Die (nicht) zurückerstatteten Kirchen


Rußland tut sich schwer mit seinen Katholiken
Rußland tut sich schwer mit seinen Katholiken

(Mos­kau) In Rja­san, einer Stadt in Ruß­land mit einer hal­ben Mil­li­on Ein­woh­ner, die rund 200 Kilo­me­ter süd­öst­lich von Mos­kau liegt, erhiel­ten die Katho­li­ken in die­sen Tagen ihre Kir­che zurück. In ande­ren Städ­ten, dar­un­ter Kirow, wird die Rück­ga­be von den Behör­den ver­wei­gert oder ver­zö­gert. In Kirow begann nun ein katho­li­scher Prie­ster aus Pro­test einen geist­li­chen „Hun­ger­streik“.

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Die Zahl der Katho­li­ken in Ruß­land ist klein, und den­noch tut sich das Land schwer mit ihnen. Das hängt in erster Linie mit dem ortho­do­xen Ver­ständ­nis von ter­ri­to­ria­ler Juris­dik­ti­on zusammen.

1993 erste Rückgaben und Anerkennungen

In die­sem Jahr jährt sich ein klei­nes Jubi­lä­um. Vor 25 Jah­ren erhielt die katho­li­sche Kir­che offi­zi­ell die ersten Kir­chen in Ruß­land zurück. 1993 wur­den die katho­li­schen Pfar­rei­en zur hei­li­gen Katha­ri­na von Sankt Peters­burg, zum hei­li­gen Rosen­kranz von Wal­d­imir und zum hei­li­gen Lud­wig der Fran­zo­sen von Mos­kau amt­lich aner­kannt. Letz­te­re war zusam­men mit der Schwe­ster­kir­che Unse­rer Lie­ben Frau von Lour­des im dama­li­gen Lenin­grad die ein­zi­ge, die auch wäh­rend der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur bestand. Das auch nur dee­s­halb, weil bei­de Kir­chen vom fran­zö­si­schen Bot­schafts­per­so­nal genützt und der Sowjet­uni­on als „Ali­bi­kir­chen“ dien­ten, um die angeb­lich herr­schen­de Reli­gi­ons­frei­heit zu „bewei­sen“. Die Akti­vi­tä­ten an den bei­den Kir­chen stan­den unter stän­di­ger Beob­ach­tung des KGB.

Die Kir­che zum hei­li­gen Lud­wig wur­de daher auch nicht der kirch­li­chen Hier­ar­chie des Lan­des zurück­ge­ge­ben, son­dern der fran­zö­si­schen Regie­rung. An der Kir­che wer­den heu­te die fran­zö­si­sche, ita­lie­ni­sche, spa­ni­sche, por­tu­gie­si­sche, korea­ni­sche, eng­li­sche und phil­ip­pi­ni­sche Gemein­schaft betreut. Eine Sonn­tags­mes­se zele­briert auch der Pfar­rer der rus­si­schen Katho­li­ken der Peter- und-Paul-Kir­che von Mos­kau, die 200 Meter ent­fernt liegt, aber noch nicht zurück­ge­ge­ben wur­de. Es scheint sich in der Sache aber etwas zu tun, was auch damit zu tun haben dürf­te, daß mit der Kir­che wich­ti­ge Ein­rich­tun­gen ver­bun­den sind, davon eini­ge histo­ri­sche. Zu ihnen gehö­ren eine Schu­le und kari­ta­ti­ve Wer­ke wie jene des deut­schen Arz­tes Joseph Fried­rich Haass (1780–1853), der als „hei­li­ger Dok­tor von Mos­kau“ bekannt wur­de. Er war Arzt der Ober­schicht, wirk­te aber frei­wil­lig als Gefäng­nis­arzt und in Alters- und Wai­sen­häu­sern. Geprägt vom hei­li­gen Franz von Sales setz­te er sich für einen huma­ne­ren Straf­voll­zug ein. Reli­qui­en des von ihm ver­ehr­ten Hei­li­gen ver­mach­te er der katho­li­schen Kir­che von Irkutsk. Die deut­sche Schu­le in Mos­kau trägt heu­te sei­nen Namen. Das 1999 von den Erz­bis­tü­mern Köln und Mos­kau ein­ge­lei­te­te Selig­spre­chungs­ver­fah­ren soll vor dem Abschluß stehen.

„Zurückeroberte“ Kirchen

Ande­re katho­li­sche Kir­chen wur­den in den 90er Jah­ren von den Gläu­bi­gen zum Teil mit spek­ta­ku­lä­ren Aktio­nen „zurück­er­obert“. 1994 besetz­ten die von Regens Anto­nio Ber­nar­do ange­führ­ten Semi­na­ri­sten die ein­sti­ge katho­li­sche Kathe­dra­le zur Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis von Mos­kau. Nach eini­gen Ver­hand­lun­gen erreich­ten sie damit die offi­zi­el­le Rück­ga­be. Die Kathe­dra­le ist heu­te die bedeu­tend­ste latei­ni­sche Kir­che in Ruß­land und Sitz des katho­li­schen Erz­bi­schofs von Mos­kau, Msgr. Pao­lo Pezzi.

