Simone Veil wird „pantheonisiert“ – der Abtreibung sei Dank


Panthéon
Simone Veil wird pantheonisiert. Sie erhält ein Ehrengrab im Pariser Panthéon und wird damit zu den republikanisch-laizistischen „Altären“ erhoben. In gewisser Hinsicht auch passend, handelt es sich ja ursprünglich um eine katholische Kirche.

(Paris) „Geehrt im Tod, vom Tod, für den Tod“, so Jean­ne Smits. „Es steckt etwas Maka­bres in der repu­bli­ka­ni­schen Insi­stenz, mit der in Frank­reich die sterb­li­chen Über­re­ste ihrer gro­ßen Män­ner, und auch Frau­en, im Tem­pel ohne Aus­gang, in der Sack­gas­se der mensch­li­chen Schick­sa­le ver­sam­melt werden.“

Anzei­ge

Das Pan­the­on in Rom war ein Tem­pel, den Kai­ser Hadri­an auf den Resten eines ähn­li­chen Vor­gän­ger­bau­es für „alle Göt­ter“ des heid­ni­schen Kai­ser­staa­tes errich­ten ließ (πᾶνθεόν ἱερόν, wört­lich: Tem­pel aller Göt­ter).

Simone Veil (1927-2017)
Simo­ne Veil (1927–2017)

Das Pari­ser Pan­thé­on ver­sam­melt die „Göt­ter“ mensch­li­cher Dimension.„Die Kada­ver, jener, die nicht mehr wir­ken kön­nen, weder für sich noch für uns“, so Smits in Rein­for­ma­ti­on zur ange­kün­dig­ten Bei­set­zung von Simo­ne Veil in „die­sem bedeu­ten­den, frei­mau­re­ri­schen Ort“.

Die Über­füh­rung der am 30. Juni 2017 gestor­be­nen Veil ist für den 1. Juli 2018 geplant. Auch die sterb­li­chen Über­re­ste ihres Man­nes Antoine, der bereits 2013 gestor­ben ist, sol­len ins Pan­thé­on gebracht werden.

„Es wird kein Reli­qui­en­kult in Erwar­tung der Auf­er­ste­hung sein, son­dern die Glo­ri­fi­zie­rung von abso­lut Sterb­li­chen, die auf per­fek­te Wei­se unse­re Zeit ver­kör­pern“, so Jean­ne Smits.

Bejubeln des „Genozids an den Franzosen“

Im kom­men­den Juli wird die Pan­the­o­ni­sie­rung, die „Ver­gött­li­chung“ jener Frau statt­fin­den, die durch die Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung in die Geschich­te ein­ge­gan­gen ist und sich dadurch einen Platz im Olymp der Frei­mau­rer gesi­chert hat, so Smits:

„Was für ein hor­ren­des Sym­bol ist doch das Beju­beln einer Frau, die die Türen zum ‚Geno­zid an den Fran­zo­sen‘ (Ber­nard Ant­o­ny) auf­ge­sto­ßen hat.“

Kirche der heiligen Genoveva alias PanthéonDer Jour­na­list und tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­lik Ber­nard Ant­o­ny war 1984–1999 Abge­ord­ne­ter zum Euro­päi­schen Parlament.

„Muß man sich nicht empö­ren über die post­hu­me Beloh­nung, die ein Leben krönt, das von den hohen Sphä­ren der Macht fast ein­hel­lig gefei­ert wur­de, ein Leben, in dem sie zugleich das Opfer eines der schlimm­sten Geno­zi­de der Mensch­heit und zugleich eine Pseu­do-Wohl­tä­te­rin der­sel­ben war, indem sie behaup­te­te, mit einem Todes­ge­setz den Frau­en zu helfen?“

Der Platz für Simo­ne Veil im Pan­thé­on „ist ein Indi­ka­tor für die zeit­ge­nös­si­sche Bos­heit“, so Smits.

