Angriff auf das Motuproprio Summorum Pontificum?


von Cle­mens Vic­tor Oldendorf.

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Wie berich­tet, hört man aus Ita­li­en, daß Erz­bi­schof Car­lo Rober­to Maria Redael­li von Gori­zia und Gra­dis­ca das Motu­pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum ange­grif­fen habe.

Die genau­en For­mu­lie­run­gen, die der Erz­bi­schof gewählt hat, lie­gen mir nicht vor. Der Sache nach sind sei­ne kano­ni­sti­schen Ein­schät­zun­gen mei­nes Erach­tens grund­sätz­lich jedoch zutref­fend. Wes­halb? Ent­ge­gen aller histo­ri­schen Fak­ten ging Bene­dikt XVI. von der Annah­me aus, von allem Anfang an habe Paul VI. nur beab­sich­tigt, neben den über­lie­fer­ten Usus des Römi­schen Ritus einen neue­ren tre­ten zu las­sen. Die­ser habe zwar prak­tisch (und auch recht­lich) Vor­rang vor dem älte­ren Gebrauch haben, aber nicht völ­lig an des­sen Stel­le tre­ten sollen.

Dage­gen spricht, daß Paul VI. das Buch, das er ver­öf­fent­li­chen ließ, Mis­sa­le Roma­num genannt hat. Er ließ es 1970 als Edi­tio typi­ca her­aus­ge­ben. Indem eine Aus­ga­be als typisch bezeich­net wird, tritt sie an die Stel­le der vor­an­ge­gan­ge­nen Edi­tio typi­ca, in die­sem Fal­le jener von 1962.

Zwar wur­den dadurch kei­ne eige­nen Edi­tio­nes typi­cae geschaf­fen, aber schon mit der Instruk­ti­on Inter Oecu­me­ni­ci (1964) wur­de die Gel­tung der im MR1962 vor­ge­schrie­be­nen Rubri­ken erkenn­bar, mit der Instruk­ti­on Tres Abhinc Annos (1967) deut­lich modi­fi­ziert. Genau­ge­nom­men war also das MR1962 völ­lig unein­ge­schränkt in der gan­zen Kir­che des Latei­ni­schen Ritus gera­de ein­mal viel­leicht zwei Jah­re in Gel­tung, wenn man etwas groß­zü­gi­ger ist, höch­stens fünf Jah­re für den Römi­schen Ritus gesamt­kirch­lich in Kraft.

Bei­de Instruk­tio­nen wur­den für den Gel­tungs­be­reich von Sum­morum Pon­ti­fi­cum außer Kraft gesetzt, eben­so natur­ge­mäß die gesam­te nach­kon­zi­lia­re, lit­ur­gi­sche Gesetz­ge­bung, inso­fern sie mit den 1962ger Rubri­ken unver­ein­bar sein wür­de. Ein­zi­ge Aus­nah­me ist, daß in der mit dem Volk gefei­er­ten, gele­se­nen Mes­se Epi­stel und Evan­ge­li­um sogleich und anstel­le des Lateins in der Volks­spra­che vor­ge­tra­gen wer­den können.

Von die­ser extrem kur­zen, gesamt­kirch­li­chen Gel­tung der lit­ur­gi­schen Bücher von 1962 her gese­hen fragt sich ohne­hin, wie sie geeig­net sein sol­len, jetzt fun­diert „die lit­ur­gi­sche Tra­di­ti­on der Römi­schen Kir­che“ zu reprä­sen­tie­ren, das gilt umso mehr, als die Edi­tio typi­ca von 1962 die erste war, in die die ritu­el­len Ände­run­gen der Lit­ur­gie der Kar­wo­che, wie sie Pius XII. ver­fügt hat­te, Ein­gang fan­den, wel­che ihrer­seits eben­falls gera­de ein­mal von 1955 bis maxi­mal 1967 all­ge­mein ver­wen­det wur­den. For­mal betrach­tet ist der Bezugs­punkt auf die Edi­tio typi­ca von 1962 auch sei­tens der Pius­bru­der­schaft ver­ständ­lich und auch kano­ni­stisch strin­gent: Sie war nun ein­mal fak­tisch die letz­te vor­kon­zi­lia­re Edi­tio typi­ca, sach­lich und inhalt­lich wirft sie durch­aus bereits Fra­gen auf, vor allem, weil sie nur bean­spru­chen kann, ein extrem kur­zes Sta­di­um der vor­kon­zi­lia­ren, lit­ur­gi­schen Pra­xis zu verkörpern.

