
(Rom) Gerüchte kursierten bereits seit einiger Zeit. Am Samstag wurde vom Vatikan offiziell bestätigt, daß Franziskus das Fronleichnamsfest in diesem Jahr nicht vor der Patriarchalbasilika San Giovanni in Laterano, der Bischofskirche von Rom, zelebrieren wird.
Wie das vatikanische Presseamt mitteilte, wird Papst Franziskus das Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi am 3. Juni 2018 auf dem Platz vor der Pfarrkirche Santa Monica in Ostia zelebrieren.
„Am Ende der eucharistischen Zelebration wird eine Prozession mit dem Allerheiligsten Sakrament stattfinden, die in der Pfarrei von Unserer Lieben Frau von Bonaria mit dem vom Heiligen Vater gespendeten eucharistischen Segen enden wird.“
Franziskus zieht es an den Rand
Einige italienische Medien hoben hervor, daß Papst Paul VI. vor 50 Jahren genau dasselbe getan hatte. Am 13. Juni 1968 zelebrierte er das Fest Corpus Domini im Lido von Ostia.

Der Grund für den Ortswechsel hat nichts mit dem Patrozinium Unserer Lieben Frau von Bonaria zu tun, die auch Namenspatronin von Buenos Aires ist.
Der Grund dafür ist profaner und hat mit großer Unruhe in und um die Pfarrei Santa Monica zu tun. Die Unruhen sind mit dem Namen von Don Franco De Donno, einem „Straßenpriester“ und „Priester vom Rand“, verbunden.
Ostia gehört zum Municipio X von Rom. Die Stadt Rom unterteilt sich in fünfzehn Munizipien (Stadtbezirke), die in insgesamt 155 Stadtviertel zerfallen. Für jedes Munizipium werden ein Präsident (vergleichbar einem Bezirksbürgermeister in Berlin oder einem Bezirksvorsteher in Wien) und ein Bezirksparlament gewählt (in Berlin Bezirksverordnetenversammlung, in Wien Bezirksrat genannt).
Ostia, der vernachlässigte Teil Roms
Ostia ist ein sozialer Brennpunkt mit großer Arbeitslosigkeit und Kriminalität und sehr hohem Ausländeranteil. Eine deutliche Sprache spricht die Wahlbeteiligung von nur 36 Prozent bei den Municipio-Wahlen im vergangenen November.

Don Franco De Donno war viele Jahre Pfarrvikar von Santa Monica. Im August 2017 gab der 71-Jährige bekannt, sich von der Ausübung seines Priestertum zu „beurlauben“ und mit einer eigenen Liste für das Amt des Bezirksbürgermeisters zu kandidieren. Das kam nicht bei allen gut an. Die Kommunalwahl fand sogar internationale Beachtung, was allerdings weniger mit Don De Donno zu tun hatte.
Für Aufsehen sorgten Medienberichte, auch im deutschen Sprachraum, über eine „Gefahr von rechts“. Konkret war damit das Abschneiden der rechtsradikalen Bewegung CasaPound gemeint, benannt nach dem US-amerikanischen Dichter Ezra Pound, die 9,1 Prozent der Stimmen erzielte. Was selten berichtet wurde: Ostia war bis in die 90er Jahre eine tiefrote Hochburg. Der Weg vieler Menschen in Ostia, die sich von der Politik übergangen und vernachlässigt fühlen, führt direkt von den Kommunisten (heute Linksdemokraten) zu CasaPound.
Für die Mehrheitsfindung spielte CasaPound allerdings keine Rolle, ließ aber Don De Donno hinter sich, dessen Liste auf 8,6 Prozent kam. In die Stichwahl schafften es die Kandidatin des Mitte-rechts-Bündnisses und die Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung. Mit nur 17 Prozent mußten sich die bis dahin regierenden Linksdemokraten zufriedengeben. Der Bezirksbürgermeister aus ihren Reihen war 2015 unter Mafia-Verdacht verhaftet und die damalige Municipio-Vertretung ihres Amtes enthoben worden. Neue Bezirksbürgermeisterin wurde am 20. November 2017 die Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung.
Konflikt zwischen CasaPound und Don De Donno

CasaPound hatte im Wahlkampf gegen Pfarrvikar De Donno demonstriert. Der CasaPound-Spitzenkandidat Luca Marsella meinte, daß es „diskutabel“ sei, daß ein Priester für ein politisches Amt kandidiert, aber „indiskutabel“ sei es, die Pfarrkirche für Wahlversammlungen zu mißbrauchen. Zum Vorwurf gemacht wurde De Donno, daß für ihn die „Einwanderer zuerst“ kommen, während die einheimische Bevölkerung Not leide.
Auch von anderer Seite wurde der „Barricadero-Priester“ kritisiert, dem innerkirchlich vorgeworfen wurde, sein Priesteramt für „linke Politik“ zu mißbrauchen und die Pfarrei „zu spalten“. De Donno selbst, der eine Erlaubnis für seinen Schritt durch die Diözese Rom erst gar nicht abwartete, erklärte sich selbst zum „Pilotpfarrer“, der als Vorbild für andere vorangehe. Für die einen ist De Donno ein „Sozialaktivist an vorderster Front“, für die anderen ein „Agitprop mit Kollar“.
Seit den Wahlen sitzen Marsella und De Donno als Vertreter ihrer Listen im 24köpfigen Bezirksparlament und betreiben Kommunalpolitik. Vor wenigen Tagen wurden De Donno auf Antrag Marsellas finanzielle Unterstützungen gestrichen. De Donno erhielt jahrelang aus dem römischen Stadthaushalt monatlich 30.000 Euro „für soziale Zwecke“. Der Geldfluß sei „ohne jede Kontrolle“ erfolgt. CasaPound und Marsella warfen De Donno vor, das Geld zur Unterstützung illegaler Zigeunerlager verwendet zu haben, die seit Jahren die römischen Stadtregierungen und die Polizei plagen. Es könne nicht sein, daß die Stadt offiziell diese illegalen Zigeunerlager bekämpft und gleichzeitig öffentliche Gelder zu deren Förderung fließen. Nun, da Rom und der Municipio X von Vertretern der Fünf-Sterne-Bewegung regiert werden, fand der Antrag von CasaPound Gehör.
Auf der Internetseite der Pfarrei ist hingegen von „beispiellosen Verunglimpfungen“ die Rede.
Die vernachlässigte Fronleichnamsprozession

Papst Franziskus verzichtet auf die Teilnahme am Fronleichnamsfest an seiner Bischofskirche (an der Prozession nahm er ohnehin nicht teil), um das Fest in der Pfarrei des „Einwandererpriesters“ (CasaPound) Franco De Donno zu feiern. Will der Papst durch seine Anwesenheit die zerstrittene Pfarrei wieder einen oder dem „Straßenpriester“ De Donno seine Solidarität signalisieren?
Corpus Domini, das römische Fronleichnamsfest mit seiner eucharistischen Prozession, wurde 1264 eingeführt. Zu keinem anderen Fest außer dem Gründonnerstag nahm Papst Franziskus weitergehendere Eingriffe vor als zu diesem Fest. Die Verlegung in die Pfarrei De Donnos in Ostia bildet lediglich das jüngste Kapitel. Siehe dazu:
Papst Franziskus und die römische Fronleichnamsprozession – Ein schwieriges Verhältnis.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Internazionale/Wikicommons/MiL (Screenshots)