Bolsonaros Sieg verändert Lateinamerika

Brasilien und die Rechnung für die marxistische Befreiungstheologie


Der christlich-konservative Jair Bolsonaro ist der unumstrittenen Sieger der brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Der Frage nach den Gründen für seinen Wahlsieg gehen nicht nur die meisten westlichen Medien, sondern auch die katholische Kirche aus dem Weg.
Der christlich-konservative Jair Bolsonaro ist der unumstrittenen Sieger der brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Der Frage nach den Gründen für seinen Wahlsieg gehen nicht nur die meisten westlichen Medien, sondern auch die katholische Kirche aus dem Weg.

(Rio de Janei­ro) Vor nicht ein­mal vier Wochen wur­de Jair Bol­so­n­a­ro mit 55, 1 Pro­zent der Stim­men vom Volk zum Staats­prä­si­den­ten und Regie­rungs­chef von Bra­si­li­en gewählt, einem gigan­ti­schen Land, fast so groß wie ganz Euro­pa, mit 210 Mil­lio­nen Ein­woh­nern und enor­men Boden­schät­zen. Das Land ist eben­so groß wie viel­schich­tig. In den drei süd­lich­sten Bun­des­staa­ten bei­spiels­wei­se bil­den die Deutsch­bra­si­lia­ner die weit­aus stärk­ste Volks­grup­pe. Bol­so­n­a­ros tri­um­pha­ler Wahl­sieg wirft Fra­gen auf, die von den mei­sten west­li­chen Medi­en weder gestellt noch beant­wor­tet wer­den. Gera­de des­halb soll­te man sich mit ihnen befas­sen, auch und gera­de in der katho­li­schen Kir­che, die wider Wil­len wesent­lich zu sei­nem Tri­umph bei­getra­gen hat.

„Wer zu spät kommt, den …“

Anzei­ge

Statt einer gründ­li­chen Ana­ly­se set­zen vie­le Medi­en die vor der Wahl begon­ne­ne Hetz­kam­pa­gne gegen das neue Staats­ober­haupt fort. Das Muster ist ein­tö­nig: Kan­di­da­ten der poli­ti­schen Lin­ken wer­den in pseu­do-reli­giö­ser Ver­brä­mung zu Mes­si­as­sen erho­ben, ihre Gegen­kan­di­da­ten zu Leib­haf­ti­gen degra­diert. Genau so erging es auch Jair Bol­so­n­a­ro, der mit einem christ­lich-kon­ser­va­ti­ven Pro­gramm als Außen­sei­ter in die Wahl ging. Sein Gegen­spie­ler war Fer­nan­do Had­did, ein Ver­tre­ter der links­ge­rich­te­ten Arbei­ter­par­tei (PT), die von 2002 bis 2016 die Geschicke des Lan­des lenk­te und an Kor­rup­ti­ons­skan­da­len schei­ter­te. Der ehe­ma­li­ge Staats­prä­si­dent Lula da Sil­va sitzt seit April des­we­gen im Gefäng­nis. Das rechts­kräf­ti­ge Urteil lau­tet 12 Jah­re Haft. Sei­ne Nach­fol­ge­rin Dil­ma Rouss­eff muß sich dem­nächst vor Gericht ver­ant­wor­ten. Ein Blick in die deut­sche Aus­ga­be von Wiki­pe­dia zeigt jenen unan­ge­neh­men und demo­kra­tisch bedenk­li­chen, weil „mis­sio­na­ri­schen“ Eifer auf der lin­ken Sei­te. Mit Adjek­ti­ven wie „rechts­extrem“ wird nur so um sich gewor­fen. Selbst die harm­lo­se­ste Defi­ni­ti­on „rechts­kon­ser­va­tiv“ offen­bart ideo­lo­gi­sche Ver­bis­sen­heit, denn einen „Links­kon­ser­va­ti­vis­mus“ gibt es ja bekannt­lich gar nicht.

