Kardinal drohte Papst mit Amtsenthebung


Papst Franziskus
Löste die Leugnung der Hölle einen Kardinalsaufstand gegen Papst Franziskus aus?

(Rom) Am Grün­don­ners­tag, 29. März, ver­öf­fent­lich­te Euge­nio Scal­fa­ri in La Repubbli­ca sein jüng­stes Inter­view mit Papst Fran­zis­kus. Am 26. März hat­te ihn das Kir­chen­ober­haupt anläß­lich des Oster­fe­stes in San­ta Mar­ta emp­fan­gen. Die Ver­öf­fent­li­chung sorg­te hin­ter den Mau­ern des Vati­kans für erheb­li­chen Wir­bel. Ein bedeu­ten­der Kar­di­nal habe Fran­zis­kus noch am sel­ben Tag einen unmiß­ver­ständ­li­chen Wink gegeben.

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Das päpst­li­che „Scal­fa­ri-Lehr­amt“, wie die­se Art von Publi­ka­tio­nen genannt wer­den, die seit Sep­tem­ber 2013 in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den in La Repubbli­ca erfol­gen, wie­der­hol­te am ver­gan­ge­nen Grün­don­ners­tag eini­ge auf­se­hen­er­re­gen­de The­sen, die im offe­nen Wider­spruch zur kirch­li­chen Leh­re ste­hen. Scal­fa­ri selbst for­mu­lier­te es so:

„Fran­zis­kus hört mei­ne Fra­ge an und ant­wor­tet mir dann auf eine Wei­se, die völ­lig anders war als das, was nor­ma­ler­wei­se erzählt wird“.

Eugenio Scalfari, der Freund des Papstes
Euge­nio Scal­fa­ri, der Freund des Papstes

Dabei ging es dar­um, daß Papst Fran­zis­kus die Exi­stenz der Höl­le leug­ne­te. Eine The­se, die aus sei­nem Mund gar nicht so neu ist. Bereits im Herbst 2017 ließ er sie durch Scal­fa­ri ver­kün­den. Damals erfolg­te die „Ver­laut­ba­rung“ aber nicht in Form eines Inter­views. Scal­fa­ri, der beken­nen­de Athe­ist mit frei­mau­re­ri­scher Fami­li­en­tra­di­ti­on, ver­pack­te die sen­sa­tio­nel­len Aus­sa­gen des Pap­stes in eine Kolum­ne und gab sie nur indi­rekt wie­der. Die Auf­merk­sam­keit hielt sich in Gren­zen, obwohl der Vati­kan nicht dementierte.

Die­ses Mal erfolg­te am Nach­mit­tag aber eine Reak­ti­on des Vati­kans. Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt ver­öf­fent­lich­te eine Art von Distan­zie­rung. Es war kei­ne wirk­li­che Distan­zie­rung, was wohl des­halb schwer mög­lich wäre, weil Scal­fa­ri glaub­wür­dig beton­te, dafür zu bür­gen, den Sinn­ge­halt der päpst­li­chen Aus­sa­gen getreu wie­der­zu­ge­ben. Wäre dem nicht so, wür­de der Papst nicht immer wie­der sei­nen Kon­takt suchen. Immer­hin haben sich Scal­fa­ri und Fran­zis­kus bis­her fünf­mal per­sön­lich zu Gesprä­chen getrof­fen und tele­fo­nie­ren „oft miteinander“.

Kein Dementi, aber die bisher kraftvollste Vatikan-Reaktion

Den­noch war die Wort­mel­dung des Vati­kans die bis­her kräf­tig­ste ihrer Art nach einer Scalfari-Verlautbarung.

Am Oster­sonn­tag berich­te­te Anto­nio Soc­ci in der Tages­zei­tung Libe­ro über Hin­ter­grün­de die­ser „Distan­zie­rung“ und über einen hef­ti­gen Schlag­ab­tausch, zu dem es hin­ter den vati­ka­ni­schen Mau­ern gekom­men sei. Soc­ci titelte:

„So demen­tier­te Berg­o­glio Scal­fa­ri und ver­mei­det den Pro­zeß durch die Kardinäle.“

Was war in den Vor­mit­tags­stun­den des Grün­don­ners­ta­ges zwi­schen 7 Uhr und 14 Uhr gesche­hen, bevor sich Papst Fran­zis­kus für die Mis­sa in Coe­na Domi­ni für die Welt unsicht­bar mach­te und hin­ter den Mau­ern des römi­schen Stadt­ge­fäng­nis­ses Regi­na Coeli verschwand?

„Eini­ge Pur­pur­trä­ger sol­len Fran­zis­kus gewarnt haben: Die [Aus­sa­gen] über die Höl­le sind häre­ti­sche The­sen. Wenn Du sie nicht rich­tig­stellst, ris­kierst Du das Petrus­amt zu verlieren.“

Soc­ci wird von zahl­rei­chen Kol­le­gen geschnit­ten, weil er eini­ge Zeit die Gül­tig­keit der Wahl von Papst Fran­zis­kus bestrit­ten hat­te. Aller­dings sag­te er 2012 bereits den bevor­ste­hen­den Rück­tritt von Papst Bene­dikt XVI. vor­aus, als ihn die­sel­ben Kol­le­gen des­halb aus­lach­ten. Vor allem gilt er aber als einer der auf­merk­sam­sten katho­li­schen Jour­na­li­sten Italiens.

