(Berlin) Während der Bevölkerungsumbau rasant an Tempo gewonnen hat, schreitet auch die Schaffung des ideologischen Unterbaus in regen Sprüngen voran. Der rot-rot-grüne Senat der Stadt Berlin faßte den Beschluß, das Baugrundstück für das House of One für nur einen Euro Erbbauzins zur Verfügung zu stellen. Die symbolische Erbpacht unterstreicht die staatliche Förderung für das „Haus für drei Religionen“, das im Herzen von Berlin nach der Idee von Lessings Freimaurerparabel „Nathan der Weise“ entstehen soll. Damit beginn eine neue Etappe, um den Traum der Gnosis von der einen Weltreligion Wirklichkeit werden zu lassen.
Das Gebäude mit dem englischen Namen, auch das ist Programm, soll ein „interreligiöses Bet- und Lehrhaus“ werden. Die englische Bezeichnung soll deutschen Ohren aber auch verschleiern, worum es genau geht. Wörtlich bedeutet sie nämlich das „Haus des Einen“. Das Projekt verfolgt die Idee, die sogenannten „abrahamitischen Religionen“, das Christentum, das Judentum und den Islam, in einem „gemeinsamen Raum“ zusammenzuführen. Anders ausgedrückt: Es soll mit Hilfe des Staates zusammengezwungen werden, was nicht zusammengehört.
Die Idee dazu liegt schon einige Jahre zurück.
Die Baugeschichte
Nach der Wende bekam die protestantische Sankt-Petri-Gemeinde auf der Spreeinsel den Grund zurück, auf der die um 1150 entstandene, einst katholische Petrikirche stand. Sie war in der Reformation von den Protestanten profaniert und übernommen worden. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie bei der Eroberung der Stadt durch die Rote Armee zerstört und 1960 vom SED-Regime abgetragen, weil sie die „sozialistische Stadtentwicklung“ störte. 1964 war der letzte Rest beseitigt.
Die protestantische Gemeinde wußte nach der Wende aber nicht mehr, was sie damit anfangen sollte. Einen Wiederaufbau der Petrikirche wollte man jedenfalls nicht. Ab 2007 erfolgten vom Denkmalamt archäologische Ausgrabungen, da es sich beim Petriplatz um den ältesten Teil Berlins handelt. Neben den Fundamenten der fünf Kirchen, die im Laufe von 750 Jahren hier übereinander errichtet wurden, wurden auch an die 3.000 Gräber gesichert und die sterblichen Überreste, die ältesten aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, umgebettet. Das damals rot-rot regierte Berlin, Eigentümerin angrenzender Grundstücke, entwickelte eigene Bebauungspläne. Darin war eine Kirche nicht vorgesehen.
So entstand 2009 aus der protestantischen Kirchengemeinde heraus die „fortschrittliche“ Idee, „etwas weltweit Einmaliges“ zu schaffen: Ein Haus, das Raum für Juden, Christen und Muslime bietet, die durch ein großes „Lehrhaus“ miteinander verbunden sind. Die Rede ist von einem „Sakralbau“ der drei Religionen, was bereits begriffliche Verwirrung erkennen läßt. Im Judentum war nur der Tempel von Jerusalem ein Sakralbau. Der Islam kennt dergleichen gar nicht. Selbst ein protestantisches Gotteshaus, wie es im House of One entstehen soll, ist nicht mit dem Sakralverständnis der katholischen Kirche zu vergleichen. Das Presbyterium der katholischen Kirche ist heiliger Boden, da Gott selbst im Allerheiligsten gegenwärtig ist.
Für das neue Projekt zeigte sich auch die Stadtregierung offen, da zur Realisierung die Zusammenlegung der Grundstücke zu einem größeren Bauareal notwendig wurde.
Vom Staat gewollt
Kultursenator Klaus Lederer, ein Vertreter der radikalen Linken (Die Linke ist die Nachfolgepartei der ehemaligen DDR-Staatspartei SED), begründete die großzügige De-facto-Schenkung des Baugrundstückes mit der „großen Bedeutung des House of One“. Deutschland will, so die Absicht, „weltweites Vorbild für Toleranz, Offenheit, erfolgreichen Dialog und konstruktives Miteinander der Religionen in einer pluralen Stadt“ sein. Berlin soll, geht es nach dem Stadtsenat aus SPD, Die Linke und Grünen, zur Hauptstadt des Multikulturalismus werden.
Daß das Projekt von oben gewollt ist, wird nicht nur am symbolischen Erbbauzins deutlich. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wird Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung House of One. Auch an den Bau- und Unterhaltskosten beteiligt sich die öffentliche Hand großzügig. Die Kosten für die Errichtung des synkretistischen Tempels werden laut Projekt mit 43,5 Millionen Euro beziffert. Je zehn Millionen Euro wurden bereits vom Bund und vom Land Berlin bewilligt. Der Bundestag gab am 23. November 2018 grünes Licht mit dem Beschluß des Haushaltsgesetzes. 9,2 Millionen Euro seien bereits als Spenden eingegangen. Die Namen der Großspender und die gespendeten Summen wären aufschlußreich. Wenn die zehn Millionen erreicht sind, geht es los. Der Grundsteinlegung, die für den 14. April 2020 geplant ist, steht damit nichts mehr im Wege.
Lessings Freimaurerparabel
Der Tag, es ist der Dienstag nach Ostern, ist nicht zufällig gewählt. Am 14. April 1783 wurde Lessings Schauspiel „Nathan der Weise“ in Berlin uraufgeführt. Der Dichter war damals bereits zwei Jahre tot, sein Geist lebt aber fort, wie das Projekt zeigt. Träger seines Erbes war die Freimaurerei, deren Denken inzwischen in immer neue Kreise eindringt.
