Frankreichs Christentum im Endstadium oder vor einem Neubeginn?

Auflösungserscheinungen und Gegenreaktion


Frankreichs Christentum im Endstadium
Frankreichs Christentum im Endstadium?

„Das Chri­sten­tum ist in Frank­reich in das End­sta­di­um eingetreten.“

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Das ist die pro­vo­kan­te Bot­schaft von Jérô­me Four­quet, fran­zö­si­scher Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Direk­tor des Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tuts IFOP. Zu Papier gebracht hat er sie in sei­nem neu­en Buch „L’archipel fran­çais. Nais­sance d’une nati­on mul­ti­ple et divi­sée“ (Fran­zö­si­scher Archi­pel. Geburt einer mul­ti­plen und geteil­ten Nation). 

Four­quet ist Exper­te für Wahl­geo­gra­phie als Teil­be­reich der Poli­ti­schen Geo­gra­phie. Sei­ne Arbeits­schwer­punk­te sind poli­ti­sches Ver­hal­ten und Ein­stel­lun­gen in Bezug auf Reli­gio­nen, Ein­wan­de­rung oder Identitätsfragen.

In sei­nem am 7. März erschie­ne­nen Buch nennt er als einen Beleg für sei­ne The­se, daß vor hun­dert Jah­ren noch jeder fünf­te Fran­zo­se, ob männ­lich oder weib­lich, den Namen der Got­tes­mut­ter Maria trug. Heu­te sind es gera­de noch 0,3 Prozent.

Seit der Tau­fe des Fran­ken­kö­nigs Chlod­wig wur­de die gesam­te Kul­tur­land­schaft christ­lich geformt. Frank­reich sei durch die Jahr­hun­der­te hin­durch, für jeden erkenn­bar, ein christ­lich dekli­nier­tes Land gewe­sen. Das dar­aus erwach­se­ne kul­tu­rel­le Erbe sei so prä­gend gewe­sen, daß selbst ein Jean-Paul Sart­re sag­te: „Wir sind alle Katholiken“.

Das habe sich grund­le­gend geän­dert durch inner- und außer­fran­zö­si­sche Fak­to­ren, von denen Ein­wan­de­rung nicht der ein­zi­ge, wenn auch ein zen­tra­ler sei. Auf die Auf­lö­sung der katho­li­schen „Matrix“, die die Gesell­schaft struk­tu­rier­te, „wird mit dem Auf­stieg eines kon­ser­va­ti­ven Katho­li­zis­mus reagiert“. Der bis­he­ri­ge Höhe­punkt sei die Bewe­gung Manif pour tous gewesen.

Neben dem dra­sti­schen Rück­gang der reli­giö­sen Pra­xis stellt Four­quet fest, daß bei so unter­schied­li­chen The­men wie Fami­lie, Sit­ten oder Tod der „katho­li­sche Bezug“ verschwinde.

Bereits kurz vor Four­quet spra­chen fran­zö­si­sche Sozio­lo­gen im Zusam­men­hang mit den bevor­ste­hen­den Wah­len zum Euro­päi­schen Par­la­ment von einem sich abzeich­nen­den Duell zwi­schen „katho­li­schen Popu­li­sten“ und „lai­zi­sti­schen Euro­päi­sten“. Erste­re sei­en vor allem in Polen, Ita­li­en und Frank­reich aktiv, fin­den sich jedoch in den mei­sten Ländern.

Die katho­li­sche Welt in Frank­reich zeich­ne sich durch ein „leben­di­ges, intel­lek­tu­el­les Bro­deln aus“ Die Fra­ge sei, ob die ver­blie­be­ne, prak­ti­zie­ren­de Katho­li­zi­tät die „Kraft des Evan­ge­li­ums“ fin­de, um eine zuneh­mend frag­men­tier­te Gesell­schaft damit herauszufordern.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: GCF (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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7 Kommentare

  1. Lai­zi­sten? Der Autor meint die dum­men Freun­de der Freimaurerei.

    Sozio­lo­gen? Ich weiß wie die arbei­ten, wie die­se aus­ge­bil­det sind. Von Sozio­lo­gen hal­te ich über­haupt nichts.

    Die katho­li­sche Kir­che ist unzer­stör­bar. Die Pfor­ten der Höl­le kön­nen sie nicht über­wäl­ti­gen. Jeder ech­te Katho­lik ist gebor­gen in der ech­ten Lie­be des All­mäch­ti­gen, des leben­di­gen christ­li­chen Gottes.

    Die ande­ren wol­len Krieg und Armut? Bit­te schön. 

    Ich fol­ge dem Rat mei­nes himm­li­chen Vaters. Mir wird es immer gut gehen.

    Wer nicht auf den Rat der Weis­heit hören will, der muss fühlen.

