Die Kirche „amazonisieren“

Auf dem Weg zur Amazonassynode


Amazonassynode, REPAM, der politische Kampf und das künftige Amazonas-Priestertum des politisch, sozial und ökologisch engagierten Priesters.
Amazonassynode, REPAM, der politische Kampf und das künftige Amazonas-Priestertum des politisch, sozial und ökologisch engagierten Priesters.

(Rom) Papst Fran­zis­kus führ­te den neu­en Begriff „Syn­oda­li­tät“ ein. Die von ihm ein­be­ru­fe­nen Bischofs­syn­oden wer­den von ihm als Instru­ment gese­hen, der Kir­che Kurs­än­de­run­gen zu ver­ord­nen. Die Fami­li­en­syn­ode 2014/​2015 hat­te sein umstrit­te­nes Doku­ment Amo­ris lae­ti­tia zur Fol­ge. Es löste gro­ße Unru­he in die Kir­che aus, deren wei­te­re Ent­wick­lung nicht abseh­bar ist. Die Jugend­syn­ode 2018 ging vor weni­gen Wochen zu Ende und die Kir­che war­tet, in Tei­len besorgt, auf die Ver­öf­fent­li­chung des nach­syn­oda­len Schrei­bens. Für Okto­ber 2019 wur­de von Fran­zis­kus bereits die Ama­zo­nas­syn­ode ein­be­ru­fen. Mit ihr hängt ein wei­te­rer Neo­lo­gis­mus zusam­men, das neue Verb „ama­zo­ni­sie­ren“.

Anzei­ge

Dabei han­delt es sich um die erste Bischofs­syn­ode die­ses Pon­ti­fi­kats, die nur einen geo­gra­phi­schen Teil­be­reich der Kir­che betrifft, näm­lich das süd­ame­ri­ka­ni­sche Ama­zo­nas­becken. Das Ziel der Syn­ode ist, wie aus­rei­chend laut von ver­schie­de­nen Kräf­ten in der Kir­che zu ver­ste­hen gege­ben wur­de, die Auf­he­bung des prie­ster­li­chen Zöli­bats. Auch ver­hei­ra­te­te, nicht zöli­ba­t­är leben­de Män­ner sol­len zur Prie­ster­wei­he zuge­las­sen wer­den. Begrün­det wird die­se For­de­rung mit dem „Not­stand“, der durch den Prie­ster­man­gel in der seel­sorg­li­chen Betreu­ung der Indi­os herrsche.

An der rea­len Exi­stenz die­ses „Not­stan­des“ bestehen jedoch ernst­haf­te Zwei­fel. Kri­ti­ker bezeich­nen ihn als Vor­wand, den inner­kirch­li­che Alt-68er erfun­den haben, um doch noch ihre 68er-Agen­da der Zöli­bats­be­sei­ti­gung durch­zu­set­zen. Die trei­ben­den Kräf­te sei­en vor allem euro­päi­sche Krei­se in der Kir­che. Es sei grund­sätz­lich bedenk­lich, ja ver­ant­wor­tungs­los, Hand an das Wei­he­sa­kra­ment der Kir­che zu legen und einen Prä­ze­denz­fall zu schaf­fen, weil in irgend­ei­nem begrenz­ten Raum ein Eng­paß exi­stiert. Die Mis­sio­nie­rung von 250–300.000 Urwald-Indi­os ste­he, prak­tisch gese­hen, in kei­nem Ver­hält­nis zur Gesamt­zahl von 1,3 Mil­li­ar­den Katho­li­ken. Erst recht gel­te das aus der theo­lo­gi­schen Perspektive.

