Kriegstreiber und Triebkräfte zum 30jährigen Krieg

Der Dreißigjährige Krieg – Ursachen, Verlauf und Folgen (1)


Antikatholische Propaganda durch Lutheraner: Vorbereitung zum Dreißigjährigen Krieg.
Antikatholische Propaganda durch Lutheraner: Vorbereitung zum Dreißigjährigen Krieg.

Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker.

Anzei­ge

Der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg wur­de durch den Pra­ger Fen­ster­sturz 1618 aus­ge­löst. Aber er hat­te eine lan­ge Vor­kriegs­ge­schich­te. Eini­ge Histo­ri­ker set­zen die Inku­ba­ti­ons­zeit des Krie­ges mit der Grün­dung des pro­te­stan­ti­schen Uni­ons­bünd­nis­ses von 1608 an. Sie spre­chen von einer „Kri­sen­de­ka­de“*. Wich­ti­ger sind die zugrun­de­lie­gen­den Fragen: 

War­um wur­den die Vor­kriegs­kon­flik­te zu Sta­tio­nen auf dem Weg zum gro­ßen Krieg? Was waren die wesent­li­chen Wei­chen­stel­lun­gen durch epo­cha­le Ent­schei­dun­gen, die die Mäch­te der dama­li­gen Zeit lang­fri­stig auf den Weg zum Zusam­men­prall führ­ten? Wel­che Kon­stel­la­tio­nen waren für die Ent­fes­se­lung der Kriegs­kräf­te ver­ant­wort­lich? Wel­che Trieb­kräf­te konn­ten so stark sein, dass sie alle dama­li­gen insti­tu­tio­nel­len Kon­flikt­re­ge­lun­gen, recht­li­che Frie­dens­si­che­run­gen und christ­li­che Frie­dens­pflich­ten durch­bre­chen konnten?

Deutsche Kriegslandschaft am Rhein bei Königswinter1585
Deut­sche Kriegs­land­schaft am Rhein bei Königswinter1585

Augsburger Reichs- und Religionsfrieden

Die fol­gen­den Über­le­gun­gen set­zen mit den Ver­trä­gen von Pas­sau (1552) sowie den nach­fol­gen­den Beschlüs­sen vom Augs­bur­ger Reichs­tag zum Reichs- und Kon­fes­si­ons­frie­den von 1555 an. Die­se Rege­lun­gen been­de­ten zwar die Krie­ge zwi­schen dem Kai­ser und den pro­te­stan­ti­schen Für­sten, leg­ten aber auch den Keim für die spä­te­ren Kon­flik­te bis hin zum Aus­bruch des 30jährigen Krieges. 

Die wich­tig­sten Ver­trags­punk­te waren:

  • Kai­ser und Reich soll­ten nicht mehr Schutz­her­ren und säku­la­re Voll­zugs­or­ga­ne der Kir­che sein. Strei­tig­kei­ten zwi­schen den bei­den nun­mehr reichs­recht­lich aner­kann­ten Kon­fes­sio­nen der Katho­li­ken und Luthe­ra­ner soll­ten in Reichs­tag und Reichs­ge­rich­ten aus­ge­han­delt wer­den. Mit die­ser Rege­lung zur Ver­recht­li­chung von Reli­gi­ons­kon­flik­ten wur­de der moder­ne Staat vor­be­rei­tet, der als reli­gi­ons­neu­tra­le Insti­tu­ti­on Reli­gi­ons­frei­heit und ‑frie­den gewähr­lei­sten kann. 
  • Doch damals wur­de Reli­gi­ons­frei­heit nur auf die Her­ren und Für­sten beschränkt. Die Kehr­sei­te die­ser adli­gen „liber­tas“ war die Ver­wand­lung der Für­sten­staa­ten zu reli­gi­ons­po­li­ti­schen Zwangs­an­stal­ten: Die abso­lu­ti­sti­schen Für­sten soll­ten neben der poli­ti­schen Herr­schaft über ihre Unter­ta­nen auch deren Glau­bens­kon­fes­si­on fest­le­gen kön­nen (cujus regio, ejus reli­gio). Die­se Zwangs­kon­fes­sio­na­li­sie­rung war durch Luther vor­be­rei­tet wor­den. Er hat­te die welt­li­chen Obrig­kei­ten als gött­lich legi­ti­miert dar­ge­stellt und zugleich die pro­te­stan­ti­schen Für­sten sei­ner Zeit als „Not­bi­schö­fe“ und damit als geist­li­che Ober­her­ren eingesetzt.
  • Die Augs­bur­ger Reichs­tags­be­schlüs­se gin­gen aber noch wei­ter, indem sie den adli­gen Herr­schaf­ten ein jus refor­man­di ein­räum­te. Die­se Rege­lung bedeu­te­te eine Bevor­zu­gung der luthe­ri­schen Her­ren. Damit waren wei­te­re (Zwangs-)Protestantisierungen für die Bewoh­ner herr­schaft­li­cher Gebie­te vor­ge­zeich­net. Statt den kon­fes­sio­nel­len sta­tus quo als Frie­dens­kon­stel­la­ti­on fest­zu­schrei­ben – wie 100 Jah­re spä­ter im West­fä­li­schen Frie­den –, leg­te man den Samen für neue Konfliktherde. 
  • Nur bei Fürst­bis­tü­mern soll­te das Recht auf Pro­te­stan­ti­sie­rung der Unter­ta­nen nicht grei­fen. Nach der Klau­sel des geist­li­chen Vor­be­halts im Para­graf 18 des Augs­bur­ger Frie­dens­ver­trags muss­te ein kon­ver­tier­ter Bischof Amt und Bis­tums­pfrün­de abge­ben, so dass ein neu­er Bischof gewählt wer­den konn­te und damit das Bis­tum katho­lisch blieb. 