Ja, Veil habe „gro­ße Ver­dien­ste um die Kul­tur des Todes. Nolens volens tat sie das Mög­lich­ste, ein Gesetz auf­zu­zwin­gen, mit dem das Bewußt­sein von Gut und Böse aus­ge­löscht wer­den soll. Sie tat es ganz modern unter dem Deck­man­tel des Altru­is­mus, der in Wirk­lich­keit die schlimm­ste Tyran­nei ist.“

Letzt­lich pas­se sie in das Pan­thé­on, Sei­te an Sei­te mit den „gro­ßen Revo­lu­tio­nä­ren“ und mit Gestal­ten „wie Vol­taire und Rous­se­au“, so Jean­ne Smits.

„Im Licht der Ewig­keit betrach­tet, ist es ein Trau­er­spiel. Ihr wird der Kult einer Welt ohne Gott zuteil, die Ehrung einer Anti-Reli­gi­on, die sich von Anbe­ginn gegen Ihn auf­ge­lehnt hat. Wer wird mor­gen im Pan­thé­on an ihrem Grab vor­über­ge­hen und die Barm­her­zig­keit Got­tes für sie und ihren Mann anrufen?“

Es sei „schon eine Iro­nie der fran­zö­si­schen Geschich­te und Kul­tur, daß das Pan­thé­on trotz allem von einem Kreuz über­ragt wird. Ein schö­ner, sym­bo­li­scher Aus­druck, der Anlaß sein soll­te, unse­re dum­me Auf­leh­nung gegen Gott und das Gute, das er für den Men­schen will, zu relativieren“.

Simone Veil

Simo­ne Veil wur­de 1927 als Simo­ne Jacob in Niz­za gebo­ren. Ihr Vater war ein bekann­ter Archi­tekt, die Mut­ter eine Fabri­kan­ten­toch­ter. Die jüdi­sche Fami­lie war „nicht prak­ti­zie­rend“, son­dern „sehr lai­zi­stisch“ gesinnt, wie sie in ihrer Auto­bio­gra­phie schrieb. So soll­te es auch bleiben.

Simo­ne über­leb­te als Jugend­li­che die natio­nal­so­zia­li­sti­sche Juden­ver­fol­gung, der ihre Mut­ter, mit der sie inter­niert war, zum Opfer fiel. Am 30. März 1944 war der Groß­teil der Fami­lie in Niz­za ver­haf­tet wor­den. Die damals 16 Jah­re alte Simo­ne wur­de mit ihrer Mut­ter und einer Schwe­ster Mit­te April nach Ausch­witz depor­tiert. Eine älte­re Schwe­ster, die sich der Resi­stance ange­schlos­sen hat­te, wur­de in ande­rem Kon­text ver­haf­tet und ins KZ Ravens­brück gebracht. Der Vater und der Bru­der wur­den nach Est­land depor­tiert. Von ihnen hat Simo­ne Veil nie mehr etwas gehört. Die Mut­ter starb im März 1945 im KZ Ber­gen-Bel­sen an Typhus. Die drei Töch­ter der Fami­lie Jacob, dar­un­ter Simo­ne, über­leb­ten die KZ-Haft.

Rede zum Abtreibungsgesetz (1974)
Rede zum Abtrei­bungs­ge­setz (1974)

Nach Paris zurück­ge­kehrt lern­te sie nach Kriegs­en­de an der Uni­ver­si­tät ihren spä­te­ren Ehe­mann ken­nen. Sie stu­dier­te Rechts­wis­sen­schaf­ten und schlug die Rich­t­er­lauf­bahn ein. Unter ande­rem war sie als hohe Staats­be­am­tin im Justiz­mi­ni­ste­ri­um für die fran­zö­si­sche Gefäng­nis­ver­wal­tung tätig. 1969 gehör­te sie dem Kabi­nett des Justiz­mi­ni­sters an, wur­de 1970 Gene­ral­se­kre­tä­rin des Ober­sten Rich­ter­ra­tes (CSM) und 1971 Mit­glied des Ver­wal­tungs­ra­tes des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks ORTF. Das war ihr erstes poli­ti­sches Mandat.

Wie ihr Mann stand sie dem libe­ra­len Flü­gel der Volks­re­pu­bli­ka­ni­schen Bewe­gung (MRP) nahe. Der MRP war nomi­nell eine christ­de­mo­kra­ti­sche Par­tei, die den ita­lie­ni­schen Christ­de­mo­kra­ten näher stand als CDU/​CSU. In ihr sam­mel­ten sich auch links­li­be­ra­le Bür­ger­li­che, die sich kei­ner mar­xi­sti­schen Par­tei anschlie­ßen woll­ten. Zu ihnen gehör­te das Ehe­paar Veil.