Bekanntgabe der Kandidatur durch Bolsonaro
Bekannt­ga­be der Kan­di­da­tur durch Bolsonaro

Bol­so­n­a­ros Gegen­kan­di­dat, Fer­nan­do Had­dAd, „bestraf­te“ schon ein­mal das Leben. Er unter­lag nicht nur am 28. Okto­ber sei­nem christ­lich-kon­ser­va­ti­ven Her­aus­for­de­rer, son­dern kam ideo­lo­gisch gese­hen ins­ge­samt „zu spät“. Had­did schloß 1990 als über­zeug­ter Kom­mu­nist sein Stu­di­um der Volks­wirt­schaft mit einer Ver­tei­di­gung des Sowjet­sy­stems ab, nach­dem er bereits 1986 in Phi­lo­so­phie mit einer Arbeit über den „Histo­ri­schen Mate­ria­lis­mus“ pro­mo­viert hat­te. Bei­de Tex­te sind Ver­tei­di­gungs­schrif­ten der Dik­ta­tur des real exi­stie­ren­den Sozia­lis­mus. So „real“ exi­stier­te er aller­dings zum Zeit­punkt von Had­dids Diplom­prü­fung 1990 schon nicht mehr. Der Zusam­men­bruch des kom­mu­ni­sti­schen Ost­blocks über­roll­te ihn unver­rich­te­ter Din­ge, wäh­rend er sei­ne Abschluß­ar­beit anfer­tig­te. Bei Wiki­pe­dia (deutsch) kann man den­noch nach­le­sen, daß die Kom­mu­ni­sten der Arbei­ter­par­tei (PT) kei­ne Kom­mu­ni­sten waren, son­dern in den 80er Jah­ren nur als Kom­mu­ni­sten „ver­leum­det“ wor­den seien.

Warum also wurde Bolsonaro gewählt?

Bol­so­n­a­ro war bereits vie­le Jah­re Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter. Dadurch wur­de er im Lan­de zwar bekannt, ohne aber son­der­lich auf­zu­fal­len oder als eine Füh­rungs­ge­stalt wahr­ge­nom­men zu wer­den. Er war lan­ge Zeit viel­mehr das, was etwas abschät­zig ein Hin­ter­bänk­ler genannt wird.

Als er sich 2016, nach der Abset­zung von Staats­prä­si­den­tin Rouss­eff, ent­schloß, für das Prä­si­den­ten­amt zu kan­di­die­ren, ver­füg­te er weder über eine poli­tisch rele­van­te Par­tei noch über viel Geld, um einen gro­ßen Wahl­kampf bestrei­ten zu kön­nen. Erst recht hat­te er kei­ne Medi­en hin­ter sich.

Kampagne gegen Bolsonaro
Kam­pa­gne gegen Bolsonaro

Sein größ­tes Hin­der­nis war jedoch, daß er wegen sei­ner gesell­schafts­po­li­tisch christ­lich-kon­ser­va­ti­ven und wirt­schafts­po­li­tisch libe­ra­len Über­zeu­gun­gen ver­leum­det und ver­spot­tet wur­de. Ohne jeden Anstand – die vie­len nie­der­träch­ti­gen Angrif­fe von Medi­en kön­nen pro­blem­los im Inter­net nach­ge­le­sen wer­den – wur­de Bol­so­n­a­ro mit den schlimm­sten Beti­telun­gen zuge­schüt­tet und als Faschist, als Nazi, als Rechts­extre­mist, als Fana­ti­ker, als (Fast)Diktator, als Feind der Demo­kra­tie und noch viel mehr stigmatisiert.

Als er sein Wahl­kampf­pro­gramm prä­sen­tier­te, wur­de er von den Medi­en – fak­tisch allen Medi­en, es gab kei­ne irgend­wie nen­nens­wer­te Aus­nah­me – wie auf Knopf­druck dis­kre­di­tiert. Es schien, als hät­ten sie einen gehei­men Pakt geschlos­sen, Bol­so­n­a­ro zum Feind­bild zu erklä­ren und fer­tig­zu­ma­chen. Ein und der­sel­be Dif­fa­mie­rungs­ka­ta­log wur­de von ihnen kri­tik­los und mit Nach­druck ver­brei­tet. Fest­zu­stel­len, von wem er aus­ging, wäre eine inter­es­san­te Fleißaufgabe.