Nach 1555 setz­ten sich pro­te­stan­ti­sche Für­sten und Her­ren über die letz­te­re Rege­lung mehr­fach hin­weg. Das  führ­te zu Ver­bit­te­rung auf katho­li­scher Sei­te und spä­ter zu Resti­tu­ti­ons­for­de­run­gen: Sie­ben nord­deut­sche Bis­tü­mer, davon die bei­den bedeu­ten­den Erz­bis­tü­mer Bre­men und Mag­de­burg, wur­den in den 60er und 70er Jah­ren des 16. Jahr­hun­derts von pro­te­stan­ti­schen Herr­schern unrecht­mä­ßig ver­ein­nahmt. Doch erst in den 80er Jah­ren wehr­ten sich die Katho­li­ken gegen wei­te­re Pro­te­stan­ti­sie­run­gen katho­li­scher Bistümer. 

Die Truchsessischen Kriege um Köln als Wendepunkt der Vorkriegszeit

1582 mach­ten refor­mier­te Lan­des­her­ren den Ver­such, das Erz­bis­tum Köln in ein pro­te­stan­ti­sches Herr­schafts­ge­biet umzu­wan­deln. Das kur­köl­ni­sche Fürst­bis­tum hat­te für bei­de Sei­ten stra­te­gi­sche Bedeu­tung. Wenn die­se Säu­le von katho­li­scher Herr­schaft im Nord­we­sten des Rei­ches gefal­len wäre, hät­te das den Bestand der dann iso­lier­ten west­fä­li­schen Bis­tü­mer Pader­born und Mün­ster sowie des Stif­tes Essen gefähr­det. Die pro­te­stan­ti­sche Über­nah­me einer wei­te­ren Kur­wür­de hät­te die Reichs­spit­ze zu ihren Gun­sten ver­än­dert. Genau mit die­ser Per­spek­ti­ve dräng­ten die cal­vi­ni­sti­schen Gra­fen von Nas­sau, aus der Wet­ter­au, dem nie­der­rhei­ni­schen Moers sowie der Kur­fürst von der Pfalz den damals schwan­ken­den Erz­bi­schof Geb­hard Truch­sess von Wald­burg zu Hei­rat und Über­tritt zum refor­mier­ten Bekennt­nis. Gleich­zei­tig soll­te er sei­nen Anspruch auf Amt und Bis­tums­herr­schaft wider­recht­lich auf­recht erhal­ten. Den Unter­stüt­zern war klar, dass die­ses Begeh­ren im offe­nen Rechts­bruch zum Augs­bur­ger Reichs­frie­den stand und somit ein casus bel­li bedeu­te­te. Und so schmie­de­ten sie eine Alli­anz, um direkt nach der Kon­ver­si­on des Truch­sess das Köl­ner Kur­für­sten­tum mili­tä­risch zu beset­zen und damit macht­po­li­tisch für den Pro­te­stan­tis­mus abzusichern. 

