(Canberra) Die Parlamente des australischen Bundesstaates Südaustralien und des Australischen Hauptstadtterritoriums haben jeweils Gesetze beschlossen, die katholische Priester bei sexuellen Mißbrauchsfällen zwingen sollen, das Beichtgeheimnis zu brechen.
Will Australien die Exkommunikation der Priester? Handelt es sich bei den neuen Bestimmungen um eine besondere Form der laizistischen Rache an Priestern? Glauben australische Politiker tatsächlich die „Schwarze Legende“, daß katholische Kleriker besonders häufig sexuelle Mißbrauchstäter seien? Das Gegenteil ist durch einschlägige Studien hinlänglich belegt. Im Vergleich zum Familien- und Bekanntenkreis, zu Sportvereinen und weltlichen Jugendorganisationen ist die katholische Jugendarbeit noch der weitaus sicherste Ort für Minderjährige. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, daß jeder Mißbrauchsfall einer zuviel ist und, wie die jüngste australischen Beispiele zeigen, die Kirche in Mißkredit bringen.
Es ändert aber auch nichts daran, daß unangemessene Mittel unangemessen bleiben, selbst wenn sie angeblich einem guten Zweck dienen sollen.
Wenn der Staat zur Rechtspflege den Rechtsbruch will
Der Eingriff australischer Gesetzgeber gegen ein konstitutives Element eines Sakramentes wurde von den katholischen Bischöfen des Staates scharf kritisiert. Die absolute Schweigepflicht zu allem, was in einer sakramentalen Beichte gesagt wird, gilt für katholische Priester bedingungslos. Sie ist häufig Voraussetzung, daß es überhaupt zu einer Beichte kommt. Der laizistische Staat erhofft sich hingegen, mögliche Beweise zur Klärung von Straftaten. In Wirklichkeit, so Kritiker, greift er damit das Beichtsakrament selbst an und riskiert, es zunichte zu machen. Jemand, der sich im einschlägigen Bereich schuldig gemacht haben sollte, wird sich künftig hüten, einen Beichtstuhl aufzusuchen, wenn er damit riskiert, bei der staatlichen Strafverfolgungsbehörde angezeigt zu werden. Damit aber wird sein ewiges Seelenheil gefährdet, um das es im Beichtstuhl geht. Wo sonst sollte er die Lossprechung erhalten?
Die staatliche Pflicht zur Strafverfolgung bewegt sich auf einer ganz anderen Ebene als die Sündenvergebung der Kirche, die dem reuigen Sünder nach einer gültigen Beichte gewährt wird. Der Staat versucht sich nun den kirchlichen Bereich unterzuordnen und dienstbar zu machen. Damit wird die Trennung von Kirche und Staat auf ganz neue Weise in Frage gestellt. In Wirklichkeit gefährdet der Gesetzgeber ein zentrales Sakrament zur Erlangung des ewigen Seelenheils, ohne einen absehbaren Nutzen daraus zu ziehen.
Wie realistisch ist es nämlich, daß ein Täter von selbst zur Polizei geht, um sich zu belasten? Genau. Was erwartet sich also der Staat davon, daß er Priester unter Strafe zu Denunzianten degradiert?
Die Entscheidungen des Staates Südaustralien und des Australischen Hauptstadtterritoriums zeugen daher vor allem nur von einem: einer Geringschätzung und Respektlosigkeit gegenüber der Kirche, dem Priesterstand und den von Gott eingesetzten Sakramenten.
Eine knappe Mehrheit der Australier bezeichnete sich bei der Volkszählung 2016 zwar als Christen, doch ist das Land – wie Großbritannien – zu wenig katholisch geprägt, als daß allzu großes Verständnis für das Bußsakrament bestehen oder die Parteizugehörigkeit in dieser Frage eine Rolle spielen würde. Das zeigt sich daran, daß der Regierungschef des Hauptstadtterritoriums ein Labor-Vertreter ist, der sich auf eine rot-grüne Parlamentsmehrheit stützt, während der Premierminister von Südaustralien seit vergangenem März von der liberal-konservativen Liberalen Partei gestellt wird, die im Staatsparlament die absolute Mehrheit hält.
In Südaustralien sind Priester ab kommenden Oktober gesetzlich verpflichtet das Beichtgeheimnis zu brechen, wenn sie im Beichtstuhl Kenntnis von einem sexuellen Mißbrauch an Minderjährigen erhalten. Bei Zuwiderhandeln droht eine Geldstrafe von 10.000 Australischen Dollar, umgerechnet fast 6.500 Euro.
Im Hauptstadtterritorium tritt im März 2019 ein vergleichbares, vor wenige Tagen beschlossenes Gesetz in Kraft. Sollten Priester ihre erlangte Kenntnis nicht den Strafverfolgungsbehörden melden, können sie selbst strafrechtlich verfolgt werden.
Das Hauptstadtterritoriums-Gesetz, das vom zuständigen Erzbischof von Canberra, Christopher Browse kritisiert wurde, könnte sogar dazu führen, daß Priester, die das Beichtgeheimnis wahren, eingesperrt werden könnte.