Wegen des Todes von Staats­prä­si­dent Pom­pi­dou kam es 1974 zu vor­ge­zo­ge­nen Prä­si­dent­schafts­wah­len, die von Valery Gis­card d’Estaing gewon­nen wur­den. Er mach­te Simo­ne Veil noch im sel­ben Jahr zur Gesund­heits­mi­ni­ste­rin im Kabi­nett von Pre­mier­mi­ni­ster Jac­ques Chi­rac. In der ent­schei­den­den Rede vor dem Par­la­ment warb Veil am 26. Novem­ber 1974 für die Annah­me des von ihr vor­ge­leg­ten Abtrei­bungs­ge­set­zes mit den Worten:

„Abtrei­bung muß eine Aus­nah­me blei­ben, die ulti­ma ratio für aus­weg­lo­se Situationen“.

Freimaurer vor dem Panthéon
Frei­mau­rer vor dem Panthéon

Mit der Zustim­mung des Senats trat das Abtrei­bungs­ge­setz im Janu­ar 1975 in Kraft. Ihm sind seit­her min­de­stens 7,7 Mil­lio­nen unge­bo­re­ne Kin­der zum Opfer gefallen.

Obwohl das genaue Gegen­teil von dem ein­trat, was Veil behaup­tet hat­te, indem die Abtrei­bung zum Mas­sen­phä­no­men wur­de und seit­her die schreck­lich­ste Blut­spur in der Geschich­te Frank­reichs hin­ter­läßt, schwieg Simo­ne Veil. Qui tacet, con­sen­ti­re vide­tur.

Veil distan­zier­te sich nie von die­sem Gesetz des Todes. Das ver­schafft ihr nun einen Platz im repu­bli­ka­nisch-lai­zi­sti­schen „Göt­ter­him­mel“. Von den Pro­mo­to­ren ihrer Pan­the­o­ni­sie­rung wur­de als „Ver­dienst“ aus­drück­lich auf das Abtrei­bungs­ge­setz ver­wie­sen. Es bedurf­te auf höch­ster Staats­ebe­ne kei­ner gro­ßen Über­zeu­gungs­ar­beit. Fünf Tage nach ihrem Tod gab Frank­reichs kurz zuvor gewähl­ter Staats­prä­si­dent Emma­nu­el Macron bereits die Über­füh­rung ihres Leich­nams in das Pan­thé­on bekannt.

Antoine Veil

"Republikanischer Altar" ersetzte den Altar der Kirche
„Repu­bli­ka­ni­scher Altar“ ersetz­te den Altar der Kirche

Simo­ne Veils Mann, Antoine Veil, ent­stamm­te einer Indu­stri­el­len­fa­mi­lie. Da eben­falls Jude, ver­brach­te er die Zeit des Zwei­ten Welt­krie­ges mit sei­ner Fami­lie in der Schweiz, wo er die Schu­le fort­setz­te. Nach Frank­reich zurück­ge­kehrt durch­lief er die Kar­rie­re der fran­zö­sisch-repu­bli­ka­ni­schen Staats­eli­te: Aus­bil­dung an der ENA, Klas­se „Albert Tho­mas“.[1]Albert Tho­mas (1878–1932) war ein Ver­tre­ter des fran­zö­si­schen Sozia­lis­mus. 1902 wur­de er Mit­glied der Sozia­li­sti­schen Par­tei Frank­reichs (PSF),1910 Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter, 1915 Staats­se­kre­tär und … Con­ti­n­ue rea­ding Er wur­de hoher Staats­be­am­ter und Kabi­netts­chef ver­schie­de­ner Mini­ster. Mit­te der 60er Jah­re wech­sel­te er an hoch­ran­gi­ger Stel­le in die Pri­vat­in­du­strie (Ree­de­rei­en, Luft­fahrt, Waf­fen­in­du­strie, Nah­ver­kehr). In den 70er und 80er Jah­ren war er MRP-Gemein­de­rat von Paris. Wie auch sei­ne Frau war er über­zeug­ter Lai­zist. Also sol­cher war er unter ande­rem in der Jury des Jean-Zay-Lite­ra­tur­prei­ses aktiv, mit dem Arbei­ten zur Stär­kung des Lai­zis­mus prä­miert wur­den. In beson­de­rer Wei­se för­der­te er zuletzt 2008 das Buch „Bür­ger ohne Gren­zen“ von Sté­pha­ne Hessel.

