Papst Franziskus: „In Medjugorje wirkt Gott Wunder – trotz der Seher“

"Sie ist meine Mutter. Begegnungen mit Maria"


Ein Gesprächsbuch mit Papst Franziskus, in dem er ausführlicher zu Medjugorje und anderen Erscheinungs- und Botschaftenphänomenen Stellung nimmt, wurde in italienischer Sprache vorgelegt und kann offiziösen Charakter für sich beanspruchen.
Ein Gesprächsbuch mit Papst Franziskus, in dem er ausführlicher zu Medjugorje und anderen Erscheinungs- und Botschaftenphänomenen Stellung nimmt, wurde in italienischer Sprache vorgelegt und kann offiziösen Charakter für sich beanspruchen.

(Rom) „Mich nervt es, wenn sie mit den Bot­schaf­ten kom­men.“ In einem Gesprächs­buch von Alex­and­re Awi Mel­lo spricht Papst Fran­zis­kus über sein Ver­hält­nis zu Maria und sagt auch, was er von den Erschei­nun­gen in Med­jug­or­je und an ande­ren Orten hält.

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Med­jug­or­je ist ein von katho­li­schen Kroa­ten bewohn­ter Ort in den her­ze­go­wi­ni­schen Ber­gen. Die Katho­li­ken wur­den dort bis 1989 von den Kom­mu­ni­sten drang­sa­liert, heu­te von den Mus­li­men. Seit Juni 1981 soll in dem Ort meh­re­ren Sehern die Got­tes­mut­ter Maria erschei­nen. Die zustän­di­gen Orts­bi­schö­fe fäll­ten ein nega­ti­ves Urteil, zuletzt Anfang der 90er Jah­re. Seit­her hof­fen die Anhän­ger der Erschei­nun­gen auf ein posi­ti­ves Urteil aus Rom. Dort ziert man sich aber aus ver­schie­de­nen Grün­den. Unter ande­rem, weil das Phä­no­men auch im 38. Jahr andau­ert, und weil man den klu­gen Weg sucht, die Gläu­bi­gen zu füh­ren, ohne sie vor den Kopf zu stoßen.

Medjugorje und die Botschaftenflut, die Papst Franziskus nicht gefällt

„Es ist meine Mutter“
„Es ist mei­ne Mutter“

Wie­der­holt nahm Papst Fran­zis­kus nega­tiv zur Bot­schaf­ten­flut Stel­lung, beim ersten Mal im Sep­tem­ber 2013 sogar kon­kret gegen Med­jug­or­je, was aber von den Vati­kan­me­di­en unter­schla­gen wur­de, und daher nie wirk­lich an die Öffent­lich­keit gelang­te. Zugleich ent­sand­te er einen Son­der­ge­sand­ten nach Med­jug­or­je, den pol­ni­schen Erz­bi­schof Hen­ryk Hoser, der dem Phä­no­men sehr wohl­wol­lend gegen­über­steht. Was der Papst also genau zu Med­jug­or­je denkt, läßt sich nicht mit Sicher­heit sagen.

Ein Gesprächs­buch, das gestern in ita­lie­ni­scher Aus­ga­be in den Buch­han­del kam, lie­fert aller­dings inter­es­san­te Anhalts­punk­te, die sich in das bis­he­ri­ge Bild ein­fü­gen. Das Buch, wie der St. Ben­no-Ver­lag auf­merk­sam macht, erschien in einer Erst­aus­ga­be 2014 auf por­tu­gie­sisch in Bra­si­li­en. 2016 ver­leg­te der St. Ben­no-Ver­lag eine deut­sche Aus­ga­be. Die nun­mehr erschie­ne­ne ita­lie­ni­sche Aus­ga­be ver­leiht dem Buch neu­es Gewicht, denn das Gespräch mit Fran­zis­kus führ­te nicht ein Jour­na­list, son­dern Alex­and­re Awi Mel­lo, der inzwi­schen zum Sekre­tär des neu­en Dik­aste­ri­ums für die Lai­en, die Fami­lie und das Leben ernannt wurde.

Awi Mel­lo ist ein bra­si­lia­ni­scher Prie­ster der Schön­statt-Bewe­gung, der im Fach Mario­lo­gie pro­mo­vier­te. Nach einer Lehr­tä­tig­keit an ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten in Bra­si­li­en berief ihn Fran­zis­kus im Mai 2017 an die Römi­sche Kurie. Jor­ge Mario Berg­o­glio kennt den Prie­ster seit der latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­ver­samm­lung Latein­ame­ri­kas von Apa­re­ci­da im Jahr 2007. Der dama­li­ge Kar­di­nal und Erz­bi­schof von Bue­nos Aires war für das Schluß­do­ku­ment ver­ant­wort­lich. Awi Mel­lo war einer der bei­den Redak­ti­ons­se­kre­tä­re, die Berg­o­glio dafür zur Ver­fü­gung stan­den. Man blieb in Kon­takt mit­ein­an­der. Papst Fran­zis­kus berief Awi Mel­lo erst vor weni­gen Tagen in das Redak­ti­ons­ko­mi­tee für das Schluß­do­ku­ment der gera­de statt­fin­den­den Jugend­syn­ode. Von Bedeu­tung für die im Buch ent­hal­te­nen Aus­sa­gen: Das Gespräch wur­de von einem Fach­theo­lo­gen geführt, und zumin­dest die soeben vor­ge­leg­te ita­lie­ni­schen Aus­ga­be kann auf­grund des Ran­ges, den Awi Mel­lo inzwi­schen im Vati­kan ein­nimmt, einen offi­ziö­sen Cha­rak­ter für sich beanspruchen.