Die Bestimmungen des Kirchenrechts
Die beiden australischen Bundesstaaten schaffen damit einen Interessenskonflikt, der für die Priester unlösbar ist. Das Kirchenrecht schreibt im Codex Iuris Canonici, Canon 983, Absatz 1 nämlich zwingend vor, das ein Priester das Beichtgeheimnis bedingungslos zu wahren hat.
„Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich, dem Beichtvater ist es daher streng verboten, den Pönitenten durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten.“
Absatz 2 bezieht sogar eventuell notwendige Dolmetscher mit ein:
„Zur Wahrung des Geheimnisses sind auch, falls beteiligt, der Dolmetscher und alle anderen verpflichtet, die auf irgendeine Weise aus der Beichte zur Kenntnis von Sünden gelangt sind.“
Canon 984, Absatz 1 schreibt vor:
„Ein Gebrauch des aus der Beichte gewonnenen Wissens, der für den Pönitenten belastend wäre, ist dem Beichtvater streng verboten, auch wenn jede Gefahr, daß etwas bekannt werden könnte, ausgeschlossen ist.“
Und Absatz 2:
„Wer eine leitende Stellung einnimmt, darf die Kenntnis von Sünden, die er zu irgendeiner Zeit aus der Entgegennahme einer Beichte erlangte, auf keine Weise bei der äußeren Leitung gebrauchen.“
Die direkte Verletzung des Beichtgeheimnisses durch den Priester wird mit der Tatstrafe der Exkommunikation belegt (Canon 1388, Absatz 1 CIC). Der Priester ist also, sobald er das Beichtgeheimnis verletzt, automatisch exkommuniziert.
Die Politiker der beiden australischen Staaten verlangen also nichts weniger, als daß die Priester zur Unterstützung der staatlichen Rechtspflege die Strafe der Exkommunikation auf sich nehmen. Dergleichen wagten nicht einmal die Nationalsozialisten oder Kommunisten in einem Gesetz zu verankern.
Die neuen Bestimmungen zeigen, in welches Dilemma die staatlichen Parlamente die Priester stürzen. Die katholische Kirche hofft vorerst, daß durch die Anrufung der zuständigen Gerichte die Aufhebung der Bestimmungen erfolgt. Da die Einhaltung des Beichtgeheimnisses ein Wesensmerkmal des Priestertums ist, was durch die Strafbewehrung mit der Exkommunikation eindeutig zum Ausdruck kommt, bliebe einem Priester kein anderer Weg, als in Südaustralien die hohe Geldstrafe zu bezahlen und im Hauptstadtterritorium sogar ins Gefängnis zu gehen.
Märtyrer des Beichtgeheimnisses
Die kirchlichen Vorbilder dazu sind eindeutig. Der Schutzpatron der Beichtväter und des Beichtgeheimnisses ist der heilige Nepomuk, der als Johannes Wölflin um 1350 im westböhmischen Pomuk geboren wurde. Er studierte Rechtswissenschaften in Prag und Padua und wurde 1389 von Erzbischof Johann von Jenstein zum Generalvikar für das Erzbistum Prag ernannt. Böhmens damaliger König, Wenzel IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger, war im Gegensatz zu einem außergewöhnlichen Vater, Karl IV., nicht nur ein schlechter König, sondern eine regelrechte Plage auf dem Königsthron. Er trug wesentlich zur Eskalation bei, die den Boden für den blutigen Aufstand der Hussiten bereitete, die das Land in Schutt und Asche legen sollten. Zunächst aber kam es 1393 zu einem Streit zwischen dem König und dem Erzbistum und zur Verhaftung mehrerer erzbischöflicher Amtsträger, darunter auch des Generalvikars Nepomuk. Nepomuk war der Beichtvater der Königin. Wenzel IV., der politische Mediokrität durch Ungestüm kompensierte, wollte die Gelegenheit der Gefangennahme nützen, um von Nepomuk zu erfahren, ob seine Frau, die der König der Untreue verdächtigte, ihrem Beichtvater diesbezüglich etwas anvertraut hatte. Nepomuk weigerte sich jedoch unter Verweis auf das Beichtgeheimnis etwas preiszugeben, auch nicht unter Folter, der er unterzogen wurde. Am 20. März 1393 wurde er auf Anweisung Wenzels in Prag von der Karlsbrücke gestürzt und in der Moldau ertränkt.
Die Leiche wurde geborgen und 1396 in den Veitsdom überführt. Erzbischof Johann von Jenstein berichtete Papst Bonifatius IX. umgehend die Tat und nannte Nepomuk einen Märtyrer. Die Verehrung Nepomuks breitete sich unter den böhmischen Katholiken aus und bald auch in den umliegenden Ländern. 1719 wurde im Zuge des Heiligsprechungsverfahrens das Grab geöffnet und darin die Zunge Nepomuks unversehrt vorgefunden. Das wurde als klarer Hinweis auf die Wahrung des Beichtgeheimnisses gesehen. 1729 erfolgte durch Papst Benedikt XIII. die Heiligsprechung als Märtyrer des Beichtgeheimnisses.
