Wann nimmt Benedikt XVI. zur Papstkrise Stellung?


Benedikt XVI.
Benedikt XVI. und die Kirchenkrise, die sich immer deutlicher als Papstkrise entpuppt.

(Rom) Vie­le gläu­bi­ge Katho­li­ken emp­fin­den noch heu­te eine Ent­täu­schung wegen des Amts­ver­zichts von Bene­dikt XVI. Die­se Ent­täu­schung wird immer neu stra­pa­ziert, wenn der vor­ma­li­ge Papst einen nicht uner­heb­li­chen Teil sei­ner weni­gen Wort­mel­dun­gen auf die Recht­fer­ti­gung sei­nes Schrit­tes ver­wen­det, obwohl die Not der Kir­che nach ganz ande­rem ver­lan­gen wür­de. Das gilt um so mehr, als Bene­dikt XVI. immer neue und kryp­ti­sche­re Recht­fer­ti­gungs­va­ri­an­ten in die Dis­kus­si­on ein­führt, ohne Roß und Rei­ter beim Namen zu nennen.

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Die Bild-Zei­tung lie­fer­te heu­te eine neue Vari­an­te, indem sie aus­zugs­wei­se einen Brief Bene­dikts XVI. vom Novem­ber 2017 an einen nament­lich nicht genann­ten deut­schen Kar­di­nal ver­öf­fent­lich­te. Berg­o­glia­ner zei­gen mit dem Fin­ger auf Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler. Der einst enge Ver­trau­te von Bene­dikt XVI. übte tat­säch­lich schon öffent­lich hef­ti­ge Kri­tik an der Art, wie Bene­dikt XVI. sei­nen Amts­ver­zicht umsetz­te. In einem per­sön­li­chen Brief for­mu­lier­te der Kar­di­nal die Sache noch deut­li­cher und mach­te aus sei­ner Ent­täu­schung über den Rück­tritt kein Hehl.

Bene­dikt reagier­te mit einem „Wut-Brief“, so die Bild-Zei­tung, die ihn heu­te aus­zugs­wei­se ver­öf­fent­lich­te. Bene­dikt schreibt darin:

„Den tief sit­zen­den Schmerz, den Ihnen mit vie­len ande­ren das Ende mei­nes Pon­ti­fi­kats zuge­fügt hat, kann ich sehr wohl ver­ste­hen. Aber der Schmerz ist bei man­chen – wie mir scheint – auch bei Ihnen zum Zorn geworden“.

Der Satz, der die Berg­o­glia­ner jubeln und die­sen Brief wie eine Tro­phäe zur Schau tra­gen läßt, lautet:

„Auf die­se Wei­se wird nun ein Pon­ti­fi­kat selbst ent­wer­tet und in die Trau­er über die Situa­ti­on der Kir­che von heu­te eingeschmolzen.“

Zudem recht­fer­tig­te Bene­dikt XVI. sei­nen Rück­tritt auf neue Wei­se mit einem Ver­weis auf Papst Pius XII., der im Jahr 1944 Vor­keh­run­gen traf, um durch einen Rück­tritt einer Ver­haf­tung durch die Natio­nal­so­zia­li­sten zuvorzukommen.

Dazu Bild samt einer zwangs­läu­fi­gen Frage:

„Pikant: Der Ver­gleich mit einem sich von Nazis bedroht sehen­den Papst. Durch wen fühl­te Bene­dikt sich bedroht?“

Bis­her beton­te, ja beharr­te Bene­dikt XVI. dar­auf, aus völ­lig frei­en Stücken zurück­ge­tre­ten zu sein. Der Aspekt ist in recht­li­cher Hin­sicht zen­tral: Soll­te der Amts­ver­zicht nicht frei erfolgt sein, wäre er null und nichtig.

Was also will Bene­dikt XVI. damit sagen? Und war­um nennt er nicht Roß und Reiter?

Franziskus und Benedikt XVI.
Fran­zis­kus und Bene­dikt XVI.

Der von Bild zur Schau getra­ge­ne Streit zwi­schen Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Brand­mül­ler demon­tiert tat­säch­lich, wie Bene­dikt XVI. in sei­nem Ant­wort­schrei­ben beklagt, in gewis­ser Wei­se sein Pon­ti­fi­kat. Die Haupt- und Erst­ver­ant­wor­tung dafür trägt er aller­dings selbst.

Er selbst hat­te am Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats gesagt, man sol­le für ihn beten, damit er „nicht furcht­sam vor den Wöl­fen flie­he“. Ein Satz, der nicht weni­gen Katho­li­ken seit­her durch den Kopf geistert.

