Boliviens Vizepräsident: „Christus existiert nicht“

„Ich bin totaler Kommunist“


Eigenwillige Vereidigungsgeste von Evo Morales und Alvaro García Linares (rechts).
Eigenwillige Vereidigungsgeste von Evo Morales und Alvaro García Linares (rechts).

(Sucre) Evo Mora­les, Staats- und Regie­rungs­chef von Boli­vi­en, nennt Papst Fran­zis­kus sei­nen „Freund“. Viel­leicht soll­te sich das Kir­chen­ober­haupt auch des Vize­prä­si­den­ten von Mora­les anneh­men, der mit anti­christ­li­chen Äuße­run­gen auf­fäl­lig wurde.

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Der Coca­le­ro Juan Evo Mora­les Ayma gewann 2006 als Anfüh­rer des sozia­li­sti­schen Movi­mi­en­to al Socia­lis­mo (MAS) die Prä­si­dent­schafts­wah­len in Boli­vi­en. Seit­her ist er nicht nur Staats­prä­si­dent des latein­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des, son­dern zugleich auch Regierungschef.

Sein Ver­hält­nis zur Reli­gi­on und zur katho­li­schen Kir­che ist eher ver­wor­ren. In der ersten Pha­se sei­ner Amts­zeit ver­such­te er, nach dem Muster kom­mu­ni­sti­scher Regime, eine regie­rungs­na­he Natio­nal­kir­che auf­zu­bau­en. Die Igle­sia Cató­li­ca Apo­stó­li­ca Reno­va­da del Estado Plu­ri­na­cio­nal (Erneu­er­te Katho­lisch-Apo­sto­li­sche Kir­che des plu­ri­na­tio­na­len Staa­tes) blieb aller­dings erfolg­los. Seit Papst Fran­zis­kus in Rom regiert wird das Pro­jekt von der Regie­rung nicht mehr aktiv betrieben.

Das hin­dert den ein­sti­gen Anfüh­rer der Coca-Bau­ern nicht dar­an, bei Wider­spruch oder man­geln­der Unter­stüt­zung gegen die Orts­kir­che vor­zu­ge­hen. Dort sieht man die Situa­ti­on im Lan­de weni­ger wohl­wol­lend als Fran­zis­kus in Rom. Noch im Wahl­kampf 2014 beschimpf­te Mora­les die katho­li­sche Kir­che in Boli­vi­en als „Feind des Frie­dens“, weil sie sich nicht vor sei­nen Wahl­kampf­wa­gen span­nen ließ.

Hammer-und-Sichel-Kreuz

2015 schenk­te Mora­les dem Papst ein Kru­zi­fix in der Form der kom­mu­ni­sti­schen Sym­bo­le Ham­mer und Sichel. Ent­wor­fen hat­te es ein mar­xi­sti­scher Jesu­it.

Vor einem Jahr erließ Mora­les trotz sei­ner öffent­lich zur Schau gestell­ten Freund­schaft mit Papst Fran­zis­kus ein kir­chen­feind­li­ches Gesetz, das fak­tisch jedes Apo­sto­lat unter Stra­fe stellt. Der Ein­tritt in einen katho­li­schen Orden kann mit 7–12 Jah­ren Gefäng­nis bestraft wer­den. Das Gesetz blieb bis­her toter Buch­sta­be. Der Prä­si­dent stell­te der Kir­che jedoch die Rute ins Fenster.

Der Movi­mi­en­to al Socia­lis­mo (MAS) von Mora­les weist neben Indio-Fol­ko­re eine enge Ver­strickung mit der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie, aber auch mit Ele­men­ten eines „indi­ge­ni­stisch“ moti­vier­ten Rück­falls in das Hei­den­tum auf. Der betrifft vor allem das Volk der Aymara, dem Mora­les und laut Volks­zäh­lung 15 Pro­zent der Boli­via­ner ange­hö­ren. Kon­sti­tu­ti­ver Teil der Ideo­lo­gie des links­ra­di­ka­len MAS ist eine Ableh­nung der „west­li­chen Kul­tur“. Das geht soweit, daß fak­tisch auch das Chri­sten­tum abge­lehnt wird. Statt­des­sen wur­de ziem­lich will­kür­lich ein längst abge­kom­me­nes, indi­ge­nes Hei­den­tum rekon­stru­iert: der Kult der Pachamama.

