Zur Frage von Meßbesuch und Sonntagspflicht bei der Piusbruderschaft


Levitenamt in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt (Stuttgart), zelebiert von Patres der Piusbruderschaft.

von Cle­mens Vic­tor Oldendorf

Anzei­ge

Immer wie­der fra­gen sich Gläu­bi­ge, die in der über­lie­fer­ten Römi­schen Lit­ur­gie prak­ti­zie­ren wol­len, ob sie dies auch in hei­li­gen Mes­sen tun kön­nen und dür­fen, die von einem Prie­ster der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius‘ X. gefei­ert wer­den. Man­che Patres – bei­spiels­wei­se der Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus – ver­nei­nen dies.

Sowohl kano­ni­stisch als auch nach den Grund­sät­zen der Moral­theo­lo­gie ist es schwer nach­voll­zieh­bar, wie ein solch ableh­nen­des Urteil begrün­det wer­den könn­te. Dies nicht erst, aber erst recht, seit­dem Papst Fran­zis­kus es den Gläu­bi­gen aus­drück­lich ermög­licht hat, bei den Prie­stern der Pius­bru­der­schaft im Buß­sa­kra­ment gül­tig die Los­spre­chung zu emp­fan­gen und auch erklärt hat, daß Pius­pa­tres prin­zi­pi­ell recht­mä­ßig die Dele­ga­ti­on zu gül­ti­ger Ehe­as­si­stenz erhal­ten kön­nen. In letz­te­rem Fall soll der betref­fen­de Prie­ster sogar mög­lichst im Anschluß an die Ehe­schlie­ßung das dar­auf fol­gen­de Braut­amt zele­brie­ren. Die­ser Aspekt ist des­we­gen von all­ge­mei­ner Bedeu­tung, weil es wider­sin­nig wäre, anneh­men zu wol­len, Prie­ster der Pius­bru­der­schaft dürf­ten nur dann zele­brie­ren, wenn sie zuvor eine Ehe ein­ge­seg­net hätten.

Frei­lich ist die Situa­ti­on der Pius­bru­der­schaft rein for­mal­ju­ri­stisch noch nicht abschlie­ßend geklärt, und for­mal gese­hen, mag man sagen, die Patres dürf­ten zumin­dest des­halb nicht zele­brie­ren, weil ihnen eine gül­ti­ge Inkar­di­na­ti­on, die recht­mä­ßi­ge Zuge­hö­rig­keit zu einer Diö­ze­se oder einem ande­ren Inkar­di­na­ti­ons­ver­band, bei­spiels­wei­se einer Ordens­ge­mein­schaft feh­le und sie schon aus die­sem Grund sus­pen­diert seien.

Jedoch behan­delt Papst Fran­zis­kus die Ange­hö­ri­gen der Pius­bru­der­schaft offen­sicht­lich nicht wie sus­pen­dier­te Vagan­ten, sonst könn­te er die Beich­ten nicht für gül­tig und die­se Geist­li­chen auch nicht fall­wei­se zu mög­li­chen Trä­gern der Voll­macht zur Ehe­as­si­stenz erklären.

Die Kapel­len und Kir­chen der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius‘ X. sind nun weni­ge­stens de fac­to zumin­dest als halb-öffent­li­che Ora­to­ri­en anzu­se­hen, in denen von aus­wärts kom­men­de Katho­li­ken auch die Sonn­tags­pflicht erfül­len kön­nen. Denn damit dies mög­lich ist, benö­tigt kein Prie­ster, anders als bei Beich­te und Ehe­schlie­ßungs­as­si­stenz, zusätz­lich zur Wei­he und dem all­ge­mei­nen Recht zu zele­brie­ren, dem Cele­bret, eine wei­te­re Autorisation.

Um das Bild abzu­run­den, muß man sich auch vor Augen füh­ren, daß die gro­ße Mehr­heit der nomi­nel­len Katho­li­ken im Regel­fall die Sonn­tags­pflicht nicht mehr erfüllt. Sie inter­es­sie­ren sich nicht für die Sonn­tags­pflicht oder wis­sen schon gar nicht mehr, was sie ist und bedeutet.

