(Rom) Die Kardinäle Raymond Burke und Walter Brandmüller wenden sich mit einem offenen Brief an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, die sich ab morgen zum Mißbrauchsgipfel im Vatikan versammeln. Sie fordern die Teilnehmer des Gipfeltreffens auf, die „wirklichen Ursachen“ des Mißbrauchsskandals anzusprechen und nicht zu Komplizen des Schweigens zu werden.
Der deutsche Kardinal Brandmüller und der US-Amerikaner Burke sind die beiden noch lebenden Unterzeichner der Dubia vom Herbst 2016 zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia von Papst Franziskus. Gestern haben sie sich erneut zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief, der vom Vatikanisten Sandro Magister veröffentlicht wurde, appellieren sie an alle Teilnehmer des Gipfeltreffens, das vom 21.–24. Februar im Vatikan zum sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen durch Kleriker stattfindet. Zu dem Gipfel wurden von Papst Franziskus die Vorsitzenden aller weltweiten Bischofskonferenzen eingeladen, dazu noch einige Dikasterienleiter der Römischen Kurie und die verbliebenen Mitglieder des stark geschrumpften C9-Kardinalsrates.
Die beiden Kardinäle beklagen, daß der allgemeine „Sittenverfall“ die wirkliche Ursache für den Mißbrauchsskandal sei.
Wie der Aktionstag, der gestern von einer internationalen Koalition katholischer Laienorganisationen in Rom durchgeführt wurde, warnen auch die Kardinäle davor, die wahren Ursachen des sexuellen Mißbrauchs zu verschweigen. Der Mißbrauch sei nur Symptom: Der Sittenverfall und die Abkehr von der Wahrheit des Evangeliums seien die wirklichen Ursachen der aktuellen Kirchenkrise.
Kardinal Burke und Kardinal Brandmüller bringen im offenen Brief ihre Sorge zum Ausdruck, daß „angesichts der sexuellen Skandale“ versucht werde, „das eigentliche Übel“ hinter dem Mißbrauch von Minderjährigen, nämlich die „homosexuellen Netzwerke“ in der Kirche, zu verschweigen.
Wie jüngst der beigeordnete Sekretär der Glaubenskongregation und Erzbischof von Malta, Msgr. Charles Scicluna, bestätigte, sind mindestens 80 Prozent aller Opfer von sexuellem Mißbrauch durch Kleriker männliche Minderjährige. Diese eindeutige Größenordnung wird von allen einschlägigen Studien, einschließlich jener der Deutschen Bischofskonferenz und der Belgischen Bischofskonferenz, bestätigt. Dennoch machen die verantwortlichen Bischöfe und Papst Franziskus einen großen Bogen, um das offensichtliche Problem der Homosexualität nicht ansprechen zu müssen.
Es gebe ein Mauer „der Komplizenschaft und des Schweigens“ innerhalb der Kirche. Die internationale Koalition katholischer Laienorganisationen sprach gestern in Rom von einer „Mauer des Schweigens“, die in der Kirche von diesen Homo-Netzwerken errichtet wurde, die es niederzureißen gelte. Das Problem, so die beiden Kardinäle in ihrem offenen Brief, „wurzelt im Klima von Materialismus, Hedonismus und Relativismus“, in dem die Existenz „eines absoluten, ausnahmslos verpflichtenden Sittengesetzes offen in Frage gestellt wird“.
Die beiden Kardinäle widersprechen in ihrem Brief an die Teilnehmer des Gipfeltreffens auch der These von Papst Franziskus, daß der „Klerikalismus“ schuld am Mißbrauchsskandal sei. Gegen diese These hatte bereits Kardinal Gerhard Müller, bis 2017 Glaubenspräfekt der Kirche, mehrfach sein Stimme erhoben. Kritiker werfen Papst Franziskus vor, die eigentlichen Probleme nicht erkennen oder sogar von diesen ablenken zu wollen, oder – noch schlimmer – die Homo-Netzwerke in der Kirche zu schützen.
Kardinal Burke und Brandmüller schreiben, daß „bestimmte Kreise in der Kirche korrumpiert“ seien. Sie fordern die am Gipfeltreffen teilnehmenden Bischöfe auf, nicht länger zu schweigen, sondern die wahren Probleme beim Namen zu nennen und die tiefere Kirchenkrise hinter dem Mißbrauchsskandal anzusprechen. Sie rufen die einberufenen Bischöfe auf, „in Wort und Tat“ die Lehre der Kirche zu bezeugen und wenden sich direkt an die Bischöfe mit der Frage:
„Werdet auch Ihr, liebe Mitbrüder, schweigen?“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL