Option Benedikt und deren Geringschätzung durch Franziskus


Option Benedikt
Diskussion über die „Option Benedikt“. Im Bild Papst Benedikt XVI. bei seiner Ansprache am Collège des Bernardins in Paris, 12. September 2008.

(Rom) „The Bene­dict Opti­on“ (dt. Buch-Titel: Die Bene­dikt-Opti­on) von Rod Dre­her wur­de von David Brooks in der New York Times als „wich­tig­stes Buch des Jahr­zehnt“ in Sachen Reli­gi­on bezeich­net. Brooks, ein bekann­ter Kolum­nist in den USA, gilt als „mode­ra­te“, gehört also kei­ner der bei­den gro­ßen Par­tei­un­gen des Lan­des an. Zudem ist er kein Katho­lik, son­dern Jude. Das unter­streicht den über­grei­fen­den Cha­rak­ter der „Opti­on“, denn der Autor des Buches, Rod Dre­her, war Katho­lik, ist heu­te aber Ortho­do­xer. Zur Bedeu­tung der Opti­on Bene­dikt herrscht viel Über­ein­stim­mung. Eine zen­tra­le Aus­sa­ge Dre­hers ern­te­te aber auch erheb­li­che Kritik.

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Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster schloß sich Brooks Ein­schät­zung vom „wich­tig­sten Buch“ an. Das ste­he „außer Fra­ge“, wobei Magi­ster in einem heu­te ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel auf die Dis­kus­si­on ver­weist, die das Buch aus­lö­ste und die „höch­sten Ebe­nen der katho­li­schen Kir­che“ erreichte.

Die Benedikt-Option
Die Bene­dikt-Opti­on

Ver­gan­ge­ne Woche fand am Sitz der ita­lie­ni­schen Abge­ord­ne­ten­kam­mer die Prä­sen­ta­ti­on der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be des Buches statt (Katho​li​sches​.info berich­te­te). Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, Prä­fekt des Päpst­li­chen Hau­ses von Fran­zis­kus und zugleich per­sön­li­cher Sekre­tär von Bene­dikt XVI., hielt dabei eine bemer­kens­wert dra­ma­ti­sche Anspra­che. Dies ist umso bedeut­sa­mer, als in Gäns­weins Wort­mel­dun­gen nicht weni­ge Katho­li­ken die Stim­me Bene­dikts XVI. sehen.

Der deut­sche Prä­lat beton­te die Rol­le des vor­ma­li­gen Pap­stes , der – einem Mönch gleich – sei­ne Haupt­auf­ga­be im Gebet für die Mut­ter Kir­che, sei­nen Nach­fol­ger Fran­zis­kus und das „von Chri­stus ein­ge­setz­te Petrus­amt“ sehe.

Die Opti­on Bene­dikt bezieht sich aber nicht auf Bene­dikt XVI., son­dern auf den hei­li­gen Mönchs­va­ter Bene­dikt von Nur­sia. Der Begrün­der des abend­län­di­schen Mönchs­tums schuf nach dem Unter­gang des Römi­schen Rei­ches, am Über­gang vom 5. zum 6. Jahr­hun­dert, die Grund­la­ge zur Wie­der­ge­burt von Glau­ben und Kultur.

„Der ande­re Bene­dikt, der Papst, rief in sei­ner denk­wür­di­gen Rede am 12. Sep­tem­ber 2008 in Paris am Col­lè­ge des Ber­nard­ins – die abso­lut nach­zu­le­sen ist – genau die­se Wie­der­ge­burt in Erin­ne­rung, indem er den Katho­li­ken von heu­te nahe­leg­te, die Leh­ren aus die­sem gro­ßen bene­dik­t­i­ni­schen Mönchs­tums auf­zu­grei­fen und neu zu beleben.“

Soweit Magi­ster, der es jedoch nicht dabei beließ:

„Von Papst Fran­zis­kus hin­ge­gen kann man nicht sagen, folgt man zumin­dest zwei Signa­len, daß er sich in Ein­klang mit die­ser Visi­on befindet“.

Der Scheiterhaufen für Drehers Buch

Ein Signal, so der Vati­ka­nist, sei im ver­gan­ge­nen Janu­ar der Fron­tal­an­griff der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca gegen das Dre­her-Buch gewe­sen. Die Zeit­schrift wird von einem der eng­sten Ver­trau­ten von Papst Fran­zis­kus, dem Jesui­ten Anto­nio Spa­da­ro, gelei­tet und ist als offi­ziö­ses Haus­or­gan des Pap­stes zu betrach­ten. Jeder Arti­kel bedarf der vati­ka­ni­schen Druck­erlaub­nis. Zu wich­ti­gen The­men übt Fran­zis­kus per­sön­lich das Amt des Zen­sors aus.