Simo­ne Veil war Mit­glied der Aca­dé­mie fran­çai­se, ihr Mann Mit­glied der Ehren­le­gi­on. 2010 besuch­te das Ehe­paar gemein­sam das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz-Bir­ken­au, wo Simo­ne Veil mehr als acht Mona­te inter­niert war. Der Zei­tung Paris Match sag­te Antoine Veil:

„Ich woll­te die­sen indu­stri­el­len Schlacht­hof sehen, bevor wir sterben“.

Das Abtrei­bungs­ge­setz sei­ner Frau kri­ti­sier­te er nicht.

Bei­de wur­den auf dem Fried­hof Mont­par­nas­se begra­ben. In weni­gen Mona­ten erfolgt die Umbet­tung ins Panthéon.

Das Panthéon

Der frei­mau­re­ri­sche „Göt­ter­him­mel“ der Répu­bli­que ist offi­zi­ell eine natio­na­le Ruh­mes­hal­le. Sei­ne Geschich­te spie­gelt die Brü­che in der jün­ge­ren Geschich­te Frank­reichs wider.

Panthéon
Pan­thé­on

Wo sich heu­te das Pan­thé­on befin­det, stand seit dem Früh­mit­tel­al­ter eine Kir­che, die den Apo­stel­für­sten Petrus und Pau­lus geweiht war. Dort hat­te die hei­li­ge Geno­ve­va (um 422–502) ein Klo­ster errich­tet. Sie soll zur Bekeh­rung des frän­ki­schen Mero­win­ger­kö­nigs Chlod­wig I. bei­getra­gen haben. Nach ihrem Tod wur­de sie zur Schutz­pa­tro­nin von Paris. Chlod­wig ließ sich 511 nach einem Tod an der Sei­te der Hei­li­gen begra­ben, eben­so sei­ne Frau Chro­de­hild. Im 9. Jahr­hun­dert wur­de die Kir­che zu Ehren der Hei­li­gen in Sain­te Gene­vie­ve umbe­nannt. Was aus dem früh­mit­tel­al­ter­li­chen Klo­ster wur­de, ist nicht genau bekannt. Sicher ist, daß Abt Suger von Saint-Denis 1148 an der Kir­che ein Augu­sti­ner-Chor­her­ren­stift errich­te­te. Kurz dar­auf wur­de 1180 die alte Kir­che durch einen goti­schen Neu­bau ersetzt.

Das Chor­her­ren­stift wur­de zum Mut­ter­klo­ster aller fran­zö­si­schen Klö­ster der soge­nann­ten Geno­ve­via­ner-Kano­ni­ker. Im 17. Jahr­hun­dert kamen Plä­ne auf, die goti­sche Stifts­kir­che durch eine Kir­che im Stil Lud­wigs XIV. zu erset­zen. Die Ent­schei­dung zog sich bis 1744 hin, als König Lud­wig XV., der in Metz schwer erkrankt war, das Gelüb­de ableg­te, im Fal­le sei­ner Gene­sung auf dem Hügel der hei­li­gen Geno­ve­va in Paris eine neue Kir­che zu errich­ten, wie es die dor­ti­gen Chor­her­ren wollten.

1764 erfolg­te die Grund­stein­le­gung durch den König. Der Kir­chen­neu­bau wur­de im Stil des Klas­si­zis­mus aus­ge­führt. Der Grund­riß in Form eines grie­chi­schen Kreu­zes erin­ner­te an ost­kirch­li­che Tra­di­tio­nen. Das äuße­re Erschei­nungs­bild soll­te sich jedoch an der römi­schen Anti­ke ori­en­tie­ren. Das Pan­the­on in Rom dien­te als Vorbild.