Will man da ernst­haft so for­ma­li­stisch sein und sagen, Gläu­bi­ge, die gern jeden Sonn- und gebo­te­nen Fei­er­tag zur hei­li­gen Mes­se kom­men möch­ten und dies auch und zu Recht in dem Bewußt­sein tun, die Sonn­tags­pflicht erfül­len zu müs­sen, dürf­ten nicht an Mes­sen der Pius­bru­der­schaft teil­neh­men oder könn­ten das zwar tun, wür­den dadurch aber nicht die Sonn­tags­pflicht erfüllen?

Frei­lich, es gibt auch Prie­ster der Pius­bru­der­schaft, die selbst vom aus­nahms­wei­sen Besuch von hei­li­gen Mes­sen abra­ten, die auf­grund von Sum­morum Pon­ti­fi­cum gefei­ert wer­den. So selb­stän­dig muß auch der durch­schnitt­li­che Gläu­bi­ge den­ken und han­deln kön­nen, sich von sol­chen Zuspit­zun­gen nicht beir­ren zu las­sen. Das gilt auch von dem, was man in Pre­dig­ten hört. Mit­den­ken muß man über­all. Manch­mal ist es auch nicht ver­kehrt, die Ohren auf Durch­zug zu stel­len. Das kann einem bei der Pius­bru­der­schaft genau­so wie bei der Petrus­bru­der­schaft oder sonst­wo passieren.

Offi­zi­el­le Posi­ti­on der Petrus­bru­der­schaft ist es ja bei­spiels­wei­se, daß man als Gläu­bi­ger ver­pflich­tet sei, auch die neue Lit­ur­gie zu besu­chen, um die Sonn­tags­pflicht zu erfül­len, wenn man die alte nicht errei­chen kann. Da kann man viel eher argu­men­tie­ren, daß man in einem sol­chen Fall der Sonn­tags­pflicht nicht unter­liegt, zumal es in der Pra­xis den soge­nann­ten Usus Ordi­na­ri­us prak­tisch gar nicht gibt. Ver­ein­facht gesagt: Im Nor­mal­fall muß man weit weni­ger weit fah­ren, um eine Mes­se nach Sum­morum Pon­ti­fi­cum zu errei­chen als einen Got­tes­dienst zu fin­den, der wirk­lich ord­nungs­ge­mäß und im Gei­ste lit­ur­gi­scher Kon­ti­nui­tät und orga­ni­scher Ent­wick­lung nach dem Mis­sa­le Pauls VI. gefei­ert wird.

Eine sol­che Ver­pflich­tung der Gläu­bi­gen, die Sonn­tags­pflicht gege­be­nen­falls auch in Got­tes­dien­sten erfül­len zu müs­sen (!), die nach dem Mis­sa­le Pauls VI. gefei­ert wer­den, könn­ten mei­nes Erach­tens – wenn denn über­haupt – höch­stens Prie­ster behaup­ten, die auch selbst gege­be­nen­falls nach dem MR1970/​2002 zele­brie­ren und es dabei nicht bei einer theo­re­ti­schen Bereit­schaft belassen.

Man könn­te mir viel­leicht noch ent­ge­gen­hal­ten, zumin­dest dann, wenn an einem Ort (oder in ver­gleich­bar wei­ter Ent­fer­nung) sowohl hei­li­ge Mes­sen nach Sum­morum Pon­ti­fi­cum als auch sol­che, die von der Pius­bru­der­schaft ange­bo­ten wer­den, statt­fin­den, könn­te jeden­falls die Sonn­tags­pflicht nur in Fei­ern gemäß Sum­morum Pon­ti­fi­cum erfüllt werden.

Das wäre ein­mal eine der weni­gen Gele­gen­hei­ten, wo man völ­lig berech­tigt erwi­dern könn­te: „Sei­en Sie nicht päpst­li­cher als der Papst!“ Das gilt in die­sem Fall nicht nur all­ge­mein, son­dern ganz kon­kret vom Hei­li­gen Vater Fran­zis­kus, und sein Ver­hal­ten unter­streicht völ­lig zutref­fend, daß in der Kir­che nicht ein for­ma­li­sti­scher oder rechts­po­si­ti­vi­sti­scher Gehor­sam, son­dern das Heil der See­len das höch­ste Gesetz ist.

[Update 27. Novem­ber 2018, 20:20: Die Bild­un­ter­schrift wur­de korrigiert.]

Bild: Jens Falk

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