Benedikt von Nursia
Bene­dikt von Nursia

Die Civil­tà Cat­to­li­ca habe Dre­hers Buch „auf den Schei­ter­hau­fen ver­ur­teilt“, schrieb Magi­ster am 14. Februar.

Das zwei­te Signal sei die „kal­te Dusche“, mit der Fran­zis­kus 2016 das Mönchs­tum bedach­te, indem er die Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Vul­tum Dei quae­re­re ver­öf­fent­lich­te, auf die 2018 zu deren Umset­zung die Instruk­ti­on Cor orans der römi­schen Ordens­kon­gre­ga­ti­on folg­te. Damit, so Magi­ster, „unter­mi­nier­te“ Fran­zis­kus „die mate­ri­el­le und spi­ri­tu­el­le Auto­no­mie der Klö­ster und zwingt sie, sich unter dem büro­kra­ti­schen Kom­man­do frem­der Auto­ri­tä­ten zusammenzuschließen“.

Die bei­den Doku­men­te betref­fen die kon­tem­pla­ti­ven Frau­en­or­den, „sind aber Aus­druck einer gene­rel­len Gering­schät­zung, die Fran­zis­kus mehr­fach für das kon­tem­pla­ti­ve Leben gegen­über dem akti­ven bekundete“.

In sei­nem Schrei­ben Gau­de­te et exsul­ta­te ging er soweit zu schreiben:

„Es ist nicht gesund, die Stil­le zu lie­ben und die Begeg­nung mit ande­ren zu mei­den, Ruhe zu wün­schen und Akti­vi­tät abzu­leh­nen, das Gebet zu suchen und den Dienst zu ver­ach­ten. […] Wir sind auf­ge­ru­fen, die Kon­tem­pla­ti­on auch inmit­ten des Han­delns zu leben.“

Die „Här­te die­ses Angriffs“ gegen das kon­tem­pla­ti­ve Leben wur­de, so Magi­ster, „in vie­len Klö­stern mit gro­ßer Sor­ge wahr­ge­nom­men“. Ein ande­rer Vati­ka­nist, Aldo Maria Val­li (RAI), ver­lieh die­ser Sor­ge jüngst in meh­re­ren Auf­sät­zen eine Stimme.

Magi­ster ist sich bewußt, daß auch im Mönchs­tum unse­rer Tage, beson­ders dem männ­li­chen, „nicht alles glänzt“. Doch sowohl Dre­her in sei­nem Buch und noch weit gewich­ti­ger Bene­dikt XVI. in sei­ner Pari­ser Rede zie­len, so der Vati­ka­nist, auf das quae­re­re Deum ab, die Gott­su­che als zen­tra­les Unter­schei­dungs­merk­mal des Mönchs­tums und der christ­li­chen Zivilisation.

„Es ist kein Zufall, daß das jüng­ste Buch von Kar­di­nal Robert Sarah – der die­se Sicht teilt und zu vie­len Aspek­ten im Gegen­satz zur Linie von Papst Fran­zis­kus steht – mit dem typisch monasti­schen Titel: ‚Die Kraft der Stil­le. Gegen die Dik­ta­tur des Lärms‘ ein erhel­len­des Gespräch mit dem Pri­or der Gran­de Chartreu­se ent­hält und mit einem Vor­wort von Joseph Ratz­in­ger beginnt.“

Rückzug aus der Welt?

Die Opti­on Bene­dikt, wie sie Dre­her in sei­nem Buch dar­legt, ern­te­te auch des­halb viel Kri­tik, weil er eine „Ent­welt­li­chung“ for­dert, einen Rück­zug aus der Welt, um das christ­li­che Leben in klei­nen Gemein­schaf­ten wie­der auf­zu­bau­en. Die Kri­tik gegen die­sen „Rück­zug“ brach­te der Bischof von Reg­gio Emi­lia, Mas­si­mo Cami­sas­ca, au den Punkt, der Dre­hers Vor­schlag als Auf­for­de­rung zum Bau einer neu­en „Arche Noah vor der Sint­flut“ bezeich­ne­te. Am Tag vor der erwähn­ten Buch­prä­sen­ta­ti­on im Palaz­zo Mon­te­ci­to­rio fand in Rom in Anwe­sen­heit Dre­her eine Dis­kus­si­ons­run­de statt. Dabei wur­de die­sel­be Kri­tik von Gio­van­ni Maria Vian, dem Chef­re­dak­teur des Osser­va­to­re Roma­no, aber auch von Giu­lia­no Fer­ra­ra, dem Grün­der der Tages­zei­tung Il Foglio und gro­ßer Ver­eh­rer Bene­dikts XVI., geäußert.