Papst und Kai­ser reagier­ten und setz­ten Geb­hard wegen sei­ner öffent­lich bekann­ten Kon­ver­si­ons­plä­ne  als Bischof und Kur­für­sten ab. Das Köl­ner Dom­ka­pi­tel wähl­te Ernst von Wit­tels­bach als neu­en Erz­bi­schof. Mit dem Bru­der des Bay­ern­her­zogs bekam die katho­li­sche Par­tei einen mäch­ti­gen Ver­bün­de­ten. Ange­sichts der pro­te­stan­ti­schen Mili­tär-Mobi­li­sie­rung hat­te das Dom­ka­pi­tel die spa­ni­schen Habs­bur­ger in den Nie­der­lan­den um Hil­fe gebe­ten. Auf Sei­ten der Pro­te­stan­ten kämpf­ten neben regio­na­len Herr­schern die refor­mier­ten Gra­fen aus hes­si­schem Gebiet und 7.000 Mann kur­pfäl­zi­sche Trup­pen. Dazu kamen nie­der­län­di­sche Ein­hei­ten unter Wil­helm von Ora­ni­en, die spä­ter die Resi­denz­stadt Bonn eroberten. 

Der soge­nann­te „Truch­ses­si­sche Krieg“ von 1583 bis 1588 war in Bezug auf die Inter­na­tio­na­li­sie­rung schon ein Vor­spiel zu dem fol­gen­den gro­ßen Krieg. Eben­falls warf die Art des Krie­ges mit Dut­zen­den Bela­ge­run­gen, Plün­de­run­gen und Zer­stö­rung von Städ­ten und Ort­schaf­ten einen düste­ren Schat­ten vor­aus. Auch dass der cal­vi­ni­sti­sche Kur­fürst aus der Pfalz, der Vor­mund des spä­te­ren Win­ter­kö­nigs, der ent­schei­den­de Kriegs­trei­ber war, soll­te ein Vor­zei­chen für den Beginn des 30jährigen Krie­ges  1618/​19 sein. Nach eini­gen erfolg­rei­chen Bela­ge­run­gen und Zer­stö­run­gen muss­ten aber die pro­te­stan­ti­schen Aggres­so­ren letzt­end­lich  auf­ge­ben – unter ande­rem, weil sie sich zer­strit­ten hatten. 

Eroberung und Zerstörung der Burg Godesberg bei Bonn 1583 im Truchsessischen Krieg
Erobe­rung und Zer­stö­rung der Burg Godes­berg bei Bonn 1583 im Truch­ses­si­schen Krieg

In die­sem Kon­flikt zeig­ten sich Defi­zi­te der deut­schen Reichs­ver­fas­sung:

  • Es war nicht gere­gelt, wer Rechts­brü­chen gegen­über dem Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­dens­ver­trag fest­stell­te und Sank­tio­nen exe­ku­tier­te. Die schwa­chen Habs­bur­ger Kai­ser nach 1560, Maxi­mi­li­an II. und Rudolf II., lie­ßen die wider­recht­li­che Ein­ver­lei­bung von sie­ben Bis­tü­mern durch pro­te­stan­ti­sche Für­sten geschehen. 
  • Der mili­tä­ri­sche Zugriff der refor­mier­ten Gra­fen und des pfäl­zi­schen Kur­für­sten auf das kur­köl­ni­sche Fürst­bis­tum war ein Rechts­bruch gegen den „ewi­gen Land­frie­den“, der seit 1500 reichs­recht­lich fest­ge­legt war. Eigent­lich hät­ten die Für­sten des Kur­rhei­ni­sche Krei­ses als einer der zehn Reichs­exe­ku­ti­ons­be­zir­ke die mili­tä­ri­schen Ver­stö­ße als Rechts­bruch sank­tio­nie­ren müs­sen. Wenn aber – wie in die­sem Fall – die beauf­trag­ten Her­ren selbst zu den kriegs­trei­ben­den Par­tei­en gehör­ten, war das Land­frie­dens­recht zu Maku­la­tur gewor­den. Es blieb den katho­li­schen Mäch­ten kei­ne ande­re Wahl, als mit eige­nen Mit­teln für ihr gutes Recht zu kämp­fen. Doch eben­die­se erzwun­ge­ne Selbst­hil­fe erwies sich als Rück­fall hin­ter das Gesetz zum ewi­gen Land­frie­den in die mit­tel­al­ter­li­che Fehderechtsgesellschaft. 

