus den „Aus­schluß“ der Frau­en, weil sie nicht zu „Prie­ste­rin­nen“ geweiht wer­den kön­nen. In einer Zeit von Indi­vi­dua­lis­mus, Selbst­ent­fal­tung, fre­ne­ti­schem Ego­is­mus muß das ja auch ein schreck­li­ches Lei­den sein, wenn man will („Ich will“), aber nicht darf. In Schö­nen­ber­gers Erei­fe­rung für das Frau­en­prie­ster­tum offen­bart sich die Fehl­ent­wick­lung, die seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil allen sicht­bar ist, aber von zu vie­len ver­drängt wurde. 

Schö­nen­ber­ger war 1968 18 Jah­re alt. Ihr den­ken ist weder ein Natur­phä­no­men noch ist es vom Him­mel gefal­len. Es ist das Pro­dukt einer Zeit der fal­schen Wei­chen­stel­lun­gen, zu denen ein ande­rer Papst die Türen öff­ne­te, mit dem sich Fran­zis­kus ger­ne ver­gleicht und von Gleich­ge­sinn­ten auch ger­ne ver­gli­chen wird: Johan­nes XXIII. Die Wur­zeln fin­den sich nicht zuletzt im uni­ver­si­tä­ren Bereich der Theo­lo­gie, einer vom Glau­ben los­ge­lö­sten, theo­lo­gi­schen Wis­sen­schaft­lich­keit, oder was man dafür zu hal­ten scheint. Eine im Namen der Wis­sen­schaft vom Glau­ben abge­kop­pel­te Theo­lo­gie ist aber ein Wider­spruch in sich, was in dem abge­schlos­se­nen System aber kaum mehr wahr­ge­nom­men wird.

Prompt wur­den Schö­nen­ber­gers auf­rüh­re­ri­sche Reden auch von La Croix, der Tages­zei­tung der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz, abge­druckt. Schö­nen­ber­gers Ver­si­on der Gen­der-Theo­rie besagt, daß der Zugang zum Prie­ster­tum nicht an das Geschlecht gekop­pelt sein dür­fe. Sie sei schließ­lich eine bestens aus­ge­bil­de­te Theo­lo­gin, will sagen, theo­lo­gisch gebil­de­ter als so man­cher Prie­ster. Als der der­zei­ti­ge Papst alle­mal. For­mal mag dem nicht zu wider­spre­chen sein. Doch die Kir­che mißt nicht For­ma­li­tä­ten oder aka­de­mi­sche Abschlüs­se. Ihr Maß­stab ist die Recht­gläu­big­keit und ein demü­ti­ges Die­nen für die Wahr­heit. Dies­be­züg­lich fällt Schö­nen­ber­ger mit ihrer For­de­rung nach dem Frau­en­prie­ster­tum mit Pau­ken und Trom­pe­ten bereits bei der ersten und leich­te­sten Prü­fung durch. 

Es ist allein der Ungeist des Rela­ti­vis­mus, der sich in der Kir­che breit­ma­chen konn­te, der ihren Angriff gegen die Kir­che aus dem inne­ren her­aus mög­lich macht. Schuld ist die lan­ge Dul­dung einer Fehl­ent­wick­lung in der Hoff­nung, es wer­de sich schon irgend­wie alles rich­ten. Mit der Ver­ant­wor­tung, die den Hier­ar­chen anver­traut wur­de, sind zu vie­le zu lan­ge sträf­lich umge­gan­gen. Häu­fig wird es Bequem­lich­keit gewe­sen sein. Es fehl­te und fehlt aber nicht an Über­zeu­gungs­tä­tern. Nun sit­zen die gei­sti­gen Schis­ma­ti­ker und fak­ti­schen Häre­ti­ker bereits im Bischofs­amt und höher und for­dern Par­r­he­sia nicht für die Wahr­heit, son­dern im Namen des Rela­ti­vis­mus, der zum alles legi­ti­mie­ren­den letz­ten Maß­stab erho­ben wird. 

Der bekann­te öster­rei­chi­sche Phi­lo­soph Josef Sei­fert nann­te die im Doku­ment für die mensch­li­che Brü­der­lich­keit ent­hal­te­ne Behaup­tung, alle Reli­gio­nen sei­en gott­ge­wollt, die „Häre­sie der Häre­si­en“, weil dar­in der Rela­ti­vis­mus auf die Spit­ze getrie­ben sei, indem Gott selbst zum Rela­ti­vi­sten gemacht wird. 

Es war Papst Fran­zis­kus, der das Doku­ment unter­zeich­net hat, das nicht in den Schreib­stu­ben des Groß­i­mams von Al-Azhar, son­dern viel­mehr in den infor­mell ver­ein­ten Schreib­stu­ben des Vati­kans und der UNO ent­stan­den ist (Kuri­en­bi­schof Manu­el Sanchez Sor­on­do läßt grü­ßen). Bis­her folg­te kein Demen­ti und auch kei­ne erklä­ren­de Inter­pre­ta­ti­on. Eine hin­ter ver­schlos­se­nen Türen auf mehr­fa­che Nach­fra­ge hin gege­be­ne, halb­her­zi­ge „Inter­pre­ta­ti­on“ hilft dies­be­züg­lich nicht wei­ter, son­dern ver­schlei­ert eher die bis­her wahr­schein­lich schwer­wie­gend­ste Wun­de, die Fran­zis­kus der katho­li­schen Kir­che zufügte. 