  2. Giu­sep­pe Nar­di schreibt in obi­gem Bei­trag abschlie­ßend: „Die katho­li­sche Welt in Frank­reich zeich­ne sich durch ein ‚leben­di­ges, intel­lek­tu­el­les Bro­deln aus‘. Die Fra­ge sei, ob die ver­blie­be­ne, prak­ti­zie­ren­de Katho­li­zi­tät die ‚Kraft des Evan­ge­li­ums‘ fin­de, um eine zuneh­mend frag­men­tier­te Gesell­schaft damit herauszufordern.“ 

    Man erin­ne­re sich: Vor 24 Jah­ren, 1995, starb im Alter von 80 Jah­ren (in Paris?) ein fran­zö­si­scher Jour­na­list, Schrift­stel­ler, Intel­lek­tu­el­ler und Mit­glied der Aca­dé­mie Fran­cai­se. Sein Name: André Fros­sard. Mit einem Schlag bekannt gewor­den war Fros­sard mit sei­nem 1969 erschie­ne­nen Welt-Best­sel­ler „Dieu exi­ste“ („Gott exi­stiert – Ich bin ihm begeg­net“). 1976 ver­fass­te er einen Fol­ge­band: „Es gibt eine ande­re Welt“, der 2015 eine Wie­der­auf­la­ge in deut­scher Spra­che erleb­te (Ver­lag media maria) Dar­in postu­liert der mit Johan­nes Paul II. freund­schaft­lich ver­bun­de­nen Autor von über 20 reli­gi­ös (posi­tiv) moti­vier­ten Büchern in Kapi­tel V unmit­tel­bar – wie er im Rück­blick ver­si­chert – bereits nach sei­ner visio­nä­ren Bekeh­rung zum christ­lich-katho­li­schen Glau­ben für sich per­sön­lich fol­gen­de vier Din­ge: „Es gibt eine ande­re Welt; Gott ist eine Per­son; wir sind para­do­xer­wei­se geret­tet und doch noch zu ret­ten; die Kir­che ist eine gött­li­che Institution.“

    Inter­es­sant wäre es nun, von einem eini­ger­ma­ßen kom­pe­ten­ten Beob­ach­ter der katho­lisch-kirch­li­chen Situa­ti­on in Frank­reich, evtl. von einem Insi­der, zu erfah­ren, wel­chen Anteil André Fros­sard an die­sem „leben­di­gen intel­lek­tu­el­len Bro­deln“ des fran­zö­si­schen Katho­li­zis­mus heu­te noch – oder heu­te wie­der? – hat. Könn­te der eine oder ande­re Leser an die­ser Stel­le dazu etwas schrei­ben? Wäre viel­leicht hochinteressant.

    • Fros­sards Buch habe ich auch gelesen. 

      Die ein­drucks­voll­ste Schil­de­rung der Erfah­rung der gött­li­chen Gna­de, die den gan­zen Men­schen durch und durch zum leuch­ten bringt, so dass der Mensch Feu­er im Feu­er wird, stammt von Sera­phim von Sarow („Lebens­buch des Sera­phim von Sarow“, Hrsg. v. Klaus Kenneth)

      Etwas dünn und teu­er das Büch­lein; aber allein wegen der besag­ten Beschrei­bung lohnt sich die Anschaffung.)

  3. Die­se Kir­che trieft gera­de­zu vor Ideo­lo­gie, und nicht mehr vor Glau­ben, das ist ihr gan­zes Dilemma…

    • Die Wüsten­vä­ter sag­ten noch: „Nie­mand soll über den Glau­ben reden, der nicht in der Gna­de lebt.“ Ein ein­fa­cher, aber hoher Anspruch.

      Lei­der for­mi­liert die west­li­che Theo­lo­gie das Gna­den­le­ben zu theologisch.

      In der öst­li­chen Theo­lo­gie des Chri­sten­tums ist Gna­den­le­ben zu aller erst die Erfah­rung des Hei­li­gen Geistes.

      Wäh­rend das west­li­che Theo­lo­gi­sie­ren dar­um leicht ins Ideo­lo­gi­sche abglei­tet, fodert das öst­li­che ‚Spre­chen von Gott‘ die Erfah­rung der Gna­de Gottes.

      Kalen­der­spruch vom 10.03.: „Was ich ande­ren sage, muss ich zuerst selbst tun.“ (Vin­zenz Palotti)