Bestä­tigt wird Vor­wand-The­se durch die gleich­zei­ti­ge Ableh­nung von alter­na­ti­ven Lösun­gen. So war im Spät­som­mer 2017 ange­regt wor­den, jeden Mis­si­ons­or­den der Kir­che um die Ent­sen­dung von zwei Prie­stern in den Ama­zo­nas zu bit­ten. Damit wäre das Pro­blem mehr als beho­ben. Der Vor­schlag wur­de von Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes, dem rang­höch­sten Wort­füh­rer der Ama­zo­nas-Agen­da aber ener­gisch abge­lehnt:

„Nein, nein, das will der Papst nicht!“

„Das will der Papst nicht!“ Man muß vor die­sem Hin­ter­grund kein Hell­se­her sein, um zu ver­ste­hen, daß auf eine geo­gra­phi­sche Teil­syn­ode, im Hand­um­dre­hen wei­te­re geo­gra­phi­sche Teil­syn­oden fol­gen wür­den, um den Zöli­bat auf­zu­he­ben. Die näch­sten Syn­oden wür­den nicht mehr einem ent­le­ge­nen und exo­ti­schen Win­kel der Erde betref­fen, son­dern wohl den deut­schen Sprach­raum. Von dort kom­men die mei­sten Stich­wör­ter zur Agen­da. Der Ama­zo­nas dient bloß als tak­ti­scher Umweg, um das ange­streb­te Ziel zu errei­chen. Der Bischof von Osna­brück, Franz-Josef Bode, gab bereits zu ver­ste­hen: Soll­te die Ama­zo­nas­syn­ode für das Urwald­becken den Zöli­bat als Vor­aus­set­zung für das Prie­ster­tum auf­he­ben, wer­de in Deutsch­land eine Syn­ode sofort nachziehen.

REPAM-Videos: der heilige Franz von Assisi als Polit-Aktivist mit erhobener, geballter Faust, ein Symbol des Kommunismus (KPD, SED).
REPAM-Vide­os: der hei­li­ge Franz von Assi­si als Polit-Akti­vist mit erho­be­ner, geball­ter Faust, ein Sym­bol des Kom­mu­nis­mus (KPD, SED), gegen Erdölförderung.

Für die Vor­be­rei­tung und Orga­ni­sa­ti­on der Ama­zo­nas­syn­ode wur­de 2014 das Pan-Ama­zo­ni­sche Kir­chen­netz­werk REPAM gegrün­det. Die bei­den Anfüh­rer, Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes (REPAM-Gesamt­ver­band) und der eme­ri­tier­te Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler (REPAM-Bra­si­li­en) sind über­zeug­te Anhän­ger der Zöli­bats­auf­he­bung. Seit Jah­ren for­dern sie die Zulas­sung von ver­hei­ra­te­ten Prie­stern und auch des Frauenpriestertums.

Zu den Auf­ga­ben von REPAM gehört es, den irri­gen Ein­druck zu ver­brei­ten, die Indio-Gemein­schaf­ten bräuch­ten drin­gend ver­hei­ra­te­te Prie­ster, weil sie sonst „ohne Sakra­men­te“ blie­ben, und die Indio-Gemein­schaf­ten woll­ten ver­hei­ra­te­te Prie­ster haben. Die Not­wen­dig­keit stän­di­ger Sakra­men­ten­ver­sor­gung wird durch die gesam­te Mis­si­ons­ge­schich­te der Kir­che wider­legt. Zwei­te­res durch die Indi­os selbst. Der Prie­ster­man­gel im Ama­zo­nas-Urwald besteht vor allem des­halb, weil die Indi­os selbst noch kei­nen wirk­li­chen Zugang zum Prie­ster­tum (und auch den ande­ren Sakra­men­ten) gefun­den haben. Die Lösung kön­ne, so Kri­ti­ker, daher nicht ein Ent­ge­gen­kom­men sein, indem die Sakra­men­te abge­schwächt oder nicht gemacht wer­den, son­dern durch die Ver­tie­fung der Evan­gel­sie­rung, wie es die Kir­che bis­her in allen Jahr­hun­der­ten und allen Mis­si­ons­ge­bie­ten getan hat.

Die geeigneten REPAM-Kandidaten für das neue Amazonas-Priestertum

Die Ver­fech­ter eines Prie­ster­tums „mit Ama­zo­nas-Wur­zeln“, also eines Ama­zo­nas-Prie­ster­tums, wol­len „Älte­ste“ in jeder Indio-Gemein­schaft zu Prie­stern wei­hen. Die stün­den bereits bereit, erklär­te jüngst ein Befreiungstheologe.

