Papst Franziskus, der absolute Monarch

Änderung des Vaterunsers verlangt


Papst Franziskus, der absolute Monarch, verlangte von der Italienischen Bischofskonferenz eine Änderung des Vaterunsers.
Papst Franziskus, der absolute Monarch, verlangte von der Italienischen Bischofskonferenz eine Änderung des Vaterunsers.

(Rom) Unter dem Pseud­onym Mar­can­to­nio Colon­na nann­te der bri­ti­sche Histo­ri­ker Hen­ry Sire Papst Fran­zis­kus einen „Dik­ta­tor­papst“. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster nennt das regie­ren­de Kir­chen­ober­haupt nun einen „abso­lu­ten Mon­ar­chen“ und schil­dert die Hin­ter­grün­de, die in Ita­li­en zur Neu­fas­sung des Vater­un­sers führten.

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Als Bei­spiel für den mon­ar­chi­schen Abso­lu­tis­mus ver­weist Magi­ster auf die über­ra­schen­de Inter­ven­ti­on von Fran­zis­kus vom 12. Novem­ber, als er der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz unter­sag­te, stren­ge Maß­nah­men gegen den sexu­el­len Miß­brauch durch kirch­li­che Hier­ar­chen zu beschließen.

Zur sel­ben Zeit ver­lang­te er von der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz auf ihrer Herbst­voll­ver­samm­lung das Vater­un­ser zu ändern. Die Bit­te „und füh­re uns nicht in Ver­su­chung“ muß­te geän­dert wer­den, weil Fran­zis­kus die For­mu­lie­rung des Evan­ge­li­ums „nicht gut“ fin­det (sie­he auch Papst Fran­zis­kus, Euge­nio Scal­fa­ri und die Ände­rung des „Vater unsers“).

Die Bischö­fe tag­ten hin­ter ver­schlos­se­nen Türen. Am Ende wur­de in einer Pres­se­er­klä­rung ledig­lich das Ergeb­nis bekannt­ge­ge­ben samt der neu­en For­mu­lie­rung: „und ver­las­se uns nicht in der Ver­su­chung“.

Magi­ster rekon­stru­ier­te, wie es zu die­ser Ent­schei­dung kam.

„Als die Fra­ge am Nach­mit­tag des 14. Novem­ber zur Dis­kus­si­on gestellt wur­de, ver­tei­dig­ten eini­ge Bischö­fe die tra­di­tio­nel­le Ver­si­on und for­der­ten, daß sie bei­be­hal­ten und wenn schon, den Gläu­bi­gen bes­ser erklärt wer­de, anstatt sie zu ändern.

In der Tat ist die For­mu­lie­rung „und füh­re uns nicht in Ver­su­chung“ eine prä­zi­se Wie­der­ga­be der latei­ni­schen Fas­sung, wie es im lit­ur­gi­schen Gesang wei­ter­hin in Gel­tung ist: ‚et ne nos indu­cas in ten­ta­tio­nem′. Dar­in spie­gelt sich wort­ge­treu das grie­chi­sche Ori­gi­nal wider ‚kai me eise­n­én­kes hemás eis pei­ras­món (καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν).

Vom Vor­sitz wur­den die­se Stim­men jedoch sofort zum Schwei­gen gebracht. Den Bischö­fen wur­de mit­ge­teilt, daß die Wor­te ‚uns nicht in Ver­su­chung auf alle Fäl­le zu ändern sei­en und allein über die Neu­über­set­zung dis­ku­tiert und abge­stimmt wer­den dürfe.

Dies des­halb, weil ‚es so ent­schie­den wur­de‘. Alle im Saal dach­ten an Papst Franziskus.

Als neue For­mu­lie­rung schlug der Vor­sitz der Bischofs­kon­fe­renz die bereits in der neu­en ita­lie­ni­schen Bibel­über­set­zung ent­hal­te­ne For­mel vor, die vom Hei­li­gen Stuhl 2008 gut­ge­hei­ßen wur­de und anschlie­ßend Ein­gang in das Lek­tio­nar in der ita­lie­ni­schen Volks­spra­che fand: ‚und ver­las­se uns nicht in der Ver­su­chung.

Erlaubt war den Bischö­fen, alter­na­ti­ve For­mu­lie­run­gen vor­zu­schla­gen und zur Abstim­mung zu brin­gen unter der Bedin­gung, daß sie jeweils von min­de­stens 30 Bischö­fen unter­stützt werden.

Vaterunser (Ain Karim)
Vater­un­ser (Ain Karim)

Der Erz­bi­schof von Chie­ti-Vas­to, Bru­no For­te, bekannt­lich mit sehr engem Nah­ver­hält­nis zum Papst, sam­mel­te die not­wen­di­gen Unter­schrif­ten und schlug alter­na­tiv fol­gen­de Über­set­zung vor: ‚und gib, daß wir nicht in Ver­su­chung fal­len′.

