Papst Franziskus warnt Andorra

Bei Abtreibungslegalisierung droht eine Verfassungskrise


Andorra droht bei Einführung der Abtreibung eine Verfassungskrise. Im Bild die beiden Kofürsten des Fürstentums: Erzbischof Joan Enric Vives i Sicilia, der Bischof von Urgell, und der französische Staatspräsident, damals Nicolas Sarkozy, heute Emmanuel Macron.
Andorra droht bei Einführung der Abtreibung eine Verfassungskrise. Im Bild die beiden Kofürsten des Fürstentums: Erzbischof Joan Enric Vives i Sicilia, der Bischof von Urgell, und der französische Staatspräsident, damals Nicolas Sarkozy, heute Emmanuel Macron.

(Andor­ra) Papst Fran­zis­kus tele­fo­nier­te per­sön­lich mit dem Regie­rungs­chef von Andor­ra, um ihn zu war­nen: Soll­te das Land die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der lega­li­sie­ren, wer­de der Kofürst Joan Enric Vives i Sici­lia, der Bischof von Urgell, abdan­ken. Damit könn­te es zu einer Staats­kri­se kom­men, da die ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­la­ge ver­lo­ren­gin­ge, auf der seit dem Hoch­mit­tel­al­ter die Eigen­stän­dig­keit des Für­sten­tums beruht.

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Andor­ra ist ein selbst vie­len Euro­pä­ern kaum bekann­ter Klein­staat in den Pyre­nä­en. Mit 486 Qua­drat­ki­lo­me­tern Flä­che ist das Land grö­ßer als das Für­sten­tum Liech­ten­stein, aber klei­ner als die Han­se­stadt Ham­burg. Mit rund 80.000 Ein­woh­nern ist es aller­dings bevöl­ke­rungs­rei­cher als Mona­co und San Mari­no zusam­men. Das Land geht direkt auf die Spa­ni­sche Mark von Kai­ser Karl dem Gro­ßen zurück. Andor­ra gehört nicht zur Euro­päi­schen Uni­on, führ­te aber den Euro als Wäh­rung ein.

Die Beson­der­heit des Klein­staa­tes ist jedoch sei­ne Staats­form. Es han­delt sich um ein par­la­men­ta­ri­sches Kofür­sten­tum, also eine Mon­ar­chie. Bis 1993 war die Sou­ve­rä­ni­tät zwi­schen zwei Lan­des­für­sten geteilt, die das Land seit 1278 als Kon­do­mi­ni­um regier­ten. Seit vor 25 Jah­ren eine Ver­fas­sung ein­ge­führt wur­de, üben die bei­den Kofür­sten das gemein­sa­me Amt des Staats­ober­haup­tes aus, das weit­ge­hend auf reprä­sen­ta­ti­ve Auf­ga­ben beschränkt wur­de. Kofür­sten sind der amtie­ren­de Staats­prä­si­dent von Frank­reich, als Rechts­nach­fol­ger des fran­zö­si­schen Königs, und der Bischof von Urgell, einer Stadt im Nor­den Kataloniens.

Wappen des Fürstentums Andorra
Wap­pen des Für­sten­tums Andorra

Die Bewoh­ner Andor­ras selbst sind Kata­la­nen. Kata­la­nisch ist auch Amts­spra­che in dem Gebirgs­land. Wegen der histo­ri­schen Grenz­la­ge zwi­schen Frank­reich und Spa­ni­en und einst riva­li­sie­ren­den Inter­es­sen dies­seits und jen­seits der Pyre­nä­en konn­te das Land nur durch ein aus­ge­klü­gel­tes Gleich­ge­wicht sei­ne Unab­hän­gig­keit bewah­ren. Dazu gehört, daß im Schul­we­sen Spa­nisch (Kasti­lisch) und Fran­zö­sisch domi­nie­ren, obwohl nur zwei Pro­zent der Andor­ra­ner im All­tag vor allem Fran­zö­sisch und 37 Pro­zent Kasti­lisch spre­chen. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den Anstren­gun­gen unter­nom­men, um die kata­la­ni­sche Spra­che zu stärken.

Bischof von Urgell ist seit 2003 der aus Bar­ce­lo­na stam­men­de Kata­la­ne Joan-Enric Vives i Sicí­lia. 1993 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. zum Weih­bi­schof für Bar­ce­lo­na und 2001 zum Koad­ju­tor für Urgell. 2003 folg­te er sei­nem Vor­gän­ger in das Amt des Bischofs und wur­de mit der Inthro­ni­sa­ti­on zugleich auch Kofürst des Für­sten­tums Andor­ra, des­sen Gebiet seit karo­lin­gi­scher Zeit zum Bis­tum Urgell gehört. Als Bischof von Urgell gehört er der Spa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz an. 2010 gewähr­te ihm Papst Bene­dikt XVI. den Titel eines Erz­bi­schofs ad per­so­nam. In der Ver­gan­gen­heit ließ er Sym­pa­thien für die staat­li­che Unab­hän­gig­keit Kata­lo­ni­ens erkennen.

