(Canberra) Die australische Tageszeitung The Australian veröffentlichte in ihrer Wochenendausgabe (The Weekend Australian) vom 28./29. Juli eine deutliche Kritik an der Amtsführung von Papst Franziskus. Der Artikel stammt von Tess Livingstone, die ein Gespräch mit Kardinal Gerhard Müller führte. Überschriften wie, „Grüner Papst ist fehlbar“ und „Der Papst ist in Umweltfragen nicht unfehlbar, sagt ein bedeutender Kardinal“, geben die Richtung an.
Die von Livingstone formulierte Kernaussage von Kardinal Müller lautet:
„Die Christen sind nicht verpflichtet, der links-grünen Agenda von Papst Franziskus zu folgen“.
Konkret ist die Klimawandel-Agenda gemeint, die Papst Franziskus der katholischen Kirche verordnet, während seine Vorgänger bemüht waren, sich nicht vor einen zweifelhaften, politisch und ideologisch motivierten Karren spannen zu lassen. Kardinal Müller geht es aber nicht nur um den Klimawandel.
Es bestehe, so die Autorin unter Verweis auf Kardinal Müller, keinerlei Verpflichtung für Christen, einen Kampf gegen fossile Brennstoffe zu führen oder für die Einhaltung internationaler Klimaverträge wie dem Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015, das auf der Behauptung beruht, der Mensch sei schuld an der Erderwärmung schuld.
Zur Erinnerung: Dieses Abkommen wurde von Papst Franziskus mit besonderem Nachdruck unterstützt. Er ließ dazu im Frühjahr 2015 in Zusammenarbeit mit der UNO eine Klimakonferenz im Vatikan abhalten, bei der Wissenschaftler, die an der Behauptung einer menschenverschuldeten Erderwärmung zweifeln, kurzerhand ausgeschlossen wurden. Dann veröffentlichte der Papst eine Öko-Enzyklika, ließ am Hochfest Mariä Empfängnis die Fassade des Petersdomes mit suggestiven Bildern bestrahlen, sandte eine Botschaft an die Klimakonferenz in Paris, versuchte die Wahl von Donald Trump zu verhindern und warnte unter Verweis auf die Klima-Agenda vor dessen Wahlsieg.
Was Livingstone schreibt, ließe sich auch so sagen: Papst Franziskus nimmt die Rolle einer Art von oberstem Religionsführer ein, der im Namen der Religionen als moralische Instanz Druck zur Durchsetzung und Einhaltung einer bestimmten politischen Richtung ausübt. Dabei ist das katholische Kirchenoberhaupt allerdings, und das wird bemängelt, nicht in eigener, also religiöser Sache – und schon gar nicht im Sinne der Wahrheit – tätig. Er erfüllt vielmehr die Rolle eines globalen kirchlichen Staatsbeamten wie ihn sich das aufgeklärte Staatskirchentum, etwa der Josephinismus, vorstellte.
„Wir sind keine Partei der Grünen“
Kardinal Müller, der sich gerade zu einer Priestertagung in Australien aufhielt, sagte es gegenüber Livingstone pointierter:
„Wir sind keine Partei der Grünen“.
Genau den gegenteiligen Eindruck gewinnen nämlich immer mehr Katholiken, wenn sie kopfschüttelnd und staunend Aussagen und Gesten von Papst Franziskus zur Kenntnis nehmen.
Kardinal Müller warnt vielmehr vor einem solchen Weg, denn das seien dieselben Kräfte, die die Religionsfreiheit einschränken und die Krankenhäuser zur Durchführung von Abtreibungen zwingen wollen. Diese Kräfte „bewegen sich auf den Totalitarismus“ zu, weshalb ihnen die Kirchenführer und die Bürger entgegentreten müßten.
Die Trennung von Kirche und Staat (Gott und Kaiser) sei von vitaler Bedeutung, und die Umweltpolitik habe weder mit dem Glauben noch mit der Moral zu tun. Mit anderen Worten: Papst Franziskus habe sich nicht einzumischen. Das sei kein Thema der Kirche, sondern, so Kardinal Müller, der verschiedenen Parteien und ihrer Wähler.
Erst vor kurzem forderte Kurienkardinal Francesco Coccopalmerio, ein enger Parteigänger von Papst Franziskus, den Umweltschutz in das Kirchenrecht aufzunehmen. Der Kardinal sagte dies auf einer Tagung über die „Energiewende“, die von einer katholischen, ökologischen Bewegung in Rom organisiert wurde.
Einer solchen Forderung und Positionierung widerspricht Kardinal Müller. Die Kirchenführer hätten sich auf die Religion zu konzentrieren. Anstatt einer solchen Einmischung in tagespolitische Themen brauche es eine Neuevangelisierung der Jugend, besonders auch in Deutschland. Dafür müsse die Liturgie auf Christus konzentriert sein und dürfe nicht zu einer „religiösen Unterhaltung“ verkommen.
Tabuwort „Schisma“ – „Väter treten nicht zurück“
Tess Livingstone warf noch ein weiteres, brandheißes Stichwort in die Runde:
„Es gibt ein Wort, das die Kirchenfürsten meiden: das ‚Schisma‘“.
Kardinal Müller bilde auch dazu eine Ausnahme, wenn er betone, daß es „Klarheit“ brauche, die auf „Gottes Wort“ gründen müsse, das von Jesus Christus gegeben wurde. Diese „Klarheit“ brauche es vom Papst und von den Bischöfen. Von ihnen sei sie gefordert, um das „Schisma“ zu überwinden, das es de facto bereits gebe, und das allgemein mit der Unterteilung in einen „konservativen“ und einen „progressiven“ Flügel in der Kirche umschrieben werde.
Kardinal Müller sprach mit Livingstone auch über Benedikt XVI., dessen Gesammelte Werke der Kardinal herausgibt. Dabei warf der Purpurträger eine weitere Frage auf. Er bezeichnete den Rücktritt eines Papstes als „Problem“, ebenso die erst von Papst Paul VI. eingeführte Pflicht der Bischöfe, mit 75 Jahren zurücktreten zu müssen.
„Das sind Väter, und Väter treten nicht zurück“, so der Kardinal.
Zudem benannte er ein weiteres Defizit. Viele der Kardinäle, die den Nachfolger von Papst Franziskus wählen werden, kennen sich nicht. Franziskus ersetzte die bisherigen Gepflogenheiten bei Kardinalsernennungen und ernannte zahlreiche unbekannte Bischöfe aus unbekannten Bistümern. Problematisch sei, so Kardinal Müller, daß der Papst zwar fünf Konsistorien zur Kardinalskreierung durchführte, aber seit vier Jahren keine einzige Generalversammlung des Kardinalskollegiums mehr einberief. Dieser Mangel widerspreche doch auch dem behaupteten kollegialen und „synodalen“, „modernen Stil“, von dem Franziskus sage, ihn fördern zu wollen.
Schließlich teilte Kardinal Müller noch einen Seitenhieb aus. Papst Franziskus höre auf „sogenannte Freunde“, die sich aber nicht immer als Freunde erwiesen hätten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: The Australian (Screenshot)