Heu­te mehr denn je, beson­ders seit Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen Dezem­ber sein 80. Lebens­jahr voll­ende­te, steht auf­merk­sa­men Katho­li­ken und Beob­ach­tern die Tat­sa­che vor Augen, daß es in der Hand von Papst Bene­dikt XVI. lag, der Kir­che ein Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus zu erspa­ren. Da scheint es kaum ver­wun­der­lich, daß man­che nicht nur einen „tief sit­zen­den Schmerz“ dar­über emp­fin­den, son­dern „der Schmerz bei man­chen zum Zorn gewor­den ist“, wie Bene­dikt XVI. in dem heu­te von Bild ver­öf­fent­lich­ten Brief beklagt.

Da trifft es sich offen­sicht­lich „gut“, daß Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler zu den vier muti­gen Kar­di­nä­len gehört, die im Som­mer 2016 Papst Fran­zis­kus Dubia (Zwei­fel) zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia vor­leg­ten. Die Gegen­spie­ler gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len erfreu­te noch immer jeden Strip­pen­zie­her. Auch das muß gesagt wer­den, wenn man die Din­ge beim Namen nennt.

Bemer­kens­wert am Bene­dikt-Brief ist auch der Satz, von dem die Bild-Zei­tung meint, er sei eine „schar­fe“ Zurechtweisung:

„Wenn Sie einen bes­se­ren Weg wis­sen (als den Rück­tritt, Anm. der Bild-Zei­tung) und daher glau­ben, den von mir gewähl­ten ver­ur­tei­len zu kön­nen, so sagen Sie es mir bitte“.

Bei allem not­wen­di­gen, geschul­de­ten und gern ent­bo­tenen Respekt, aber die­se Ant­wort wür­de vie­len gläu­bi­gen Katho­li­ken wahr­schein­lich nicht schwer­fal­len. Der „bes­se­re Weg“ wäre gewe­sen, im Amt aus­zu­har­ren, denn die Wahl erfolg­te auf Lebens­zeit. Was die Kir­che seit dem 28. Febru­ar 2013 erlebt, ist und bleibt bei­spiel­los in der Kir­che. Dar­an ändern alle Recht­fer­ti­gungs­ver­su­che aus dem Klo­ster Eccle­sia Dei nichts. Und das sagen zu müs­sen, tut weh.

Dar­um darf in die­sem Zusam­men­hang nicht uner­wähnt blei­ben, daß Bene­dikt XVI. auch heu­te Gele­gen­heit hät­te, sei­ne Stim­me zu erhe­ben, da der amtie­ren­de Papst offen­sicht­lich und nicht nur in einem Fall nicht imstan­de oder nicht wil­lens scheint, sei­nen Amts­pflich­ten nachzukommen.

War­um Bene­dikt XVI. nicht nur zurück­ge­tre­ten ist, son­dern sich noch selbst sei­nen Hand­lungs­spiel­raum ein­eng­te, gehört eben­falls zu den Rät­seln rund um sei­nen Amts­ver­zicht, die sich mit den Rät­seln rund um das Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus zu gro­ßen Fra­gen ver­men­gen: Wie konn­te es zur der­zei­ti­gen Kir­chen­kri­se kom­men, die immer deut­li­cher als Papst­kri­se erkenn­bar wird? Und: Was will Gott der Kir­che damit sagen?

Tat­sa­che ist jedoch, daß Bene­dikt XVI. an das selbst­ge­wähl­te „Schwei­gen“, von dem er im Febru­ar 2013 sprach, in kei­ner Wei­se gebun­den ist. Es wäre wohl drän­gen­der und bren­nen­der, daß er heu­te zur Kir­chen­kri­se Stel­lung nimmt, die in erster Linie eine Papst­kri­se scheint, anstatt Image­pfle­ge rund um die umstrit­te­ne Ent­schei­dung sei­nes Pon­ti­fi­kat­sen­des zu ver­su­chen. Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, der vor weni­gen Tagen am Sitz des Ita­lie­ni­schen Par­la­ments über­ra­schend dra­ma­ti­sche Wor­te zur aktu­el­le Lage fand, soll­te dies dem ach­ten deut­schen Papst der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Kir­chen­ge­schich­te nahelegen.

Bene­dikt XVI. endet sein „pikan­tes“ Schrei­ben mit den Worten:

„Beten wir lie­ber dar­um, wie Sie es am Ende Ihres Brie­fes getan haben, dass der Herr sei­ner Kir­che zu Hil­fe kommt.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Bild/Vatican.va (Screen­shots)

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