  4. Die Fra­ge, die hier von Aqui­li­nus und Feu­er und Flam­me­ge­stellt wird, lau­tet, gibt es eine Neu­ch­ri­stia­ni­sie­rung Frank­reichs und Europas?und wenn es sie gibt, wor­an kön­nen wir die Vor­zei­chen erken­nen, ohne einem Wunsch­den­ken zu erlie­gen. Gibt es struk­tu­rel­le Vor­aus­set­zun­gen dafür. Wir stel­len die­se Fra­ge in einer Zeit, die poli­tisch sich voll­kom­men von ihrer christ­li­chen Ver­gan­gen­heit löst, die gesell­schaft­lich lai­ziert ist und die ver­sucht christ­li­che Moral­vor­stel­lun­gen etwa über Homo­se­xua­li­tät unter Stra­fe zu stellen.
    Die euro­päi­sche West­kir­che durch­lebt heu­te das Schick­sal der Ost­kir­che in der ersten Hälf­te des zwan­zig­sten Jahr­hun­derts. Die­se wur­de dezi­miert und zur Bedeu­tungs­lo­sig­keit ver­ur­teilt. Aber das berühm­te Samen­korn hat über­lebt und die Kir­che hat im Osten eine erstaun­li­che Gestal­tungs­kraft zurück gewon­nen. Ich lese der­zeit die Auto­bio­gra­phie des rus­si­schen Bischofs Tichon Sche­ku­now, die unss hel­fen Könn­te Ant­wor­ten für die Kir­che zu finden.
    Getauft wur­de der spä­te­re Bischof mit 24 Jah­ren nach Abschluss sei­nes Stu­di­ums. Als Grund­la­gen für die­sen Ent­schluss nennt er: Eine ern­ste gei­stes­wis­sen­schaft­li­che Bil­dung und die Über­zeu­gung, dass der Staat die Men­schen betrog und das nicht nur auf dem Gebiet von Geschich­te und Poli­tik. Sie waren fünf Novi­zen, davon vier aus nicht reli­giö­sen Fami­li­en. Alle gesun­de ‚kräf­ti­ge und gut aus­se­hen­de Män­ner, die erkann­ten, dass sich Ihnen eine Welt auf­ge­tan hat­te, die von der macht­vol­len Anwe­sen­heit und Hil­fe Got­tes erfüllt ist. Weg­wei­ser für die­sen Weg waren gläu­bi­ge Men­schen vor allem in der rus­si­schen Lite­ra­tur. Der Weg zu Gott ver­lief nicht gerad­li­nig, son­dern war auch expe­ri­men­tell u.a. mit spi­ri­ti­sti­schen Anfangs­er­fah­run­gen. Hof­fen wir, dass der Hei­li­ge Geist auch uns, die wir dabei sind, des gerin­gen 1. Getauft wur­de der spä­te­re Bischof mit 24 Jah­ren nach Abschluss sei­nes Stu­di­ums. Als Grund­la­gen für die­sen Ent­schluss nennt er: Eine ern­ste gei­stes­wis­sen­schaft­li­che Bil­dung und die Über­zeu­gung, dass der Staat die Men­schen betrog und das nicht nur auf dem Gebiet von Geschich­te und Poli­tik. Sie waren fünf Novi­zen, davon vier aus nicht reli­giö­sen Fami­li­en. Alle gesun­de ‚kräf­ti­ge und gut aus­se­hen­de Män­ner, die erkann­ten, dass sich Ihnen eine Welt auf­ge­tan hat­te, die von der macht­vol­len Anwe­sen­heit und Hil­fe Got­tes erfüllt ist. Weg­wei­ser für die­sen Weg waren gläu­bi­ge Men­schen vor allem in der rus­si­schen Lite­ra­tur. Der Weg zu Gott ver­lief nicht gerad­li­nig, son­dern war auch expe­ri­men­tell u.a. mit spi­ri­ti­sti­schen Anfangserfahrungen.
    Viel­eicht kön­nen wir aus die­sen Aus­sa­gen des spä­te­ren Bischofs das Wir­ken des Hl. Gei­stes erkennen.

  5. Der Abschluss­satz ist sehr gut:

    „Die Fra­ge sei, ob die ver­blie­be­ne, prak­ti­zie­ren­de Katho­li­zi­tät die „Kraft des Evan­ge­li­ums“ fin­de, um eine zuneh­mend frag­men­tier­te Gesell­schaft damit herauszufordern.“

    … lei­der ist die­ses ‚Her­aus­for­dern‘ schon wie­der arg west­lich gedacht. Die Kraft des Evan­ge­li­ums kommt durch ‚Ein­for­de­rung‘, sie zieht nicht nach außen, son­dern nach innen. 

    Das Ziel ist Lei­den­schafts­lo­sig­keit, die durch Hesychia gewon­nen wird.

    Ein Strah­len und Leuch­ten, dass Got­tes Gegen­wart (in Sei­nem geleb­ten Wort) offenbart.

    Mit Beto­nung auf das ‚Fin­den der Kraft des Evan­ge­li­ums‘ ist der Satz 

    „Die Fra­ge sei, ob die ver­blie­be­ne, prak­ti­zie­ren­de Katho­li­zi­tät die „Kraft des Evan­ge­li­ums“ fin­de, um eine zuneh­mend frag­men­tier­te Gesell­schaft damit herauszufordern.“

    sehr gut und wird zum Schlüsselsatz.

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