Die Tages­zei­tun­gen, die Fern­seh­sen­der und der Hör­funk ver­brei­te­ten die Denun­zia­tio­nen nicht nur in Bra­si­li­en, son­dern in ganz Latein­ame­ri­ka, in den USA und auch in Euro­pa. Den Test kann jeder sel­ber machen und prü­fen, ob er fol­gen­de Anschul­di­gun­gen gegen Bol­so­n­a­ro von den eige­nen „Leit­me­di­en“ zu hören bekam: Bol­so­n­a­ro sei „frau­en­feind­lich“, „ras­si­stisch“, weil „gegen die Schwar­zen“, „gegen die India­ner“, „gegen die Armen“, „gegen die Kom­mu­ni­sten“, „gegen die Homo­se­xu­el­len“, „gegen die Ein­wan­de­rer“, „gegen die Mei­nungs­frei­heit“ und noch wei­te­re zumeist aus der Luft gegrif­fe­ne Behaup­tun­gen mehr. Nur der dazwi­schen­ge­schmug­gel­te Anti­kom­mu­nis­mus Bol­so­n­a­ros trifft zu. Der neue Staats­prä­si­dent beton­te auch, nichts gegen Homo­se­xu­el­le zu haben. Er habe aber etwas gegen nicht zu recht­fer­ti­gen­de „Son­der­rech­te“ für die­se Gruppe.

Wer genau auf­paß­te, wird bereits in den ver­gan­ge­nen Wochen fest­ge­stellt haben, daß die­sel­ben Medi­en Bewei­se für ihre Behaup­tun­gen schul­dig blie­ben. Ras­sis­mus ist dem katho­lisch und ibe­risch grun­dier­ten Latein­ame­ri­ka ohne­hin fremd. Die­ser Vor­wurf wird allein schon durch die Tat­sa­che ad absur­dum geführt, daß Bol­so­n­a­ro zusam­men mit einem Vize­prä­si­den­ten india­ni­scher Abstam­mung ins Ren­nen ging. Gebets­müh­len­ar­tig wird die Ver­leum­dung auch nach den Wah­len fort­ge­setzt. Vor allem die öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten des deut­schen Sprach­rau­mes, von ARD und ZDF über den ORF bis zum SRF, lie­fer­ten kei­nen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus, son­dern einen Beleg, in welch erschrecken­dem Aus­maß der gebüh­ren­pflich­ti­ge Rund­funk von einer bestimm­ten Rich­tung poli­tisch miß­braucht wird.

Die Arbeiterpartei und eine ruinierte Wirtschaft

Wie kann es aber sein, daß Bol­so­n­a­ro trotz einer sol­chen Ver­fol­gung und einer sol­chen Men­ge von per­sön­li­chen Angrif­fen mit einem so deut­li­chen Vor­sprung die Wah­len gewin­nen konn­te? Es scheint in der Tat unglaub­lich, und genau des­halb ist das auch die Fra­ge, die sich alle jene nicht stel­len wol­len, die sich an der Dif­fa­mie­rungs­kam­pa­gne betei­lig­ten. Zum Ärger sei­ner lin­ken Ver­leum­der waren es, wie Erhe­bun­gen zei­gen, gera­de auch Frau­en, Schwar­ze und Indi­os und vor allem die vie­len Opfer des Sozia­lis­mus, die ihn gewählt haben.

Jair BolsonaroDamit aber kom­men wir dem Haupt­mo­tiv näher, das Bol­so­n­a­ro in das Prä­si­den­ten­amt kata­pul­tier­te: Das Deba­kel der sozia­li­sti­schen Arbei­ter­par­tei (PT). In den 80er Jah­ren noch stark kom­mu­ni­stisch aus­ge­rich­tet und an Mos­kau ori­en­tiert, erfolg­te nach dem Zusam­men­bruch des Ost­blocks zwangs­läu­fig eine Sozi­al­de­mo­kra­ti­sie­rung – wie sie auch bei kom­mu­ni­sti­schen Par­tei­en in West­eu­ro­pa fest­zu­stel­len war nach dem Mot­to: „Ret­te sich, wer kann“ – und damit, wer hät­te das 1989/​1991 für mög­lich gehal­ten, der Auf­stieg zur Macht. Dort ange­kom­men rui­nier­te der PT für 20 Jah­re die bra­si­lia­ni­sche Wirt­schaft und schuf eine Spi­ra­le aus Kor­rup­ti­on und syste­ma­ti­scher Aus­beu­tung des Staats­ei­gen­tums. Die Fol­ge war die größ­te Wirt­schafts­kri­se in der Geschich­te des Landes.

Zwei Amts­pe­ri­oden des Sozi­al­de­mo­kra­ten Fer­nan­do Hen­ri­que Car­do­zo, zwei Amts­zei­ten von Lula da Sil­va und eine von Dil­ma Rouss­eff genüg­ten, um die Pro­duk­ti­on im Land an die Wand zu fah­ren. Dabei geschah alles, was die­se drei Staats­prä­si­den­ten taten, im Namen der Armuts­be­kämp­fung. Tat­säch­lich wur­den üppi­ge Unter­stüt­zun­gen gewährt und der Abbau eines Kli­en­te­lis­mus ver­sucht, des­sen Aus­maß mehr als bedenk­lich war.