Mora­les hielt sich dafür einen Haus­scha­ma­nen. Dabei han­del­te es sich um Valen­tín Mejil­lo­nes Aca­ra­pi, Mit­glied des MAS und schil­lern­de Figur unter den Aymaras. 2000 ließ er sich zum Scha­ma­nen aus­ru­fen und soll­te Mora­les den Schutz der Indio-Göt­ter sichern. 2010 wur­de Mejil­lo­nes im Zuge einer inter­na­tio­na­len Anti-Dro­gen-Ope­ra­ti­on ver­haf­tet, weil er ein Labor zur Kokain­her­stel­lung und regen Han­del damit auch Rich­tung Westen betrieb.

Vizepräsident Alvaro García Linera 

Zu sei­nem Vize­prä­si­den­ten ernann­te Mora­les 2006 Alva­ro Gar­cía Line­ra, der seit­her zugleich Prä­si­dent bei­der Kam­mern des boli­via­ni­schen Par­la­ments ist. Sowohl in der Abge­ord­ne­ten­kam­mer als auch im Senat ver­fügt der Movi­mi­en­to al Socia­lis­mo über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. 

Steckbrief und Verhaftung
Steck­brief und Verhaftung

Alva­ro Gar­cía Line­ra, 1962 im boli­via­ni­schen Coch­abam­ba gebo­ren, ist euro­päi­scher Abstam­mung. Der Mit­tel­klas­se-Sohn beschäf­tig­te sich bereits in sei­ner Jugend mit den Schrif­ten von Marx und Lenin, was er als Schlüs­sel­er­leb­nis für sei­ne For­mung bezeich­net. Als Stu­dent der Mathe­ma­tik in Mexi­ko schloß er sich lin­ken Grup­pie­run­gen an. Beein­flußt durch sei­ne erste Frau, die Mexi­ka­ne­rin Raquel Gut­ier­rez, die Kon­tak­te zu lin­ken Gue­ril­la­or­ga­ni­sa­tio­nen in El Sal­va­dor und Nika­ra­gua unter­hielt, begann auch Gar­cía Line­ra den Links­na­tio­na­lis­mus der Indi­ge­nen-Bewe­gung zu unter­stüt­zen. Nach sei­ner Rück­kehr in sein Hei­mat­land, 1984, schloß er sich der stark mao­istisch gepräg­ten Aymara-Bewe­gung Tupac Kata­ri an. Damals lern­te er laut eige­nen Anga­ben auch Evo Mora­les kennen.

1986 gehör­te Gar­cía Line­ra zu den Grün­dern der Gue­ril­la­or­ga­ni­sa­ti­on Ejérci­to Guer­ril­le­ro Tupaj Kata­ri (EGTK), die den bewaff­ne­ten Kampf um die Macht auf­nahm. Ideo­lo­gisch wur­de von ihm der anti-euro­päi­sche, indi­ge­ne „Kata­ris­mus“ mit dem Mar­xis­mus ver­knüpft. 1992 wur­den er und wei­te­re EGTK-Mit­glie­der, dar­un­ter sei­ne Frau und sein Bru­der, wegen Ter­ro­ris­mus und Angriff gegen die staat­li­che Ord­nung ver­haf­tet. Bis 1997 blieb er in Haft. Die links­ori­en­tier­te Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Amne­sty Inter­na­tio­nal setz­te sich für die Gefan­ge­nen ein und warf der boli­via­ni­schen Justiz Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen vor.

Nach der Zer­schla­gung der Tupac Kata­ri-Bewe­gung durch den Staat ent­stand der Movi­mi­en­to al Socia­lis­mo (MAS) von Mora­les. Aus der Haft ent­las­sen wur­de Gar­cía Line­ra wie­der poli­tisch aktiv. Er erhielt an der staat­li­chen Uni­ver­si­tät Uni­ver­si­dad Mayor de San Andrés eine Pro­fes­sur für Sozio­lo­gie, obwohl er über kei­nen aka­de­mi­schen Stu­di­en­ab­schluß ver­fügt und von sei­nem Mathe­ma­tik-Stu­di­um sei­ner­zeit nur zehn Pro­zent der Prü­fun­gen absol­viert hat­te. 2000 schloß er sich dem MAS von Mora­les an und wur­de zum eigent­li­chen poli­ti­schen Vor­den­ker der Bewe­gung. Gar­cía Line­ra orga­ni­sier­te die lan­des­wei­te ideo­lo­gi­sche Schu­lung der Mitglieder.

