Die Zulässigkeit der Todesstrafe ist eine katholische Glaubenswahrheit


Der Intellektuelle Roberto de Mattei widerspricht der Kursänderung von Papst Franziskus in Sachen Todesstrafe.
Der Intellektuelle Roberto de Mattei widerspricht der Kursänderung von Papst Franziskus in Sachen Todesstrafe.

Die Zuläs­sig­keit der Todes­stra­fe ist eine Wahr­heit de fide ten­en­da, die vom ordent­li­chen und uni­ver­sa­len Lehr­amt der Kir­che auf kon­stan­te und unmiß­ver­ständ­li­che Wei­se defi­niert ist. Wer behaup­tet, daß die Kapi­tal­stra­fe an sich schlecht sei, fällt in die Häresie.

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Die Leh­re der Kir­che wur­de klar und deut­lich im Schrei­ben vom 18. Dezem­ber 1208 dar­ge­legt (ergänzt 2010), mit dem Inno­zenz III. die Posi­ti­on der Wal­den­ser mit fol­gen­den, von Den­zin­ger wie­der­ge­ge­be­nen Wor­ten verurteilte:

„De pote­sta­te sae­cu­la­ri asse­ri­mus, quod sine pec­ca­to mor­ta­li potest iudi­ci­um san­gui­nis exer­ce­re, dum­mo­do ad infe­ren­dam vin­dic­tam non odio, sed iudi­cio, non incau­te, sed con­sul­te pro­ce­dat» ( Enchi­ri­d­ion symbolorum,definitionum et decla­ra­ti­um de rebus fidei et morum“.

„Was die welt­li­che Gewalt betrifft, so erklä­ren wir, daß sie ohne Tod­sün­de ein Blut­ur­teil voll­strecken kann, solan­ge sie zum Voll­zug der Stra­fe nicht auf­grund von Haß, son­dern auf­grund eines rich­ter­li­chen Urteils, nicht unvor­sich­tig, son­dern über­legt schrei­tet“ (hrsg. von Peter Hüner­mann SJ, Nr. 795).

Die­sel­be Posi­ti­on wur­de vom Kate­chis­mus des Kon­zils von Tri­ent (Drit­ter Teil, Nr. 328), vom Gro­ßen Kate­chis­mus des hei­li­gen Pius X. (Drit­ter Teil, Nr. 413) und eben­so im neu­en Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che (zunächst Nr. 2266, dann Nr. 2267) wie­der­holt. Papst Fran­zis­kus unter­zeich­ne­te ein Reskript, das den Kate­chis­mus mit fol­gen­der  neu­en For­mu­lie­rung verändert:

„Des­halb lehrt die Kir­che im Licht des Evan­ge­li­ums, dass ‚die Todes­stra­fe unzu­läs­sig ist, weil sie gegen die Unan­tast­bar­keit und Wür­de der Per­son verstößt‘ “.

Innozenz III. über die Todesstrafe (1208)
Inno­zenz III. über die Todes­stra­fe (1208/​1210)

Laut dem Glau­bens­prä­fek­ten, Kar­di­nal Luis Lada­ria, fol­ge der neue Text den Spu­ren der Leh­re von Johan­nes Paul II. in der Enzy­kli­ka Evan­ge­li­um vitae, doch der Unter­schied ist radi­kal. Johan­nes Paul II. ist in Evan­ge­li­um vitae der Mei­nung, daß die Kir­che unter den gege­be­nen histo­ri­schen Umstän­den für die Abschaf­fung der Kapi­tal­stra­fe sein soll­te, bekräf­tig­te aber, daß die Todes­stra­fe nicht per se unge­recht ist und „das Gebot »du sollst nicht töten« abso­lu­ten Wert“  nur dann hat, „wenn es sich auf den unschul­di­gen Men­schen bezieht“ (EV, 56–57). Papst Fran­zis­kus urteilt jedoch, daß die Kapi­tal­stra­fe per se unzu­läs­sig ist, indem er eine vom ordent­li­chen Lehr­amt der Kir­che unfehl­bar defi­nier­te Wahr­heit offen leugnet.