Regiert wird das Land seit 2011 von einer abso­lu­ten Mehr­heit der Demo­kra­ten für Andor­ra (DA) einer rechts­li­be­ra­len Par­tei, die am ehe­sten mit den Ciu­da­d­a­nos in Spa­ni­en ver­gli­chen wer­den könn­te. Regie­rungs­chef ist seit 2015 der Archi­tekt Anto­ni Mar­ti Petit. Mar­ti gehör­te ursprüng­lich der in Andor­ra domi­nie­ren­den bür­ger­li­chen Libe­ra­len Par­tei von Andor­ra (PLA) an, deren Mit­be­grün­der er war. Poli­ti­sche Par­tei­en sind im Für­sten­tum erst seit 1993 zuge­las­sen. Nach­dem 2009 die Sozi­al­de­mo­kra­ten als stärk­ste Kraft aus den Wah­len her­vor­gin­gen und das Land kurz­zei­tig regier­ten, ver­ließ Mar­ti den PLA, um die DA zu gründen.

Der Telefonanruf von Papst Franziskus

Mit Mar­ti führ­te Papst Fran­zis­kus nun ein Tele­fon­ge­spräch. Das Für­sten­tum ist eines der weni­gen euro­päi­schen Län­der, in denen die unge­bo­re­nen Kin­der noch Schutz genie­ßen. Die Tötung Unge­bo­re­ner durch Abtrei­bung ist ille­gal. Nun wird auch in dem klei­nen Land über die Lega­li­sie­rung der Kin­destö­tung debat­tiert. Gere­det wird vor allem über eine Ver­fas­sungs­än­de­rung, mit der der Weg zur Ein­füh­rung eines Abtrei­bungs­ge­set­zes ermög­licht wer­den soll. Glei­ches geschah vor kur­zem in Irland, wo die Bür­ger in den 80er Jah­ren den Schutz des unge­bo­re­nen Lebens eigens in der Ver­fas­sung ver­an­kert hat­ten, um das Land vom dem Greu­el des Kin­der­mor­des zu schüt­zen. In einer Volks­ab­stim­mung wur­de die Ände­rung der Ver­fas­sung gut­ge­hei­ßen, wor­auf die iri­sche Regie­rung sofort eine Abtrei­bungs­frei­ga­be in die Wege lei­te­te. Glei­ches wird auch für Andor­ra befürchtet.

Euro-Münze Andorras
Euro-Mün­ze Andorras

Wie die Tages­zei­tung Dia­ri d’Andorra berich­te­te, rief Papst Fran­zis­kus per­sön­lich Mini­ster­prä­si­dent Mar­ti an, um ihm mit­zu­tei­len, daß bei einer Ein­füh­rung der Abtrei­bung der Bischof von Urgell als Kofürst abdan­ken müs­se. Es sei nicht denk­bar, daß der Bischof ein Gesetz in Kraft set­ze, das die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der legalisiere.

Die War­nung von Papst Fran­zis­kus, den Bischof von Urgell zur Abdan­kung als Kofürst zu zwin­gen, wür­de eine bald tau­send­jäh­ri­ge, insti­tu­tio­nel­le Form besei­ti­gen und könn­te das Land in eine Ver­fas­sungs­kri­se stürzen.

Die Abtrei­bungs­be­für­wor­ter unter den Abge­ord­ne­ten des 28köpfigen Par­la­ments waren sich der Pro­ble­ma­tik bewußt, einer­seits ein Gesetz zur Abtrei­bungs­le­ga­li­sie­rung ein­füh­ren zu wol­len, das von den Kofür­sten unter­zeich­net wer­den müß­te, um Geset­zes­kraft zu erlan­gen, ande­rer­seits der Bischof von Urgell einem sol­chen Gesetz nicht zustim­men könn­te. Sie lie­ßen Juri­sten nach einem Schlupf­loch suchen, das Gesetz auch ohne die Unter­schrift der Staats­ober­häup­ter ein­zu­füh­ren. Angeb­lich habe ein Ver­fas­sungs­recht­ler einen ver­fas­sungs­recht­lich aller­dings „sehr gewag­ten“ Weg gefunden.

Mit dem Tele­fon­an­ruf von Papst Fran­zis­kus wur­de den Bestre­bun­gen, mit Hil­fe eines juri­sti­schen Tricks die Abtrei­bung ein­zu­füh­ren, ein Rie­gel vor­ge­scho­ben. Fran­zis­kus teil­te Mar­ti mit, daß ihn juri­sti­sche Fines­sen nicht inter­es­sie­ren: Soll­te Andor­ra ein Abtrei­bungs­ge­setz ein­füh­ren, das müs­se allen Ver­ant­wor­tungs­trä­gern bewußt sein, wer­de das Land einen sei­ner Kofür­sten verlieren.

Das Kir­chen­ober­haupt soll Mar­ti dar­an erin­nert haben, daß das Lebens­recht der unge­bo­re­nen Kin­der für die Kir­che „nicht ver­han­del­bar“ ist. Ein Par­la­ment kön­ne nie über das Leben von Men­schen ver­fü­gen. Ein Par­la­ment kön­ne nur Geset­ze für den Schutz des Lebens erlas­sen. Glei­ches gel­te auch für die Euthanasie.

„Der Ball liegt nun bei der andor­ra­ni­schen Regie­rung, die sich ent­schei­den muß, was ihr wich­ti­ger ist: das Lebens­recht zu ach­ten oder auf die seit 1278 gel­ten­de Staats­form zu ver­zich­ten“, so die spa­ni­sche Nach­rich­ten­sei­te Info­Va­ti­ca­na.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

 

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