Rod Dreher mit Georg Gänswein im Palazzo Montecitorio
Rod Dre­her mit Georg Gäns­wein im Palaz­zo Montecitorio

Dre­her ant­wor­te­te mit der Bekräf­ti­gung, daß „wir ein­fa­che Chri­sten dafür arbei­ten müs­sen, unse­ren Glau­ben monasti­scher zu machen“. Zudem wies er die Kri­tik Vians zurück, der das Buch in ein poli­tisch rech­tes Eck stel­len woll­te. Das Buch sei „kon­ser­va­tiv“, aber „nicht in poli­ti­scher, son­dern in theo­lo­gi­scher Hin­sicht“. Er sei weder Repu­bli­ka­ner noch habe er ein poli­ti­sches Buch schrei­ben wol­len. Er habe das Buch für die USA und die Chri­sten in den USA geschrie­ben, beson­ders für „vie­le kon­ser­va­ti­ve Chri­sten“. Die­se woll­te er „wach­rüt­teln“ und ihnen sagen, daß es „nicht genügt, für repu­bli­ka­ni­sche Kan­di­da­ten zu stim­men“. Er selbst sei dann über die gro­ße, inter­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit für sein Buch, „beson­ders in Euro­pa“ über­rascht gewesen.

Als „wirk­lich trau­ri­ges Sym­ptom“ der aktu­el­len Situa­ti­on bezeich­ne­te Dre­her, daß „libe­ra­le und kon­ser­va­ti­ve Chri­sten, ob Katho­li­ken oder nicht, kei­ne gemein­sa­me Dis­kus­si­ons­grund­la­ge mehr finden“.

Magi­ster schloß sich heu­te der Kri­tik an Dre­hers Rück­zugs­auf­for­de­rung an.

„Das groß­ar­ti­ge, von Bene­dikt gegrün­de­te Mönchs­tum trenn­te sich nicht von der Welt. Es trug viel­mehr auf ent­schei­den­de Wei­se dazu bei, die moder­ne, euro­päi­sche Zivi­li­sa­ti­on zu schaf­fen, die auf den Kon­zep­ten Per­son und Frei­heit gründet.“

Magi­ster weiter:

„Wenn heu­te die von Bene­dikt XVI. ent­larv­te ‚Dik­ta­tur des Rela­ti­vis­mus‘ herrscht, bedeu­tet das unaus­weich­lich, daß sich auch die bei­den tra­gen­den Säu­len von Per­son und Frei­heit auf­lö­sen. Das ist aber ein Grund mehr, daß die Chri­sten als ‚krea­ti­ve Min­der­heit‘ sich nicht ins Pri­va­te oder in kari­ta­ti­ve Wer­ke zurück­zie­hen – wie es die Welt möch­te und wozu sie applau­diert –, son­dern wei­ter­hin im Licht des quae­re­re Deum im öffent­li­chen Raum handeln“.

Rod Dreher bei der Podiumsdiskussion in Rom
Rod Dre­her bei der Podi­ums­dis­kus­si­on in Rom

Das ent­spre­che dem, was Papst Bene­dikt XVI. kon­se­quent gepre­digt habe, und das nicht nur mit sei­ner Rede am Col­lè­ge des Ber­nar­din in Paris, „die den Höhe­punkt sei­nes Pon­ti­fi­kats darstellte“.

„Seit damals sind genau zehn Jah­re ver­gan­gen“, so Magi­ster. Wenn es stim­me, daß auch die Kir­che „ihren 11. Sep­tem­ber“ erleb­te, wie Erz­bi­schof Gäns­wein bei er Vor­stel­lung von Dre­hers Buch mit Blick auf den sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal sag­te, „war­um nicht im Kalen­der der Geschich­te auch den 12. Sep­tem­ber als Auf­for­de­rung für einen Weg der christ­li­chen und zivi­li­sa­to­ri­schen Wie­der­ge­burt eintragen?“

Das Buch:
Rod Dre­her: Die Bene­dikt-Opti­on. Eine Stra­te­gie für Chri­sten in einer nach­christ­li­chen Gesell­schaft, fe-Ver­lag, 2018, 400 Sei­ten, 19,95 Euro.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Croix/​Chiesa e postconcilio/​Radio Radi­cale (Screen­shots)

 

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