Lessing gilt als der bedeutendste deutsche Dichter der Aufklärung. Diese Verehrung hat er seiner Mitgliedschaft in der Loge zu verdanken, deren Ziele er hochschätzte. Er wurde zwar erst 1771 in Hamburg in die Loge Zu den drei Rosen initiiert und gleich zum Meister erhoben, war aber von Jugend an von der Freimaurerei fasziniert, wie das Gedicht „Das Geheimnis“ des 24-Jährigen belegt. In drei Werken hinterließ er, was die Freimaurerei als „Denkmäler freimaurerischen Geistes“ rühmt. Dazu gehört das Drama „Nathan der Weise“. Ganz der antichristlichen Stoßrichtung der Aufklärung verhaftet, zeichnet er den islamischen Sultan und den jüdischen Kaufmann als liberal, weise und menschenfreundlich, den katholischen Patriarchen von Jerusalem hingegen als finsteren Fanatiker.
Lessings Freimaurergespräche gelten in den Logen als das „klassische Gründungsdokument des modernen Freimaurertums“ (Freimaurer-Lexikon). Georg Christoph Lichtenberg, ein Zeitgenosse Lessings und Sohn eines protestantischen Pastors, meinte gar in einem für katholische Ohren blasphemischen Duktus: „Wenn Lessings Darstellung stimmt, ist es eine Sünde, kein Freimaurer zu sein“.
Mehrere Logen wurden nach Lessing benannt, darunter die 1920 gegründete Großloge Lessing zu den drei Ringen in der Tschechoslowakei. Der Logenname ist eine Anspielung auf „Nathan den Weisen“, womit wir wieder beim House of One wären, das in Berlin auf den Fundamenten einer einst katholischen, dann protestantisierten Kirche entstehen soll, die von den Kommunisten gesprengt wurde. Die Gebäudegeschichte bis zu Nathans „Tempel der Religionen“ gibt in groben Zügen anschaulich zentrale Etappen von Entwicklung und Niedergang des Abendlandes wieder.
Marco Tosatti schrieb im Januar 2018, das eigentliche Ziel sei die Beseitigung der katholischen Kirche, deren Dogmen der dogmenlosen Superreligion im Wege stehen. Es werde von manchen behauptet, so Tosatti, daß es eine geheime UNO-Agentur namens United Religions Organisation (URO) gebe. Ihre Aufgabe sei es Überzeugungsarbeit zu leisten, auch finanzielle, daß sich die religiösen Bekenntnisse in der globalen Welt mit Hilfe des ökumenischen und interreligiösen Dialogs homogenisieren müßten, weil die Toleranz und die religiöse Einheit das wahre, anzustrebende Wohl, alles andere aber ein die Einheit gefährdender „Sonderweg“ sei, der Unruhe und Unfrieden stifte. Auf diesem Weg sei Schritt für Schritt eine „wissenschaftliche Religion“ als neue Staatsreligion zu etablieren.
Zur Existenz dieser Geheimagentur kann mangels Beweisen nichts gesagt werden. Die Intention und Stoßrichtung einer im Westen obrigkeitlich gewollten synkretistischen Homogenisierung der Religionen, die, ihrer übernatürlichen Dimension entkleidet, zu einem religiös verbrämten Arm des Staates werden sollen, ist auf vielfältige Weise erkennbar. Auch darin spiegelt sich das Denken der Aufklärung wider.
Begeisterung in Rom
Das Berliner Projekt scheint, obwohl die katholische Kirche nicht daran beteiligt ist, den Geschmack des derzeitigen Inhabers der Cathedra Petri zu treffen. Am 30. Januar 2018 berichtete der Osservatore Romano, die Tageszeitung des Papstes, ausführlich und ohne jede kritische Distanz über das „Haus für drei Religionen“.
Der Vatikanist Marco Tosatti sprach von einem „Bericht mit synkretistischem Beigeschmack über ein Projekt mit synkretistischem Beigeschmack“. Der Osservatore Romano lobte das House of One als „innovatives Projekt“ und begeisterte sich an der Idee eines „gemeinsames Raumes für die drei großen monotheistischen Religionen“. Nicht minder euphorisch zeigte sich die Tageszeitung des katholischen Kirchenoberhauptes über Berlin als Experimentierfeld von Multikulturalismus und Multireligiosität:
„Der gewählte Platz ist der Petriplatz im mittelalterlichen Teil von Berlin, einer Stadt, die in der jüngsten Geschichte die Zeichen der Spaltung trug, und die heute aber fast zu einem europäischen Symbol des Multikulturalismus geworden ist, mit der Präsenz von 250 verschiedenen religiösen Gemeinschaften.“
Das House of One wird sinnfällig und wohl auch symbolisch auf den Fundamenten, also den Ruinen, der einstigen katholischen Petrikirche errichtet werden, die sichtbar und zugänglich gemacht werden sollen. Das eigentliche Gebäude darüber umfaßt in getrennten Räumlichkeiten eine protestantische Kirche, eine Synagoge und eine Moschee. Überwölbt werden sie jedoch von einem gemeinsamen „Lehrhaus“ mit Kuppel, wenngleich diese außen nicht sichtbar ist (siehe Entwurf). Dieser alle drei Religionen überragende Zentralbau scheint der zentrale Tempel der Zukunft zu sein, der die Religionen zusammenführt und überwindet. Im zentralen Rundbau mit Kuppel „wird Lessings Ringparabel Architektur“, wie die Frankfurter Allgemeine bereits 2012 meinte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/Osservatore Romano/Wikicommons/House of One (Screenshots)