Sozialistische Geschenke und Petrobras

15 Mil­lio­nen Fami­li­en oder 50 Mil­lio­nen Men­schen pro­fi­tier­ten von lei­stungs­un­ab­hän­gi­ger Ali­men­tie­rung aus dem Staats­topf. Es kam wie, wie es kom­men muß­te: Die Wirt­schaft des Lan­des ging in den Ruin.

Symbol der Arbeiterpartei (PT)
Sym­bol der Arbei­ter­par­tei (PT)

Die Sozia­li­sten schwärm­ten von sozia­ler Soli­da­ri­tät, doch der Haus­ver­stand und die Wirt­schafts­da­ten spra­chen eine ganz ande­re Spra­che. Wer vom Staat ohne Arbeit mehr erhält, als er durch den Schweiß sei­ner Arbeit ver­die­nen wür­de, bemüht sich gar nicht mehr um eine Arbeit. Das trifft nicht für alle zu, aber für aus­rei­chend vie­le, zu vie­le. Das Geld, das der Staat ver­teilt, muß aber zuerst erwirt­schaf­tet wer­den. Eine Umver­tei­lungs­po­li­tik, ver­packt als groß­zü­gi­ge Wahl­ge­schen­ke, läßt sich nicht unend­lich finan­zie­ren. Die Res­sour­cen sind in der Regel sogar schnel­ler auf­ge­braucht, als von gön­ner­haf­ten Poli­ti­kern gedacht. Wäh­rend die bra­si­lia­ni­schen Links­re­gie­run­gen unver­ant­wort­lich auf Kosten der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung den Müßig­gang finan­zier­ten, anstatt Not­hil­fe zu lei­sten, ergriff zugleich die sozia­li­sti­sche Kor­rup­ti­on Besitz vom Staatsapparat.

Petro­bras, die staat­li­che Erd­öl­ge­sell­schaft, wur­de zur Ziel­schei­be einer skan­da­lö­sen Aus­beu­tung. Die kor­rup­te Bau­fir­ma Ode­brecht ver­teil­te Schmier­geld unter den Regie­rungs­funk­tio­nä­ren, um sich die gro­ßen, öffent­li­chen Auf­trä­ge zu sichern. Die Hand auf­zu­hal­ten, wur­de zum ver­brei­te­ten „Volks­sport“ der sozia­li­sti­schen Funk­tio­nä­re in Par­tei und öffent­li­cher Ver­wal­tung. Ein sol­ches System kor­rum­piert aber ins­ge­samt die öffent­li­che Ver­wal­tung über Par­tei­gren­zen hin­weg. Die wich­tig­sten Ver­tre­ter der Arbei­ter­par­tei und der Regie­rung stan­den monat­lich mit Mil­lio­nen­sum­men auf den „Gehalts­li­sten“ der Unter­neh­mer, die ohne Schmier­geld­zah­lun­gen vor ver­schlos­se­nen Türen standen.

Finanzierung des Sozialismus in „befreundeten“ Staaten

Nicht nur das: Strö­me von bra­si­lia­ni­schem Geld flos­sen außer Lan­des, um in „befreun­de­ten“ Län­dern den Sozia­lis­mus zu finan­zie­ren, dar­un­ter Kuba, Vene­zue­la und Nika­ra­gua. Im Land selbst wur­de das Foro de São Pau­lo (Forum von Sao Pau­lo) finan­ziert, eine „Kon­fe­renz der Links­par­tei­en und ande­rer (lin­ker) Orga­ni­sa­tio­nen von Latein­ame­ri­ka und der Kari­bik“, wie man sich dort selbst sieht. Euge­nio Tru­ji­l­lo Vil­le­gas spricht hin­ge­gen von einer „Zen­tra­le des inter­na­tio­na­len Links­ter­ro­ris­mus“, dem Mil­lio­nen von Dol­lar „für sub­ver­si­ve Pro­jek­te“ zur Ver­fü­gung gestellt wurden.