Zwar gab es von Anfang an Indul­te, am älte­ren Meß­ri­tus fest­zu­hal­ten, doch waren sie ent­we­der welt­weit auf alte und kran­ke oder gebrech­li­che Prie­ster beschränkt, also von vor­her­ein offen­kun­dig als Über­gangs­lö­sung, um nicht zu sagen als Aus­lauf­mo­dell gedacht oder aber (das Indult für Eng­land) setz­ten die Anwen­dung von Inter Oecu­me­ni­ci und Tres Abhinc Annos voraus.

Was Erz­bi­schof Radael­li über­sieht, ist mei­nes Erach­tens, daß Bene­dikt XVI. die The­se von der Zwei­ge­stal­tig­keit des einen Römi­schen Ritus nicht bloß als pri­va­ter Theo­lo­ge oder Kir­chen­recht­ler ver­tre­ten hat, son­dern in sei­ner Eigen­schaft als damals amtie­ren­der, höch­ster Gesetz­ge­ber der Kir­che. Als sol­cher war er kom­pe­tent, sei­ne The­se juri­disch als fic­tio mit Rechts­kraft auszustatten.

Foto: Jens Falk

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7 Kommentare

  1. Ziem­lich pas­send. Heu­te wäre, wür­de nicht das Mess­buch von 1962 gel­ten, eine ganz ande­re Mes­se zu fei­ern. Nicht in grün, son­dern in weiß: Wei­he­tag der Basi­li­ken der Apo­stel Petrus und Pau­lus, Gedächt­nis des 6. nach­ge­hol­ten Sonn­tags nach Erschei­nung, Ev. die­ses Sonn­tags als Schlus­sev. Und das jahr­hun­der­te­lang. Es stimmt also manch­mal abso­lut nicht, dass 62 kei­nen gro­ßen Unter­schied dar­stellt. Und es änder­te eben oft sehr alte lit­ur­gi­sche Pra­xis, war selbst in der Pra­xis aber nur sehr kurz maßgeblich.

  2. Unter­drücken zweck­los. Wird auf die Unter­drücker zurückfallen.
    Damals waren die „Lefeb­v­re-Anhän­ger“ noch Exo­ten. Damals, als die Struk­tu­ren der Kir­che zwar ange­schla­gen, jedoch noch nicht so kaputt waren wie jetzt. Damals, als vie­le noch an das Auf­bruchs­ge­re­de („Eine gro­ße Stadt ent­steht.….“) geglaubt und gehofft hat­ten. Die Auf­lö­sung, lee­re Kir­chen und Semi­na­re, seit fünf Jah­ren jetzt noch die Dau­er­be­schimp­fun­gen und Belei­di­gung der treu­ge­blie­be­nen Rest-Gläu­bi­gen durch Papst Fran­zis­kus auf der einen Sei­te, das Wachs­tum tra­di­tio­nel­ler Gemein­schaf­ten andererseits.
    Ver­bo­te wer­den nur dazu füh­ren, dass sich die­se Gläu­bi­gen dort­hin wen­den werden.

    • Sie ver­ges­sen, dass die Gemein­schaf­ten, die ED unter­ste­hen, auch kei­ne Exi­stenz­ga­ran­tie haben.