Die Hoff­nung Gut­mei­nen­der, Fran­zis­kus wer­de schon nicht so weit gehen, den Zöli­bat zu einem Schat­ten­da­sein zu ver­dam­men und ver­hei­ra­te­te Prie­ster ein­füh­ren, klam­mert sich an einen Stroh­halm. Die Erfah­rung von sechs Jah­ren Fran­zis­kus spricht eine ande­re Spra­che. Er wird, wenn er will! Und es sind ein­fluß­rei­che Pur­pur­trä­ger unter sei­nen Wäh­lern, die wol­len. Er wird es auf die von ihm bekann­te Art und Wei­se tun, ohne offi­zi­el­len Beschluß, ohne direk­te Spu­ren zu hin­ter­las­sen, durch eine zwei­deu­ti­ge For­mu­lie­rung in einem lehr­amt­li­chen Doku­ment und dem hin­ter den Kulis­sen signa­li­sier­ten grü­nen Licht an die eif­rig­sten Bischö­fe, die es nicht mehr erwar­ten kön­nen, voll­ende­te Tat­sa­chen schaf­fen zu dür­fen. Fran­zis­kus wird ent­spre­chen­de Richt­li­ni­en, dann als „ein­zig mög­li­che Inter­pre­ta­ti­on“ loben, aber jedem Kri­ti­ker wider­spre­chen. bes­ser wider­spre­chen las­sen, der behaup­tet, er habe dem Zöli­bat den Dolch­stoß versetzt.

Dabei steht viel auf dem Spiel: Es geht um die Ver­fas­sung der Kir­che selbst, um das Wei­he­sa­kra­ment und letzt­lich auch die apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on. Nur die latei­ni­sche Kir­che hat nach zwei­tau­send Jah­ren den prie­ster­li­chen Zöli­bat bei­be­hal­ten kön­nen. Die pro­phe­ti­sche Gna­de wird aber nicht mehr erkannt, nicht ein­mal von jenen, die von sich sagen, „per­sön­lich kein Pro­blem“ mit dem Zöli­bat zu haben.

Der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei beschrieb bereits vor Jah­ren das in die Kir­che ein­ge­drun­ge­ne Hegel­sche Para­dig­ma eines Pri­mats der Pra­xis über die Glau­bens­leh­re. De Mat­tei beschrieb als sen­si­bler Beob­ach­ter früh­zei­tig, wir sind im Febru­ar 2014, auch das Phä­no­men des Motus in fine velo­ci­or, einer in bestimm­ten Momen­ten der Geschich­te ein­tre­ten­den Beschleunigung. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: katho​lisch​.de/​R​ome Report/​Youtube (Screen­shot)

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5 Kommentare

  1. Der End­kampf tobt, die Kir­chen­has­ser in der Kir­che bla­sen zum Sturm auf die Festung Kir­che, die selt­sa­mer­wei­se kei­ne Ver­tei­di­ger mehr hat. Allen­falls hört man noch ver­ein­zelt aus Kir­chen­mund (neo­kon­ser­va­tiv) „Es war immer so, lasst es uns behal­ten“ ! Halb­her­zi­ger geht es nicht mehr.
    Miß­brauch ist das Schlüs­sel­wort der Zer­stö­rung, man kann es jemand vor­wer­fen (am besten Men­schen die nicht mehr leben) und eine Ver­ur­tei­lung erfolgt.
    Das ist an Ein­sei­tig­keit nicht zu überbieten.
    Aber wie gesagt die schlimm­sten Agi­ta­to­ren kom­men aus der Kir­che, bis in die Spitze.

  2. Sehr geehr­te Damen und Herren,

    ich weiß inzwi­schen nicht mehr was ich sagen soll!
    Es gibt kein Hegel­sches Para­dig­ma eines Pri­mats der Pra­xis über die Theo­rie, hier die Glaubenslehre!
    Gemäß Hegel ist die Pra­xis die gleich­sam sich aus der Theo­rie natür­lich ent­wickeln­de Fol­ge der­sel­ben. D. h. nach der Voll­endung der Theo­rie führt die Dia­lek­tik die­se ganz selbst­ver­ständ­lich in die Praxis.

    Hört also doch bit­te auf, die Phi­lo­so­phie oder kon­kret Hegel für die Wider­sprü­che einer gan­zen (68er-) Gene­ra­ti­on sowie des der­zei­ti­gen Pon­ti­kats ver­ant­wort­lich zu machen! Wür­den die­se Leu­te etwas von Hegel ver­ste­hen, wüss­ten sie ihre Wider­sprü­che aufzulösen.

    Ent­waff­net euch doch nicht auch noch selbst, indem ihr euren Geg­nern die Wis­sen­schaft und die Phi­lo­so­phie über­lasst! Sie ver­ste­hen nichts davon.