Das Foro ver­sam­melt mehr als 100 poli­ti­sche Par­tei­en und Orga­ni­sa­tio­nen, dar­un­ter das gesam­te Links­spek­trum von Sozi­al­de­mo­kra­ten bis zu Kom­mu­ni­sten, lin­ken Gewerk­schaf­ten, Links­ka­tho­li­ken, Öko­grup­pen, „anti­im­pe­ria­li­sti­sche“ Grup­pen, und Gue­ril­la­be­we­gun­gen wie die kolum­bia­ni­schen Schläch­ter des FARC. Argen­ti­ni­en, die Hei­mat von Papst Fran­zis­kus, ist mit zwölf Par­tei­en ver­tre­ten, dar­un­ter die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Argen­ti­ni­ens, die Sozia­li­sti­sche Par­tei Argen­ti­ni­ens, die Kom­mu­ni­sti­sche Revo­lu­tio­nä­re Par­tei, die Huma­ni­sti­sche Par­tei, die Revo­lu­tio­nä­re Arbei­ter­par­tei und ande­re mehr. In Bra­si­li­en sind es neben der Arbei­ter­par­tei und ohne Berüh­rungs­äng­ste die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Bra­si­li­ens, die Bra­si­lia­ni­sche Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei, die Sozia­li­sti­sche Par­tei Bra­si­li­ens, die Volks­so­zia­li­sti­sche Par­tei, die Demo­kra­ti­sche Arbeits­par­tei usw. Der „Klas­si­ker“ schlecht­hin unter den Mit­glie­dern ist die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Kubas, die bis 2011 von Fidel Castro und seit­her von sei­nem Bru­der Raul Castro ange­führt wird.

Sozialismus und Christentum, die unheilige Allianz

Die Kor­rup­ti­on ist kein Zech­prel­ler. Sie ser­viert ihre Rech­nung. Das Aus­maß war so skan­da­lös, daß 2018 ein sol­cher Auf­schrei durch Bra­si­li­en ging, daß auf­merk­sa­me Beob­ach­ter früh­zei­tig beim Urnen­gang viel für mög­lich hiel­ten. Es kam zu Mas­sen­pro­te­sten von steu­er­zah­len­den Bür­gern, die Stra­ßen und Plät­ze füll­ten und das Ende des PT-Systems ver­lang­ten. Sie for­der­ten die Bestra­fung der kor­rup­ten Poli­ti­ker und zual­ler­erst die Ver­haf­tung von Ex-Prä­si­dent Lula da Sil­va den „gro­ßen“ Freund von mar­xi­stisch ein­ge­färb­ten Prä­la­ten wie Erz­bi­schof Hel­der Cama­ra, Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes und Leo­nar­do Boff.

Kardinal Claudio Hummes mit Lula im Wahlkampf 1989
Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes mit Lula im Wahl­kampf 1989

Die unhei­li­ge Alli­anz von Sozia­lis­mus und Chri­sten­tum reicht bei der Arbei­ter­par­tei bis zu ihrem Grün­dungs­tag am 10. Febru­ar 1980 zurück, als Links­in­tel­lek­tu­el­le und Links­ka­tho­li­ken, ver­bun­den durch das gemein­sa­me Band des Mar­xis­mus, sich im Cole­gio Sion in Sao Pau­lo ver­sam­mel­ten, um sie aus der Tau­fe zu heben. Das Cole­gio Sion gehört einem katho­li­schen Frauenorden.

Je mehr vom enor­men Kor­rup­ti­ons­skan­dal ans Tages­licht kam, desto mehr wur­de Bol­so­n­a­ro in den Augen der Wäh­ler zum „Ret­ter“ des Vater­lan­des. Das liegt dar­an, daß er mit dem bis­he­ri­gen System des Macht­miß­brauchs in kei­nen Zusam­men­hang steht. Sein Auf­stieg ist die direk­te Kon­se­quenz aus dem Ver­sa­gen der poli­ti­schen Lin­ken. Bol­so­n­a­ro wur­de zum Mann der Stun­de, der den Bra­si­lia­nern glaub­wür­dig einen radi­ka­len Bruch mit dem PT-System und die Wie­der­her­stel­lung der Rechts­ord­nung und der Wirt­schaft des Lan­des in Aus­sicht stel­len konnte.

