(Rom) Im Vatikan gab es schon manche Besorgnis und auch Ärger darüber, weil nicht wenige Gläubige in Benedikt XVI. noch einen Papst oder sogar „den“ Papst sehen. Wundern sollte sich der Heilige Stuhl allerdings nicht darüber, da er selbst dazu beiträgt.
Benedikt XVI. legte den Grundstein dazu, indem er noch als Papst festlegte, wie sein Leben nach dem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 aussehen würde. Er behielt den Namen und die Kleidung des Papstes bei und unterzeichnet auch als solcher, allerdings mit dem in der Kirchengeschichte bisher unbekannten Zusatz eines Papa emeritus, eines emeritierten Papstes. Setzt man die Bezeichnung analog zur Emeritierung von Bischöfen, dann hieße es, daß er mit allen Rechten Papst geblieben ist, aber von den Leitungsaufgaben entbunden wurde.
Eine Schwierigkeit besteht darin, daß man nicht selbst emeritiert, sondern emeritiert wird. Es handelt sich auf den Betroffenen bezogen, um ein passives Verb. Kann ein Papst also sich selbst emeritieren?
Für die Klärung nicht hilfreich, vielmehr erschwerend war die Deutung von zwei Päpsten, die in unterschiedlicher Funktion gemeinsam das Petrusamt ausüben. Sie wurde von Kurienerzbischof Georg Gänswein geboten und war sicher gut gemeint, aber in der Sache irrational verklärend. Der emeritierte Kurienkardinal Walter Brandmüller antwortete auf die Gesamtfrage mit einer ernsten Warnung und der Feststellung, daß es immer nur einen legitimen Papst geben könne. Dazu gab es in jüngerer Zeit einen privaten Briefwechsel zwischen dem Kardinal und Benedikt XVI. (siehe dazu auch den Aufsatz „Die Göttliche Vorsehung zwingt Benedikt XVI. das Debakel mitanzusehen, das er ausgelöst hat“ von Roberto de Mattei.)
Nun fördert aber ausgerechnet der Heilige Stuhl diese zwiespältige Ausdeutung einer Situation, die als Anomalie wahrgenommen wird und auch wiederholt als solche bezeichnet wurde.
Das Staatssekretariat des Vatikans, die höchste dem Papst dienende Regierungsbehörde des Heiligen Stuhls, behandelt in einem Antwortschreiben vom 18. Februar 2019 Benedikt XVI. als wäre er noch regierender Papst.
Die Erste Sektion – Allgemeine Angelegenheiten antwortete einem Priester in den USA. Anlaß und Inhalt des Schreibens tun nichts zur Sache. Bemerkenswert ist, daß das vatikanische Staatssekretariat darin Benedikt XVI. bezeichnet und betitelt wie einen amtierenden Papst. Das Schreiben hätte vor dem 28. Februar 2013 nicht anders verfaßt werden können.
Benedikt XVI. wird mit seinem Papstnamen und als „Heiligkeit“ bezeichnet. Genau so kommt es einem Papst zu, und genau so wollte es Benedikt XVI. auch. Zur Unterscheidung von seinem Nachfolger fügte er aber mit dem „emeritus“ den Ruhestand hinzu. Diese Unterscheidung fehlt im Antwortschreiben des Staatssekretariats, das von Msgr. Paolo Borgia unterzeichnet ist, immerhin die Nummer Zwei der Ersten Sektion hinter dem Substituten des Kardinalstaatssekretärs.
Ob es sich um ein Versäumnis oder um eine besondere Form der Höflichkeit handelt, sei dahingestellt. Man sollte auch nicht zuviel hineininterpretieren. Allerdings sollte man sich im Vatikan auch nicht wundern, wenn Gläubige es anders auslegen und darin Zeichen sehen. Sie sind Ausdruck einer Verunsicherung und der erwähnten Anomalie, und beide gehen vom Vatikan aus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Ann Barnhardt