Kolossaler Coup oder Fake News des Jahrhunderts?

Die Aus­sa­gen von Fran­zis­kus über die Höl­le fan­den die­ses Mal, wahr­schein­lich wegen des Tri­du­um Sacrum, deut­lich grö­ße­re inter­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit als im Herbst 2016. Die bri­ti­sche Times titelte:

„Papst Fran­zis­kus schafft die Höl­le ab“.

Im Vati­kan rauf­ten sich wahr­schein­lich nicht nur eini­ge Kar­di­nä­le die Haa­re und schlu­gen die Hän­de über dem Kopf zusam­men. Dazu Socci:

„Wenn die Erklä­rung von Berg­o­glio authen­tisch ist, ste­hen wir dem kolos­sal­sten Coup der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Papst­ge­schich­te gegen­über. Soll­te die­se Erklä­rung nicht stim­men, wäre der Knül­ler von La Repubbli­ca die Fake News des Jahrhunderts.“

Wür­de letz­te­res stim­men, wäre es ein Leich­tes gewe­sen für den Vati­kan gewe­sen Klar­heit zu schaf­fen. Der Vati­kan­spre­cher hät­te die häre­ti­schen The­sen zurück­wei­sen und ein päpst­li­ches Bekennt­nis zur Leh­re der Kir­che abge­ben kön­nen. Zwei Sät­ze hät­ten genügt. Doch das ist nicht gesche­hen. Es erfolg­te statt­des­sen eine Wischi­wa­schi-Erklä­rung, wie sie diplo­ma­ti­schen Gepflo­gen­hei­ten ent­spricht, weil ande­re Inter­es­sen auf dem Spiel ste­hen, und auch dann nur, wenn alle Sei­ten mitspielen.

Was sich am Grün­don­ners­tag im Vati­kan abge­spielt habe, schil­dert Soc­ci wie folgt. Zunächst erin­ner­te er an die gleich­lau­ten­den Behaup­tun­gen von Fran­zis­kus aus dem Vor­jahr, die Scal­fa­ri nicht in Form eines Inter­views, son­dern einer Kolum­ne ver­brei­tet hatte.

„Aus der ver­wirr­ten und ver­äng­stig­ten Kir­che erfolg­te kei­ne Reaktion“.

Des­halb, so Soc­ci, habe sich Scal­fa­ri die­ses Mal noch einen Schritt wei­ter getraut und die Aus­sa­gen unter Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt, und damit wört­lich dem Papst zugeschrieben.

Kardinalsaufstand nach Papst-Aussage

„Als die Zei­tung am Don­ners­tag­mor­gen erschien, erfolg­te aus dem Vati­kan kei­ne Gegen­dar­stel­lung. So blieb es bis 15 Uhr, als mit vie­len Stun­den Ver­spä­tung jene Erklä­rung abge­ge­ben wur­de. War­um? Was war geschehen?
Es scheint, daß die­ses Mal wegen der Anfüh­rungs­zei­chen, die Papst Berg­o­glio zwei aus­drück­li­che Häre­si­en im Wider­spruch zu zwei fun­da­men­ta­len Dog­men der Kir­che zuschrei­ben, ein bedeu­ten­der Kar­di­nal (kein Ita­lie­ner) sich empör­te und eini­ge Kol­le­gen kon­tak­tier­te und dann auch in ihrem Namen Berg­o­glio direkt ver­deut­lich­te, was die­ses Inter­view für ihn bedeu­ten kön­ne (das Beken­nen von häre­ti­schen The­sen ist einer von vier Grün­den, die zum Ver­lust des Petrus­am­tes führen).
Berg­o­glio beriet sich mit dem Sub­sti­tu­ten, Msgr. Ange­lo Becciu, und beschloß, sich sofort in Sicher­heit zu brin­gen mit jener Erklä­rung sei­nes Spre­chers, von der Scal­fa­ri im vor­aus in Kennt­nis gesetzt wur­de, der bis­her mitspielte.
Das wür­de erklä­ren, war­um La Repubbli­ca die Gegen­dar­stel­lung bis heu­te nicht ver­öf­fent­lich­te und auch nicht dar­auf ant­wor­te­te. Wird aber die Sache damit zu Ende sein?“

Nicht nur in den USA, wie Soc­ci hin­weist, fra­gen sich katho­li­sche Intel­lek­tu­el­le und Kir­chen­ver­tre­ter, war­um der Vati­kan Scal­fa­ri nicht inhalt­lich demen­tier­te, um wirk­li­che Klar­heit zu schaffen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
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2 Kommentare

  1. Heu­te ist der Sonn­tag der Barm­her­zig­keit, der offen­sicht­lich kei­ne beson­de­re Rol­le spielt. Im Kir­chen­an­zei­ger unse­res Land­krei­ses wur­de er nur von einem Pfar­rer auf­ge­führt. Papst Fran­zis­kus rief ein gan­zes Jahr der Barm­her­zig­keit aus. Wozu das, wenn es kei­ne Höl­le gibt?
    Wirkt das Jahr der Barm­her­zig­keit zeitlebens?

    • Es gibt ja eine Höl­le. Man will nur nicht davon spre­chen, weil man Angst vor der Angst vor der Höl­le hat.

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