Der Niedergang eines Seminars

„Schule der Zukunft“ statt bischöfliches Seminar


Als es in den Diözesen noch zahlreiche Seminaristen gab.
Als es in den diözesanen Priesterseminaren noch zahlreiche Seminaristen gab.

(Rom) Das Prie­ster­se­mi­nar der Diö­ze­se Vicen­za stand vor weni­gen Jahr­zehn­ten noch in höch­ster Blü­te. Aus die­sem Bis­tum stammt Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin, der 1980 für die Diö­ze­se zum Prie­ster geweiht wurde. 

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Bis in die frü­hen 70er Jah­re zähl­te das Gro­ße Semi­nar kon­stant 130–150 Semi­na­ri­sten. Das Klei­ne Semi­nar, das bischöf­li­che Gym­na­si­um, wur­de von rund 200 Schü­lern besucht. Jähr­lich wur­den 20–25 Neu­prie­ster geweiht.

Das war kei­ne Sel­ten­heit, son­dern in gan­zen euro­päi­schen Land­stri­chen die Regel.

Die Diö­ze­se ver­füg­te über eine bekann­te Scho­la Can­torum, die aus hun­dert Sän­gern bestand, die den bei­den Semi­na­ren ange­hör­ten. Gelei­tet wur­de sie von Msgr. Erne­sto Dal­la Libe­ra (1884–1980), der sich als Stu­dent auf eige­ne Kosten Kla­vier- und Orgel­un­ter­richt nahm und sich bei den Bene­dik­ti­nern von Par­ma im Gre­go­ria­ni­schen Cho­ral aus­bil­den ließ. Er wur­de in sei­nem Hei­mat­bis­tum zum Haupt­ver­tre­ter der Cäci­li­en­be­we­gung und vom dama­li­gen Bischof, Msgr. Fer­di­nan­do Rodol­fi, Bischof ab 1911, mit der Umset­zung der lit­ur­gi­schen Erneue­rung in der Diö­ze­se beauf­tragt. Von 1908–1968 war Dal­la Libe­ra Chor­mei­ster der Scho­la Can­torum des bischöf­li­chen Semi­nars, die ihren musi­ka­li­schen Dienst am Dom von Vicen­za verrichtete.

Die Scho­la exi­stiert schon lan­ge nicht mehr.

Das Prie­ster­se­mi­nar zählt aktu­ell, im Stu­di­en­jahr 2018/​2019, neun Semi­na­ri­sten, obwohl die Bevöl­ke­rung im Bis­tum seit 1970 um 30 Pro­zent von 670.000 auf 867.000 Ein­woh­ner ange­wach­sen ist.

2018 gab es kei­ne Prie­ster­wei­he. Auch 2019 und 2020 wird es, wie es der­zeit aus­sieht, kei­nen Neu­prie­ster geben.

Das Klei­ne Semi­nar wur­de vor drei Jah­ren geschlos­sen und die Auf­ga­be der Beru­fungs­pa­sto­ral unter Gym­na­sia­sten einem Ein­kehr- und Begeg­nungs­zen­trum für Jugend­li­che über­tra­gen. Das in den 50er Jah­ren unter gro­ßen finan­zi­el­len Opfern der Gläu­bi­gen neu­errich­te­te Semi­nar­ge­bäu­de wur­den 2015 an den staat­li­chen Gesund­heits­dienst verkauft.

Nun wur­de bekannt, daß in das ehe­ma­li­ge Klei­ne Semi­nar die Pri­vat­schu­le H‑Farm ein­zie­hen wird. Sie beschreibt sich als „Schu­le der Zukunft“. Es gibt „weder Tafel noch Schul­bän­ke“, son­dern „Mobi­li­tät und Ver­net­zung“. Die Haupt­werk­zeu­ge sei­en „McBook und iPad ab der Grund­schu­le“. Die Digi­ta­li­sie­rung und der Umgang mit den moder­nen, tech­ni­schen Hilfs­mit­teln sei zen­tra­ler Bestand­teil der „Schul­phi­lo­so­phie“. Beson­de­res Gewicht wer­de auf „Robo­tik und künst­li­che Intel­li­genz“ gelegt, aber auch auf „Magic hour, um die Super­hel­den unse­rer Zeit“ ken­nen­zu­ler­nen, und auf „Soft skills, um tüch­ti­ge Mana­ger mit Lea­der­ship und Empa­thie“ her­an­zu­bil­den. H‑Farm will ein „völ­lig neu­es Schul­mo­dell ent­wickeln“ und an eini­gen „tau­send Schü­lern“ im H‑Campus testen, um es dann schritt­wei­se zu exportieren.

Das Spek­trum soll am Ende vom Kin­der­gar­ten bis zur post­uni­ver­si­tä­ren Wei­ter­bil­dung rei­chen. „Eine Span­ne vom 3. bis zum 33. Lebens­jahr“, so der Grün­der und Chef des Unter­neh­mens Ric­car­do Dona­don. Das Geld kommt zur Hälf­te von pri­va­ter Sei­te über die Ver­si­che­rungs­an­stalt Cat­to­li­ca Assis­cu­ra­zio­ni, deren größ­ter Ein­zel­ak­tio­när War­ren Buf­fett ist. Die ande­re Hälf­te finan­ziert die öffent­li­che Hand über ein Kre­dit­in­sti­tut, das vom Wirt­schafts- und Finanz­mi­ni­ste­ri­um kon­trol­liert wird. Die Koope­ra­ti­on war von der Vor­gän­ger­re­gie­rung ein­ge­gan­gen worden.

„Trau­rig“ sei, so die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Inter­net­sei­te Mes­sa in Lati­no, daß ein bischöf­li­ches Gym­na­si­um zusperrt, wäh­rend ein ande­rer pri­va­ter Schul­trä­ger aufsperrt.

Mes­sa in Lati­no wirft dem amtie­ren­den Bischof von Vicen­za vor, die Bestä­ti­gung zu sein, daß die „typi­sche“ Akti­vi­tät eines Bischofs heu­te, die eines „Ver­wal­ters des Nie­der­gangs“ sei: „zusper­ren, auf­las­sen, verkaufen“. 

„Ist es mög­lich, daß kei­ner sich bewußt wird, daß es eine Kurs­än­de­rung braucht?“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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