Helder Camara und die kirchliche Linkswende

Schließ­lich gilt es noch auf einen reli­giö­sen Aspekt hin­zu­wei­sen, der mehr noch als ande­re zur radi­ka­len Kehrt­wen­dung des Lan­des von links nach rechts bei­trug. Bra­si­li­en war seit sei­ner Grün­dung, als Por­tu­gal 1530 zur Siche­rung sei­nes Über­see­ge­bie­tes mit der Ansied­lung von Euro­pä­ern begann, ein tief katho­li­sches Land. Gleich nach dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges schlu­gen sich aber erste Kir­chen­män­ner in der bipo­lar gewor­de­nen Welt, vor die Wahl Mos­kau oder Washing­ton gestellt, auf die Sei­te des Kom­mu­nis­mus, damals noch in der Form des Sta­li­nis­mus. Zu ihnen gehör­te Hel­der Cama­ra, ein Säu­len­hei­li­ger der euro­päi­schen Linkskatholiken.

Helder Camara hält Grünhemden eine Ansprache
Hel­der Cama­ra hält vor Grün­hem­den eine Ansprache

Hel­der Cama­ra war vor 1945 ein über­zeug­ter Anhän­ger des Faschis­mus. Bei sei­ner Prie­ster­wei­he trug er unter dem Meß­ge­wand die Uni­form der bra­si­lia­ni­schen Faschi­sten­be­we­gung, um sein wirk­li­ches Bekennt­nis zu unter­strei­chen. Als der Faschis­mus mit der Nie­der­la­ge im Zwei­ten Welt­krieg dis­kre­di­tiert war, wech­sel­te er die Sei­ten und wur­de zum „Freund“ des Kom­mu­nis­mus. Übri­gens, einen ähn­li­chen Wan­del mach­te Ange­la Mer­kels Vater durch: getauft als Katho­lik, kon­ver­tier­te die Fami­lie in Ber­lin unter dem Ein­druck des Natio­nal­so­zia­lis­mus zum angeb­lich „deut­sche­ren“ Pro­te­stan­tis­mus und änder­te ihren Fami­li­en­na­men; der Vater wur­de pro­te­stan­ti­scher Pastor und über­sie­del­te nach dem Krieg frei­wil­lig aus dem Westen in die Sowje­ti­sche Besatzungszone.

Die Links­wel­le im bra­si­lia­ni­schen Kle­rus nahm in den 1960er Jah­ren ein immer grö­ße­res Aus­maß an und erfaß­te Prie­ster­se­mi­na­re und theo­lo­gi­sche Fakul­tä­ten. Von der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie sind heu­te wei­te Tei­le des Epi­sko­pats geprägt, was sich wie­der­um auf den Kle­rus und die Aus­rich­tung der Diö­ze­sen auswirkt.

Die­se Links­wen­de des Kle­rus und sein poli­ti­sches und pro­gres­si­ves Enga­ge­ment führ­ten zu einer immer tie­fer­ge­hen­den Ver­un­si­che­rung und Ent­frem­dung des gläu­bi­gen Vol­kes, das an den über­lie­fer­ten Glau­bens­for­men fest­hal­ten woll­te. Die „fort­schritt­li­che“ Nach­kon­zils­zeit, in der genau die­se For­men viel­fach über Bord gewor­fen wur­den, pro­vo­zier­te schließ­lich einen gigan­ti­schen Bruch. Mil­lio­nen bra­si­lia­ni­sche Katho­li­ken haben ihre reli­giö­se Hei­mat in der katho­li­schen Kir­che ver­lo­ren. Ersatz fan­den sie in evan­ge­li­ka­len Frei­kir­chen. Es stimmt, daß sich Evan­ge­li­ka­le und Pfingst­ler aus den USA mit wohl­wol­len­der Unter­stüt­zung der US-Regie­rung aus­brei­ten konn­ten, weil die­se in ihrem „Hin­ter­hof“ ein Gegen­ge­wicht zum lin­ken Vor­marsch zu schaf­fen versuchte.

Die Hauptursache für die Ausbreitung der Evangelikalen

Die Haupt­ur­sa­che des evan­ge­li­ka­len Auf­stiegs in Bra­si­li­en fin­det sich jedoch in der katho­li­schen Kir­che, kon­kret in deren links­ka­tho­li­schen Krei­sen, die sich die­ser Orts­kir­che bemäch­tig­ten. Katho­li­sche Prie­ster und Bischö­fe agi­tier­ten durch Jahr­zehn­te als Speer­spit­ze der sozia­li­sti­schen Revo­lu­ti­on und miß­brauch­ten die Reli­gi­on für ihre poli­ti­schen Zwecke. Die Arbei­ter­par­tei von Lula da Sil­va wur­de nicht nur in einer Ordens­nie­der­las­sung gegrün­det, son­dern hat­te in den Sakri­stei­en und in den Bischofs­pa­lä­sten die wich­tig­sten Unter­stüt­zer. Wer die­se Linie im Kle­rus nicht teil­te, hat­te (und hat) kein leich­tes Leben.