Mit der Fertigstellung brach die Revolution aus

Grab Voltaires
Grab Vol­taires

Als die Kir­che nach 25jähriger Bau­zeit fer­tig­ge­stellt wur­de, war die Revo­lu­ti­on aus­ge­bro­chen. Am 4. April 1791 beschloß die ver­fas­sungs­ge­ben­de Ver­samm­lung im Zuge einer Ad-hoc-Gesetz­ge­bung, die Chor­her­ren zu ent­eig­nen. Wört­lich ent­schied die Ver­samm­lung, die noch nicht geweih­te Kir­che der hei­li­gen Geno­ve­va in ein „Pan­thé­on der gro­ßen Män­ner“ umzu­wan­deln. Anlaß war der Tod des ein­fluß­rei­chen Revo­lu­ti­ons­füh­rers Hono­ré-Gabri­el Rique­ti Graf de Mira­beau, der zwei Tage zuvor gestor­ben war. In einem fei­er­li­chen Staats­be­gräb­nis wur­de sein Leich­nam als erster „Gro­ßer“ im Pan­thé­on, der Ruh­mes­hal­le der neu­en Revo­lu­ti­ons­ära, bei­gesetzt. Schon 1793 wur­de er aller­dings als „unwür­dig“ von dort wie­der ent­fernt, weil ande­re Revo­lu­tio­nä­re behaup­te­ten, er habe vor sei­nem Tod Kon­takt zu König Lud­wig XVI. gehabt.

Im Juli 1791 wur­den die sterb­li­chen Über­re­ste Vol­taires ins Pan­thé­on über­führt, den die Revo­lu­tio­nä­re als gei­sti­gen Vater verehrten.

Alle reli­giö­sen Sym­bo­le in und am Gebäu­de wur­den besei­tigt. Das gro­ße, ver­gol­de­te Bron­ze­kreuz auf der mäch­ti­gen Kup­pe wur­de ent­fernt und durch eine Frau­en­fi­gur mit Posau­ne ersetzt. Statt reli­giö­ser Dar­stel­lun­gen wur­den reli­gi­ons­feind­li­che Moti­ve ange­bracht. Die Mon­ar­chie wur­de mit Des­po­tie und die Reli­gi­on mit Aber­glau­be gleich­ge­setzt. Ein Flach­re­li­ef zeig­te die „Erklä­rung der Men­schen­rech­te“ und die drei Göt­tin­nen Frei­heit, Gleich­heit und Brüderlichkeit.

Napo­le­on I. ord­ne­te 1806 an, daß die Kir­che geweiht und den ursprüng­li­chen Namen Sain­te Gene­vie­ve zurück­er­hal­ten soll­te. Die gro­ße Kryp­ta soll­te als Grab­le­ge ver­dien­ter Per­sön­lich­kei­ten, die Kir­che aber dem katho­li­schen Kul­tus im Rah­men der Staats­ze­re­mo­nien dienen.

Im Zuge der Restau­ra­ti­on wur­de 1816 der Revo­lu­ti­ons­spuk ganz besei­tigt. Oder zumin­dest fast. Sain­te Gene­vie­ve blieb Bestat­tungs­ort berühm­ter Gestal­ten, die Kir­che soll­te aber ein­zig und allein katho­li­sches Got­tes­haus sein, wes­halb alle reli­gi­ons­frem­den Sym­bo­le und Inschrif­ten der Revo­lu­ti­on ent­fernt wur­den. Auch die Frau­en­fi­gur auf der Kup­pel wur­de wie­der durch ein Kreuz ersetzt.

Die bis dahin in der Kryp­ta Bestat­te­ten, blie­ben dort. Das galt auch, ein Para­dox, für den Kir­chen­feind Vol­taire, der nun in einer Kir­che begra­ben lag. Auf die Fra­ge, was mit Vol­taires Grab gesche­hen soll­te, habe König Lud­wig XVIII. geant­wor­tet: „Laßt nur. Er ist gestraft genug, jeden Tag die Mes­se hören zu müssen“.

