Rebellion gegen Kardinal Aguiar Retes


Kardinal Aguiar Retes
Kardinal Aguiar Retes

(Mexi­ko-Stadt) Papst Fran­zis­kus mach­te Car­los Agui­ar Retes zuerst zum Kar­di­nal, dann zum Erz­bi­schof von Mexi­ko-Stadt und damit zugleich zum Pri­mas des größ­ten zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des. Ein hal­bes Jahr nach sei­ner Amts­ein­füh­rung probt der Kle­rus sei­nes Erz­bis­tums bereits den Aufstand.

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Als Papst Fran­zis­kus gewählt wur­de, war noch Nor­ber­to Kar­di­nal Rive­ra Car­rera Pri­mas von Mexi­ko. Schnell soll­te sich zei­gen, daß der Kar­di­nal dem neu­en Kurs in Rom weder mit Begei­ste­rung fol­gen woll­te noch bestimm­ten Punk­te aus Gewis­sens­grün­den fol­gen konn­te. Kar­di­nal Rive­ra gehör­te zu den 13 Kar­di­nä­len, die zum Beginn der zwei­ten Fami­li­en­syn­ode im Okto­ber 2015 dem Papst einen Brief schrie­ben. Dar­in beklag­ten sie „vor­ge­fer­tig­te Ergeb­nis­se“. Anders for­mu­liert, erho­ben sie den Vor­wurf, die Bischofs­syn­ode sei gelenkt. Die Kri­tik betraf nicht nur die Form, son­dern  auch das sich abzeich­nen­de Ergebnis.

Kathedrale von Mexiko-Stadt
Kathe­dra­le von Mexiko-Stadt

Im Febru­ar 2016 unter­nahm Fran­zis­kus eine Pasto­ral­rei­se nach Mexi­ko. Kar­di­nal Rive­ra übte anschlie­ßend deut­li­che Kri­tik am Umgangs­ton des Pap­stes mit den Bischö­fen des Lan­des. Auch dabei ging es nicht nur um die Form, son­dern um inhalt­li­che Unter­schie­de. Die Kri­tik war zwar nicht nament­lich unter­zeich­net, doch bestan­den weder in Mexi­ko noch in Rom Zwei­fel an der Autoren­schaft des Primas.

Mexi­kos Kir­che erleb­te im 20. Jahr­hun­dert eine schwe­re und blu­ti­ge Ver­fol­gung. Anti­ka­tho­li­sche Geset­ze schränk­ten jahr­zehn­te­lang ihren Hand­lungs­spiel­raum ein. Eine Kon­se­quenz dar­aus war, daß die katho­li­sche Gemein­schaft einen weit grö­ße­ren inne­ren Zusam­men­halt ins 21. Jahr­hun­dert mit­brach­te, als die Kir­che in etli­chen ande­ren latein­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten. Die mexi­ka­ni­sche Orts­kir­che ist weni­ger von der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie ange­krän­kelt und kon­ser­va­ti­ver, wes­halb sie auch erfolg­reich der evan­ge­li­ka­len Kon­kur­renz stand­hal­ten konnte.

Das erklärt auch schon eini­ge Unter­schie­de im Kir­chen­ver­ständ­nis von Kar­di­nal Rive­ra und Papst Franziskus.

Papst Franziskus gab Mexikos Kirche eine neue Spitze

Die päpst­li­che Reak­ti­on auf des­sen Wider­stand gegen sei­nen Kurs ließ nicht lan­ge auf sich war­ten. Weni­ge Mona­te nach der Fami­li­en­syn­ode und dem Mexi­ko-Besuch begann Fran­zis­kus einen Nach­fol­ger aufzubauen.

Im Novem­ber 2016 kre­ierte er Erz­bi­schof Car­los Agui­ar Retes von Tlal­ne­pant­la zum Kar­di­nal. Damit setz­te er Pri­mas Rive­ra einen ande­ren Pur­pur­trä­ger zur Sei­te. Die­se Stra­te­gie hat­te Fran­zis­kus zuvor bereits in ande­ren Län­dern, dar­un­ter Vene­zue­la umge­setzt. Eine von ihm nicht gewünsch­te Rich­tung oder Per­sön­lich­keit wird dadurch neu­tra­li­siert und eine ihm geneh­me gestärkt.

Agui­ar Retes und Jor­ge Mario Berg­o­glio ken­nen sich aus dem Latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­rat CELAM, des­sen Gene­ral­se­kre­tär und Vor­sit­zen­der der Mexi­ka­ner zwi­schen 1999 und 2015 war. In die­ser Zeit fand 2007 die V. CELAM-Gene­ral­ver­samm­lung von Apa­re­ci­da statt, die für Fran­zis­kus von beson­de­rer Bedeu­tung ist, da er damals für die Redak­ti­on des Schluß­do­ku­men­tes ver­ant­wort­lich zeichnete.