Santiago Manuin Valera
Sant­ia­go Manu­in Valera

Auf ihrer Inter­net­sei­te stellt REPAM neu­er­dings „aner­kann­te Anfüh­rer“ von Indio-Stäm­men vor, so im ver­gan­ge­nen Okto­ber Sant­ia­go Manu­in Valera von den Awa­jun. Beob­ach­ter ver­mu­ten, daß damit bereits poten­ti­el­le „Kan­di­da­ten“ für die Prie­ster­wei­he prä­sen­tiert werden.

Manu­in Valera „qua­li­fi­ziert“ sich für REPAM offen­bar für Prie­ster­tum mit der Aus­sa­ge, daß er „sein gan­zes Leben für die Ver­tei­di­gung und För­de­rung der Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker ein­ge­setzt hat“. Bei REPAM lesen wir über ihn:

„2009 wur­de er durch meh­re­re Schüs­se beim soge­nann­ten Bagua­zo-Zwi­schen­fall ver­letzt. Er erhol­te sich und konn­te sich von der gegen ihn Anzei­ge wegen der Schie­ße­rei befrei­en. […] Sei­ne Bezie­hung zur Kir­che ist schon sehr alt, beson­ders über die Jesui­ten. Bevor er auf eini­ge Fra­gen ant­wor­tet, erzählt er, daß der gro­ße Aju­tap (der Gott sei­ner Ahnen) in der Indio­spra­che Awa­jun zu ihm gespro­chen hat, ohne Ver­mitt­ler, ohne Mis­sio­na­re. Die­ser Kon­takt ent­spricht dem, der in der Bibel von Moses erzählt wird, als er den Auf­trag erhielt, sein Volk zu befrei­en. Genau so, sagt Manu­in, hat Aju­tap auf Awa­jun ihm gesagt, sein Volk von der Unter­drückung zu befreien.“

Für Manu­in haben die Mis­sio­na­re nur die Rol­le eines deko­ra­ti­ven Bei­werks zu spie­len, denn die „Prot­ago­ni­sten sind die Amazonas-Völker“.

Die Mis­sio­na­re, so der Indio-Füh­rer, wür­den „sich nicht für die Geschich­te und der Reli­gio­si­tät der indi­ge­nen Völ­ker engagieren“.

„Die Mis­sio­na­re leben nicht mit dem indi­ge­nen Volk, sie ver­mit­teln nicht des­sen Geschich­te, spre­chen nicht über des­sen Mytho­lo­gie. Ich habe gese­hen, daß die Ama­zo­nas-Indi­os sehr unter­wür­fig sind, weil (die Mis­sio­na­re) ihnen nicht das wah­re Gesicht von Chri­stus gezeigt haben. Der Awa­jun hin­ge­gen ist von Haus aus ein Kämp­fer, er ist ein Krie­ger. Die Aus­bil­dung, die ihm gege­ben wur­de, das Geheim­nis des Evan­ge­li­ums, das ihm ein­ge­schärft wur­de, hat unse­re Bewe­gung des Kamp­fes gestärkt.“

Und wei­ter:

„Das Gesicht des Ama­zo­nas besteht dar­in, daß der Indio die Ver­ant­wor­tung über­nimmt, nicht der Missionar.“

José Manuyama
José Manu­ya­ma

Im Novem­ber stell­te REPAM einen ande­ren Indio-Anfüh­rer, José Manu­ya­ma, vor. Er wird als „Umwelt­ak­ti­vist“ prä­sen­tiert. Manu­ya­ma sei ein enga­gier­ter Ver­tei­di­ger des Was­sers, der schon vie­le Jah­re als „Umwelt­schüt­zer“ tätig sei. Er kämp­fe „für die Ver­tei­di­gung der Flüs­se und der Wäl­der und gene­rell für die Men­schen­rech­te und die Natürlichkeit“.

