Vaterunser-Bitte: „Und stelle uns nicht auf die Probe“


Papst Franziskus löste kurz vor Weihnachten eine Dikussion über die letzte Vaterunser-Bitte aus, die ihm "nicht gefällt". Die römische Jesuitenzeitschrift hat einen neuen Vorschlag vorgelegt.
Papst Franziskus löste kurz vor Weihnachten eine Dikussion über die letzte Vaterunser-Bitte aus, die ihm "nicht gefällt". Die römische Jesuitenzeitschrift hat einen neuen Vorschlag vorgelegt.

(Rom) Papst Fran­zis­kus hat den ersten Stein ange­sto­ßen, als er am 6. Dezem­ber 2017 in einer Fern­seh­sen­dung über das Vater­un­ser sag­te: „Die­se Über­set­zung ist nicht gut“. Der Domi­no­ef­fekt will sich noch nicht so recht ein­stel­len, doch Unru­he ist entstanden.

Die „tentatio“

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Es geht um die Schluß­bit­te des Herrengebets:

„Et ne nos indu­cas in tentationem“.

„Und füh­re uns nicht in Versuchung“.

Genau an die­ser Über­set­zung in die Volks­spra­chen stößt sich das Kir­chen­ober­haupt. Im Sen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz mach­te der Papst eine Mimik und Gestik zu sei­nen Wor­ten, als woll­te er sagen: Nein, nein, das sei nicht mein Gott, der mit in sol­chen Wor­ten zum Aus­druck kommt. Die Gestik war, als wol­le der Papst ein sol­ches Got­tes­bild weit von sich weg­schie­ben. Um was für ein Got­tes­bild geht es aber dabei? Liegt der Über­set­zung in so vie­le Spra­chen, wie sie seit so vie­len Jahr­hun­der­ten gilt, wirk­lich ein irri­ges Ver­ständ­nis zugrun­de, oder schaut Papst Fran­zis­kus durch die fal­sche Bril­le auf das Gebet der Gebete?

Sogar die deut­schen Bischö­fe ant­wor­te­ten ihm, man sol­le nicht an Din­gen rüh­ren, die so in Ord­nung seien.

Schließ­lich hat die Bit­te noch einen zwei­ten Teil: „sed libe­ra nos a malo“, „son­dern erlö­se uns von dem Bösen“.

Papst Fran­zis­kus kann sich mit der „Ver­su­chung“ aber nicht anfreun­den. Der Teu­fel sei es, der in Ver­su­chung füh­re, aber doch nicht Gott. In der Tat spricht Fran­zis­kus seit sei­nem Amts­an­tritt viel über den Teu­fel. Weit öfter als sei­ne Amts­vor­gän­ger. Im Gegen­satz zu die­sen sieht er aber gleich­zei­tig die Höl­le so ziem­lich leer. Auch das ist einer jener zahl­rei­chen Wider­sprü­che die­ses Pon­ti­fex, oder zumin­dest eine Hal­tung, die rät­sel­haft erscheint.

Nach Frankreich und Argentinien folgt Italien

Der Pfeil gegen die gebräuch­li­chen Über­set­zun­gen wur­de vom Papst zeit­gleich mit einer Ände­rung abge­schos­sen. Die fran­zö­si­schen Bischö­fen führ­te eine Neu­for­mu­lie­rung eben die­ser Stel­le des Vater­sun­sers ein. „Et ne nous laisse pas ent­rer en ten­ta­ti­on“, heißt es nun in Gal­li­en und meint soviel wie: „Und laß uns nicht in die Ver­su­chung gehen“. So ähn­lich klingt die Volks­über­set­zung auch in Argen­ti­ni­en: „Y no nos dejes caer en la tent­a­ción“.

Die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz steht dem Papst beson­ders nahe. Als Bischof von Rom ist er auto­ma­tisch ihr Vor­sit­zen­der, nimmt aber in der Regel nicht an den Sit­zun­gen teil. Dafür ernennt er Ver­trau­te, die sei­ne Vor­ga­ben in der Bischofs­kon­fe­renz umsetzen.

Vom 12.–24. Novem­ber wird sich die Bischofs­kon­fe­renz zu einer außer­or­dent­li­chen Voll­ver­samm­lung zusam­men­fin­den, um über die Ein­füh­rung einer neu­en Ver­si­on der letz­ten Vater­un­ser-Bit­te in der hei­li­gen Lit­ur­gie zu bera­ten. Die Fra­ge der Lit­ur­gie bezieht sich auf den Novus Ordo. Sie stellt sich erst seit der Lit­ur­gie­re­form der 60er Jah­re mit ihrem Ver­zicht auf die Kir­chen­spra­che und der Ein­füh­rung der Volks­spra­chen, denn an eine Ände­rung des latei­ni­schen Ori­gi­nals denkt niemand.

In der neu­en ita­lie­ni­schen Bibel­über­set­zung, die von der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ver­öf­fent­licht wur­de, ist die Stel­le bereits umfor­mu­liert. Dort heißt es: „E non abban­donar­ci nella ten­ta­zio­ne“. Das wie­der­um heißt soviel wie: „Und ver­laß uns in der Ver­su­chung nicht“.

Papst Fran­zis­kus sag­te, Gott füh­re nicht in Ver­su­chung. Das mache der Teu­fel. Es gehe um eine Bit­te an Gott. „Das Gebet das wir spre­chen besagt: Wenn der Teu­fel uns in Ver­su­chung führt, dann reich Du uns bit­te eine Hand.“

Was bedeu­tet es nun aber, daß die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz eine eige­ne Voll­ver­samm­lung zum The­ma ansetzt. Ist die Ent­schei­dung schon gefal­len: Roma locu­ta cau­sa fini­ta? Das fragt sich der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Wer­de man also dem­nächst auch in Ita­li­en in der Hei­li­gen Mes­se und bei Andach­ten eine neue For­mu­lie­rung hören, wie sie bereits in der Volks­bi­bel steht und wie sie dem Papst sicher bes­ser gefällt?