Zur Unter­stüt­zung sei­nes Vor­schla­ges erklär­te For­te, daß das auch die von Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni bevor­zug­te Ver­si­on gewe­sen sei, eines gro­ßen Bibel­fach­man­nes. Zudem stün­de sie den lit­ur­gi­schen Ver­sio­nen des Vater­un­sers in ande­ren roma­ni­schen Spra­chen näher, wie sie von der Spa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz mit ‚y no nos dejes caer en la tent­a­ci­on und von der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz mit ‚et ne nous laisse pas ent­rer en ten­ta­ti­onbeschlos­sen wurden.

Gegen For­te trat jedoch Kar­di­nal Giu­sep­pe Beto­ri, der Erz­bi­schof von Flo­renz, auf, der als Bibel­wis­sen­schaft­ler und sei­ner­zeit als Gene­ral­se­kre­tär der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ein akti­ver För­de­rer der Neu­über­set­zung des Vater­un­sers war, wie sie Ein­gang in die neue Bibel­über­set­zung und in das Lek­tio­nar der Mes­se gefun­den hat.

Beto­ri wider­sprach und bezeich­ne­te For­tes Beru­fung auf Mar­ti­ni als unan­ge­mes­sen, weil auch jener illu­stre Kar­di­nal in Wirk­lich­keit die For­mu­lie­rung ‚ver­las­se uns nicht′ bevor­zugt habe, so wie ein ande­rer gelehr­ter, ver­stor­be­ner Kar­di­nal, Gia­co­mo Bif­fi, der heu­te auch als Zeu­ge zitiert wird.

For­te erwi­der­te dar­auf, über die Sache mit Papst Fran­zis­kus gespro­chen zu haben, der sich mit der For­mu­lie­rung ‚und laß uns nicht in Ver­su­chung fal­len ein­ver­stan­den erklärte.

Ein Rau­nen ging durch den Saal. Kar­di­nal Gual­tie­ro Bas­set­ti, der Vor­sit­zen­de der Bischofs­kon­fe­renz, reagier­te prompt und es kam zu einem kur­zen Schlag­ab­tausch zwi­schen beiden.

Dar­auf folg­te die Abstim­mung, die eine genau in der Mit­te gespal­te­ne Ver­samm­lung offen­bar­te: 94 Stim­men für den Vor­schlag des Vor­sit­zes und 94 Stim­men für den Vor­schlag von Forte.

Gemäß Sta­tu­ten bedarf ein Ände­rungs­an­trag der Mehr­heit. Bei Stim­men­gleich­heit gilt er als abge­lehnt. Dadurch behielt die For­mu­lie­rung ‚und ver­las­se uns nicht in der Ver­su­chung‘ die Ober­hand, wenn auch nur um den Hauch einer ein­zi­gen Stimme.

Der Chro­nik wegen: Als im Mai 2002 die neue Ver­si­on des Vater­un­sers für das Lek­tio­nar beschlos­sen wur­de, sag­te Beto­ri, der damals Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­kon­fe­renz war:

‚Die even­tu­el­le Über­nah­me die­ser Über­set­zung in den lit­ur­gi­schen Ritus und in das per­sön­li­che Gebet wird sich zum Zeit­punkt der Über­set­zung der drit­ten Aus­ga­be des Mis­sa­le Roma­num stel­len. Die Ent­schei­dung, die nun getrof­fen wird, wird aber in gewis­ser Wei­se die künf­ti­ge Ent­schei­dung prä­ju­di­zie­ren, da es schwer­fällt, sich ein Neben­ein­an­der von zwei For­mu­lie­run­gen vorzustellen.‘

Nun ist die damals beschlos­se­ne Neu­for­mu­lie­rung nicht mehr ‚even­tu­ell‘, son­dern Rea­li­tät geworden.

Es hät­te auch gar nicht anders sein kön­nen, da Papst Fran­zis­kus der Voll­ver­samm­lung der Bischofs­kon­fe­renz die Erset­zung der tra­di­tio­nel­len Fas­sung zur Auf­la­ge gemacht hat­te und den Bischö­fen sogar unter­sag­te, die­se zu verteidigen.

Am 5. Dezem­ber begann unter­des­sen der Papst bei den Gene­ral­au­di­en­zen am Mitt­woch just mit einer neu­en Kate­che­sen­rei­he über das Vater­un­ser. Es wird inter­es­sant sein, zu hören, was er zur Anru­fung sagen wird, deren Neu­über­set­zung er verlangte.“

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screenshot)/Wikicommons

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