    Mit freund­li­chen Grüßen,

    Dr. Rapha­el Wild

    • Prof. Dr. Alma von Stock­hausen jeden­falls sieht eine direk­te Linie von Luther, über Hegel, zu Rah­ner und dem Pro­gres­sis­mus resp. Pro­te­stan­tis­mus heute.
      Sie beruft sich auf Prä­lat Theo­bald Beer, der die­se Linie mei­nes Wis­sens eben­falls sah.
      Beer über­setz­te die gei­sti­gen Ergüs­se Luthers, die aus nicht weni­ger als 120 Bän­den a 500 Sei­ten in gekürz­tem Latein bestehen. Beer über­setz­te wäh­rend 60 Jah­ren jeden Tag 10 Stun­den und war der beste – und man kann wohl auch sagen – bei­nah ein­zi­ge voll­um­fäng­li­che Lutherkenner.
      Luther hat sei­ne Denk­feh­ler nicht nur auf Hegel,Darwin und Nietz­sche übertragen.
      Luthers Geist ist in sich voll­kom­men ver­wirrt und steht unter der Gei­ßel der Leidenschaft.
      Luther kam es ein­zig dar­auf an zu zei­gen, dass der Mensch nicht frei ist!
      Bei Hegel defi­niert sich Gott selbst über den Men­schen, Gott als Sum­me aller sei­ner schöp­fe­ri­schen Tei­le, die er aus sich her­aus­stellt und schließ­lich über den Tod wie­der in sich ein­sackt; das Ergeb­nis davon soll dann das Selbst­be­wusst­sein Got­tes sein.
      Hegel war übri­gens Pro­te­stant und fana­ti­scher Preu­ße. Bei Hegel wird die Kir­che unnö­tig, sie löst sich im voll­ende­ten Staat auf, der fol­ge­rich­tig im Preu­ßen­kö­nig selbst der inkar­nier­te Welt­geist ist. Hegel sah im Preu­ßen­kö­nig den „Welt­geist zu Pfer­de“. Die­se phi­lo­so­phi­sche Linie zieht sich dann von Hegel zu Heid­eg­ger, der Hit­ler fre­ne­tisch pro­te­gier­te. Als Direk­tor aller deut­schen Hoch­schu­len sag­te er, ab jetzt gel­te nicht mehr Glau­be und Ver­nunft, son­dern nur­mehr, was der Füh­rer ver­fü­ge. Hit­lers Wort ersetz­te, ja war das Wort Gottes.
      Ich möch­te noch ein­mal dar­an erin­nern, dass Katho­li­ken gemein­hin Hit­ler nicht wähl­ten; es waren die pro­te­stan­ti­schen Den­ker, die Hit­lers Auf­stieg ermöglichten.
      Im ortho­do­xen Mönch­tum geht man bei der Suche nach den Ursa­chen für den Pro­te­stan­tis­mus zeit­lich noch vor Luther.
      Sehr ein­drucks­voll hat Archi­man­drit Sophro­ny die Zusam­men­hän­ge über den gegen­wär­ti­gen Glau­bens­ab­fall formuliert:
      „Eini­ge sind geneigt, unse­re Epo­che als post-christ­lich zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Aber ich per­sön­lich bin im Rah­men mei­ner Kennt­nis der Geschich­te der Welt und der Chri­sten­heit davon über­zeugt, dass das Chri­sten­tum in sei­nen wah­ren Dimen­sio­nen von der gro­ßen Mas­se noch nie­mals rich­tig erfasst wor­den ist. Staa­ten gaben dem Namen nach vor, ‚Chri­sten‘ zu sein, und ihre Völ­ker tru­gen die Mas­ke der Fröm­mig­keit, ‚doch haben sie sich los­ge­sagt von der Kraft‘ (2 Tim 3,5): Sie leb­ten und leben noch wie die Heiden.“

      Gera­de Luther ver­setzt die­ser wah­ren Glau­bens­kraft dann den Todes­toß und all jenen, die ihm folg­ten. Es gibt nach Sophro­ny aber nur ein ein­zi­ges „Wachs­tum im Hei­li­gen Gei­ste durch unser Ver­blei­ben in der gött­li­chen Späh­re, indem wir die Gebo­te Cri­sti halten.“

      So ein­fach und gleich­zei­tig schwer ist die­ser Kreuz­weg, der im Geist des katho­li­schen Gei­stes immer ein Weg der per­sön­li­chen Nach­fol­ge ist, wäh­rend Luther von die­ser Nach­fol­ge befreit und in Jesus Chri­stus den ein­zi­gen Sün­der und Gerech­ten sieht.

      Wir müs­sen nach Luther immer­zu sün­di­gen, da unse­re Natur voll­kom­men ver­derbt ist. Damit löst er sich von der Theo­lo­gie der kath. Kir­che, die mit dem hl. Tho­mas in der Kon­ku­pis­zenz nur eine Dis­po­si­ti­on der durch den Sün­den­fall ver­blie­be­nen Schwä­che im Men­schen sieht, die aber im per­so­na­len Akt des frei­en Wil­lens­net­schei­des die­se Schwä­che der Lei­den­schaft­lich­keit über die lebens­lan­ge Aske­se in den Schran­ken und Gren­zen der Gebo­te hal­ten kann. Die katho­li­sche Kir­che, noch mehr die Ortho­do­xen, trau­en dem Men­schen ein­ges. Der Mensch muss sein Alles geben, ohne das die Gna­de nicht wirk­sam wer­den kann. 

      Luther bezieht die Kon­ku­pis­zenz auf die gan­ze Natur des Men­schen; und die­se Natur auf das Wesen des Men­schen über­haupt: töd­lich ver­wun­det, ver­derbt, verloren.
      Im Tugend- und Hei­li­gen­stre­ben sieht er nur Heu­che­lei und Mas­ke­ra­de. Im tugen­reich­sten Akt ist noch die Sün­de wirk­sam. Der Mensch kann nichts und muss nichts. Dar­um darf er und muss er den Trieb der Lei­den­schaft aus­le­ben. Im Grun­de hebt Luther die per­sön­li­che Ver­ant­wot­lich­keit für die Sün­de auf, weil alle Sün­der sind. Und eben hier­in liegt der Fehl­schluss aller säku­la­ren Philosophien.