Ein neuer Vorschlag der römischen Jesuitenzeitschrift

„Eben nicht“, so der Vati­ka­nist. Es sei kei­nes­wegs gesagt, „daß es so enden muß. Inzwi­schen hat Rom näm­lich ein wei­te­res Mal gespro­chen und eine ande­re Lösung vorgeschlagen“.

Die­ses Mal war es nicht der Papst höchst­per­sön­lich, aber eine Stim­me, durch die letzt­lich er spricht: die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca. Jeder dort ver­öf­fent­lich­te Arti­kel muß zuvor in den Vati­kan, um die Druck­erlaub­nis zu erhal­ten. Papst Fran­zis­kus macht das bei allen The­men, die ihm wich­tig sind, selbst. Was in der Zeit­schrift erscheint, erscheint mit Zustim­mung von San­ta Mar­ta.

Ein bekann­ter Exeget, der Jesu­it Pie­tro Bova­ti, wid­me­te dem The­ma nun einen Aufsatz:

‘Stel­le uns nicht auf die Pro­be.‘ Zu einer schwie­ri­gen Bit­te des Vater­un­sers“.[1]La Civi­li­tà Cat­to­li­ca, Nr. 4023, S. 215–227.

Im ersten Teil des Auf­sat­zes zeigt Pater Bova­ti auf, daß die­se Bit­te in der Geschich­te der Chri­sten­heit wie­der­holt zu Inter­pre­ta­ti­ons­schwie­rig­kei­ten führ­te. Zugleich legt er dar, wie die wich­tig­sten Kir­chen­vä­ter, der Hei­li­ge Ambro­si­us, der hei­li­ge Augu­sti­nus und der hei­li­ge Hie­ro­ny­mus, sie aus­ge­legt haben:

„Laß nicht zu, daß wir in die Ver­su­chung kom­men und/​oder ihr erliegen“.

Oder auch:

„Laß uns nicht in die Ver­su­chung fal­len oder ver­laß uns nicht in der Versuchung“.

Die Kir­chen­vä­ter hät­ten es also auch schon so ver­stan­den, wie es die neu­en Über­set­zun­gen sagen.

„Und prüfe uns nicht“

„Doch an die­ser Stel­le unter­nimmt Bova­ti eine uner­war­te­te Wen­de“, so Magi­ster. Der Jesu­it schlägt eine neue Über­set­zung vor, die nicht mit der über­ein­stimmt, die drauf und dran scheint, in Ita­li­en Ein­gang in die Lit­ur­gie zu fin­den, und auch nicht mit jener neu­en in Frank­reich oder Argen­ti­ni­en und in ande­ren Ländern.

Die neue Über­set­zung von P. Bova­ti lautet:

„Und stel­le uns nicht auf die Pro­be“. Im Deut­schen könn­te man auch sagen: „Und prü­fe uns nicht“.

Das, so der Jesu­it, sei die eigent­li­che Aus­sa­ge der Bit­te. So hät­ten es auch die Kir­chen­vä­ter ver­stan­den. Vor allem sei die­se For­mu­lie­rung, wenn man eine neue suche, ange­mes­se­ner, als die jüngst dis­ku­tier­ten oder eingeführten.

Der Begriff „Prü­fung“, latei­nisch pro­ba­tio, ent­spre­che, so Bova­ti, mehr dem grie­chi­schen πειρασμóς als der Begriff ten­ta­tio. Im Neu­en Testa­ment habe der Begriff ten­ta­tio eine nega­ti­ve Kon­no­ta­ti­on. Das sei das Gegen­teil des­sen, was Gott mache, wenn er uns „prüft“. In der gan­zen Hei­li­gen Schrift „prüft“ Gott den Men­schen und stel­le ihn auf die Pro­be. Jesus selbst habe das im Gar­ten von Geth­se­ma­ne vor sei­nem Lei­den erlebt:

„Mein Vater, wenn es mög­lich ist, gehe die­ser Kelch an mir vor­über. Aber nicht wie ich will, son­dern wie du willst“ (Mt 26,39).

Es gehe also dar­um, so der Jesu­it, zum Vater zu bit­ten, imstan­de zu sein, den Ver­su­chun­gen des Bösen und der Ver­füh­rung durch den Bösen zu wider­ste­hen. Es gehe aber auch dar­um, den guten Gott zu bit­ten, daß er jenen sei­ne Hil­fe schenkt, die klein und schwach sind, damit sie sich in der Dun­kel­heit der Nacht nicht ver­lie­ren. Eine Viel­zahl von Bit­ten sei also in die­ser einen Bit­te zusam­men­ge­faßt, und die las­se sich am besten mit den Wor­ten „Und stel­le uns nicht auf die Pro­be“ wiedergeben.

Magi­ster ver­weist dar­auf, daß die von Pater Bova­ti vor­ge­schla­ge­ne Über­set­zung sich auch für den Gesang bes­ser eig­ne, weil sie aus gleich vie­le Sil­ben besteht, wie die bis­he­ri­ge Über­set­zung. Zumin­dest das gilt auch für die Über­tra­gung ins Deutsche.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shot)

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1 La Civi­li­tà Cat­to­li­ca, Nr. 4023, S. 215–227.
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