      • Natür­lich. Die Fol­gen wären klar. Die Exo­ten von einst sind eta­bliert, erfolg­reich und zuver­läs­sig katho­lisch. Ergo.…
        Lee­re, nicht mehr benö­tig­te Kir­chen und Klö­ster sind reich­lich vorhanden.

      • Als ordent­li­che und ausser­or­dent­li­che Form des glei­chen Ritus hat Bene­dikt XVI. die neue“ Mes­se von 1970 und die „alte“ Mes­se von 1962 in SP bezeich­net. Quod est demon­stran­dum! Die Begrün­dung fehlt. Wie Was­ser und Feu­er wider­spre­chen sich ja die­se „For­men“, sie ertra­gen sich nicht. Man muss nur den Unter­schied beach­ten, wie die Besu­cher der neu­en und alten Mes­se in die Kir­che tre­ten. Der Neu­gläu­bi­ge setzt sich kur­zer­hand auf die Bank (oder den Sitz) und macht kaum ein Kreuz­zei­chen, der Alt­gläu­bi­ge kniet zuerst auf die Knie­bank und macht andäch­tig ein Kreuz­zei­chen, nach­dem er mit gefal­te­ten Hän­den Jeus im Taber­na­kel innig gegrüsst und ange­be­tet hat. Ein ganz ande­rer Geist liegt die­sen bei­den Mes­sen zugrun­de. Vom glei­chen Ritus in zwei For­men zu spre­chen ist ein Hohn auf die Rea­li­tät, die seit der Ein­füh­rung der neu­en Mes­se vor aller Augen liegt! Es muss aus­ge­spro­chen wer­den, von allen Dächern müss­te es geschrien werden!

        • Die Begrün­dung fehlt nicht. Sie ist nur rein fik­tiv und ohne wesent­li­ches fun­da­men­tum in re. Aber kir­chen­recht­lich kann sie trotz­dem bin­dend sein. So ver­ste­he ich Olden­dorf. Wei­ter sagt die­ser, dass die Fest­le­gung in einem MP nicht beson­ders abge­si­chert sei. Thea­tra­lik, wie sie aus Ihren Zei­len spricht, ist trotz­dem unab­ge­bracht und unsach­lich, Alkuin.

          • Wenn ich auch der Unsach­lich­keit und Thea­tra­lik bezich­tigt wer­de, der gei­sti­ge Unter­schied zwi­schen neu­er und alter Mes­se steht fest. Thea­tra­lik? Glau­ben Sie mir, Jens Frei­ling, ich habe noch unter Pius XII. mini­striert und die gan­ze lit­ur­gi­sche Wen­de haut­nah erlebt und durch­lit­ten. Im Gegen­teil: Das Dra­ma des gei­sti­gen Kamp­fes zwi­schen alter und neu­er Mes­se müss­te ein neu­er Cal­de­ron schrei­ben, der sagt: „Ich bin bren­nen­des Feu­er, der Eifer für das Haus Got­tes ver­zehrt mich, oh Herr!“ Es könn­ten in die­sem Thea­ter­stück u. a. ver­tre­ten sein : Pius XII., der die alte Mes­se noch­mals ver­tei­digt und vor den Neue­rern warnt, Paul VI., der von ver­schie­de­ner Sei­te vor den Neue­rern der Mes­se gewarnt wird, die neue Mes­se trotz­dem ein­führt, schliess­lich Bene­dikt XVI.,vor dem Rich­ter­stuhl Chri­sti kniend, der das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum in Hän­den hält; neben Bene­dikt ste­hen der hl. Erz­engel Micha­el als Ver­tei­di­ger und ein advo­ca­tus dia­bo­li als Klä­ger. – Das Dra­ma ist noch nicht zu Ende! Ich möch­te die Dis­kus­si­on abschlie­ssen mit dem Schluss­atz: Es braucht viel, viel Süh­ne, um die Kir­che wie­der ins rech­te Lot zu bringen.

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