Pakt zwischen Papst Franziskus und Piusbruderschaft zur Isolierung der Tradition?

Die Auflösung der Kommission Ecclesia Dei und ihre Folgen


Bereitet Papst Franziskus einen Schlag vor, mit Hilfe der Piusbruderschaft die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zu beseitigen?
Bereitet Papst Franziskus einen Schlag vor, mit Hilfe der Piusbruderschaft die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zu beseitigen?

(Rom) Immer mehr Stim­men befas­sen sich mit den Gerüch­ten, daß die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei unmit­tel­bar vor der Auf­lö­sung ste­he. Die bei­den Autoren Fabri­zio Can­no­ne und Ales­san­dro Rico sehen dar­in ein päpst­li­ches Manö­ver, um die Tra­di­ti­on hin­ter­rücks zu meucheln.

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Fabri­zio Can­no­ne, Jahr­gang 1974, ist pro­mo­vier­ter Kir­chen­hi­sto­ri­ker und Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler, der unter ande­rem für Cor­ri­spon­den­za Roma­na, Fides Catho­li­ca, Hom­me Nou­veau und zahl­rei­che ande­re katho­li­sche Medi­en publi­ziert. Zuletzt ver­öf­fent­lich­te er das Buch: „Der unbe­que­me Papst. Geschich­te und Hin­ter­grün­de der Selig­spre­chung von Pius IX.“ (1) Ales­san­dro Rico, Jahr­gang 1991, stu­dier­te Phi­lo­so­phie an der Sapi­en­za und Poli­ti­sche Ideen­ge­schich­te an der LUISS in Rom. 2017 ver­öf­fent­lich­te er zusam­men mit Loren­zo Castel­la­ni das Buch „Das Ende der Poli­tik? Tech­no­kra­tie, Popu­lis­mus, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus“. (2) Er nennt sich einen „Katho­li­ken, Kon­ser­va­ti­ven und Geg­ner der poli­ti­schen Kor­rekt­heit“. Bei­de ste­hen der katho­li­schen Tra­di­ti­on nahe.

In den ver­gan­ge­nen Tagen ver­här­te­ten sich die Gerüch­te, daß Papst Fran­zis­kus im Janu­ar 2019 die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei auf­lö­sen und deren Auf­ga­ben der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on über­tra­gen werde. 

„Eine Ent­schei­dung, hin­ter der sich ein neu­es Kapi­tel des vati­ka­ni­schen Krie­ges zwi­schen Pro­gres­si­sten und Kon­ser­va­ti­ven ver­stecken könn­te. Mit die­sem Schritt möch­te Fran­zis­kus eine wei­te­re Offen­si­ve gegen sei­ne Wider­sa­cher starten.“

Die Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei wur­de 1988 von Johan­nes Paul II. errich­tet. Sie wur­de zum Dach für die damals und danach ent­ste­hen­den Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on, die in der Ein­heit mit Rom blie­ben, als Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re und die damals neu­ge­weih­ten Bischö­fe der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. (FSSPX) von Rom für exkom­mu­ni­ziert erklärt wurden.

Mit der Wahl von Bene­dikt XVI. war sie zudem mit den Gesprä­chen mit der Pius­bru­der­schaft betraut, um eine Ver­söh­nung und die kano­ni­sche Aner­ken­nung vorzubereiten.

Die von Kuri­en­erz­bi­schof Gui­do Poz­zo als Sekre­tär gelei­te­te Kom­mis­si­on ist auch für Fra­gen zur über­lie­fer­ten Form des Römi­schen Ritus zuständig. 

„Obwohl Poz­zo kein Ultra­kon­ser­va­ti­ver ist“, so die Autoren, arbei­te­te er inten­siv dar­an, die Pius­bru­der­schaft in die Ein­heit mit Rom zurückzuführen. 

„In der Ver­gan­gen­heit tadel­te er die Prä­la­ten, die sich der triden­ti­ni­schen Mes­se wider­setz­ten, die er selbst regel­mä­ßig zele­briert, sodaß er als Bezugs­punkt für jene gilt, die noch dem alten Ritus ver­bun­den sind.“

Die neue Maß­nah­me von Papst Fran­zis­kus wür­de daher vor allem Erz­bi­schof Poz­zo tref­fen, der „nie der Kir­che unge­hor­sam war“. Der Papst weiß, daß sich der Prä­lat auch einer Ent­fer­nung aus der jet­zi­gen Auf­ga­be wider­stands­los fügen würde.

Msgr. Poz­zo sei aller­dings nicht nur bei Papst Fran­zis­kus nicht beson­ders beliebt, son­dern auch – wenn auch aus ande­ren Grün­den – bei der Pius­bru­der­schaft. Bei­de Sei­ten sto­ßen sich nicht an der Per­son, son­dern an der Insti­tu­ti­on, die er ver­tritt, mit der die Päp­ste Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. die Tra­di­ti­on insti­tu­tio­nell aner­kann­ten. Papst Fran­zis­kus, weil er weder Not­wen­dig­keit für die­se Insti­tu­tio­na­li­sie­rung sieht noch Ver­ständ­nis für die Tra­di­ti­on hat. In der Ver­gan­gen­heit sprach er von einer „vor­über­ge­hen­den Mode“, die er nicht ver­ste­hen kön­ne. Die Pius­bru­der­schaft stößt sich dar­an, weil sie sich selbst als exklu­si­ve Wah­re­rin der Tra­di­ti­on sieht und in der Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei und den Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten „Kon­kur­renz“ erkennt. Dabei spie­len Res­sen­ti­ments mit, die auf das Jahr 1988 zurück­ge­hen, als das Motu pro­prio Eccle­sia Dei als römi­sche Gegen­maß­nah­me zur Pius­bru­der­schaft gese­hen wur­de. Die­se Ansicht ist in der Bru­der­schaft auch 30 Jah­re spä­ter noch anzutreffen.

