Schismagefahr: „Es ist nicht normal, was derzeit in der Kirche passiert“


Schismagefahr
„Ausreden für einen Krieg“. Die Lage der Kirche ist ernster als es die päpstlichen Kommunikationsspezialisten glauben machen wollen. Dafür spricht ein Kommentar des Priesters Santiago Martin.

(Rom) Kar­di­nal Oscar Rodri­guez Mara­dia­ga befin­det sich der­zeit in Rom. Dort tagt der C9-Kar­di­nals­rat, der Papst Fran­zis­kus bei der Reform der Römi­schen Kurie und in der Lei­tung der Welt­kir­che bera­ten soll. Was gestern in sei­ner Hei­mat ver­öf­fent­licht wur­de, wird den Kar­di­nal aller­dings nicht begei­stern. Ent­ge­gen der vati­ka­ni­schen Sprach­re­ge­lung ver­öf­fent­lich­te der bekann­te spa­ni­sche Prie­ster Sant­ia­go Mar­tin einen Kom­men­tar, in dem er vor einer Schis­ma­ge­fahr warnt.

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Kar­di­nal Mara­dia­ga aus Hon­du­ras, Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa, ist Koor­di­na­tor des C9-Rates, der noch heu­te und mor­gen in Rom tagt. Mit gro­ßem Eifer tritt er als eine Art „Vize-Papst“ auf und gehört zu den unge­hal­ten­sten Ver­fech­tern von Amo­ris lae­ti­tia. Mit einem im ver­gan­ge­nen Jahr ver­öf­fent­lich­ten Gesprächs­buch begab er sich bereits in die Start­lö­cher für die Fran­zis­kus-Nach­fol­ge. Kurz vor Weih­nach­ten kam es zu einem Rück­schlag, weil Finanz­vor­wür­fe gegen ihn und sei­nen Weih­bi­schof erho­ben wur­den. Papst Fran­zis­kus steht jedoch hin­ter sei­nem Ver­trau­ten und stärk­te ihm den Rücken.

In der hon­du­ra­ni­schen Haupt­stadt, also im Erz­bis­tum des Kar­di­nals, erschien in der gest­ri­gen Aus­ga­be der Tages­zei­tung La Pren­sa ein Kom­men­tar des spa­ni­schen Prie­sters Sant­ia­go Mar­tin „Aus­re­den für einen Krieg“. La Pren­sa ist die auf­la­gen­stärk­ste Tages­zei­tung des mit­tel­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des. Ihre Inter­net­platt­form, wo der Kom­men­tar eben­falls ver­öf­fent­licht wur­de, ist die am mei­sten besuchte.

Sant­ia­go Mar­tin ist der Grün­der der Fran­zis­ka­ner Mari­ens, einer inter­na­tio­na­len, päpst­lich aner­kann­ten Lai­en­ver­ei­ni­gung mit mehr als 10.000 Mit­glie­dern, die vor allem in der spa­nisch­spra­chi­gen Welt ver­an­kert ist. Der Spa­ni­er ist ein Mann der kla­ren Spra­che. Ende Janu­ar kri­ti­sier­te er auf Magni­fi­cat.tv, dem Online-Kanal sei­ner Gemein­schaft, daß eini­ge in der Kir­che nun über die Zöli­bats­ab­schaf­fung spre­chen wol­len. Damit, so Sant­ia­go Mar­tin, wer­de wei­te­re „Span­nung und Zwie­tracht“ in die Kir­che getra­gen, obwohl dies bereits durch Amo­ris lae­ti­tia der Fall ist.

In der hon­du­ra­ni­schen Tages­zei­tung schrieb der Prie­ster gestern eine Kolum­ne die einen Ernst der Lage erken­nen läßt, der ganz anders klingt, als der Ton­fall, den die vati­ka­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­spe­zia­li­sten ver­wen­den. Der im Titel ver­wen­de­te „Krieg“ bezieht sich auf Kon­flik­te, die in der Kir­che pro­vo­ziert würden:

„Es ist nicht nor­mal, daß auf der Inter­net­sei­te der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben ein Arti­kel ver­öf­fent­licht wird, in dem gesagt wird, daß die Ver­wen­dung der Ver­hü­tungs­pil­le erlaubt sein muß, wäh­rend eine star­ke Grup­pe von Katho­li­ken, die vom Islam kon­ver­tiert sind, dem Papst einen har­ten Brief schrei­ben, in dem sie sagen, sich von der Kir­che im Stich gelas­sen zu fühlen.“

Die­se gegen­sätz­li­chen Ent­wick­lun­gen sei­en sehr bedenk­lich. Erste­re „pro­vo­ziert oder ver­mit­telt zumin­dest den Ein­druck, als gin­ge die Zeit der Refor­men ihrem Ende zu, wes­halb nun die Theo­rie der voll­ende­ten Tat­sa­chen zum Ein­satz kom­men soll“. Letz­te­re deu­tet an, daß genau jene, wel­che „die Treue zum Wort Got­tes und die Tra­di­ti­on ver­tei­di­gen, die Kir­che ver­las­sen“ könn­ten „und es zu einem Schis­ma kommt“. Im schlimm­sten Fall sei­en bei­de gegen­sätz­li­chen Ent­wick­lun­gen gleich­zei­tig im Gange.

„Am Anfang, als sie mit der Debat­te über die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen begon­nen haben, sprach man von der Mög­lich­keit eines Schis­mas, falls es dazu kom­men soll­te. Nun hat sie Amo­ris lae­ti­tia mit einer sol­chen Zwei­deu­tig­keit gewährt, daß man es auf die eine oder die ande­re Wei­se inter­pre­tie­ren kann. Obwohl die­se Ver­wir­rung noch immer unge­löst ist, ist sie bereits neu­en gewi­chen, wie ich zitiert habe.
Es sind zu vie­le und in zu schnel­ler Abfol­ge. Es gibt zuviel Beschleu­ni­gung, was nur dann vor­kommt, wenn der Len­ker nicht mehr die Kon­trol­le hat, oder wenn das Auto von der Stra­ße abkom­men soll, um gegen einen Baum gefah­ren zu werden.
Ich weiß nicht, ob man anwen­den kann, was Shake­speare es sagt, daß etwas faul ist im Staa­te Däne­mark, aber nor­mal ist das jeden­falls nicht.
Ich weiß auch nicht, war­um das so ist, aber ich bin mir sicher, daß jemand es weiß, und damit mei­ne ich nicht Gott, der natür­lich alles weiß.
Jetzt heißt es, beten und ruhig bleiben.
Denn das Schis­ma ist die schlech­te­ste aller Lösungen.“

Das Schis­ma sei „unter ande­rem“ des­halb die „schlech­te­ste Lösung“, so P. Sant­ia­go Mar­tin, weil man­che viel­leicht nur dar­auf war­ten, indem sie „den treu­en Wach­hund schla­gen, um ihn wütend zu machen, und um dann behaup­ten zu kön­nen, er sei gemein­ge­fähr­lich“. Mit ande­ren Wor­ten: Zu einem Schis­ma kann es kom­men, weil eine Grup­pe aktiv ein sol­ches anstre­ben. Es kann aber auch dazu kom­men, weil eine Grup­pe eine ande­re hin­aus­drän­gen will.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Pren­sa (Screen­shot)

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