      Schluss­end­lich kann mit Recht gesagt wer­den, Luther war im eigent­li­chen Sin­ne gar kein Theo­lo­ge, son­dern ein Philosoph.

      Archi­man­drit Sophro­ny: „Es gibt zwei Arten der Theo­lo­gie: „Die eine, weit ver­brei­tet in ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten, ist der pro­fes­sio­nel­le Lehr­stuhl der Gelehr­ten; die ande­re – miit Chri­stus gekreu­zigt zu sein. Ihn in der ver­bor­ge­nen Tie­fe des Her­zens zu kennen.“

      Wo fin­der man sol­che Wor­te, einen sol­chen Glau­ben und eine sol­che Spi­ri­tua­li­tät in den Wor­ten unse­rer Bischö­fe, die sich nur noch an den Lei­den­schaf­ten die­ser chao­ti­schen Welt ori­en­tie­ren und ger­ne bereits sind, das Glau­ben­gut zu verhökern.

      Sophro­ny: „Die erste die­ser bei­den For­men [die Theo­lo­gie der Gelehrten/​Philosophen] ist die Mehr­zahl der intel­lek­tu­ell begab­ten zugäng­lich, die eine Vor­lie­be für phi­lo­so­phi­sches Gedan­ken­gut haben. Wirk­li­cher Glau­be an die gött­lich­keit Chri­sti, ein Glau­be, der sich durch ein Leben gemäß dem Geist Sei­ner Gebo­te aus­drückt, ist dabei nicht notwendig.“

      Das hat­te Luther auch schon erkannt.

      Sophro­ny: „Die zwei­te Form ist die Theo­lo­gie des [per­sön­li­chen] Beken­nens; gebo­ren aus einer tie­fen Got­tes­furcht [die Luther abge­legt hat!] im Feu­er bren­nen­der Reue, führt sie durch das Erschei­nen des Uner­schaf­fe­nen Lich­tes in die Rea­li­tät des Seins ein.“

      Zur Mise­re der Dege­ne­ra­ti­on der heu­ti­gen Theol­gie hat Sophro­ny auch etwas zu sagen:

      „Aka­de­mi­sche Theo­lo­gie, ver­bun­den mit leben­di­gem Glau­ben, führt zu guten Resu­la­ten [,was tei­wei­se noch bis zum II. Vati­ka­num in der Kir­che vor­zu­fin­den war]. Aber sie ‚dege­ne­riert‘ leicht, wird zur abstrak­ten Theo­rie und hört auf, das zu sein, was wir im Leben der Apo­stel, Pro­phe­ten und unse­re Väter beob­ach­ten kön­nen, näm­lich das direk­te Han­deln in uns…“

      ‚Theo­ria‘ meint ursprüng­lich die direk­te Erfah­rung der Schau Got­tes und ‚theo­lo­gia‘, das Spre­chen von Gott, kommt nur denen zu, die IHN geschaut haben, weil sie sich der Gna­de wür­dig gemacht haben.

      Sie haben das Feld berei­tet, auf dem der Same, der Baum und die Frucht der Gna­de ‚wach­sen‘ kann. 

      Heu­te aber spre­chen tau­send Stim­men im Forum der Theo­lo­gie, die Gott nicht erkannt haben, weil sie das Licht sei­ner Gna­de nicht geschaut haben und nicht bereit haben, das ‚Feld der Gna­de‘ in den Prü­fun­gen, Lei­den und Kämp­fen des Gei­stes mit dem Geist die­ser Welt zu bestehen. Und des meint der Kon­se­quenz nach eben immer die von Bene­dikt XVI ange­mahn­te „Ent­welt­li­chung“, weil sich die Lei­den­schaf­ten wie eine Decke über das Licht der Gna­de legen. Die Lei­den­schaf­ten aber brin­gen Lei­den. Das Ziel ist die Lei­den­schafts­lo­sig­keit; und das Ziel die­ser wie­der­um sind die Früch­te des Hei­li­gen Gei­stes: Frie­de, Freu­de, Lang­mut, Demut, Liebe .…

      Die wah­re Theo­lo­gie der Got­tes­kennt­nis spricht also nicht von Spaß und benö­tig­ten Feld­la­za­ret­ten, um zu noch mehr Spaß wie­der­auf­zu­pep­peln; son­der sie spricht vom bil­der­lo­sen Reich Got­tes ‚in uns‘: Von Gott in uns. ‚Gott allein genügt‘ wuss­te die hei­li­ge The­re­sia von Avila aus­zu­ru­fen, nach­dem sie Gott geschaut hatte.

      Der Geist ist form- und gestalt­los. Alles wird ver­ge­hen. Nur die Erfah­run­gen, die wir auf dem Arbeits­feld der For­men und Gestal­ten MIT sei­nen Gebo­ten gemacht haben, ver­wan­deln uns zu Gott. Der ortho­do­xe Glau­be spricht von ‚Ver­gött­li­chung‘ des Men­schen. Wir alle sind beru­fen Söh­ne Got­tes zu werden.

      Wir heu­te im Westen haben es nicht anders gelernt über Gott zu spre­chen, als über die aka­de­mi­sche Theo­lo­gie, die eigent­lich eine Phi­lo­so­phie ohne Glau­bens­er­kennt­nis und Spi­ri­tua­li­tät ist. Das erkennt man leicht an der Prie­ster­aus­bild­und der let­zen 5 Jahr­zehn­te, in denen Rosen­kranz­be­ter als psy­chisch krank beur­teilt wur­den, und Kan­di­da­ten spi­ri­tu­el­len For­mats aus­ge­grenzt und her­aus­ge­mobbt wur­den. Denn der Welt gefiel es nicht. 