Im Straß­bur­ger Kapi­tel­streit erkämpf­ten sich die Pro­te­stan­ten wider­recht­lich mit Pro­vo­ka­tio­nen und Waf­fen­ge­walt die rechts­rhei­ni­sche Hälf­te des Bis­tums. Nach dem Tod des Fürst­bi­schofs 1592 hat­te eine pro­te­stan­ti­sche Min­der­heit des Dom­ka­pi­tels den min­der­jäh­ri­gen Für­sten Johann Georg von Bran­den­burg zum Nach­fol­ger gewählt. Nach­dem die Kapi­tel­mehr­heit einen katho­li­schen Bischof ein­ge­setzt hat­te, kam es nach einem Waf­fen­gang zu der oben beschrie­be­nen Tei­lung des Bis­tums. In die­sem Fall ent­schied dann doch Kai­ser Rudolf II. mit sei­nem Reichs­hof­rat den Kon­flikt, indem er 1599 die katho­li­sche Ein­heit des Bis­tums wie­der her­stell­te. Die Nach­fol­ger Rudolfs wer­te­ten das kai­ser­li­che Hof­rats­gre­mi­um immer wei­ter auf. Im glei­chen Maße sank aller­dings die Akzep­tanz von des­sen Recht­spre­chung durch die Reichsfürsten. 

Protestantische Blockadepolitik gegen vermittelnde Reichsinstitutionen 

Dage­gen stand das Reichs­kam­mer­ge­richt als Insti­tu­ti­on des Reichs­ta­ges im Anse­hen als aner­kann­te über­par­tei­li­che Instanz für Rechts­strei­tig­kei­ten. Das Gericht leg­te 1598 im soge­nann­ten Vier-Klö­ster-Streit einen exem­pla­ri­schen Ent­scheid vor, der den Pro­te­stan­ten gar nicht gefiel. Refor­mier­te Herr­scher in Süd­west­deutsch­land hat­ten nach 1555 meh­re­re hun­dert Abtei­en und Klö­ster auf­ge­löst und in ihre Ter­ri­to­ri­en inkor­po­riert. Das Gericht ent­schied nun, dass die Säku­la­ri­sie­rung bei vier bestimm­ten Klö­stern ein Ver­stoß gegen den Augs­bur­ger Frie­dens­ver­trag gewe­sen sei und der alte Rechts­zu­stand wie­der her­ge­stellt wer­den müs­se. In Erwar­tung wei­te­re Gerichts­ent­schei­de gegen die übri­gen säku­la­ri­sier­ten Klo­ster­gü­ter gin­gen die pro­te­stan­ti­schen Für­sten unter der Füh­rung von Kur­pfalz zum Angriff über. Sie blockier­ten fort­an die Visi­ta­ti­ons­kom­mis­si­on für Urteils­über­prü­fun­gen und damit auch das Reichs­kam­mer­ge­richt selbst als Revisionsinstanz. 

„Am Ende all die­ser Aus­ein­an­der­set­zung stand der Kol­laps der Reichs­ver­fas­sung, wie er sich am augen­fäl­lig­sten im Schei­tern des Reichs­tags von 1608 spie­gel­te, der ohne Reichs­tags­be­schluss aus­ein­an­der­trat und letzt­lich von der cal­vi­ni­sti­schen Akti­ons­par­tei gesprengt wur­de“, so der Histo­ri­ker Heinz Durchard*. Damit hat­ten die Pro­te­stan­ten das Herz­stück der Reichs­ver­fas­sung als Ver­mitt­lungs­in­stanz für Kon­flikt­fäl­le zwi­schen Kai­ser und Reich, katho­li­schen und pro­te­stan­ti­schen Für­sten lahm­ge­legt. Aus die­sem Weg­fall der Rechts­in­sti­tu­tio­nen war der fata­le Aus­weg ver­füh­re­risch nahe­ge­rückt, eige­ne Ansprü­che und Rechts­auf­fas­sun­gen mit Macht­auf­trit­ten und mili­tä­ri­schen Koali­tio­nen ent­schei­den zu wollen. 