Bolsonaro und seine evangelikale Frau
Bol­so­n­a­ro und sei­ne evan­ge­li­ka­le Frau (1)

Die Gläu­bi­gen reagier­ten mit den Füßen und ver­lie­ßen die Kir­che in Mas­sen in Rich­tung Evan­ge­li­ka­le. Dort wird die Hei­li­ge Schrift noch ernst genom­men, wird Sün­de Sün­de genannt, wer­den Ehe und Fami­lie als natür­li­che Ord­nung in Gesell­schaft und Staat gese­hen und wider­na­tür­li­che Pro­jek­te, wie die „Homo-Ehe“ und die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der durch Abtrei­bung abge­lehnt. Kurz­um, die Gläu­bi­gen müs­sen sich nicht auch noch beim Sonn­tags­got­tes­dienst umer­zie­hen lassen.

Die­se ehe­ma­li­gen Katho­li­ken, die heu­te pro­te­stan­ti­schen Frei­kir­chen ange­hö­ren, und die wirk­li­chen Katho­li­ken, die in der katho­li­sche Kir­che geblie­ben sind und sich dort gegen den Links­trend ver­netz­ten, haben sich in jüng­ster Zeit zu einer soli­den, anti­mar­xi­sti­schen Abwehr­al­li­anz zusammengefunden.

Die­se infor­mel­le Alli­anz hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mit zuneh­men­dem Zuspruch orga­ni­siert, um Ehe, Fami­lie und Lebens­recht zu ver­tei­di­gen und sich der Zer­stö­rung der natür­li­chen Ord­nung durch Gen­der-Ideo­lo­gie, „Homo-Ehe“, Abtrei­bung und lin­ke Poli­ti­sie­rung der Schu­le entgegenzustellen.

Das „wahre Brasilien“ und die Chancen der Tradition

In Euro­pa konn­te der kome­ten­haf­te Auf­stieg Bol­so­n­a­ros nur des­halb so ver­wun­dern, weil die ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung der Medi­en nicht-lin­ke Bewe­gun­gen kate­go­risch tot­schweigt oder ver­un­glimpft. In Euro­pa erfah­ren die Bür­ger kaum etwas von den christ­li­chen, bür­ger­li­chen, kon­ser­va­ti­ven, anti­mar­xi­sti­schen, anti­glo­ba­li­sti­schen Mas­sen­be­we­gun­gen, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in man­chen Län­dern ent­stan­den sind. Die Anhän­ger die­ser christ­lich-kon­ser­va­ti­ven und wirt­schafts­li­be­ra­len Gegen­be­we­gung sagen von sich selbst, das „wah­re Bra­si­li­en“ zu reprä­sen­tie­ren. Nicht ohne Berech­ti­gung. Sie ste­hen in der Tra­di­ti­on und der Geschich­te des Landes.

Die­ses „wah­re Bra­si­li­en“ gab Bol­so­n­a­ro am 28. Okto­ber die Stim­me und wähl­te ihn an die Spit­ze von Staat und Regie­rung. Para­do­xer­wei­se wähl­ten ihn die Evan­ge­li­ka­len wegen der Wahl­emp­feh­lung ihrer Hir­ten, die Katho­li­ken hin­ge­gen gegen die Wahl­emp­feh­lung ihrer Hir­ten. Vie­le Bischö­fe und Prie­ster ver­har­ren als erstarr­te Fah­nen­trä­ger der Arbei­ter­par­tei. Nach so vie­len Jah­ren der Rhe­to­rik von Klas­sen­kampf und sozia­li­sti­scher Revo­lu­ti­on schei­nen sie die Welt gar nicht mehr anders den­ken zu können.