Am 16. April konn­te Erz­bi­schof Pez­zi die Wei­he der zurück­er­stat­te­ten Kir­che von Rja­san vor­neh­men. Ihre Rück­ga­be hat­te der slo­wa­ki­sche Prie­ster Josif Gun­cha­ga betrie­ben, der 1991 nach Ruß­land gekom­men war. Die Kir­che war 1935 vom kom­mu­ni­sti­schen Regime geschlos­sen wor­den. In ihr wur­de eine Schu­le unter­ge­bracht. Nun ist sie zwar in schlech­tem Zustand und muß von Grund auf restau­riert wer­den, aber für die klei­ne Schar der Katho­li­ken der Stadt war es ein Freu­den­fest, sie zurückzubekommen.

Kirche als Stützpunkt für Störsender

Weni­ger erfolg­reich war bis­her der katho­li­sche Prie­ster Gri­go­ri Zwo­lin­ski in Kirow. Die Stadt, die bis zur Säu­be­rung unter Sta­lin Wjat­ka hieß und dann nach dem bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­tio­när Ser­gei Kirow umbe­nannt wur­de, ver­fügt seit 1903 über eine katho­li­sche Kir­che. Sie war von Polen errich­tet wor­den, die unter Zar Alex­an­der III. aus Kon­greß­po­len ver­bannt wor­den waren. Nach 17 Jah­ren der erfolg­lo­sen Bemü­hun­gen griff P. Gri­go­ri nun zu einem beson­de­ren Mit­tel: 30 Tage des Fastens und des Gebets, um die Rück­ga­be der Kir­che zu erreichen.

Wäh­rend des Gro­ßen Ter­rors der 1930er Jah­re wur­de die Kir­che geschlos­sen. Die Kirower Katho­li­ken wur­den des Hoch- und Lan­des­ver­rats ange­klagt und hin­ge­rich­tet. Bis heu­te ist nicht bekannt, was mit ihren Lei­chen gesche­hen ist. Die Kir­che wur­de vom KGB besetzt und mit einer gro­ßen Sen­de­an­la­ge zur Stö­rung aus­län­di­scher Sen­der aus­ge­stat­tet. Anstel­le der Kreu­ze wur­den dazu auf den Dächern spe­zi­el­le Anten­nen angebracht.

Gebet und Fasten: der Hungerstreik von P. Grigori

Nach dem Ende des Kom­mu­nis­mus wur­de die Kir­che in einen Kon­zert­saal umge­wan­delt. Den Katho­li­ken wird erlaubt, die Kir­che stun­den­wei­se gegen Bezah­lung für Got­tes­dien­ste anzu­mie­ten, aller­dings nur an den höch­sten Fest­ta­gen. Alle Anträ­ge auf Rück­erstat­tung wur­den abge­lehnt, zuletzt am 5. April. Die­se Ableh­nung ver­an­laß­te P. Gri­go­ri zu einem geist­li­chen Mit­tel des Kamp­fes zu grei­fen, der aber unter dem Stich­wort „Hun­ger­streik“ auch für die Behör­den ver­ständ­lich ist.

Die Begrün­dung für die Ableh­nung sei ein „absur­der Vor­wand“, so P. Gri­go­ri. Da seit der Schlie­ßung in den 30er Jah­ren Umbau­ten statt­ge­fun­den haben, müs­se das Denk­mal­amt die Kir­che wegen die­ses künst­le­ri­schen Werts ver­wal­ten, denn die Katho­li­ken wür­den die­se Umbau­ten wegen der kirch­li­chen Nut­zung wie­der rück­gän­gig machen.

Einen Monat wol­len der Prie­ster und mit ihm die Gläu­bi­gen bei Was­ser und Brot fasten, eucha­ri­sti­sche Anbe­tung hal­ten und den Rosen­kranz beten. Die bis­her fünf abge­lehn­ten Anträ­ge sehen sie als die fünf Wund­ma­le des lei­den­den Chri­stus. Gegen P. Gri­go­ri wur­den bereits Mord­dro­hun­gen aus­ge­spro­chen. In einem klei­nen Saal zele­briert er täg­lich die Hei­li­ge Mes­se mit einer klei­nen Schar von Gläu­bi­gen aus Nach­kom­men pol­ni­schen Exi­lan­ten, deut­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner und Afri­ka­nern, die zu Sowjet­zei­ten als Stu­den­ten aus „sozia­li­sti­schen Bru­der­län­dern“ ins Land gekom­men waren.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: AsiaNews

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