Die Pius­bru­der­schaft depo­nier­te in Rom den Wunsch, direkt mit der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Gesprä­che füh­ren zu kön­nen, und nicht mit der unter­ge­ord­ne­ten Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei.

„Der Papst, der den Kle­rus und die Gläu­bi­gen, die der vor­kon­zi­lia­ren Mes­se ver­bun­den sind, nur schwer ertra­gen kann, habe die Gele­gen­heit beim Schopf gepackt, um der kon­ser­va­ti­ven Front einen direk­ten Schlag zu ver­set­zen, indem er den Erz­bi­schof [Poz­zo] mar­gi­na­li­siert, der ohne Extre­me die über­lie­fer­te Lit­ur­gie zur Gel­tung brachte.“

Fran­zis­kus ver­su­che gleich­zei­tig die bei­den tra­di­tio­na­li­sti­schen See­len gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len. Er set­ze dabei auf den Wunsch nach Revan­che der Pius­bru­der­schaft gegen die aus ihr her­vor­ge­gan­ge­ne „Kon­kur­renz“ der Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten.

Die Pius­bru­der­schaft, so die Ein­schät­zung von Fran­zis­kus, ver­spü­re zudem „immer grö­ße­ren Druck“, zu einer Eini­gung mit Rom zu kom­men. Ihr sind seit dem Aus­schluß von Richard Wil­liam­son nur mehr drei Bischö­fe ver­blie­ben, deren Alter 73, 61 und 60 beträgt. In der Bru­der­schaft gebe es den Wunsch nach wei­te­ren Bischö­fen. Wenn nicht wie­der alles wie 1988 von vor­ne begin­nen sol­le, braucht sie dazu die Ein­wil­li­gung durch den regie­ren­den Papst.

Die Autoren unter­strei­chen, daß es in die­sem Kon­text ver­ständ­lich sei, daß in Krei­sen der Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten, die offen­bar bevor­ste­hen­den Auf­lö­sung der Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei als „Pakt zwi­schen Lefeb­vria­nern und Fran­zis­kus zum Nach­teil der ande­ren Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on ver­stan­den wird“.

Und wei­ter:

„Es ist bekannt, daß die Pro­gres­si­sten dar­auf abzie­len, sich von jedem Über­bleib­sel der vor­kon­zi­lia­ren Lit­ur­gie zu befrei­en, obwohl die Mes­se in der über­lie­fer­ten Form im Gegen­satz zu vie­len plat­ten und zusam­men­hangs­lo­sen Mes­sen, wie sie in unse­ren Pfar­rei­en gefei­ert wer­den,  immer mehr Gläu­bi­ge anzieht. Im Novem­ber hat­te Msgr. Rober­to Maria Radael­li, der Bischof von Görz, sogar behaup­tet, daß Sum­morum Pon­ti­fi­cum, das Motu pro­prio von Bene­dikt XVI., mit dem die latei­ni­sche Mes­se wie­der frei­ge­ge­ben wur­de, kir­chen­recht­lich nicht gül­tig sei.“ 

2017 hat­te der pro­gres­si­ve Lit­ur­gi­ker Andrea Gril­lo in einem RAI-Inter­view gefor­dert, den über­lie­fer­ten Ritus nur mehr für eine klei­ne, klar umris­se­ne Grup­pe zuzu­las­sen, die streng defi­niert und kon­trol­liert wer­den soll­te. Sei­ne Wor­te wur­de von Beob­ach­tern als For­de­rung ver­stan­den, ein eng umheg­tes, exo­ti­sches Reser­vat für die Pius­bru­der­schaft zu schaf­fen, wäh­rend den ande­ren Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on, die heu­te in der Ein­heit mit Rom ste­hen, die Exi­stenz­be­rech­ti­gung ent­zo­gen wer­den sollte.

Rico und Can­no­ne sind der Ansicht, daß Papst Fran­zis­kus die­se For­de­rung zu sei­ner Stra­te­gie erho­ben habe mit dem Ziel, zuerst mit Hil­fe der Pius­bru­der­schaft die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten zu besei­ti­gen, und dann die Pius­bru­der­schaft an die kur­ze Lei­ne zu legen.

Sie schlie­ßen mit einer Fra­ge, die auch nach bald sechs Jah­ren des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus kei­ne wirk­li­che Ant­wort gefun­den hat: 

„War­um aber soviel Ein­satz gegen die triden­ti­ni­sche Mes­se? Die katho­li­sche Kir­che hat, von Sexu­al­skan­da­len und der Pla­ge homo­se­xu­el­ler, pädo­phi­ler Prie­ster erschüt­tert, ganz ande­re Sor­gen, um die sie sich zu küm­mern hät­te. Im Vati­kan scheint es aber wei­ter­hin zur Prio­ri­tät zu gehö­ren, das Vater­un­ser, die Sou­ta­nen und die knien­de Mund­kom­mu­ni­on zu bestrafen“.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Veri­tà (Screen­shot)

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(1) Fabri­zio Can­no­ne: Il papa sco­mo­do. Sto­ria e retro­s­ce­na del­la bea­ti­fi­ca­zio­ne di Pio IX. Vor­wort von Rober­to de Mat­tei, Edi­zio­ni Ares, Mai­land, 2012, 440 Seiten.

(2) Ales­san­dro Rico/​Lorenzo Castel­la­ni: La fine del­la poli­ti­ca? Tec­no­cra­zia, popu­lis­mo, mul­ti­cul­tu­ra­lis­mo, Histo­ri­ca Edi­zio­ni, Cese­na 2017, 160 Seiten. 

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