„Tempel der Menschheit“

Die Revo­lu­ti­on von 1830 ent­lud erneut ihren Zorn gegen die Kir­che. Auch Sain­te Gene­vie­ve wur­de pro­fa­niert und in einen „Tem­pel des Ruh­mes“ umge­wan­delt. Das Kreuz auf der Kup­pel wur­de durch eine fran­zö­si­sche Fah­ne ersetzt. Pan­the­o­ni­siert, wie in Frank­reich die Bei­set­zung im Pan­thé­on, und damit deren lai­zi­sti­sche „Hei­lig­spre­chung“ genannt wird, wur­de jedoch nie­mand mehr.

Die Revo­lu­ti­on von 1848 mach­te den „Tem­pel des Ruh­mes“ zu einem „Tem­pel der Menschheit“.

Im März 1851 brach­te Léon Fou­cault im ein­sti­gen Kir­chen­schiff das nach ihm benann­te Fou­cault­sche Pen­del an, mit dem er die Erd­ro­ta­ti­on nach­wei­sen konn­te. Empi­ri­sche Wis­sen­schaft gegen Aber­glau­be, höhn­ten die Revolutionäre.

Weni­ge Mona­te spä­ter wur­de mit dem Regie­rungs­an­tritt von Napo­le­on III. aus dem „Tem­pel der Mensch­heit“ wie­der eine Kir­che. Auf die Kup­pel kehr­te das Kreuz zurück. Am 3. Janu­ar 1852 wur­de die Kir­che neu geweiht und wie­der die Hei­li­ge Mes­se zelebriert.

Nicht auf­ge­ho­ben wur­de die Anord­nung von Bür­ger­kö­nig Lou­is Phil­ip­pe, daß Sain­te Gene­vie­ve Begräb­nis­ort berühm­ter Per­sön­lich­kei­ten sein soll­te, wie es die Revo­lu­ti­on 1791 beschlos­sen hat­te. Da es das Chor­her­ren­stift nicht mehr gab, und auch kei­ne Pfar­rei an der Kir­che bestand, wur­de von Napo­le­on III. eine Art Kol­le­gi­ats­stift mit sie­ben Prie­stern errich­tet, die für Frank­reich und die dort Begra­be­nen beten sollten.

Vic­tor Hugo spot­te­te in „Napo­le­on der Klei­ne“ dar­über. Spä­ter wur­de er selbst pan­the­o­ni­siert.

Die Kryp­ta hat unge­wöhn­lich gro­ße Dimen­sio­nen. Sie umfaßt nicht nur den Teil unter dem Pres­by­te­ri­um, son­dern die gesam­te Grund­flä­che des Gebäu­des. In einem aus­ge­dehn­ten Gang­sy­stem befin­den sich zahl­rei­che Kapel­len, in denen die „Gro­ßen Frank­reichs“ bestat­tet und als „Hei­li­ge“ der Repu­blik ver­ehrt werden.

Rote Fahne statt Kreuz

Auf den Sturz Napo­le­ons III. folg­te 1871 die Schreckens­herr­schaft der Pari­ser Kom­mu­ne. Die Kom­mu­ni­sten schnit­ten dem Quer­bal­ken des Kup­pel­kreu­zes die Arme ab und hiß­ten dar­an eine rote Fah­ne. Die Kir­che wur­de geschän­det und zu einem Waf­fen­la­ger umfunk­tio­niert. In den Mai-Kämp­fen dien­te das Pan­thé­on den Revo­lu­tio­nä­ren sin­ni­ger­wei­se als Haupt­quar­tier und letz­te Bastion.

Pantheonisierung (2015)
Pan­the­o­ni­sie­rung (2015)

Als die­se erste kom­mu­ni­sti­sche Dik­ta­tur der Welt­ge­schich­te nie­der­ge­schla­gen war, blieb es vor­erst ruhig. Vorerst.

1873 wur­de das Kreuz auf der Kup­pel erneu­ert, die­ses Mal nicht mehr ver­gol­det, son­dern als Stein­kreuz. Und so befin­det es sich noch immer dort. Es wur­de ein Mosa­ik- und Fres­ken­zy­klus in Auf­trag gege­ben, der die Geschich­te Frank­reichs glo­ri­fi­zie­ren soll­te. Den Beginn bil­de­ten die Tau­fe Chlod­wigs und die Dar­stel­lung der hei­li­gen Genoveva.

