(Rom) In Deutschland berichten Medien, Benedikt XVI. habe seinen Amtsverzicht mit den Rücktrittserwägungen von Papst Pius XII. im Jahr 1944 verglichen, als er befürchtete, von den Nationalsozialisten als Geisel genommen zu werden (siehe Wann nimmt Benedikt XVI. zur Papstkrise Stellung?). In Brasilien wird zugleich berichtet, daß der vormalige Papst an Parkinson leide.
Die Bild-Zeitung veröffentlichte gestern Auszüge aus einem Brief, den Benedikt XVI. im November an einen namentlich nicht genannten, deutschen Kardinal sandte. Der Brief ist aufsehenerregend, weil das achte deutsche Papst der Kirchengeschichte darin anzudeuten scheint, aus Furcht um sein Leben zurückgetreten zu sein. Bisher hatte er wiederholt darauf bestanden, daß sein historisch beispielloser Amtsverzicht aus freien Stücken erfolgte.
Seither stehen neue Fragen im Raum.
Bergoglianer begeisterten sich unterdessen an dem Bild-Artikel. Zunächst vor allem, weil er von Papst Franziskus ablenkt, der durch den Mißbrauchsskandal in den USA schwer in Bedrängnis ist. Besonders aber, weil die Bild-Zeitung mit ihrem Artikel die These ausbreitete, Benedikt XVI. sei durch seinen Rücktritt schuld an der aktuellen Kirchenkrise. Seine Gegner hatten stets das Gegenteil behauptet. Jene Kräfte, die das Pontifikat Benedikts behinderten, wo sie nur konnten, applaudierten seinem Rücktritt frenetisch. Derzeit aber greifen sie offensichtlich nach jedem Strohhalm, um Franziskus zu stützen. Im Vatikan scheint man noch immer keine klaren Vorstellungen darüber zu haben, wie mit dem belastenden Viganò-Dossier umgehen.
Genugtuung verschafft den Bergoglianern auch, daß der Bild-Artikel einen Konflikt unter Freunden ins Bild setzt: nicht Konservative gegen Progressive, wie es seit Jahrzehnten dargestellt wird, sondern Ratzinger gegen Ratzingerianer. Deshalb zeigten sie sofort mit dem Finger auf Kardinal Walter Brandmüller. Er sei der unbekannt bleibende Kardinal, an den Benedikt XVI. einen „Wut-Brief“ geschrieben habe. Diese Dramatisierung paßt ins „Bild“, nämlich in die Bild-Zeitung, die zu den globalistischen Medien gehört und in kirchlichen Fragen nie auf der Seite Benedikts XVI. stand.
In Brasilien berichtete unterdessen die Zeitschrift Veja über „Das Martyrium von Benedikt XVI“. Doch zuerst ein Rückblick:
Im vergangenen Februar berichteten Medien von „Todesgerüchten um Ex-Papst Benedikt“. Sein Bruder, Msgr. Georg Ratzinger, zeigte sich „besorgt über den Gesundheitszustand“ Benedikts XVI. Er sprach in einem Interview mit der Zeitschrift Neue Post von einer „Lähmung“, von der „mein Bruder Joseph“ betroffen sei. „Die größte Sorge ist, daß die Lähmung irgendwann aufs Herz gehen könnte. Und dann kann es schnell vorbei sein“. Und weiter: „Ich bete jeden Tag für eine gute Sterbestunde für mich und meinen Bruder. Für uns beide. Das ist ein großer Wunsch, den wir haben“.
Das vatikanische Presseamt beeilte sich den Bruder Benedikts XVI. zu dementieren:
„Die behaupteten Nachrichten von einer lähmenden oder degenerativen Krankheit sind falsch.“
Zum Gesundheitszustand von Benedikt XVI. erklärte der Vatikan:
„Er fühlt die Last der Jahre, wie das in seinem Alter normal ist“.
Nun berichtete die brasilianische Zeitschrift Veja über Benedikt XVI., daß „der Papst an den Symptomen von Parkinson leidet, eine Krankheit, die zu seiner Entscheidung beigetragen haben könnte“.
Die Zeitschrift beruft sich dabei „exklusiv“ auf Kirchenvertreter, „die dem emeritierten Papst nahestehen“:
„Benedikt XVI. leidet an Parkinson und fühlte die Signale der Krankheit bereits als er zurücktrat“.
Sein Tagesablauf sei „wegen der Krankheit sehr eingeschränkt“.
Veja nennt die Informationsquelle nicht, die anonym bleiben weil, weil sie nicht autorisiert sei, öffentlich über den Gesundheitszustand des vormaligen Papstes zu sprechen.
Zur Unterstützung der Behauptung verweist Veja auf die Erkrankung von Papst Johannes Paul II. Er habe „bereits seit 1996 an Parkinson gelitten“. Erst 2001 sprach sein Leibarzt erstmals in einem Interview davon. Dazu Veja: Der „polnische Papst ist 2005 gestorben, ohne daß der Vatikan seinen Zustand offiziell bestätigte“.
Laut dem brasilianischen Wochenmagazin verhalte sich der Vatikan nun bei Benedikt XVI. genauso. Die offizielle Lesart laute:
„Dem emeritierten Papst geht es gut. Seine ‚Krankheit‘ sind seine 91 Jahre“.
Das jüngste bekannte Bild von Benedikt XVI. wurde am 22. August von der Vatikanischen Stiftung Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. auf Facebook veröffentlicht. Es zeigt Benedikt mit Don Simone Billeci, Dozent an der Theologischen Fakultät von Sizilien. Don Billeci überreichte Benedikt im Garten des Klosters Mater Ecclesiae die von ihm herausgegebene, bisher unveröffentlichte Dissertation von Michael Johannes Marmann. Marmanns Dissertation war von Ratzinger während seiner Lehrtätigkeit an der Universität Regensburg betreut wurde. Das Vorwort zur Veröffentlichung stammt von Kardinal Gerhard Müller.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Facebook/Fondaziona Vaticana Joseph Ratzinger / Benedetto XVI (Screenshot)