      Unse­re Theo­lo­gie ist ein Abklatsch von Gesag­tem über Gesag­tes von Gesag­tem eines ein­mal Erfah­re­nen, das aber nicht in mir erfah­ren wur­de, son­dern allein in Jesus Chri­stus erfahr­bar war. So denkt es Luther und so folgt ihm weit­ge­hend eine katho­li­sche Kir­che, die sich immer mehr pro­te­stan­ti­siert und auf­grund der ‚Nicht-mehr-Spühr­bar­keit‘ des Got­tes­an­ru­fes im eige­nen Her­zen, im sozia­len Enga­ge­met erge­hen muss. Je weni­ger man bereit ist eine Moral der Gebo­te ein­zu­for­dern und als leb­bar vor­zu­stel­len, muss man sich ins Außen des Welt­cha­os stürzen.

      Sophro­ny sagt zu den christ­li­chen, eigent­lich heid­nisch geblie­be­nen Stat­ten: „Wie son­der­bat es auch schei­nen mag, es sind gera­de die­se christ­li­chen Staa­ten, die über Jahr­hun­der­te hin­weg den größ­ten Teil der Erde im eiser­nen Schraub­stock der Knecht­schaft hal­ten. In die­sen letz­ten Jah­ren haben sie die Welt in eine düste­re Wol­ke der Erwar­tung des apo­ka­lyp­ti­schen Feu­ers gehüllt: ‚Die jet­zi­gen Him­mel und die jet­zi­ge Erde aber sind … für das Feu­er auf­ge­ho­ben zum Tage des Gerichts und des Ver­der­bens der gott­lo­sen Men­schen‘ (2 Petr 3,7; vgl. Lk 21,34–35).

      Reli­gi­on heißt Rück­bin­dung an das Urer­leb­nis der Offen­ba­rung des hei­li­gen Gei­stes, das zu Pfing­sten in Jeru­sa­lem sei­nen Anfang nahm, aber von da aus mit dem Grund­stein der Tau­fe und der Sakra­men­te in die Fül­le des Heils des Gei­stes Got­tes ein­füh­ren will.

      Und dazu beru­fen ist jeder Christ, der den Namen Chri­sti mit Recht tra­gen will.

      „Wir aber, die wie zu Jesus Chri­stus gehö­ren, haben unse­re Lei­den­schaf­ten und die Begier­den des Flei­sches mit Chri­stus gekreuzigt.“

      Und nicht, wie im Ungeist Got­tes sein Erlö­sungs­werk weins­aufend und hurend fei­ern. Der Pro­te­stan­ti­mus ist nicht nur eine säku­lar-theo­lo­gi­sche Häre­sie, er ist ein Sakrileg.

      • Sehr geehr­ter Herr Alfons … ,

        Wir soll­ten uns ent­schei­den, ob wir über Luther oder über Hegel sprechen.

        Über Luther kann ich Ihnen wis­sen­schaft­lich nicht viel sagen. Zwar habe ich mich auch ein­mal ein paar Wochen in die damals noch evan­ge­li­sche Biblio­thek der Uni Mainz gesetzt und Luther neben Cal­vin und ande­ren Refor­ma­to­ren gele­sen, um ein­fach ein­mal ein Bild zu bekom­men, aber das war es auch schon. Bei Luther hat mir allein schon sei­ne Spra­che nicht gefal­len, von dem Inhalt, z. B. sei­ne schreck­li­chen Läste­run­gen gegen die Eucha­ri­stie ganz abgesehen.

        Mit Hegel habe ich mich dage­gen 10 Jah­re im Rah­men einer wis­sen­schaft­li­chen Pro­mo­ti­on beschäf­tigt und kann des­halb sehr wohl etwas dazu sagen. Sie haben bei Hegel 2 Mög­lich­kei­ten: Sie kön­nen ihn 1. mit dem Buch­sta­ben oder 2. mit dem Geist lesen. Wenn Sie ihn mit dem Geist, oder sagen wir bes­ser Bewusst­sein lesen, müs­sen Sie sich zuerst ein­mal durch die Phä­no­me­no­lo­gie des Gei­stes hin­durch­ar­bei­ten und erst ein­mal, sozu­sa­gen von innen her, den Stand­punkt des Systems selbst ein­neh­men. Das dürf­te Sie schon ein­mal ein paar Jah­re Arbeit kosten. Und dann kön­nen Sie „von innen“ die­se Phi­lo­so­phie über­haupt erst beurteilen.

        Alter­na­tiv kön­nen Sie sich natür­lich auch ein paar Zita­te her­aus­neh­men und die­se dann vor dem Hin­ter­grund Ihres eige­nen gegen­wär­ti­gen Bewusst­seins lesen. Aber das muss dann auch nicht immer unbe­dingt Hegel sein, was Sie dann aus die­sem Zitat entnehmen.

        Ich habe sei­ner­zeit, und das ist jetzt schon über 2 Jahr­zehn­te her, mir die Mühe gemacht, Frau Prof. von Stock­hausen auf einen Arti­kel von ihr hin in einer Zeit­schrift akri­bisch plus­mi­nus 50 Feh­ler in einem ein­zi­gen Arti­kel von ihr bezüg­lich Ihrer Deu­tung und Dar­stel­lung der Hegel­schen Phi­lo­so­phie auf­zu­zei­gen. Sie hat mir noch nicht ein­mal geant­wor­tet. Ich schät­ze und respek­tie­re Frau Prof. von Stock­hausen als Per­son sehr, doch das war wohl nicht ihre stärk­ste Seite.