Zu die­ser pro­te­stan­ti­schen Blocka­de­hal­tung hat­ten auch die Ereig­nis­se in der Reichs­stadt Donau­wörth bei­getra­gen. Die mehr­heit­lich luthe­ri­sche Stadt woll­te nicht dul­den, dass die Min­der­heit von Katho­li­ken bei der Mar­kus­pro­zes­si­on von 1606 mit wehen­den Kir­chen­fah­nen und Gesang durch die Stadt zu einem nahen Kirch­ort zog. Das war nach dem Augs­bur­ger Frie­dens­ver­trag ihr gutes Recht, wur­de aber von den Pro­te­stan­ten als Pro­vo­ka­ti­on ange­se­hen und mit Prü­geln be- und ver­hin­dert. Auf eine Kla­ge hin droh­te der Reichs­hof­rat mit der Reichs­acht, wenn die Stadt die Rech­te der Katho­li­ken nicht respek­tier­te. Doch im näch­sten Jahr prü­gel­ten Pro­te­stan­ten wie­der­um die Pro­zes­si­ons­ka­tho­li­ken aus der Stadt hin­aus. Dar­auf­hin ver­häng­te der Kai­ser die Reichs­acht über Donau­wörth und beauf­trag­te den bay­ri­schen Her­zog Maxi­mi­li­an I. mit der Voll­streckung. Der Bay­ern­her­zog sand­te zunächst eine Ver­hand­lungs­de­le­ga­ti­on vor­aus, die aber vom Rat der Stadt nicht ein­mal emp­fan­gen wur­de. Da ließ Maxi­mi­li­an mit sei­ner Streit­macht die Stadt besetzen. 

Der Vor­gang zeig­te erneut die aggres­si­ve Unduld­sam­keit und rechts­wid­ri­ge Über­heb­lich­keit von pro­te­stan­ti­schen Herr­schaf­ten, wie sie schon in den vor­he­ri­gen Aktio­nen dar­ge­stellt wur­den. Die katho­li­schen Instan­zen reagier­ten zunächst mit Bedacht und recht­mä­ßig. Doch dann ver­letz­te der Kai­ser selbst das gel­ten­de Reichs­recht, nach dem der Voll­zug der Reichs­acht durch den würt­tem­ber­gi­schen Obri­sten des schwä­bi­schen Reichs­krei­ses hät­te voll­zo­gen wer­den müssen. 

Die in jenen Jah­ren auf Hoch­tou­ren lau­fen­de pro­te­stan­ti­sche Publi­zi­stik bausch­te die Ereig­nis­se von Donau­wörth reichs­weit als Pro­vo­ka­ti­on und Aggres­si­on von katho­li­scher Sei­te auf. Bis in heu­ti­ge Geschichts­bü­cher haben es die ten­den­ziö­sen Ansich­ten gebracht, Luthe­ra­nern wäre der Anblick katho­li­scher Kir­chen­fah­nen unzu­mut­bar gewe­sen, Die Sor­ge um ihr eige­nes See­len­heil hät­te sie zu den Über­grif­fen getrieben. 

Auf dem fol­gen­den Reichs­tag im Janu­ar 1608 sahen sich die pro­te­stan­ti­schen Stän­de mit dem Antrag der katho­li­schen Für­sten kon­fron­tiert, bezüg­lich der säku­la­ri­sier­ten Bis­tü­mer und Klo­ster­gü­ter den Rechts­zu­stand vom Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­den wie­der her­zu­stel­len, also zu „resti­tu­ie­ren“. Den Antrag wer­te­ten sie als Angriff auf ihren (unrecht­mä­ßig erwor­be­nen) Besitz­stand. Sie lie­ßen dar­auf­hin den Reichs­tag plat­zen, indem als erste die Dele­ga­ti­on der Kur­pfalz ein­fach abrei­ste. Die­ser uner­hör­te Vor­gang bestärk­te die Scharf­ma­cher, aber auch die besorg­ten Gemä­ßig­ten, dass nur noch ein Krieg aus der ver­fah­re­nen Situa­ti­on her­aus­hel­fen könne. 

Nach dem Abbruch der institutionalisierten Gespräche begann das Jahrzehnt der Kriegskoalitionen und des  Waffenrasselns

Nach der Blocka­de der letz­ten Gesprächs‑, Recht­set­zungs- und Ver­mitt­lungs­in­stanz zwi­schen pro­te­stan­ti­schen und katho­li­schen Stän­den ging das Gesetz des Han­delns auf  Mäch­te­ko­ali­tio­nen über, die selbst defi­nier­ten, was sie für Recht und berech­tigt hiel­ten. In die­sem Sin­ne ergrif­fen sechs süd­deut­sche Für­sten unter der Füh­rung des pfäl­zi­schen Kur­für­sten die Initia­ti­ve und grün­de­ten die „pro­te­stan­ti­sche Uni­on“ als ein Bünd­nis der  „Akti­ons­par­tei“. Eini­ge Mona­te spä­ter stie­ßen wei­te­re Herr­scher hin­zu, mit Bran­den­burg und Hes­sen-Kas­sel auch bedeu­ten­de nord­deut­sche Für­sten, sowie 17 Reichsstädte. 