Weil Nepomuk das Martyrium auf einer Brücke erlitten hatte, wird er auch als Brückenheiliger verehrt.
Ein anderer Märtyrer des Beichtgeheimnisses ist der englische Jesuit Henry Garnet (1555–1606). Da die katholische Kirche und die Katholiken in seiner Heimat verfolgt wurden, ging er nach Rom, wo er dem Jesuitenorden beitrat und 1582 zum Priester geweiht wurde. 1586 kehrte er nach England zurück, wo er für die Untergrundkirche wirkte. Was es heute in der kommunistischen Volksrepublik China gibt, gab es in früheren Jahrhunderten in verschiedenen protestantischen Gegenden, besonders im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden und deutschen, protestantischen Ländern. Unter dem Siegel der Beichte erhielt Garnet Kenntnis von einem Plan zur Ermordung von König Jakob I. Er informierte seine Vorgesetzten in Rom ohne irgendeinen Bezug auf Personen, Attentatspläne oder sonstige nähere Angaben, aber mit der Bitte, die englischen Katholiken grundsätzlich von Gewaltanwendung abzuhalten. Nachdem das Attentat fehlschlug kam es zu einer Verhaftungswelle, bei der 1606 auch Garnet gefangengenommen und im Tower von London eingesperrt wurde, wo er wie viele gefangene Katholiken eine Gravur in die Mauer seiner Kerkerzelle ritzte, die man noch heute sehen kann. Da er unter Verweis auf das Beichtgeheimnis jede Aussage zur Sache verweigerte, wurde er am 3. Mai 1606 als Hochverräter, der er mitnichten war, durch Hängen, Ausweiden und Vierteilen hingerichtet.
Weitere Beispiele könnten genannt werden.
Bleibt die Frage, welcher vernünftige Grund einen Gesetzgeber dazu verleiten kann, den Bruch des Beichtgeheimnisses per Gesetz erzwingen und den betreffenden Priester in die Exkommunikation treiben zu wollen? Heiligt der Zweck jedes Mittel? Oder geht es am Ende vielleicht um eine verschleierte Form der Rache und der laizistischen Machtdemonstration gegenüber der Kirche?
Während die australischen Bischöfe protestierten, erfolgte bisher aus Rom keine Stellungnahme.
- Eine Hörempfehlung zum Thema: Ein Vortrag des Kirchenrechtlers Prof. Dr. Georg May:„Das Sakrament der Beichte“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/pxhere
Schon möglich, dass Australien die Exkommunikation betroffener Priester möchte.
Mein erster Gedanke war jedoch, dass damit die Priester davon abgehalten werden sollen überhaupt noch eine Beichte anzubieten.
Quasi aus Angst davor, dass da ein Pönitent eine Sache beichtet, welche der Priester den Behörden melden müsste.
Wird so ein Pönitent dann der entsprechenden Straftat (und noch weiterer, später begangene Straftaten der gleichen Art) überführt und sagt er Polizei, dass er dies schon vor Jahren dem Priester „sowieso“ gebeichtet hätte, dann hätten die Behörden den perfekten Fall.
„Es wären weitere Straftaten verhindert worden“
Ich glaube, dass die betroffenen Priester genau vor solchen Fällen Angst haben und dann lieber gar keine Beichte mehr anbieten.
Vielleicht will man genau das erreichen ?!
Der Teufel Regiert die Welt und hat einen weiteren Namen „Rechtsstaat“
Ein Priester muss diesem Sakrament unbedingt die Treue halten und die Beichte abnehmen. Das Beichtgeheimnis muss er immer wahren. Auch wenn er dies eventuell mit seinem eigenem Leben bezahlen muss. Er hat Christus die Treue geschworen und nicht dem Staat. Der Staat hat sich aus internen Kirchenangelegenheiten heraus zu halten.
Auch in der „westlichen Welt“ vermehren sich die Pilotprojekte, auf administrativen Wege die Religion zu kontrollieren, sei es in Kanada (https://kirchfahrter.wordpress.com/2018/02/19/can-pro-life-ferienjobanbieter-muessen-abtreibung-befuerworten-kirchen-wehren-sich-ief-at/), sei es Australien (https://kirchfahrter.wordpress.com/2018/02/11/angst-vor-vatikanischem-007/) oder im US-Bundesstaat Kalifornien (https://kirchfahrter.wordpress.com/2018/05/15/kalifornien-will-christlichen-buecherhandel-einschraenken-die-tagespost-de/). Nicht nur in der VR China – wo eher die rustikalen Methoden (https://kirchfahrter.wordpress.com/2018/02/16/regionale-versuchsprojekte-am-rande-der-oeffentlichen-wahrnehmung/) getestet werden – ist man fleißig dabei, Instrumente gegen die Kirche zu entwickeln. Und bei einer zunehmend areligiöser werdenden Masse wird dies bald spürbar werden…