        Ich kann jetzt nicht auf den gan­zen lan­gen Arti­kel von Ihnen ein­ge­hen, aber allein wenn sie zu Anfang schon sagen: „Gott“ sei bei Hegel die „Sum­me aller sei­ner schöp­fe­ri­schen Tei­le“, so ist das so ein und gera­de­zu auf mehr­fa­che Wei­se kom­plet­ter Unsinn, und hat mit Hegel so über­haupt nichts zu tun, dass man schon gar nicht wei­ter­ma­chen muss. Allein wenn Sie schon beden­ken, dass eine „Sum­me von Tei­len“ ein mecha­ni­sches Ver­hält­nis ist, so kann das schon allein von daher mit Hegel nichts zu tun haben.
        Und wenn Sie wei­ter sagen, dass „Gott“ dann die „Tei­le“ „schließ­lich über den Tod in sich ein­sackt“, dann kann ich Ihnen nur sagen, in der Tat glau­be ich, dass ich (spä­te­stens) nach mei­nem Tod zu Gott zurück­keh­re, und zwar als voll­stän­di­ges und bewuss­tes Indi­vi­du­um, und nicht als „Teil“ oder irgend so was, doch was das mit „ein­sacken“ zu tun haben soll, ist mir unklar. Schließ­lich kann der freie Mensch ja auch dar­auf bestehen blei­ben, nicht „ein­ge­sackt“ zu werden.

        Dass Hegel beken­nen­der Luthe­ra­ner war, ist bekannt. Durch sei­ne dia­lek­ti­sche Denk­form aber nähert er sich jedoch – wie gesagt nicht vom Inhalt, jedoch von der Form her – so weit wie viel­leicht nur mög­lich, dem katho­li­schen Den­ken. Denn das katho­li­sche Prin­zip war stets das „et .. et“, also „sowohl … als auch“, wäh­rend das pro­te­stan­ti­sche Prin­zip eine Spal­tung bedeu­tet, „ent­we­der … oder“, also das „sola“: allein die Schrift, nicht die Tra­di­ti­on, allein der Glau­be, nicht die Wer­ke, allein Jesus, nicht Maria usf. Das kann man aber alles sehr ein­fach wie­der (dia­lek­tisch) zusammenbauen.

        Anson­sten war Hegel Schwa­be und nicht Preu­ße. Und fana­tisch war er ganz sicher nicht. (Eine Phi­lo­so­phie des et…et kann schon sich her­aus nicht fana­tisch sein, Fana­tis­mus ist immer Ein­sei­tig­keit). Abge­se­hen davon war die nach­na­po­leo­ni­sche Zeit mit Stein und Har­den­berg die beste Zeit die Preu­ßen je hat­te. In der Tat aller­dings war Hegel nicht katho­lisch (und hat daher z. B. Katha­ri­na Emme­rich völ­lig igno­riert). Wenn Sie aber ein­mal davon abse­hen, gibt es kei­nen Grund, dass Sie ihn als Katho­lik ver­wer­fen. Ganz im Gegen­teil bie­tet sein Denken
        die Mög­lich­keit, den Glau­ben in sei­ner Rein­form darzustellen. 

        Unab­hän­gig davon ist es nach wie vor ein Unrecht, einen Men­schen öffent­lich in ein fal­sches Licht zu stellen.

        Mit freund­li­chen Grüßen,

        Dr. Rapha­el Wild

        • Vie­len Dank für Ihre Klar­stel­lun­gen. Ich wer­de mich 

          Ich wer­de mich noch ein­mal ein­ge­hen­der mit Hegel beschäftigen. 

          Ich gebe auch zu, mich mit Hegel nicht beson­ders aus­zu­ken­nen. Mei­ne Dar­le­gun­gen über Hegel bezo­gen sich auf einen Vor­tag von Prof. Alma von Stock­hausen (Gebets­städ­te Herols­bach, CD Nr. 97; „von Luther zu Hegel“. Ich habe sie mit frei­en Wor­ten wiedergegeben.

          Grund­sätz­lich muss ich Ihnen auch dar­in recht geben, dass es nicht um Luther ging. 

          Ich den­ke aber, dass Hegel ent­schei­den­de Impul­se sei­ner Dia­lek­tik aus dem Pro­te­stan­tis­mus bezog und des­halb in jedem Fall mit Luther in Ver­bin­dung gesetzt wer­den muss.

          Wenn Sie begin­nen sich mit Luther aus­ein­an­der­zu­set­zen, kom­men sie auto­ma­tisch in ein Rela­ti­vis­mus­den­ken hin­ein. Ihr den­ken wird gera­de­zu dia­lek­tisch. Sie gehen einem Gedan­ken nach und sagen sich am Ende: Viel­leicht hat­te Luther doch recht. Viel­leicht haben wir Katho­li­ken das Evan­ge­li­um und die Bot­schaft Jesu ganz falsch ver­stan­den. Es geht hin und her, bis zur fak­ti­schen Auf­ö­sung des Glau­bens­gu­tes, da Luthers Den­ken pro­te­stan­tisch und damit anti­the­tisch zum Katho­li­zis­mus ist. 