Als Reak­ti­on auf das pro­te­stan­ti­sche Mili­tär­bünd­nis betrieb der bay­ri­sche Her­zog Maxi­mi­li­an I. den Zusam­men­schluss der katho­li­schen Stän­de Süd­deutsch­lands. Der 1609 gegrün­de­ten „Liga“ tra­ten spä­ter die drei geist­li­chen Kur­für­sten­tü­mer bei. 

Im Lau­fe des  fünf­jäh­ri­gen Jülich-Kle­vi­schen Erb­fol­ge­streits ab 1609 mobi­li­sier­ten bei­de Sei­ten ihre Trup­pen, die Liga für kai­ser­li­che Ansprü­che und spä­ter für den katho­lisch gewor­de­nen erb­fol­ge­be­rech­tig­ten Pfalz­gra­fen von Neu­burg, die Uni­on für den cal­vi­ni­stisch kon­ver­tier­ten Bran­den­bur­gi­schen Kur­für­sten. 1610 schick­te die luthe­ri­sche Uni­on 10.000 Sol­da­ten an den Rhein zur Erobe­rung von Jülich. Die glei­che Anzahl ent­sand­te der katho­li­sche König Hein­rich IV. von Frank­reich sowie der cal­vi­ni­sti­sche Nie­der­län­der Moritz von Ora­ni­en. Nach der Erobe­rung Jülichs woll­ten die Ver­bün­de­ten in die spa­ni­schen Nie­der­lan­de ein­fal­len. Die katho­li­schen Mäch­te, Kai­ser, Liga und Spa­ni­en began­nen eine Gegen­mo­bi­li­sie­rung. Der dro­hen­de gro­ße euro­päi­sche Krieg kam nur des­halb nicht ins Rol­len, weil der fran­zö­si­sche König im Mai 1610 ermor­det wur­de. Die Königs­wit­we blies den Angriff auf die spa­ni­schen Nie­der­lan­de ab. Es blieb bei der Erobe­rung Jülichs. 

1614 hat­ten sich die bei­den Erb­fol­ge­be­rech­tig­ten wie­der soweit zer­strit­ten, dass sie ihre Garan­tie­mäch­te zur mili­tä­ri­schen Hil­fe rie­fen. Der spa­ni­sche Gene­ral Spi­no­la mar­schier­te mit 20.000 Mann an den Rhein, von den Nie­der­lan­den zog ein eben­so gro­ßer Heer­hau­fen auf, dem cal­vi­ni­sti­schen Bran­den­bur­ger zu hel­fen. Es kam nur des­halb nicht zu Schlacht und Krieg, weil damit der spa­nisch-nie­der­län­di­sche Waf­fen­still­stand gefähr­det wor­den wäre. Auch zu die­sem Zeit­punkt schramm­te man nur knapp an einem gro­ßen Krieg vor­bei. Eine Eini­gung kam im Tei­lungs­ver­trag von Xan­ten zustan­de. Es blieb aber die Logik der Kon­flikt­par­tei­en, letzt­lich mit Waf­fen­ge­walt ihre Inter­es­sen durch­zu­set­zen. Der Krieg wur­de als berech­tig­te Fort­set­zung der Poli­tik mit ande­ren Mit­teln ange­se­hen. Es waren in bei­den Fäl­len gewis­ser­ma­ßen nur äuße­re Zufäl­le, die den gro­ßen Waf­fen­gang ver­hin­dert hatten. 

Belagerung von Jülich 1610
Bela­ge­rung von Jülich 1610

Schon im nie­der­rhei­ni­schen Erb­fol­ge­krieg zer­stritt sich die Uni­on immer mehr. Der Haupt­grund war die aggres­si­ve Poli­tik der Kur­pfalz, den ins­be­son­de­re die pro­te­stan­ti­schen Reichs­städ­te nicht mit­tra­gen woll­ten. Als dann 1618 der jun­ge Kur­fürst Fried­rich V. die böh­mi­sche Kro­ne anstreb­te, sahen sich die mei­sten Uni­ons­mit­glie­der als Spiel­ball von groß­mäch­ti­gen Ambi­tio­nen gegen Kai­ser und Reich miss­braucht. Bei dem Uni­ons­tref­fen im Sep­tem­ber 1619 votier­te die Mehr­heit der Mit­glie­der gegen die Annah­me der böh­mi­schen Kro­ne. Damit war die pro­te­stan­ti­sche Uni­on end­gül­tig gespal­ten, sie löste sich 1621 offi­zi­ell auf. 