Als die Repu­bli­ka­ner an die Macht zurück­kehr­ten änder­ten sie zwar nicht den Zyklus, lie­ßen den zen­tra­len Figu­ren aber die Gesichts­zü­ge füh­ren­der Repu­bli­ka­ner und Kir­chen­geg­ner geben.

Der Tod Vic­tor Hugos, der über die Wie­der­her­stel­lung als Kir­che gespot­tet hat­te, war Anlaß für die erneu­te Pro­fa­nie­rung. Nach einer hit­zi­gen Debat­te erhielt Hugo 1885 ein Ehren­grab in der Kryp­ta. Damit ende­te der katho­li­sche Kul­tus endgültig.

Die Vor­aus­set­zun­gen hat­te bereits ein Beschluß von 1881 geschaf­fen, mit dem der Erlaß von 1791 wie­der in Kraft gesetzt und die Umbe­nen­nung in Pan­thé­on beschlos­sen wur­de. Anläß­lich der Bei­set­zung Hugos war die Orgel der gewe­se­nen Kir­che ein letz­tes Mal zu hören. Das Instru­ment war den Kir­chen­geg­nern zu katho­lisch, wes­halb sie die Orgel 1891 aus dem Gebäu­de ent­fer­nen ließen.

Laizistische „Kanonisierung“

Pantheonisierung unter Hollande (2015)
Pan­the­o­ni­sie­rung unter Hol­lan­de (2015)

1913 wur­de beschlos­sen, dort, wo gemäß dem ori­gi­na­len Kir­chen­pro­jekt von 1744 der Altar stand, einen „repu­bli­ka­ni­schen Altar“ zu errich­ten, was 1920 „zu Ehren der Natio­nal­ver­samm­lung“ ver­wirk­licht wurde.

1995 wur­de das Fou­cault­sche Pen­del wiederhergestellt.

Der­zeit gibt es 77 Ehren­grä­ber im Panthéon.

Um „die Men­schen ins Pan­thé­on zu brin­gen“ und es stär­ker „im repu­bli­ka­ni­schen Leben“ zu nüt­zen, fin­den dar­in seit dem Juli 2017 Ein­bür­ge­rungs­ze­re­mo­nien statt. Am 6. Juli 2017 wur­den „neu­en Fran­zo­sen“ aus 60 Staa­ten die fran­zö­si­sche Staats­bür­ger­schaft ver­lie­hen, am 10. Novem­ber 2017 aus 40 Staaten.

Das Pan­thé­on ist, wie die beweg­te Geschich­te zeigt, nicht Aus­druck des gan­zen fran­zö­si­schen Vol­kes. Die Bestat­tun­gen im „repu­bli­ka­ni­schen Tem­pel“ tra­gen einen gewis­sen Stem­pel. Die Aus­wahl der Pan­the­o­ni­sier­ten ent­spricht, um einen Ver­gleich anzu­stel­len, in etwa der­sel­ben Aus­rich­tung wie die Aus­wahl der Lite­ra­tur- und Friedensnobelpreisträger.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Reinformation/​Corrispondenza Roma­na (Screen­shots)

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1 Albert Tho­mas (1878–1932) war ein Ver­tre­ter des fran­zö­si­schen Sozia­lis­mus. 1902 wur­de er Mit­glied der Sozia­li­sti­schen Par­tei Frank­reichs (PSF),1910 Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter, 1915 Staats­se­kre­tär und ab 1916 Mini­ster für Bewaff­nung, Kriegs­pro­duk­ti­on und Muni­ti­ons­her­stel­lung. Er war Frei­mau­rer des 33. Gra­des des Schot­ti­schen Ritus.
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1 Kommentar

  1. Aber irgend­wie ist es doch pas­send, dass die Abtrei­bungs­be­für­wor­te­rin Simo­ne Weil, die als Holo­caust-Über­le­ben­de, mit ihrem 1975 ver­ab­schie­de­ten Gesetz bei rund 200.000 Abtrei­bun­gen jähr­lich, schon am 30-jäh­ri­gen Jubi­lä­um 2005 6 Mil­lio­nen Men­schen­le­ben ver­nich­tet hat, ihre letz­te Ruhe­stät­te in einer ent­weih­ten Kir­che gefun­den hat!

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