          Hegel inters­siert mich nur im Hin­blick auf Luther. Ich weiß nicht, ob ich ihn rich­tig ver­stan­den habe. Ich kann nur sagen, wie ich ihn ver­stan­den habe bzw. wie er gera­de von Pro­te­stantan­ten rezi­piert wor­den ist und wird. Dabei bezie­he ich mich auf Ihr Zitat:

          „Es gibt kein Hegel­sches Para­dig­ma eines Pri­mats der Pra­xis über die Theo­rie, hier die Glau­bens­leh­re! Gemäß Hegel ist die Pra­xis die gleich­sam sich aus der Theo­rie natür­lich ent­wickeln­de Fol­ge der­sel­ben. D. h. nach der Voll­endung der Theo­rie führt die Dia­lek­tik die­se ganz selbst­ver­ständ­lich in die Praxis.“

          Das Pro­blem ist nicht das Hegel­sche Den­ken an sich, son­dern sei­ne mög­li­che Instrumentalisierung.

          Wenn wir davon aus­ge­hen, dass die Voll­endung der Theo­rie selbst­ver­ständ­lich in die Pra­xis führt, ist dies genu­in christ­lich, denn nur die ‚theo­ria‘ berech­tigt zur ‚theo­lo­gia‘, die Schau Got­tes bzw. das Hören der Stim­me Got­tes führt zum glaub­haf­ten Spre­chen über die Sein­s­es­senz Gottes.

          Das Pro­blem ist also das der Beur­tei­lung: Wer sagt mich, dass die Theo­rie voll­endet ist. Bezo­gen auf Luther heißt das doch, Luther ‚glaub­te‘ Gott erkannt zu haben/​IHN geschaut zu haben. Sei­ne Theo­ria ging aber nach dem Ermes­sen der hei­li­gen katho­li­schen Kir­che, dem Ermes­sen der Hei­li­gen, die von der Pra­xis zur Ekennt­nis bis hin zur Voll­endung der Got­tes­schau auf­ge­stie­gen waren, in die fal­sche Rich­tung, WEIL – und dies ist der ent­schei­den­de Punkt der Kri­tik an der dia­lek­ti­schen Denk­form über­haupt – Luther sei­nen Auf­stieg als Mönch zu früh abge­bro­chen hat­te. Er war über­zeugt, höher gehe es nicht hin­auf, es sei denn in den Wahn­sinn oder in die Fän­ge des Teu­fels. Luther gibt also sei­nen Gei­stes­stand für das Voll­maß aus, an dem sich der Geist wie von selbst äußert und Luther zur wah­ren Erkennt­nis Got­tes führt.

          Die Wüsten­vä­ter war­nen vor dem Feh­ler, in den Glau­ben zu ver­fal­len, man habe ein Maß erreicht, an dem sich die Gna­de Got­tes nie­der­le­gen ‚müs­se‘. Gott aber kommt nicht wie von selbst. Es kann sein, dass er sich dem einen nach 5 Jah­ren der Aske­se und des Gebets offen­bart, dem ande­ren aber nie. Die Theo­ria der Got­tes­chau und der Durch­got­tung bleibt Gna­de und wird nie­mals zur Selbst­ver­ständ­lich­keit. Dar­um gibt es im Katho­li­schen auch kei­ne Heilsgewissheit.

          Wie ich es sehe, argu­men­tie­ren gera­de die Pro­gres­si­ven inner­halb der Kir­che seit dem II Vati­ka­num mit die­sem Geist­voll­endungs­me­cha­nis­mus. Sie glau­ben, die alte Theo­lo­gie habe falsch von Got­tes Geist gespro­chen, das Maß sei jetzt voll, es gehe ’so nicht mehr wei­ter wie bisher‘.

          Dabei ver­ken­nen wir, wie Sophro­nie es sag­te, dass der Geist Got­tes noch nie­mals in den Her­zen der mei­sten Chri­sten Woh­nung genom­men hat, dass wir Hei­den geblie­ben sind.

          Wir kämp­fen also mit den neu­en Auf­brü­chen gehen ein altes Para­dig­ma, dass noch nie­mals oder nur von sehr weni­gen zur Voll­endung geführt wur­de. Kon­kret bedeu­tet das, wir brau­chen heu­te nicht mehr Welt­of­fen­heit, son­dern mehr Ent­welt­li­chung, mehr Inner­lich­keit. Wir brau­chen nicht mehr Barm­her­zig­keit, son­dern mehr Gerech­tig­keit; nicht mehr Wachs­tum, son­dern mehr Rück­be­sin­nung. Denn die Ver­welt­li­chung, die Barm­her­zi­keit, der Wachs­tum, Fort­schritt und die Ver­welt­li­chung haben die fal­sche Stoß­rich­tung. Sie die­nen nicht zuerst Gott, son­dern dem Glaubensabfall.

          Man hat das Maß also nicht gefüllt, son­dern hat es mit Heu­che­lei, Halb­her­zig­keit, Mas­ke­ra­de, unbe­reu­ten Sün­den, ein stän­di­ges Unter­lau­fen der Gebo­te Got­tes gefüllt; man sprach vom Reich Got­tes und ver­kün­de­te es, leb­te es aber nicht. Und je weni­ger man es leb­te, um so lee­rer wur­de das Maß (Depres­si­on). Man glaub­te, das zu stren­ge Hal­ten der Gebo­te über­for­de­re den Men­schen. Ja, das Maß war wirk­lich voll: aber das Maß des Wider­spruchs, der unglück­li­chen Her­zen und der Lüge zu sich selbst, weil wir Got­tes Wort hin­ter­gan­gen hatten.