Priesterrebellion gegen Kardinal Aguiar Retes

Am 4. August berich­te­te das mexi­ka­ni­sche Wochen­ma­ga­zin Pro­ce­so von einer „Prie­ster­re­bel­li­on gegen Kar­di­nal Agui­ar Retes“.

Prie­ster wür­den zuneh­mend auf Distanz zum Erz­bi­schof-Pri­mas gehen. Haupt­grund, so das Nach­rich­ten­ma­ga­zin, sei­en mas­si­ve „Struk­tur­re­for­men“ in der wich­tig­sten Diö­ze­se des Landes.

Laut Guil­ler­mo Gaza­ni­ni Espi­no­za, dem Pres­se­spre­cher des Cen­tro Cato­li­co Mul­ti­me­di­al (CCM), ver­sucht der Kar­di­nal dem Erz­bis­tum „dra­sti­sche“ Ein­grif­fe zu ver­ord­nen, „ohne die Prie­ster ein­zu­bin­den und die in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten gelei­ste­te Arbeit zu berück­sich­ti­gen“. Unter ande­rem wol­le Kar­di­nal Agui­ar eine Zen­tra­li­sie­rung der Finan­zen durchsetzen.

„Ein hal­bes Jahr nach einer Ein­set­zung als Erz­bi­schof-Pri­mas von Mexi­ko hat Kar­di­nal Car­los Agui­ar Retes bereits eine Eska­la­ti­on der Pro­te­ste gegen sich pro­vo­ziert, die von sei­nen eige­nen Prie­stern und dem mexi­ka­ni­schen Epi­sko­pat aus­ge­hen“, so das Maga­zin Pro­ce­so.

SNAP-Watch
SNAP-Watch

Vie­le sei­ner Prie­ster, aber auch der ande­ren Bischö­fe hal­ten den Pri­mas, den von Papst Fran­zis­kus an die Spit­ze der mexi­ka­ni­schen Kir­che gestellt wur­de, für „auto­ri­tär“.

Empö­rung herrscht unter ande­rem wegen sei­ner Zusam­men­ar­beit mit der umstrit­te­nen US-Opfer­or­ga­ni­sa­ti­on SNAP. SNAP wird Berei­che­rung am Miß­brauchs­skan­dal vor­ge­wor­fen, einen Kampf nicht gegen Miß­brauch, son­dern gegen die Kir­che zu füh­ren. Sei­ner­zeit woll­te SNAP sogar Papst Bene­dikt XVI. vor ein inter­na­tio­na­les Straf­tri­bu­nal zer­ren. Eine bis heu­te unge­klär­te Ange­le­gen­heit, bei der man­che die Fin­ger der Regie­rung Oba­ma im Spiel sahen. SNAP betrei­be einen „Miß­brauch der Justiz“ und wol­le eine „Show-Justiz“ zu ihren finan­zi­el­len Gun­sten, heißt es in den USA, aber auch in Mexiko-Stadt.

Kardinal Aguiar Retes „setzt sich den Teufel ins Haus“

Um so mehr erstaun­te Prie­ster und Lai­en, als am ver­gan­ge­nen 4. Juni SNAP und Kar­di­nal Agui­ar eine gemein­sa­me Erklä­rung ver­öf­fent­lich­ten, mit der sie eine „Zusam­men­ar­beit zur Bekämp­fung des sexu­el­len Miß­brauchs“ bekanntgaben.

Auf einer Pres­se­kon­fe­renz am 10. Juni ging der Pri­mas sogar so weit, zu sagen, daß SNAP die ein­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on sei, die „dem Bei­spiel von Papst Fran­zis­kus folgt“. „Sie sind am besten orga­ni­siert“, so der Kar­di­nal, der sein Erz­bis­tum auf­for­der­te, SNAP „die Tore zu öffnen“.

Gaza­ni­ni vom Cen­tro Cato­li­co Mul­ti­me­di­al sieht das anders:

„SNAP hat die Kir­che bis­her syste­ma­tisch bekämpft“.