Als vor weni­gen Jah­ren der bekann­te, ita­lie­ni­sche Lit­ur­gi­ker, Don Nico­la Bux, ein per­sön­li­cher Freund und Bera­ter von Papst Bene­dikt XVI., Bra­si­li­en berei­ste, erkann­te er Chan­cen und Bedeu­tung der Tra­di­ti­on und der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie, als Ant­wort auf den vom mar­xi­sti­schen Kle­rus ver­ur­sach­ten Kahl­schlag. Er bezeich­ne­te es als rea­li­stisch, durch die Wie­der­be­le­bung der katho­li­schen Tra­di­ti­on gro­ße Tei­le der zu den Evan­ge­li­ka­len abge­wan­der­ten Katho­li­ken für die Kir­che zurück­ge­win­nen zu kön­nen. Dem ste­hen aller­dings erheb­li­che Tei­le des bra­si­lia­ni­schen Kle­rus im Weg, erst recht, seit die­se sich durch Papst Fran­zis­kus den Rücken gestärkt fühlen.

Der „Staatsstreich“ und der Papst als „Pate“

Franziskus schickt Lula Grüße ins Gefängnis
Fran­zis­kus schickt Lula Grü­ße ins Gefäng­nis und warnt vor Staatsstreich

In der Tat ver­such­te sich Papst Fran­zis­kus als ober­ster „Pate“ der Arbei­ter­par­tei. Zu ihrer Unter­stüt­zung und als Schüt­zen­hil­fe für Ex-Prä­si­dent Lula da Sil­va ver­stieg sich das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt in den ver­gan­ge­nen Mona­ten mehr­fach zu Aus­sa­gen, die in Bra­si­li­en von nicht weni­gen als skan­da­lös gese­hen wur­den. Papst Fran­zis­kus leug­ne­te die Kor­rup­ti­on des PT und sei­ner Reprä­sen­tan­ten. Er unter­stütz­te die Frei­las­sung von Lula da Sil­va aus dem Gefäng­nis und bezeich­ne­te die Straf­ver­fol­gung kor­rup­ter Links­po­li­ti­ker durch die ordent­li­che Justiz als Putsch­ver­such „mit wei­ßen Hand­schu­hen“. Eine Inter­pre­ta­ti­on der Fak­ten, der die bra­si­lia­ni­schen Wäh­ler am 28. Okto­ber nicht folg­ten. Kirch­lich gese­hen befeu­er­te Fran­zis­kus damit den Exodus der Katho­li­ken zur Potenz – bei den Wah­len kon­kret zu dem von den Evan­ge­li­ka­len unter­stütz­ten Katho­li­ken Bolsonaro.

„Mit Schrecken muß gese­hen wer­den, wie ein Groß­teil der Hir­ten der katho­li­schen Kir­che sich in regel­rech­te Wöl­fe ver­wan­delt hat und die ihnen anver­trau­te Her­de dezi­miert. Die katho­li­schen Pfar­rei­en haben sich geleert, und die bra­si­lia­ni­schen Bischö­fe ver­tre­ten heu­te, als Ergeb­nis einer erschrecken­den Selbst­de­mon­ta­ge, fast nie­mand mehr“, so Euge­nio Tru­ji­l­lo Villegas.

Bol­so­n­a­ro wird zei­gen müs­sen, daß ihm das Volk nicht ver­ge­bens ver­traut hat. Er war die glaub­wür­di­ge Alter­na­ti­ve für die Wäh­ler, die vor allem wuß­ten, wem sie nicht mehr ver­trau­en konnten.

Die west­li­chen Medi­en täten gut dar­an, sich mit den Fra­gen zu befas­sen, die zur Wahl Bol­so­n­a­ros führ­ten. Vor allem aber täte die katho­li­sche Kir­che gut dar­an, eine Bestands­auf­nah­me zu wagen und eine seit bald 60 Jah­ren andau­ern­de Fehl­ent­wick­lung auf den Prüf­stand zu stel­len, die in Bra­si­li­en zu einem gigan­ti­schen Scher­ben­hau­fen führte.

Text: Andre­as Becker
Bild: CR/​Wikicommons/​InfoCatolica (Screen­shots)

(1) Jair Bol­so­n­a­ro ist bereits zum drit­ten Mal ver­hei­ra­tet, was sei­ne Geg­ner als schlech­tes Vor­bild für die Ehe ins Feld führ­ten. Sei­ne der­zei­ti­ge Ehe wur­de in einer evan­ge­li­ka­len Gemein­de geschlos­sen. Aller­dings bekennt sich Bol­so­n­a­ro im Gegen­satz zu sei­nen Geg­nern zu einer fami­li­en­freund­li­chen Poli­tik. Sei­ne erste und zwei­te Frau unter­stüt­zen ihn im Wahl­kampf mit öffent­li­chen Erklä­run­gen und Aufrufen.

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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