(Santiago de Chile) Das Erzbistum Santiago de Chile gab bekannt, daß der chilenische Priester Cristian Precht von der Glaubenskongregation laisiert wurde. Der Grund: sexueller Mißbrauch.
Precht wurde in Lateinamerika als Menschenrechtsaktivist bekannt. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet war er Leiter der Vicaria de la Solidaridad (Vikariat der Solidarität). Diese war Ende 1975 von Papst Paul VI. als Nachfolgeeinrichtung geschaffen worden, als Pinochet das von Kardinal Raul Silva Henriquez, dem damaligen Erzbischof von Santiago de Chile, gegründete Comité Pro Paz (Komitee für den Frieden), das den Verfolgten des Militärregimes half, durch Verbot aufgelöst hatte.
Precht leitete die Vicaria bis März 1979. Nachdem er 1978 eine Tagung über die Menschenrechte in Chile organisiert hatte, die zur Anklage gegen die Militärregierung wurde und große, internationale Aufmerksamkeit fand, wurde er zu seinem Schutz von diesem Amt abgezogen. Die Vicaria erhielt weltweit zahlreiche Menschenrechtspreise und war Kooperationspartner der Vereinten Nationen.
Auf Kardinal Raul Silva Henriquez, der Precht mit der Leitung beauftragte, ging maßgeblich die Annäherung zwischen der chilenischen Volksfront von Sozialisten, Kommunisten und Radikalliberalen auf der einen Seite und den Christdemokraten auf der anderen Seite zurück. Diese Kooperation ermöglichte den Aufstieg des Sozialisten Salvador Allende, der bei den Präsidentschaftswahlen 1970 mit nur 36 Prozent gescheitert war. Mit Hilfe der Christdemokraten wurde er aber nachträglich vom Parlament zum Staatspräsidenten bestimmt. 1973 wurde seine Volksfront-Regierung durch einen Militärputsch gestürzt. Die Sorgen der Militärregierung und der hinter ihr stehenden konservativen Kräfte über „linke Infiltrationen“ in der Kirche, bestritten Kardinal Silva und Vikar Precht energisch, aber wenig glaubwürdig.
2011 leitete Kardinal Riccardo Ezzati, der amtierende Erzbischof von Santiago de Chile, Ermittlungen ein wegen ernstzunehmener Hinweise auf sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen und sexuelles Fehlverhalten gegenüber Erwachsenen. 2012 wurde Precht unter Papst Benedikt XVI. von der Glaubenskongregation für die Dauer von fünf Jahren vom Priestertum suspendiert worden.
Die Zeit Frist lief im vergangenen Herbst ab. Precht wurde unterdessen aber mit einem weiteren Fall von sexuellem Mißbrauch eines Minderjährigen in Verbindung gebracht. Nach einer entsprechenden Anzeige dekretierte Kardinal Luis Ladaria Ferrer, Präfekt der Glaubenskongregation, am 12. September ex officio et pro bono Ecclesiae (von Amts wegen und zum Wohl der Kirche) die Laisierung des Priesters. Mit Zustimmung des Papstes stehen Precht gegen die Entscheidung keine Rechtsmittel zur Verfügung. Dies teilte die Internetseite des Erzbistums Santiago de Chile am Samstag dem „Volk Gottes“ mit.
Der neue, mutmaßliche Mißbrauchsfall wurde am 20. März bekannt und soll sich in einem Internet des Maristenordens ereignet haben. Die Anzeige betrifft fünf Angehörige dieses Ordens, darunter Cristian Precht.
In Chile ermittelt die Staatsanwaltschaft seither wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung, Gewalt, sexuellem Mißbrauch und Förderung der Prostitution Minderjähriger“.
Am 10. August hatte Kardinal Ezzati ein Dossier über Precht an die Glaubenskongregation weitergeleitet. Gegen den Priester verhängte der Kardinal eine Art Hausarrest. Dagegen wandte sich Precht seinerseits an die chilenische Justiz und strebte ein Zivilverfahren gegen den Kardinal wegen „illegaler“ Maßnahmen an.
Nun wurde Precht von allen priesterlichen Diensten und Vollmachten entbunden und aus dem Klerikerstand entlassen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoCatolica/MiL