Um die­se Ände­rung zu recht­fer­ti­gen, beruft man sich auf ver­än­der­te sozio­lo­gi­sche Bedin­gun­gen. Im Reskript von Papst Fran­zis­kus heißt es:

„Lan­ge Zeit wur­de der Rück­griff auf die Todes­stra­fe durch die recht­mä­ßi­ge Auto­ri­tät – nach einem ordent­li­chen Gerichts­ver­fah­ren – als eine ange­mes­se­ne Ant­wort auf die Schwe­re eini­ger Ver­bre­chen und als ein annehm­ba­res, wenn auch extre­mes Mit­tel zur Wah­rung des Gemein­wohls ange­se­hen. Heu­te gibt es ein wach­sen­des Bewusst­sein dafür, dass die Wür­de der Per­son auch dann nicht ver­lo­ren geht, wenn jemand schwer­ste Ver­bre­chen began­gen hat. Hin­zu kommt, dass sich ein neu­es Ver­ständ­nis vom Sinn der Straf­sank­tio­nen durch den Staat ver­brei­tet hat. Schließ­lich wur­den wirk­sa­me­re Haft­sy­ste­me ent­wickelt, wel­che die pflicht­ge­mä­ße Ver­tei­di­gung der Bür­ger garan­tie­ren, zugleich aber dem Täter nicht end­gül­tig die Mög­lich­keit der Bes­se­rung nehmen.“

Das Ver­ständ­nis von „Men­schen­wür­de“ ändert sich aber eben­so­we­nig je nach Zeit oder histo­ri­schen Umstän­den, wie die mora­li­sche Bedeu­tung von Gerech­tig­keit und Stra­fe sich nicht ändert. Pius XII. erklärt, daß der Staat, wenn er auf die Todes­stra­fe zurück­greift, nicht den Anspruch erhebt, Herr über das mensch­li­che Leben zu sein, son­dern ledig­lich aner­kennt, daß der Kri­mi­nel­le durch eine Art von mora­li­schem Selbst­mord sich selbst sein Lebens­recht ver­wirkt hat. Laut die­sem Papst gilt:

„Selbst im Fal­le der Hin­rich­tung eines zum Tode Ver­ur­teil­ten hat der Staat nicht das Recht des Ein­zel­nen auf Leben. Dann ist es der öffent­li­chen Macht vor­be­hal­ten, dem Ver­ur­teil­ten das ‚Gute‘ des Lebens zu ent­zie­hen, indem er sein Ver­schul­den ablehnt, nach­dem er durch sein Ver­bre­chen sein ‚Recht‘ auf das Leben ent­eig­net hat“ (Anspra­che vom 14. Sep­tem­ber 1952, Anspra­chen und Radio­bot­schaf­ten, Bd. XIV, S. 328).

Die Theo­lo­gen und Moral­theo­lo­gen vom hei­li­gen Tho­mas von Aquin bis zum hei­li­gen Alfons von Ligou­ri haben erklärt, daß sich die Todes­stra­fe nicht allein mit dem Schutz der Gemein­schaft recht­fer­ti­gen läßt, son­dern auch einen „ver­gü­ten­den Cha­rak­ter“ hat, weil sie eine ver­letz­te Moral­ord­nung wie­der­her­stellt, und einen „süh­nen­den Cha­rak­ter“, wie es für den guten Schä­cher galt, der sei­ne Hin­rich­tung mit dem höch­sten Opfer Unse­ren Herrn vereinte.

Das neue Reskript von Papst Fran­zis­kus bringt jenen theo­lo­gi­schen Evo­lu­tio­nis­mus zum Aus­druck, der vom hei­li­gen Pius X. in Pas­cen­di und von Pius XII. in Huma­ni gene­ris ver­ur­teilt wird, und der nichts mit der homo­ge­nen Ent­fal­tung des Dog­mas zu tun hat, von der Kar­di­nal John Hen­ry New­man spricht. Vor­aus­set­zung für die Wei­ter­ent­wick­lung des Dog­mas ist, daß die neu­en theo­lo­gi­schen Behaup­tun­gen nicht der bis­he­ri­gen Leh­re der Kir­che wider­spre­chen, son­dern sich dar­auf beschrän­ken, sie zu ent­fal­ten und zu vertiefen.

Letzt­lich, wie bei der Ver­ur­tei­lung der Ver­hü­tung, geht es hier nicht um theo­lo­gi­sche Mei­nun­gen, über die eine Debat­te zuläs­sig ist, son­dern um mora­li­sche Wahr­hei­ten, die Teil des Depo­si­tum fidei sind, und daher ver­pflich­tend zu akzep­tie­ren sind, um katho­lisch zu blei­ben. Wir hof­fen daher, daß die Theo­lo­gen und Hir­ten der Kir­che so schnell als mög­lich ein­grei­fen, um die­sen schwer­wie­gen­den Irr­tum von Papst Fran­zis­kus zu korrigieren.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: „Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on – Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti“, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Bild: MiL/​Enchyridion (Screen­shot)

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