„Er hat den Terminkalender der Gottesmutter? Da habe ich nein gesagt“

Das Buch trägt den Titel „Sie ist mei­ne Mut­ter. Begeg­nun­gen mit Maria“ (È mia mad­re. Incon­tri con Maria, Cit­tà Nuo­va 2018). Dar­in sagt Franziskus:

“Mich nervt es, wenn sie mit den Bot­schaf­ten kom­men. Die Jung­frau hat ja kein Postamt!“

Fran­zis­kus erin­nert sich an den Auf­tritt eines Med­jug­or­je-Sehers in sei­ner argen­ti­ni­schen Bischofsstadt:

„Als ich in Bue­nos Aires war, habe ich eine Ver­samm­lung ver­bo­ten, die den­noch statt­fand. Sie wuß­ten, daß ich nicht damit ein­ver­stan­den war.“

Der Seher kam nach Bue­nos Aires, um in einer Kir­che zu spre­chen. Erz­bi­schof Jor­ge Mario Berg­o­glio wider­setz­te sich der Ver­an­stal­tung, „ohne sich zur Echt­heit der Erschei­nung zu äußern“. Er unter­sag­te die Ver­an­stal­tung, weil laut Ankündigung

„einer der Seher spre­chen und alles ein biß­chen erzäh­len soll­te, und um halb fünf soll­te die Jung­frau erschei­nen. Das heißt, er hat­te den Ter­min­ka­len­der der Jung­frau. Des­halb sag­te ich: ‚Nein, ich will eine sol­che Art von Din­gen hier nicht‘. Ich sag­te nein: Nicht in einer Kirche.“

„Inmitten des menschlichen Wahnsinns wirkt Gott weiterhin Wunder“

Im Gesprächs­buch füg­te Fran­zis­kus zu Med­jug­or­je hinzu:

„Es ist not­wen­dig, zu unter­schei­den, weil Gott trotz­dem Wun­der in Med­jug­or­je wirkt.

Medjugorje
Med­jug­or­je

Gott wir­ke laut Fran­zis­kus „trotz“ der Seher und „trotz“ der Bot­schaf­ten und der Behaup­tung von Mari­en­er­schei­nun­gen in Med­jug­or­je Wun­der. Es sei also zwi­schen dem Wir­ken Got­tes und dem vom Papst abge­lehn­ten Erschei­nungs­rum­mel zu unterscheiden.

„Inmit­ten des mensch­li­chen Wahn­sinns wirkt Gott wei­ter­hin Wunder.“

Der Papst äußert die Annah­me, daß es sich bei den behaup­te­ten Erschei­nun­gen, Fran­zis­kus nennt als Bei­spiel neben Med­jug­or­je auch das Phä­no­men im argen­ti­ni­schen Sal­ta, „viel­leicht mehr um per­sön­li­che Phä­no­me­ne han­delt“. Der Papst wörtlich:

„Ich bekom­me Brie­fe, aber man ver­steht, daß das vor allem psy­cho­lo­gi­sche Din­ge sind. Es ist not­wen­dig, die Din­ge genau zu unter­schei­den. Ich den­ke, daß es Gna­den in Med­jug­or­je gibt. Das kann man nicht leug­nen. Es gibt Leu­te, die sich bekeh­ren, aber es fehlt an Unter­schei­dung, und ich will nicht Sün­de sagen, weil die Leu­te nie wis­sen, bis wo es Sün­de ist, aber es ist zumin­dest ein Man­gel an Unterscheidung.“

„Und dann sagen sie: ‚Die Gottesmutter hat mir gesagt…‘ “

Fran­zis­kus erklärt sich die von ihm abge­lehn­ten Bot­schaf­ten „theo­lo­gisch als inne­res Spre­chen“. „Inne­re Loku­tio­nen sind ein Ven­til, die von einer rei­nen, impli­zi­ten Inspi­ra­ti­on her­rüh­ren“. Dar­in drücke sich also mehr ein Wunsch­den­ken des Betref­fen­den aus.

„Die Sache mit den Erschei­nun­gen, damit das klar ist: Ver­such es, von der Sei­te einer inter­nen Loku­ti­on zu sehen. Dann ist es klar, war­um ich dir sag­te, daß man von einem Extrem ins ande­re geht. Manch­mal mate­ria­li­siert sich die­se Loku­ti­on fast in einer Visi­on, und ande­re Male kann es nur eine simp­le Inspi­ra­ti­on sein.“

Kon­kret:

„Zum Bei­spiel jene Per­so­nen, die hören, daß die Got­tes­mut­ter ihnen etwas sagt. Im Gebet erfolgt eine Loku­ti­on, und dann sagen sie: ‚Die Got­tes­mut­ter hat mir gesagt…‘. Natür­lich. Sie drücken es auf eine Art aus, die scheint, als hät­ten sie wirk­lich eine Erschei­nung gehabt. Aber von da bis zu dem, daß die Seher zu Haupt­dar­stel­lern wer­den und pro­gram­mier­te Erschei­nun­gen orga­ni­sie­ren… Das ist die Sün­de, die eine gro­ße Gna­de beglei­ten kann.“

Awi Mel­lo schreibt dazu:

„Kurz­um, um es mit den Wor­ten des Evan­ge­li­ums zu sagen: Wei­zen und Unkraut wach­sen gemein­sam – auch heute.

Und Fran­zis­kus:

„Gibt es Unter­schei­dungs­kri­te­ri­en für Erschei­nun­gen? Eines ist für mich der Gehor­sam der Per­son gegen­über der Kirche.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Nuo­va Cit­tà (Screen­shots)

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