Seit den Truch­ses­si­schen Krie­gen um das Erz­bis­tum Köln zeig­te sich immer deut­li­cher, dass die Cal­vi­ni­sten als Kriegs­trei­ber im poli­ti­schen Streit der Kon­fes­si­ons­par­tei­en auf­tra­ten. Johan­nes Burk­hardt spricht von der rüh­ri­gen „cal­vi­ni­sti­schen Inter­na­tio­na­len“ von Genf bis nach Den Haag. Der hol­län­di­sche Cal­vi­nis­mus, der die deut­schen refor­mier­ten Für­sten mit Ideen, Geld und Söld­nern sti­pen­di­er­te, hat­te sich zu einem kon­fes­si­ons­po­li­ti­schem Scharf­ma­cher ent­wickelt, der neben den Katho­li­ken auch die Luthe­ra­ner als Ket­zer bekämpf­te und selbst Gemä­ßig­te in den eige­nen Rei­hen ver­folg­te bis zur Hin­rich­tun­gen. Ana­log hat­te sich in der Kur­pfalz eine radi­ka­le „Akti­ons­par­tei“ von fun­da­men­ta­li­sti­schen Hof­pre­di­gern und Poli­ti­kern her­aus­ge­bil­det. Die waren Antrei­ber für die kur­pfäl­zi­sche Blocka­de­po­li­tik in den Reichs­in­sti­tu­tio­nen gewe­sen. Sie rie­ten 1619 dem jun­gen Kur­für­sten, die böh­mi­sche Kro­ne anzu­neh­men. Sie waren für die land­frem­de Radi­ka­li­tät des cal­vi­ni­sti­schen Bil­der­sturms in der Pra­ger Krö­nungs­kir­che verantwortlich. 

Als Gegen­stück zu den Cal­vi­ni­sten macht Burk­hardt eine „katho­li­sche Inter­na­tio­na­le“ aus mit dem Zen­trum im gegen­re­for­ma­to­ri­schen Rom. Die Päp­ste Paul V. und  Gre­gor XV., die neu gegrün­de­te Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zur Glau­bens­ver­brei­tung, die drei deut­schen Nun­tia­tu­ren sowie der auf­stre­ben­de Jesui­ten­or­den sei­en mit ihrer Rhe­to­rik vom Ket­zer­krieg eben­falls als Scharf­ma­cher für den Aus­bruch und spä­ter die Fort­füh­rung des 30jährigen Kriegs mit­ver­ant­wort­lich gewe­sen. Zwar sind von den genann­ten Insti­tu­tio­nen mar­kan­te Sprü­che ins­be­son­de­re gegen den Cal­vi­nis­mus als „von Gott und dem Kai­ser ver­hass­te Reli­gi­on“ über­lie­fert. Aber die The­se ins­be­son­de­re der Jesui­ten als Kriegs­trei­ber scheint über­zo­gen und eher als Resü­mee anti­ka­tho­li­scher Pole­mik der Pro­te­stan­ten anzu­se­hen denn in die­ser All­ge­mein­heit histo­risch beleg­bar. So waren etwa die Jesui­ten­mis­sio­nen in deut­schen Lan­den ange­wie­sen, bei ihrer Ver­kün­di­gung kei­ner­lei Pole­mik oder auch nur Abgren­zung gegen die pro­te­stan­ti­sche Leh­re anzu­wen­den. Dass die Jesui­ten das unwis­sen­de Volk zum Reli­gi­ons­krieg gegen die Ket­zer auf­het­zen wür­den, ist daher als Falsch­be­haup­tung der pro­te­stan­ti­schen Publi­zi­stik nach­weis­bar. Eben­falls war die (bis heu­te ver­brei­te­te) The­se unzu­tref­fend, die Jesui­ten hät­ten durch­ge­hend­mals katho­li­sche Leh­re ver­brei­tet, dass man Ver­trä­ge mit Ket­zern nicht zu hal­ten brauch­te. Die Regel: pac­ta sund ser­van­da war erst von der mit­tel­al­ter­li­chen Kano­ni­stik ent­wickelt wor­den. Wenn auch in jesui­ti­scher Kasu­istik eine sol­che The­se ver­ein­zelt zu Aus­nah­me­be­din­gun­gen dis­ku­tiert wur­de, so war sie eben nicht all­ge­mein­kirch­lich ver­tre­ten und erst recht nicht für die poli­ti­sche Hand­lungs­ebe­ne relevant. 