Seit 2006 ist er Vize­prä­si­dent von Boli­vi­en und gilt als aktiv­stes Regie­rungs­mit­glied. Von ihm stammt die Bezeich­nung der Regie­rungs­li­nie als „kom­mu­ni­ta­ri­schen Mar­xis­mus“. Lin­ke Medi­en bezeich­nen ihn als „klas­si­schen Mar­xi­sten“ und „bedeu­tend­sten lin­ken Vize­prä­si­den­ten Latein­ame­ri­kas“. Er selbst sag­te von sich, ein „Intel­lek­tu­el­ler, der regiert“ und ein „tota­ler Kom­mu­nist“ zu sein.

Nach der Tren­nung von Raquel Gut­ier­rez hei­ra­te­te er 2012 die Jour­na­li­stin Clau­dia Fer­nan­dez Val­di­via, zunächst stan­des­amt­lich, dann auch kirchlich.

Vizepräsident glaubt nicht an Jesus, aber an Pachamama

Zum Jah­res­wech­sel gab Vize­prä­si­dent Gar­cía Line­ra bei einer Pres­se­kon­fe­renz mit poli­ti­schem Jah­res­rück­blick und Aus­blick auf das neue Jahr ein anti­christ­li­ches Bekennt­nis ab. Wört­lich sag­te er:

„Ich ver­traue auf Pacha­ma­ma, um Gas zu fin­den, denn Chri­stus exi­stiert nicht. Ich glau­be weder an ihn noch an unse­re Lie­be Frau von Copacabana.“

Die Erd­gas­för­de­rung gehört zu den wich­tig­sten Ein­nah­me­quel­len des Landes. 

Mit Podemos-Chef Pablo Iglesias
Mit Pode­mos-Chef Pablo Iglesias

Sei­ne Wor­te stie­ßen im Land auf erheb­li­che Kri­tik. Dem Vize­prä­si­den­ten wur­de in der Tages­zei­tung Los Tiem­pos Irra­tio­na­li­tät vor­ge­hal­ten. Einer­seits glau­be er nicht an Jesus Chri­stus, erwar­te aber Wun­der von Pacha­ma­ma, wo in Wirk­lich­keit die Regie­rung gefor­dert sei. Erd­gas­vor­kom­men las­sen sich durch „Inve­sti­tio­nen, tech­ni­schen Auf­wand und vor allem Pro­be­boh­run­gen“ fin­den. Abge­se­hen davon, so die Zei­tung, sei­en sol­che Aus­sa­gen von einem Staats­ver­tre­ter gera­de­zu „absurd“ in sei­nem Land, in dem so vie­le Ein­woh­ner Katho­li­ken sind.

Am 29. Okto­ber 2019 fin­den Neu­wah­len statt. Mora­les und sein MAS müs­sen sich nach fünf Jah­ren wie­der den Wäh­lern stel­len. Die Ver­fas­sung sah ursprüng­lich kei­ne wei­te­re Amts­zeit vor. Mora­les änder­te sie aber zu sei­nen Gun­sten, was in einer Volks­ab­stim­mung vom Volk abge­lehnt wur­de. Den­noch darf Mora­les erneut kan­di­die­ren, weil der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof die Man­dats­be­schrän­kung als Ein­schrän­kung sei­ner Bür­ger­rech­te aufhob.

Der Grund für Gar­cía Line­ras anti­christ­li­ches Bekennt­nis könn­te dar­in lie­gen, daß er ankün­dig­te, in die­sem Jahr nicht mehr als Vize­prä­si­dent zu kan­di­die­ren. Er wol­le sich ganz dem „Kampf der Ideen“ wid­men. Einen Vor­ge­schmack lie­fer­te er gleich mit. Er wer­de aber wei­ter­hin Mora­les in „allen Schlach­ten“ unterstützen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: RLA (Screen­shot)

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Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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