Mehr noch:

„SNAP hat immer behaup­tet, daß die Päp­ste in Koope­ra­ti­on mit den Regie­run­gen eini­ger Län­der eine Art inter­na­tio­na­le Mafia bil­den, um ein Netz­werk päd­era­sti­scher Prie­ster zu decken. In den USA haben sie viel Geld gemacht, indem sie alle mög­li­chen Leu­te der Päd­era­stie bezich­tig­ten und Diö­ze­sen bereit­wil­lig lie­ber gro­ßen Sum­men zahl­ten, als es auch Pro­zes­se ankom­men zu las­sen, in der Hoff­nung einen öffent­li­chen Skan­dal von der Kir­che abzu­wen­den. Man weiß nicht, ob sie sich wirk­lich für die Opfer oder mehr für das Geld interessieren.“

Kar­di­nal Agui­ar Retes las­se sich daher nicht nur mit dem Feind ein, son­dern „setzt sich den Teu­fel gleich selbst ins Haus, und das ohne jede Not­wen­dig­keit. Die Kir­che ver­fügt heu­te über genaue Pro­to­kol­le, nach denen vor­zu­ge­hen ist. Dafür braucht es SNAP nicht.“

Nulltorenz meint nicht Nulltoleranz + SNAP

Die Mexi­ka­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz reagier­te gleich am Tag nach der Pres­se­kon­fe­renz von Kar­di­nal Agui­lar Retes mit einer Pres­se­er­klä­rung. Dar­in wur­de der Öffent­lich­keit, aber auch dem Pri­mas in Erin­ne­rung geru­fen, was alles von der mexi­ka­ni­schen Kir­che und den Diö­ze­sen zum Schutz poten­ti­ell gefähr­de­ter Kin­der und Jugend­li­cher unter­nom­men wur­de. In die­sem Zusam­men­hang, so Gaza­ni­ni vom CCM, sprach die Bischofs­kon­fe­renz von „Null­to­le­ranz“, um zu sagen, daß Null­to­le­ranz auch Null­to­le­ranz mei­ne und nicht Null­to­le­ranz + SNAP.

CCM, Sprachrohr der Aguiar-Kritiker
CCM, Sprach­rohr der Aguiar-Kritiker

Zudem wer­den die Plä­ne des Kar­di­nals kri­ti­siert, das Erz­bis­tum in meh­re­re Bis­tü­mer auf­tei­len und die Prie­ster­aus­bil­dung „radi­kal“ ver­än­dern zu wol­len. Der­zeit gibt es im Erz­bis­tum Mexi­ko-Stadt acht Weih­bi­schö­fe. Jeder lei­tet ein Vika­ri­at. Kar­di­nal Agui­ar möch­te jedes Vika­ri­at zu einem eigen­stän­di­gen Bis­tum erhe­ben, das dann Teil sei­ner Kir­chen­pro­vinz wäre.

Dafür gebe es kei­nen erkenn­ba­ren, objek­ti­ven Grund, so Gaza­ni­ni. Hin­ter den Plä­nen des Pri­mas wird daher die Absicht zu einem umfang­rei­chen per­so­nel­len Umbau ver­mu­tet. Auf die­sem Weg wol­le Kar­di­nal Agui­ar Retes einen Teil der vom Vor­gän­ger über­nom­me­nen Weih­bi­schö­fe los­wer­den. Wer ihm zu Gesicht ste­he, wer­de zum Diö­ze­san­bi­schof beför­dert, die ande­ren ersetzt. Das habe nicht nur für das Erz­bis­tum und die Kir­chen­pro­vinz erheb­li­che Aus­wir­kun­gen, son­dern auch für die Mexi­ka­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz. Dort gibt es nicht nur gegen den Kurs von Pri­mas Agui­ar, son­dern auch gegen den Kurs von Papst Fran­zis­kus erheb­li­che Bedenken.

Das Cen­tro Cato­li­co Mul­ti­me­di­al wird von der Ordens­ge­mein­schaft der Gesell­schaft vom hl. Apo­stel Pau­lus geführt, die unter Mexi­kos katho­li­schen Medi­en eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le spielt. Das CCM ist der­zeit das Haupt­sprach­rohr der Kri­ti­ker des Kardinals.

Wie Guil­ler­mo Gaza­ni­ni Espi­no­za betont, wol­le man kei­nen Kon­flikt mit dem Pri­mas, wün­sche aber einen Dia­log, der „bis heu­te ver­wei­gert wird“. Gaza­ni­ni wider­spricht vor allem der Behaup­tung, hin­ter der Akti­on stün­de der frü­he­re Pri­mas, Kar­di­nal Rive­ra. „Das ist voll­kom­men falsch. Es geht nicht um Nor­ber­to, son­dern um die auto­ri­tä­re Hal­tung Aguiars.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Wikicommons/​Media Report/​CCM (Screen­shots)

 

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1 Kommentar

  1. Dia­log bis heu­te verweigert -
    Ant­wort bis heu­te verweigert

    Das ist der neue Stil

Kommentare sind deaktiviert.