(Bern) Morgen beginnt das Generalkapitel der Piusbruderschaft, bei der die Wahlen des Generaloberen und des Generalrats anstehen.
Schon seit mehreren Tagen halten sich die Kapitulare aus aller Welt im schweizerischen Econe (Kanton Wallis) auf, wo zur Vorbereitung des Generalkapitels Exerzitien stattfinden. Es geht auch darum, den Heiligen Geist um Beistand anzurufen, wie im Pfingstbrief des Deutschen Distrikts der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) P. Firmin Udressy schrieb.
Das Generalkapitel stellt neben den personellen Entscheidungen auch die Weichen für die kommenden Jahre. Dem neugewählten Generaloberen wird „mit sofortiger Wirkung die Leitung des Generalkapitels übertragen und das Wohl der Priesterbruderschaft St. Pius X. für die nächsten 12 Jahre anvertraut“.
„Es ist eine gewaltige Aufgabe und Verantwortung, die ihm auf die Schultern gelegt wird – nicht nur in Bezug auf unsere Gemeinschaft. Was wir in der Priesterbruderschaft gemeinsam wollen, ist doch, den heiligen, von der Liebe beseelten, unverfälschten katholischen Glauben weiterzugeben.“
Die Piusbruderschaft sieht es laut eigener Aussage als Aufgabe, „an der Erneuerung der Kirche mitarbeiten“ zu können. In diesem Zusammenhang wurde im Pfingstbrief an die Grundsatzerklärung von 1974 erinnert:
„Keine Autorität, auch nicht die höchste Autorität in der Hierarchie, kann uns zwingen, unseren Glauben, der vom Lehramt der Kirche seit neunzehn Jahrhunderten eindeutig formuliert und verkündet wurde, aufzugeben oder zu schmälern“.
Seit 24 Jahren leitet Msgr. Bernard Fellay die Bruderschaft. Im vergangenen April wurde er 60. Vor 30 Jahren, am 30. Juni 1988, weihte ihn Erzbischof Marcel Lefebvre, der Gründer der Bruderschaft, zusammen mit drei Mitbrüdern zum Bischof. Rom erklärte damals die Exkommunikation, die vor zehn Jahren vom Heiligen Stuhl zurückgenommen wurde. 1977 war der Schweizer in Econe in das Priesterseminar der Bruderschaft eingetreten und 1982 von Erzbischof Lefebvre zum Priester geweiht worden.
Kurz nach der Thronbesteigung von Papst Benedikt XVI. empfing dieser Bischof Fellay auf Castel Gandolfo. Das war der Auftakt zu einer Annäherung, die in offizielle Gespräche über umstrittene Fragen der Glaubenslehre mündete. Im Frühjahr 2012 schien die kanonische Anerkennung durch Rom sogar zum Greifen nahe, zerschlug sich aber im letzten Augenblick – soweit rekonstruierbar – an Widerständen der Vollversammlung der Glaubenskongregation.
Anders als allgemein erwartet, folgten auch unter Papst Franziskus einige Schritte der Entspannung. Franziskus knüpfte nicht an den Weg von Lehrgesprächen an, sondern setzte einseitige Zeichen, indem er beispielsweise 2016 die von Piusbrüdern gespendete Lossprechung in der Beichte anerkannte. Ebenso anerkannt wurden Anfang 2017 die Eheschließungen vor Priestern der FSSPX. Implizit wurden damit die Bischofs- und Priesterweihen der Bruderschaft anerkannt. Rom hatte bis dahin zwar nicht deren Gültigkeit, aber deren Rechtmäßigkeit bestritten.
Im Mai 2017 schien es erneut, als könnte eine kanonische Anerkennung der Bruderschaft durch den Heiligen Stuhl jeden Augenblick bekanntgegeben werden. Konkret hatte Rom die Errichtung als Personalprälatur mit einem Bischof an der Spitze in Aussicht gestellt. Doch dann geschah dasselbe wie 2012. Auf der Zielgeraden blies Rom alles wieder ab. Die Vorbehalte gegen die Piusbruderschaft, bis in höchste Spähren, errangen einmal mehr die Oberhand. Seither herrscht wieder Stillstand. Das Generalkapitel in Econe wird sich auch damit zu befassen haben. Die Frage nach dem Verhältnis der Bruderschaft zu Rom wird eine zentrale Rolle spielen.
Diese Frage führte von Anfang an, auch schon unter Erzbischof Lefebvre, zu Konflikten in der Bruderschaft. Manchen war die Linie manchmal zu weich, anderen zu hart. Dazu gehört auch, daß fast alle heute existierenden Gemeinschaften der Tradition entlang dieser Bruchlinien aus der Piusbruderschaft hervorgegangen sind. Diese Tatsache unterstreicht zugleich natürlich die Bedeutung des Werkes von Erzbischof Lefebvre.
Der jüngste Konflikt entbrannte im Zuge der Versöhnungsgespräche von 2012 und führte, weil er „sich geweigert hatte, den Respekt und den Gehorsam zu bezeigen, den er seinen rechtmäßigen Oberen schuldet“, zum Ausschluß von Msgr. Richard Williamson, einem der vier 1988 geweihten Bischöfe. Weitere Priester wurden damals ausgeschlossen oder traten aus.
Damit steht auch die Frage neuer Bischofsweihen im Raum. Erzbischof Lefebvre sah vor 30 Jahren die Notwendigkeit von vier Bischöfen, um das weltweite Apostolat durchführen zu können. Durch den Ausschluß von Williamson und gesundheitliche Probleme könnten demnächst neue Weihen notwendig werden. In Rom wiederum könnten einige nur auf einen solchen Schritt warten, um erneut die Exkommunikation in den Raum zu stellen.
Katholisch.de, das Nachrichtenportal der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), skizzierte Bischof Fellay im vergangenen April als „eine zwiespältige Figur zwischen Rückwärtsgewandtheit und Heimkehrwünschen“. Die Formulierung ist weniger eine Charakterisierung Fellays, sondern bringt atmosphärisch vor allem die Vorbehalte der DBK-Führung zur Piusbruderschaft zum Ausdruck.
Fellay zeigte durch seine Unterzeichnung der Correctio filialis de haeresibus propagatis nicht nur, daß die Piusbruderschaft inzwischen wieder – allen Formalismen zum Trotz – ein weitgehend integrierter Teil des kirchlichen Diskurses ist. Er stellte auch unter Beweis, daß die Piusbruderschaft über mehr Handlungsspielraum verfügt als die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Auch deshalb gilt eine Wiederwahl von Bischof Fellay für eine weitere Amtszeit als Generaloberer als wahrscheinlich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: FSSPX/Jens Falk