Es scheint, als sei es ihr poli­ti­sches, sozia­les und öko­lo­gi­sches Enga­ge­ment, das sie zu „geeig­ne­ten“ Kan­di­da­ten für das (Amazonas-)Priestertum macht. Auf eine klas­si­sche phi­lo­so­phisch-theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung soll ohne­hin ver­zich­tet wer­den, wie einer der Wort­füh­rer der Ama­zo­nas-Agen­da früh­zei­tig erklär­te. Es hand­le sich ja um „viri pro­ba­ti“, um „Dorf­äl­te­ste“ und offen­sicht­lich auch um enga­gier­te Aktivisten.

Das gan­ze REPAM-Inter­view mit Manu­ya­ma dreht sich aus­schließ­lich um Umwelt­fra­gen. Auch sein Kir­chen­ver­ständ­nis ist distan­ziert und kritisch.

Manu­ya­ma: „Die Kir­che nimmt teil [am Kampf für den Umwelt­schutz], stellt z.B. die Werk­statt für Men­schen­rech­te zur Ver­fü­gung, die sie hat, sie unter­stützt bei Rechts­fra­gen, zum Bei­spiel beim Hidro­vi­as-Pro­jekt. Es gibt Prie­ster, die sich mehr enga­gie­ren als ande­re, aber es fehlt noch viel, wes­halb die Leu­te, die Gläu­bi­gen nicht mit­ma­chen. Die Kir­che ver­sam­melt bei den gro­ßen reli­giö­sen Ereig­nis­sen vie­le Leu­te, und wenn sie die­se Leu­te infor­mie­ren und hel­fen wür­de, damit wir eine bes­se­re Kon­trol­le der Wirt­schafts­ak­ti­vi­tä­ten erhal­ten, wür­den wir bes­se­re Bedin­gun­gen haben. Hier ver­mis­se ich bei der Kir­che eine star­ken För­de­rung und Ver­brei­tung der Enzy­kli­ka Lau­da­to si.“

Die bei­den Bei­spie­le las­sen erken­nen, wel­che Art von „Kan­di­da­ten“ REPAM für das Ama­zo­nas-Prie­ster­tum ins Auge faßt.

Das dar­ge­stell­te Ver­ständ­nis von der Kir­che, dem Evan­ge­li­um und beson­ders dem Prie­ster­tum wirft zahl­rei­che Fra­gen auf. Bei­de, Manu­in Valera und Manu­ya­ma, schei­nen die Kir­che vor allem funk­tio­nal als ein Hilfs­mit­tel für ihre poli­ti­schen Kämp­fe zu sehen. Auch in Rom dürf­te oder soll­te allen Ver­ant­wort­li­chen aber klar sein, daß das Prie­ster­tum nicht dazu dient, den Urwald-Indi­os poli­ti­sche Vor­kämp­fer zu lie­fern oder die vor­han­de­nen Vor­kämp­fer durch die Prie­ster­wei­he in ihrem poli­ti­schen Kampf zu „sakra­li­sie­ren“.

Es geht aber um weit mehr als den Amazonas.

Papst Fran­zis­kus sprach von einer „Kir­che mit Ama­zo­nas-Wur­zeln“. Dar­aus muß geschlos­sen wer­den,  daß die gan­ze Welt­kir­che „ama­zo­ni­siert“ wer­den soll. Man­che Beob­ach­ter befürch­ten, daß Papst Fran­zis­kus in der Sache selbst schwei­gen wer­de, wie zur Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner (und ande­rer Men­schen in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen) zu den Sakra­men­ten, aber bei­spiels­wei­se den Zöli­bat in die Zustän­dig­keit der Bischofs­kon­fe­ren­zen über­tra­gen könn­te, was zu einer wei­te­ren und tief­grei­fen­den Spal­tung der Kir­che füh­ren würde.

Die Tat­sa­che, daß er Kar­di­nal Hum­mes und Bischof Kräut­ler zu den Orga­ni­sa­to­ren der Ama­zo­nas­syn­ode mach­te, spricht eine deut­li­che Sprache.

Text: Giu­sep­pe Nardi
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