          Dar­um brau­chen wir heu­te eine Remis­sio­nie­rung, aber eben, um auf­zu­zei­gen, was im See­len­raum wirk­lich drin ist; nähm­lich kaum etwas, was die Gna­de anzie­hen könnte. 

          So müss­te also Hegel rich­tig ver­stan­den auch katho­lisch zu lesen sein, indem wir sagen kön­nen, wir waren ver­blen­det, als wir Got­tes Gebo­te im guten Glau­ben über­schrit­ten. Wir mach­ten das Maß nicht voll, son­dern wir mach­ten es immer lee­rer, so dass nicht der Geist Got­tes ange­zo­gen wur­de, son­dern der Geist Luzifers. 

          Mir geht es also nicht dar­um Hegel falsch dar­zu­stel­len oder in Miss­kre­dit zu brin­gen; ich den­ke nur, dass man ihn wun­der­bar miss­ver­ste­hen und instru­men­ta­li­sie­ren kann, indem man sagt: „Der Umschwung ist jetzt über­fäl­lig. Der Pro­te­stan­tis­mus war eine Reak­ti­on auf die Miss­stän­de des Katho­li­zisms. Hil­ter war eine Fol­ge auf den Ver­sai­ler Ver­trag, Fran­zis­kus war eine Fol­ge auf Bene­dikt und Joh. Paul, der Pro­gres­sis­mus ist eine Fol­ge auf den Kon­ser­va­tis­mus, der Libe­ra­lis­mus auf den Fana­tis­mus, Fun­da­men­ta­lis­mus … Das Pro­blem sind die eige­nen Wer­tun­gen und die seman­tisch-ideo­lo­gi­sche Fül­lung von Begriff und Gegenbegriff. 

          Die Fra­ge ist mei­ner Mei­nung nach: WAS steckt wirk­lich hin­ter der Anti­the­se? Ent­wickelt sie als Oppo­nent zur Über­la­stig­keit der The­se? Oder ist sie nur ein Vehi­kel für das Böse, weil eben die The­se im Katho­li­schen mehr als eine The­se ist: sie ist ein Dog­ma und muss daher die Anti­the­se, nähmn­lich den Teu­fel ent­mach­ten. Ich den­ke dar­um, dass das hegel­sche Den­ken auf den Weg des Glau­bens und der Kir­che gar nicht anwend­bar ist. 

          Luther, um den es mir geht, über­schreibt sich nicht einer Anti­the­tik, son­dern sei­nem Pro­test gegen den Wil­len Got­tes, weil er ’sei­nen‘ Wil­len dem Wil­len Got­tes gegen­über­stellt. Luther agiert tat­säch­lich aus einem Voll­maß, merkt aber dar­in nicht, dass er geprüft wird und die­ser Prü­fund nicht standhält.

          Gut gefal­len hat mir, was Mut­ter The­re­sa ein­mal sag­te: „Ich wür­de nie gegen den Krieg demon­s­tie­ren, jeder­zeit aber für den Frieden.“

          Wenn wir gegen den Teu­fel kämp­fen, schau­en wir nicht Gott an, son­dern den Teu­fel und haben den Teu­fel im Ein­fluss- und Macht­be­reich unse­res Seelenraumes. 

          Die­se Gedan­ken gegen nicht gegen Hegel, son­dern gegen Auf­stand, Pro­test, Anti­the­tik. Luther ver­warf bei den Bau­ern, die sich gegen die Obrig­keit erho­ben (schlagt die Bau­ern tot), was er sich gegen­über Papst und Kir­che sel­ber gestat­te­te. Er wie­gel­te auf, woll­te aber für die Fol­gen nicht gera­de stehen.

          Luther voll­ende­te sein Maß. Es ging ihm dar­um zu zei­gen, dass der Mensch nicht frei ist, weil es sich an den Fut­ter­trö­gen der Lust, der Belie­big­keit, der Stell­ver­tre­tung durch Gna­de bes­ser leben ließ. Viel­leicht fehl­te ihm ganz ein­fach die Berufung.

          Lei­der hat er sein Maß, über das er nicht hin­aus­konn­te, dann auf die gan­ze Theo­lo­gie und die gan­ze Kir­che über­tra­gen, indem er an einer Gegen­theo­lo­gie und eine Gegen­kir­che bau­te, die in der bestän­di­gen Recht­fer­ti­gung (Aus­re­de) der Sün­de bestand.

          Gesell­schaft und Kir­che haben heu­te eben­falls ein Voll­maß erreicht: der Teu­fel sitzt im Her­zen und domi­niert, das Gewis­sen ist ver­stummt und das über­flie­ßen­de Maß ist nicht die ERfah­rung der Gna­de, son­dern der Umsturz des depo­si­tum fidei.

          Die dia­lek­ti­sche Argu­men­ta­ti­on Kas­pers genügt mir, um den Baum an sei­nen Früch­ten zu erkennen.

          Danach soll­te auch Papst Fran­zis­kus beur­teilt wer­den und nicht was er heu­te mal sagt und wem er mor­gen schon wider­spricht. Die Linie ist die Linie Luthers und des Protests.

          Der Rauch Satans ist in die Kir­che ein­ge­drun­gen, wäh­rend sich die neue­re Theo­lo­gie bemüht ihn bets­än­dig weg­zu­in­ter­pre­tie­ren und ihn in einem zu wenig des Pro­gre­siss­mus zu ver­or­ten sucht, wäh­rend er in Wahr­heit in der Recht­gläu­big­keit, in dem was die Kirch immer gelehrt hat, zu fin­den ist.

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