Luthers Höllenpredigt gegen Papst und Kirche
Luthers Höl­len­pre­digt gegen Papst und Kirche

Die Luthe­ra­ner ver­schärf­ten den Ton im Lau­fe der Kri­sen­de­ka­de ab 1608. Für 1617 rief der säch­si­sche Kur­fürst ein Luther-Jubi­lä­ums­jahr aus zur Erin­ne­rung an Luthers The­sen­an­schlag 1517. In einer Flut von Flug­blät­tern, Kari­ka­tu­ren und Spott­ge­dich­ten ließ man Luthers Anti­christ-Pole­mik gegen Papst und Kir­che wie­der­auf­le­ben. An Selbst­er­hö­hung als ein­zig wah­re, allein selig­ma­chen­de Glau­bens­ge­mein­schaft sowie an Schär­fe gegen die anti­christ­li­che, teuf­li­sche und höl­len­ver­fal­le­ne Papst­kir­che über­tra­fen die Luthe­ra­ner den katho­li­schen Bann­strahl der ket­ze­ri­schen Häre­sie. Ange­sichts der Blocka­den der  insti­tu­tio­nel­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­nen wirk­ten die kirch­lich-publi­zi­sti­schen Angrif­fe auf die päpst­li­che Kir­che und ihre Glie­de­run­gen als Ansta­che­lung, die katho­li­schen Für­sten, Bischö­fe und Abtei­en mit allen Macht­mit­teln zu bekämp­fen und zurück­zu­drän­gen. Es wur­den die mar­tia­lisch­sten Luther­zi­ta­te her­aus­ge­kramt, um den eige­nen Kriegs­ei­fer anzu­fa­chen: „Das Wort Got­tes ist Krieg, ist Gift, ist Unter­gang. Die­ser Krieg ist unse­res Herr­gotts, der hat ihn durch sei­nen gött­lich frei­en Wil­len erweckt und wird nicht damit auf­hö­ren, bis er alle Fein­de sei­nes Wor­tes zuschan­den gemacht.“

Lite­ra­tur

  • *Heinz Duch­hardt: Der Weg in die Kata­stro­phe des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges. Die Kri­sen­de­ka­de 1608 – 1618, 2017
  • Hel­mut Neu­hold: Der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg, 3. Auf­la­ge 2017

Bil­der: Wiki­me­dia Commons

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3 Kommentare

  1. Der Pro­te­stan­tis­mus – eine Geschich­te der Häre­sie und des Lei­dens. Nur noch getoppt vom Calvinismus.
    Luther war ein Kir­chen­spal­ter, Unter­drücker des Bau­ern­stan­des, orga­ni­sier­ter Juden­has­ser und Befür­wor­ter der Hexen­ver­bren­nun­gen, mehr noch:der Motor, nur noch über­trof­fen von den Calvinisten.
    Luther war der Ago­nist der Unter­wer­fung jedes Chri­sten unter die jewei­li­gen pro­te­stan­ti­schen Für­sten- die­se Hörig­keit führ­te ent­schei­dend mit zum Auf­stieg AH. Jeder 2. Pro­te­stant wähl­te ihn bei der Macht­er­grei­fung, aber nicht ein­mal jeder 4. Katho­lik- die RKK droh­te jedem Katho­li­ken mit Exkom­mu­ni­ka­ti­on für die­sen Fall. Luther über­setz­te nach sei­nen eige­nen Ein­las­sun­gen die Bibel vor­sätz­lich falsch, er nann­te dies varia­tio­nes.

    • Aber Papst Fran­zis­kus scheint Luther zu mögen, sonst hät­te er wohl nicht zuge­stimmt, dass im Vati­kan eine Luther­sta­tue auf­ge­stellt wurde.

    • Das ist hoch­in­ter­es­sant. Kön­nen Sie mir hoch­wer­ti­ge Quel­len benen­nen, meh­re­re wenn mög­lich, die Ihre Argu­men­te unter­mau­ern und bewei­sen, bit­te? Vor allem zu Luthers Ein­las­sun­gen, also schwer­wie­gen­den Fäl­schun­gen der Bibel?

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